| Titel: | Beitrag zur nähern Kenntniß des Indigo. | 
| Fundstelle: | Band 3, Jahrgang 1820, Nr. XLV., S. 351 | 
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                        XLV.
                        Beitrag zur nähern Kenntniß des Indigo.
                         Von Th. Thomson. 
                        Aus Thomsons  Annals of Philosophi. June 1820.
                        Thomsons Beitrag zur nähern Kenntniß des Indigo.
                        
                     
                        
                           Der gewoͤhnliche Indigo ist so wenig rein, daß man beinahe die Haͤlfte
                              des Gewichtes auf beigemischte fremde Stoffe rechnen kann. Ich bemuͤhte mich
                              denselben durch Sublimiren in reinem Zustande zu erhalten; mußte aber nach
                              mannigfaltigen Versuchen
                              Verzicht darauf thun; denn immer, fand sich, der sorgsamsten Regulirung des
                              Waͤrmegrades ungeachtet, bei der Temperatur des Sublimirens der
                              groͤßere Theil des Indigo bereits zerstoͤrt. Doch gelang es mir, durch
                              die Sublimation etwas wenig reinen Indigo zu gewinnen, welchen ich der Analyse
                              Unterwarf, indem ich ihn mit Kupferoxydul bis zur Gluͤhhize erwaͤrmte.
                              Allein mein Indigovorrath war erschoͤpft, ehe ich nur genuͤgende
                              Kenntniß in Hinsicht auf die Verhaͤltnisse der verschiedenen konstituirenden
                              Theile zu verschaffen im Stande war, ich machte mich deßwegen an die
                              Indigokuͤpe, wie sie die Kalikodrucker fuͤhren, und verschaffte mir da
                              soviel reinen Indigo, als nur immer moͤglich war. In der Indigokuͤpe,
                              wie man sie bei Kalikodruckern und Faͤrbern findet, verliert der Indigo
                              mittelst des schwefelsauren Eisenoxydul seine blaue Farbe, und wird in Wasser durch
                              Kali oder Kalk geloͤßt. Die Aufloͤsung selbst ist gruͤnlich
                              gelb; auch wenn Kalk als Aufloͤsungsmittel angewendet wurde, stellte sich
                              doch bei meinen verschiedenen Versuchen die Quantitaͤt nicht dar, selbst im
                              Falle, daß ich davon mehr nahm, als das Kalkwasser aufloͤsten konnte. Man
                              nehme eine Glasflasche, und bringe sie ziemlich tief in die Indigokuͤpe, und
                              fuͤlle sie mit der klaren Fluͤssigkeit. Schuͤttet man das
                              Fluͤssige aus der Glasflasche in freier Luft in ein anderes Gefaͤß, so
                              absorbirt der Indigo auf der Stelle Sauerstoff, erhaͤlt seine blaue Farbe
                              wieder, und wird im Wasser unaufloͤslich. Indem ich das blaue Pigment,
                              welches auf solche Art gewonnen worden, in verduͤnnter Salzsaͤure
                              digerirte, entfernte ich den kohlensauren Kalk gaͤnzlich, welcher damit
                              vermischt seyn mochte, und selbst das Eisen, wenn etwa solches vorhanden war. Das
                              zuruͤckbleibende blaue Pulver sah ich fuͤr reinen Indigo am Durch
                              wiederholte Versuche mit Kupferoxydul uͤberzeugte ich mich, daß die
                              Grundstoffe des Indigo Folgende seyen:
                           
                           
                              
                                 7
                                 Atom
                                 Kohlenstoff
                                 =
                                   5 · 25
                                 
                              
                                 6
                                    –
                                 Sauerstoff
                                 =
                                   6 · 00
                                 
                              
                                 1
                                    –
                                 Stickstoff
                                 =
                                   1 · 75
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 13 · 00
                                 
                              
                           Daß also das Ganze aus drei verschiedenen Grundstoffen bestehe, und eine Mischung von
                              14 Urstofftheilchen sey. Das Gewicht eines integrirenden Theiles desselben ist
                              13.
                           Aus dieser Analyse ergiebt sich, daß der Indigo eine bedeutende Proportion Sauerstoff
                              hat; denn die Bestandtheile sind bei hundert Theilen Folgende:
                           
                              
                                 Sauerstoff
                                   46 ·   154
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   40 ·   384
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   13 · 4620
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100 ·   000
                                 
                              
                           Wird der Indigo in Kalien oder kalischen Erden aufgeloͤßt, so verliert er
                              immer seine blaue Farbe, und wird gruͤnlich gelb. Im Augenblike, wo diese
                              Aufloͤsung der Luft ausgesezt wird, oder dem Sauerstoffgase, erlangt er die
                              blaue Farbe wieder, und faͤllt als unaufloͤsliches blaues Pulver zu
                              Boden. Daraus ist klar, daß derselbe seine blaue Farbe durch das Absorbiren des
                              Sauerstoffes erlange, und daß folglich das blaue Pigment mehr Sauerstoff
                              enthaͤlt als das gruͤnlich gelbe. Ich suchte durch Versuche
                              auszumitteln, wie viel Indigo in einem bestimmten Gewichte der gruͤnlich
                              gelben Aufloͤsung von der Indigokuͤpe vorhanden sey. Eine bestimmte
                              Quantitaͤt der Fluͤssigkeit wurde in ein mit Graden bezeichnetes
                              Glasrohr gebracht, welches mit Quecksilber gefuͤllt war, und uͤber dem
                              Quecksilbergefaͤß stund. Hierauf geschahe eben dieß mit einer bestimmten
                              Anzahl Kubikzoll Sauerstoffgas in dem naͤmlichen Rohr; das Rohr wurde nun
                              umgewendet, und blieb uͤber dem Quecksilber so lange, bis der ganze Indigo im
                              Zustande eines blauen Pigmentes präzipirt war, und das Sauerstoffgas aufhoͤrte an Masse
                              abzunehmen. Der Verlust, welchen der Sauerstoff an Masse erlitt, zusammen genommen
                              mit dem bekannten Gewichte des vorhandenen Indig, sezte mich in den Stand zu
                              bestimmen, wie viel Sauerstoff erforderlich ist, um das
                              gruͤnlich-gelbe fluͤssige Pigment in blauen
                              unaufloͤslichen Indig umzuwandeln. Das Resultat von drei auf die beschriebene
                              Weise gemachten Versuchen war Folgendes:
                           Indigo im Zustande eines gruͤnlich gelben fluͤssigen Pigmentes, oder
                              die aufloͤsliche Indigo-Basis, wie man es nennt, bestehet aus
                           
                              
                                 5
                                 Atom
                                 Sauerstoff
                                   5 · 00
                                 
                              
                                 7
                                    –
                                 Kohlenstoff
                                   5 · 25
                                 
                              
                                 1
                                    –
                                 Stickstoff
                                   1 · 75
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 12 · 00
                                 
                              
                           Das Kompositum hat also 13 Urstofftheile, und das Gewicht eines der integrirenden
                              Theile ist 12. Der Zutritt eines einzigen Atoms Sauerstoff macht die Farbe blau und
                              das Pigment unaufloͤsbar. Somit erhellet, daß das blaue Pigment sich von der
                              gruͤnlich-gelben unaufloͤslichen Basis lediglich durch den
                              Gehalt eines weitern Atoms Sauerstoff unterscheide.
                           Es widerlegt daher der Indigo unwidersprechlich die alte Meinung, daß die
                              Saͤure blos von der Verbindung des Sauerstoffes mit einer
                              saͤurefaͤhigen Basis herruͤhren koͤnne. Das blaue
                              Pigment ist in Schwefelsaͤure aufloͤslich, und kann bei dem
                              Wiedergewinnen desselben durch Praͤzipitation in verschiedenen andern
                              Saͤuren aufgeloͤst werden; aber keine alkalische Substanz laͤßt
                              sich meinen Versuchen zufolge damit verbinden. Hieraus folget, daß dasselbe
                              alkalische Eigenschaften besize, oder doch mehr der Natur einer der Salzbildung
                              faͤhigen Basis (salifiable base) als einer
                              Saͤure sich naͤhere. Entzieht man dagegen ein Sauerstoff Atom mittelst
                              schwefelsauren
                              Eisenoxydul, oder einer Substanz, welche eine starke Affinitaͤt fuͤr
                              Sauerstoff hat, so erhaͤlt es eine gruͤnlich gelbe Farbe, und wird
                              faͤhig, sich mit Alkalien zu verbinden, auch mit Kalk, Baryt, und Strontian,
                              und vielleicht auch mit andern der Salzbildung faͤhigen Basen. Somit hat es
                              die Saͤure-Eigenschaften erlangt, oder naͤhert sich wenigstens
                              der Natur einer Saͤure weit mehr als es der Fall war, solange es im Zustande
                              eines blauen Pigmentes sich befand. Das Hinzukommen von Sauerstoff giebt dem Indigo
                              alkalische Qualitaͤten, und eine Entziehung von Sauerstoff gewaͤhrt
                              ihm die Saͤure-Eigenschaften.
                           Wollte Jemand diese Versuche wiederholen, so muͤßte derselbe Acht haben auf
                              eine harzige Substanz, welche, wenn auch nicht immer, doch oft im Indig vorhanden
                              ist. Ich habe gefunden, daß sich dieselbe damit in Kalien und Kalkwasser
                              aufloͤset, und so den von der Indigkuͤpe gewonnenen reinen Indig
                              verunreiniget. Lange hat mich dessen Vorhandenseyn getaͤuscht, und mich zu
                              der Meinung verleitet, daß Wasserstoff ein Bestandtheil des Indigo sey. Es kann aber
                              diese harzige Substanz leicht entfernt werden, wenn man den von der
                              Indigokuͤpe erlangten Indigo in einer zureichenden Quantitaͤt Alkohol
                              digerirt.