| Titel: | Ueber das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst der liquiden oxydirten Salzsäure (Chlorine) von W. H. v. Kurrer, nebst Beschreibung eines hiezu erforderlichen Apparats zur Entwickelung der Chlorine vom Herausgeber. | 
| Autor: | Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 3, Jahrgang 1820, Nr. LV., S. 395 | 
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                        LV.
                        Ueber das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst der liquiden oxydirten Salzsäure (Chlorine) von W. H. v. Kurrer, nebst Beschreibung eines hiezu erforderlichen Apparats zur Entwickelung der Chlorine vom Herausgeber.
                        Mit Abbildungen auf Tab. XVII.
                        v. Kurrer und Dingler über das Bleichen vegetabilischer Stoffe mittelst Chlorine.
                        
                     
                        
                           Einleitung.
                           Unter Bleichen versteht man die Kunst, vegetabilische Gewebe und andere Stoffe,
                              welche aus dem Schoße der Erde kommen, zu entfaͤrben, und ihnen ihre
                              eigenthuͤmliche Farbe zu nehmen, so daß sie dem Auge voͤllig weiß
                              erscheinen, und das Licht der Sonne unentmischt (Farbenlos) reflektiren.
                           Die Bleichkunst, welche schon von den aͤltesten Nationen mit alkalischen
                              Salzen und Thonverbindungen; und durch Auslegen auf den Rasen betrieben wurde, blieb
                              bis zur Entdeckung und Anwendung der Chlorine ein empyrisch-mechanisches, und
                              fast ganz wissenschaftslosen Menschen uͤberlassenes Geschaͤft. Es ist
                              Berthollet' s folgenreiche Entdeckung, mit der
                              oxydirten Salzsaͤure vegetabilische Substanzen jeder Gattung schnell und
                              schoͤn weiß zu bleichen; wodurch jene Operation zu einem Zweige technischer
                              Wissenschaft emporgehoben wurde; indem sie scharfsinnige Chemiker und forschende
                              Kuͤnstler veranlaßte, sich mit rastlosem Eifer dem Bleichgeschaͤfte zu
                              unterziehen.
                           Bald verbreitete sich Berthollet's Entdeckung durch alle Theile von Europa, und es
                              entstanden nun, vorzuͤglich in Frankreich und Großbrittanien,
                              Bleichetablissements nach dieser neuen Methode, mit mehr oder weniger
                              gluͤcklichem Erfolg. Wo unterrichtete Maͤnner die Sache leiteten, da
                              ließen die Resultate nichts zu wuͤnschen uͤbrig. Auch in Deutschland
                              saͤumte man nicht das Berthollet'sche Verfahren sogleich nach desselben
                              Bekanntwerdung einzufuͤhren, und man suchte es moͤglichst zu
                              vervollkommnen.
                           Da man einmal mit der bleichenden Wirkung der liquiden Chlorine vertraut war, so war
                              auch die Bahn zu andern Versuchen gebrochen, und es gelang dem Bestreben
                              sachkundiger Maͤnner die Verbindungen der Chlorine mit andern Substraten als
                              brauchbar fuͤr jenes Geschaͤft zu substituiren. So entstand die Tennantsche Bleichmethode mittelst Chlorinkalk, und das
                              Verfahren der Bleicher zu Javelle durch Chlorinkali;
                              nicht zu gedenken der Verbindungen mit andern Erden und Kalien, welche allesammt
                              mehr oder weniger bleichende Kraft besizen. Von Born und
                              Westrumb
                              bewiesen die
                              Moͤglichkeit, mittelst der Chlorindaͤmpfe zu bleichen; es wird jedoch
                              dieses Verfahren seiner Unzulaͤnglichkeit und der Gefahr fuͤr die
                              Gesundheit wegen, wohl nie Aufnahme findenVor acht Jahren sahen wir in der Schweiz solche Dampffoͤrmige
                                    Bleichvorrichtungen; ob aber das Bleichgeschaͤft auf diesem Wege mit
                                    gluͤcklichem Erfolge betrieben wurde, koͤnnen wir nicht
                                    behaupten. Eine zweckmaͤsigere Vorrichtung um mit gasfoͤrmiger
                                    Chlorine, welche durch Wasserdaͤmpfe verbreitet wird, hat uns Hr.
                                    Sieber in Dinglers neuem Journal fuͤr Druck-
                                    Faͤrbe- und Bleichkunst im 4 B. nebst den Abbildungen der
                                    erforderlichen Apparate mitgetheilt..
                           Einige Jahre nach Berthollet's Entdeckung machte Chaptal eine andere, mit
                              verjaͤhrten Vorurtheilen streitende, naͤmlich die in verschlossenen
                              Raͤumen mit aͤzend-alkalischen
                                 Wasserdaͤmpfen alle Pflanzenfasern mit erstaunender Schnelligkeit
                              und einem auffallend guten Erfolge zu bleichen.
                           Nicht lange darauf lehrte der Irlaͤnder Higgins die geschwefelte Kalkerde,
                              statt der Pottasche oder des Natrons, beim Bleichen vegetabilischer Gewebe
                              benuzen.
                           Diese schnell sich an einander reihenden Entdeckungen hatten die Folge, daß
                              Maͤnner von Talent sich mit der Vereinfachung der verschiedenen
                              Verfahrungsarten, so wie mit der Construktion der hiezu noͤthigen
                              zweckmaͤsigen Apparate beschaͤftigten. Pajor de Charmes, Fourcroy,
                              Decroizilles, Tennant, Tenner, Rupp, O'Neilly, v. Born, Westrumb,
                              Hermbstaͤdt, und in neuerer Zeit mehrere technische Chemiker, haben sich
                              ausgezeichnete Verdienste um die Bleichkunst erworben, und sie zu dem Grade der
                              Hoͤhe gebracht, auf welchem wir sie gegenwaͤrtig erblicken.
                           So viel auch gegen das Bleichen mittelst liquider Chlorine geschrieben und gesagt
                              worden ist, so haben doch zahlreiche Versuche im Großen bewiesen,
                              daß dieses Verfahren, verbunden mit gehoͤriger Kenntniß und streng
                              beobachteter Ordnung in Leitung desselben, immer einen großen Werth behaupte.
                           Wir wollen nun den geehrten Lesern dieses Journals die Bedingungen angeben, unter
                              welchen dieses Verfahren allemal von einem guͤnstigen Resultat begleitet
                              wird.
                           Um aber die Sache in ein Helles Licht zu sezen, ist es noͤthig den ganzen
                              Bleichprozeß von der ersten Operation bis zu der lezten in ihrer Stufenfolge zu
                              beschreiben.
                           
                        
                           A. Fermentations-Prozeß.
                           Wie bei allen Methoden zu bleichen, so ist auch bei dem Bleichen mittelst der
                              liquiden Chlorine die gehoͤrige Fermentation sehr wichtig fuͤr die
                              Foͤrderung des Bleichprozesses; wovon man den Grund im 3ten Bande dieses
                              Journals S. 203 etc. findet. Die mittelst Chlorine zu bleichende vegetabilische
                              Gespinnste oder Gewebe werden mit lauem Wasser eingesezt, und bleiben bei einer
                              angemessenen Temperatur so lange stehen, bis der Prozeß der sauren Gaͤhrung
                              eingetreten jst, welchen man durch Uebung leicht erkennt, oder auch durch
                              Lakmuspapier auf die Bildung freier Saͤure pruͤfen kann.
                           Ist diese Gaͤhrung regelmaͤsig erfolgt, so wird die Fluͤssigkeit
                              durch das an dem Einweichgefaͤße angebrachte Spundloch abgelassen, dieses
                              sodann wieder geschlossen, und nun das Gefaͤß mit frischen lauem Wasser
                              angefuͤllt, so daß die Fluͤssigkeit einige Zoll uͤber der Waare
                              steht. So vorgerichtet, laͤßt man das Ganze ruhig stehen, bis die zweite
                              Gaͤhrung den Grad der vorhergegangenen erreicht hat.
                           Jezt wird nach dem Ablassen der sauern Fluͤssigkeit die Waare herausgenommen,
                              am Fluße oder Bache gut ausgewaschen, zweimal gewalkt, noch einmal ausgewaschen, und
                              hierauf zur ersten alkalischen Lauge vorgerichtet.
                           
                           In vielen Bleichanstalten herrscht immer noch der uͤble, auch von Westrumb in seiner neuesten Schrift nicht geruͤgte
                              Gebrauch, beim Einweichen der Waare alte, schon gebrauchte, kalische Lauge, statt
                              reinen Wassers, anzuwenden; ein hoͤchst zweckwidriges und schaͤdliches
                              Verfahren, welches nicht nur den Fermentationsprozeß verhindert, sondern auch die
                              darauf folgende Bleichgaͤnge erschwert, und das Bleichen in die Laͤnge
                              zieht. Der Zweck des Einweichens besteht in der Aufloͤsung des
                              vegetabilischen Gluten oder Eiweißstoffs, welcher anders nicht als durch essigartige
                              Saͤure bewirkt werden kann, dagegen kalische Salze gar keine
                              aufloͤsende Wirkung aͤußern. Bei dem Bleichen mit der oxydirten
                              Salzsaͤure koͤnnen wir diese Bedingung nicht genug empfehlen.
                           
                        
                           B. Erste kalische Lauge.
                           Die erste kaustisch kalische Lauge fuͤr 300 Stuͤck sogenannter Callicos
                              5/4 Breite und 37 brabanter Ellen Laͤnge, muß von schwachem Kaligehalt seyn.
                              Man bereite sich demnach eine kaustische Lauge aus 25 Pfund guter Pottasche und 5
                              Pfund guten, frisch gebrannten Kalk, zapfe die klare Lauge ab, und fuͤlle die
                              Laugenstaͤnder wieder mit frischem Flußwasser an. Nachdem sich der Kalkbrei
                              gesezt hat, wird diese zweite Auslaugung zur ersteen abgelassen. Man schichtet nun
                              die vorgerichtete und aufgefachte Waare in den Laugenapparat, welcher S. 1 u. f. in
                              diesem Journale beschrieben, und auf Tab. XVII. abgebildet worden, bringt die Lauge
                              mit hinreichendem Wasser hinzu, schließt den Deckel, giebt Feuer unter den Kessel,
                              und laͤßt die Waare 12–14 Stunden hindurch kochen; worauf sie eben so
                              lange nach aufgehoͤrter Feuerung in der Kufe liegen bleibt, ehe die
                              Fluͤssigkeit abgelassen wird. In Ermangelung eines solchen Laugenapparats,
                              bedient man sich der gewoͤhnlichen Laugenkessel, nur daß in diesem Falle das
                              Kochen einige Stunden laͤnger fortgesezt werden muß. Uebrigens ist der Vorzug des
                              Laugenapparats von dem Gebrauche der Kessel, in Ansehung der Wirkung
                              entschieden.
                           Nach genauer Erfuͤllung aller dieser Bedingungen wird die Waare
                              herausgenommen, am Bach oder Fluß gewaschen, recht gut gewalkt, wieder gewaschen und
                              zur zweiten Lauge vorgerichtet.
                           
                        
                           C. Zweite kalische Lauge.
                           Diese Lauge von staͤrkerm kalischen Gehalt als die vorige, bereitet man zu der
                              angenommenen Stuͤckzahl folgendergestalt.
                           40 Pfund gute Pottasche werden mit 10 Pfund frischgebrannten Kalk und mit einer
                              verhaͤltnißmaͤsigen Menge Wasser zur kaustisch kalischen Lauge
                              gemacht; sodann wird die Waare in die Kufe eingesezt und 14 Stunden kochend darin
                              erhalten; im uͤbrigen verfaͤhrt man eben so, wie bei B gelehrt wurde. Nach diesem zweiten Kochen, Waschen und
                              Walken, ist die Waare fuͤr das nachfolgende Chlorin-Bad
                              disponibel.
                           
                        
                           D. Chlorin (oxydirte Salzsaͤure.)
                           Die Chlorine (oxydirte Salzsaͤure) zur Bleichfluͤssigkeit wird aus
                              Braunstein und Kochsalz durch Schwefelsaͤure entwikelt, da, wo die
                              Salzsaͤure als Nebenprodukt (wo man salzsaures Natron auf schwefelsaures
                              Natron bearbeitet) gewonnen wird, bedient man sich auch der Salzsaͤure und
                              des Braunsteins. Ueber die quantitative Zusammensezung dieser Substanzen sind die
                              Meinungen verschieden, und fast jede Bleichanstalt beobachtet ein anderes
                              Verhaͤltniß.
                           
                              
                                 Berthollet nimmt
                                 10
                                 Theile
                                 gepulverten Braunstein.
                                 
                              
                                 
                                 20
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                 
                                 27
                                   –
                                 Kochsalz u. etwas Wasser.
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Westrumb nimmt
                                   2
                                 Pfund
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                 
                                   3
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                 
                                   4
                                   –
                                 Kochsalz.
                                 
                              
                                 
                                   6
                                   – 
                                 Wasser.
                                 
                              
                                 
                                    Tenner
                                    
                                   1
                                   –
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                 
                                   2
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                 
                                   2
                                   –
                                 22 Loth Kochsalz.
                                 
                              
                           In den franzoͤsischen Bleichanstalten ist das Verhaͤltnis dieses:
                           
                              
                                   30
                                 Theile
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                   60
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                   30
                                   –
                                 Kochsalz.
                                 
                              
                                 120
                                   –
                                 Wasser.
                                 
                              
                           Die irlaͤndischen Bleichereien vermengen
                           
                              
                                   60
                                 Theile
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                   60
                                   –
                                 Kochsalz.
                                 
                              
                                   50
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                   50
                                   –
                                 Wasser
                                 
                              
                           Mehrere deutsche Bleichereien hingegen
                           
                              
                                   20
                                 Theile
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                   64
                                   –
                                 Kochsalz.
                                 
                              
                                   44
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                   54
                                   –
                                 Wasser.
                                 
                              
                           Es laͤßt sich indessen bei den verschiedenen Gattungen Braunstein nicht leicht
                              ein, fuͤr alle Bleichinhaber gut geeignetes, quantitatives
                              Entwikelungsverhaͤltniß angeben, indeß haben wir bei Anwendung eines guten
                              Braunstein nachstehendes Verhaͤltniß als das beste und die meiste Chlorine
                              hervorbringende gefunden:
                           
                              
                                   21
                                 Theile
                                 Kochsalz.
                                 
                              
                                     9
                                   –
                                 Braunstein.
                                 
                              
                                   14
                                   –
                                 Schwefelsaͤure.
                                 
                              
                                   15
                                   –
                                 Wasser.
                                 
                              
                           
                           Bei dieser Mischung verfahre man auf folgende Weise.
                           Man menge das Kochsalz mit dem gestoßenen Brauns stein gut unter einander, und lasse
                              beides noch einmal stoßen, so daß es sich recht gut mit einander vermische. Nun
                              bringe man diese Zusammensezung in einen Kolben oder Glasballon, worin
                              gewoͤhnlich die franzoͤsische Schwefelsaͤure verhandelt wird,
                              und fuͤlle denselben mit dem angegebenen Quantum an. Hierauf sezt man den
                              Ballon in eine große Sandkapelle oder in einen eisernen Kessel, wie Tab. XVII. Fig. 1. zeigt,
                              welche wir nun beschreiben wollen.
                           a. Fig. 1. ist ein von
                              gebrannten Steinen verfertigter Ofen, in welchem ein eiserner Kessel d eingemauert sich befindet. b ist das Schuͤrloch und c das
                              Aschenloch. Die Feuerung hat einen Rost; die Feuerspielung wird durch die Zeichnung
                              deutlich angegeben. f stellt einen Glaskolben oder
                              Ballon vor, der mit trocknem Sand umschuͤttet ist. In der Mitte des Ballons
                              senkt sich eine Glasroͤhre gg bis auf den
                              Boden desselben. Mit dem Ballon verbindet die Glasroͤhre h die Mittelflasche in Fig. 2. Der kurze etwa 1
                              1/2 bis 2 Zoll lange Schenkel dieser Glasroͤhre wird in den Hals o des Ballons f gesteckt,
                              mit Kitt umlegt, und mit naßgemachter Blase umbunden, und so das Ganze luftdicht
                              verschlossen. Die mit dem Ballon verbundene Roͤhre h reicht beinahe bis auf den Boden der Mittelflasche Fig. 2. Diese Flasche
                              steht auf einem hoͤlzernen Teller, welcher mit seinem hoͤlzernen Fuße
                              auf einem hoͤlzernen Gestelle ruhet, und hoͤher oder niedriger
                              mittelst der Schraube p gestellt werden kann. Von dieser
                              Mittelflasche aus geht eine zweite doppelschenkliche Roͤhre k nach der Vorrichtung Fig. 3. Der kurze Theil
                              dieser Roͤhre steckt in dem Halse der Mittelflasche. Eine
                              perpendikulaͤr sich erhebende Glasroͤhre i
                              rgtragt mitten in der Mittelflasche hervor, und heißt „die
                                 Sicherheitsroͤhre; weil sie vor Unfaͤllen sichert, wenn das Gas
                                 in dem Ballon
                                 oder die Masse selbst schnell aufsteigen sollte. Die Mittelflasche ist zur
                                 Haͤlfte mit Wasser gefuͤllt.
                              
                           Fig. 3. gibt
                              das Bild eines von Weistannenholz verfertigten Faßes, an dessen einer Seite eine
                              bleierne Roͤhre l befestigt ist, durch welche man
                              das Faß mit Wasser fuͤllte, und auch das Gas durchstroͤmen laßt. Die
                              Mitte des Faßes hat einen hoͤlzernen Quirl xx, welcher in Fig. 4. deutlich
                              gezeichnet zu sehen ist. Dieser Quirl wird oberhalb des Deckels mittelst der Kurbel
                              n in Bewegung gesezt. In der Mitte des Faßes m befinden sich noch zwei, vielfach
                              durchloͤcherte Boͤden. An diesem zerplazen die Gasblasen und treten
                              mit dem Wasser in Mischung, was durch das Umdrehen der Kurbel besonders
                              befoͤrdert wird. Hat man das Faß mit Wasser gefuͤllt, so wird die
                              zweite doppelschenkliche Roͤhre der Mittelflasche h mit der bleiernen Roͤhre bei l in
                              Verbindung gesezt und mit Kitt und Blasen luftdicht verschlossen. Hierauf
                              verduͤnne man die Schwefelsaͤure, deren man sich bedienen will, mit
                              Wasser, lasse sie erkalten, und gieße sie sodann auf 3 mal, in
                              sechsstuͤndigen Zwischenraͤumen, durch die Glasroͤhre g
                              Fig. 1.
                              vermittelst eines glaͤsernen Trichters ein. Es werden sich sogleich Gasblasen
                              entbinden, welche man in der Mittelflasche Fig. 2. aufsteigen sieht.
                              Sobald die Gasblasen in das Faß Fig. 3. stroͤmen,
                              muß man den Quirl mittelst der Kurbel umdrehen, was im Anfange um so
                              noͤthiger ist, weil sich die Chlorine (das oxydirt salzsaure Gas) nicht
                              sogleich gerne mit dem Wasser verbindet; ist hingegen das Wasser mit der Chlorine
                              etwas geschwaͤngert, so verbindet sich das Gas viel leichter damit, und dann
                              ist es genug, wenn man den Quirl alle viertel Stunden einige mal umdreht. Nach 18
                              Stunden, vom Eingießen des ersten Drittels der Schwefelsaͤure an gerechnet,
                              macht man unter den Kessel gelindes Kohlenfeuer, das man 24 bis 30 Stunden lang
                              unterhaͤlt, und zulezt so steigert, daß der Inhalt des Ballons nahe ans kochen kommt, worauf sich
                              dann der Gasentwikelungsprozeß seinem Ende naͤhert. Nun oͤffnet man
                              den Ballon, umbindet nach einigem Abkuͤhlen den Hals desselben mit einem
                              Stricke, und laͤßt den Ballon durch einen starken Arbeiter aus dem Kessel
                              nehmen und in einen mit Heu gefuͤllten
                              Schwefelsaͤureflaschen-Korb aus dem Arbeitsorte tragen und mit warmem
                              Wasser sogleich reinigen. Es ist am besten, wenn der Ofen und die Mittelflasche
                              unter einer gut ziehenden Kaminkutte zu stehen kommen; denn in diesem Falle hat man
                              wenig mit dem der Lunge hoͤchst nachtheiligen Chloringas zu
                              kaͤmpfen.
                           Zu 200 Stuͤck oben benannter Waare ist das lezt angegebene Verhaͤltniß
                              von Kochsalz, Braunstein, franz. Schwefelsaͤure, Wasser hinreichend, um die
                              noͤthige Menge Bleichfluͤssigkeit zu liefern. Die mit Wasser
                              verbundene Chlorine wird durch einen unten am Faße angebrachten hoͤlzernen
                              Hahnen abgelassen.
                           
                        
                           E. Bleichen der Waare in der Bleich-Fluͤssigkeit.
                           Das Bleichen wird in Wannen verrichtet, welche mit gut dazu passenden Deckeln
                              versehen sind. Es wird naͤmlich eine Schicht von trocken aufgefachter Waare
                              eingelegt, und so viel Bleichfluͤssigkeit zugegeben, daß leztere fast
                              uͤber der Waare steht; so macht man es denn mit einer zweiten Waare und
                              Bleichfluͤssigkeit, und sofort, bis das Gefaͤß etwas uͤber 3/4
                              angefuͤllt ist. Man gießt nun noch so viel Bleichfluͤssigkeit hinzu,
                              daß die Waare ziemlich locker in derselben liegt, und die Fluͤssigkeit einige
                              Zoll uͤber der Waare steht. Da aber die Bleichfluͤssigkeit, so wie sie
                              sich in der Tonne befindet, zu stark ist, so muß man sie vorhero mit der zweifachen
                              Quantitaͤt Wasser verduͤnnen. Ist dieses geschehen, so befestigt man
                              auf der Oberflaͤche den innwendig einpassenden durchloͤcherten Deckel;
                              und schließt zur Verhinderung der Entweichung von Chlorine den aͤußern gut
                              aufpassenden Deckel.
                           In solchem Zustande bleibt die Waare 20–22 Stunden ruhig liegen. Nach Verlauf
                              dieser Zeit wird sie herausgenommen, recht gut gewaschen, gewalkt, und in einer ganz
                              schwachen kalischen Lauge (1 Loth Pottasche auf 1 Stuͤck Waare) 3/4 Stunden
                              hindurch gekocht, um den Chloringeruch wegzuschaffen, und um zu hindern, daß die
                              Waare auf dem Lager nicht gelblich anfalle. Die lezte Operation mit derselben
                              besteht in dem Durchnehmen durch ein gewoͤhnliches schwefelsaures Bad, (aus
                              100 Theilen Wasser und anderthalb Theilen konzentrirter Schwefelsaͤure
                              (Vitrioloͤl)) wobei nach bekannter Weise verfahren wird.
                           Sollte ein einmaliges Durchnehmen in der Bleichfluͤssigkeit nicht zureichen,
                              so bringt man die Waare zwei- auch dreimal hinein, je nachdem sie
                              schwaͤcher oder groͤber von Gespinnste ist, wie dieses besonders von
                              leinenen Geweben gilt. Unter solchen Umständen kann die schon einmal gebrauchte
                              Bleichfluͤssigkeit aufs neue verwendet werden, wenn man den an Chlorine
                              verlorenen Theil der Staͤrke durch frische nicht mit Wasser verduͤnnte
                              Bleichfluͤssigkeit ersezt.
                           Sehr zutraͤglich ist es fuͤr die Bleichwaare jeder Gattung, welche
                              mittelst Chlorine gebleicht werden soll, wenn man sie nach der schwachen Laugung
                              einige Tage auf den Bleichplan ausbreitet, und nun erst durch ein schwefelsaures Bad
                              nimmt, welches bei Waare, die fuͤr den Druck bestimmt, besonders gute Wirkung
                              hervorbringt.
                           
                        
                           Besondere Bemerkungen.
                           a) Die Bleichwerkstaͤtte, wo mittelst der
                              liquiden Chlorine gebleicht wird, darf nur moͤglichst wenig Licht haben, auch
                              von der Sonne nicht beschienen werden, weil durch das Licht die Chlorine zersezt und mit der
                              Zeit in gewoͤhnliche Salzsaͤure umgeaͤndert wuͤrde.
                           b) Bevor die Waare in die Bleichfluͤssigkeit kommt, muß man sie erst
                              abtrocknen, weil die bleichende Wirkung sich dann auffallend besser, als bei naß
                              eingebrachter Waare zeigt.
                           c) Die mit der Chlorine gebleichte Waare verliert bei
                              zweckmaͤsigem und kenntnißvollem Verfahren, nicht nur nichts an ihrer
                              Dauerhaftigkeit, sondern sie scheint im Gegentheil weniger, als durch die
                              gewoͤhnliche aͤltere Bleichmethode zu verlieren. Die Ursache liegt
                              darinn, daß man die Waare schneller aus den Haͤnden bringt, und daß sie den
                              Einfluͤssen der Witterung auf der Bleiche weniger ausgesezt ist.
                           d) Die Bleichfluͤssigkeit dient auch dazu,
                              gedruckte aus der Mode gekommene oder fleckig gewordene baumwollen und leinene
                              Gewebe wieder schnell weiß zu bleichen. Man verfahre hiebei folgendermaßen.
                           Die gedruckte oder gefaͤrbte Waare koche man 3 Stunden hindurch in einer
                              kaustisch kalischen Lauge; fuͤr jedes Stuͤck Callico von oben
                              angegebener Laͤnge und Breite wird die kalische Fluͤssigkeit aus 5
                              Loth Pottasche und 2 Loth Kalk bereitet, und die abgeklaͤrte kaustisch
                              kalische Lauge verwendet. Nach dem Auskochen wascht und walkt man die Waare, und
                              bringt sie in solchem Zustande in eine verschwaͤchte
                              Bleichfluͤssigkeit, in der sie mit einem Haspel so lange hin und her gedreht
                              wird, bis die Farbe verschwunden ist. War der Grund zur Farbe eine, Eisenbasis, so
                              werden die gefaͤrbte Stellen eisengelb erscheinen, welche leztere durch das
                              schwefelsaure Bad hinweggenommen werden.
                           Nach dem Herausnehmen aus der Bleichfluͤssigkeit wird die Waare
                              sorgfaͤltig gewaschen, gewalkt, und 24 Stunden lang in ein schwefelsaures Bad
                              so locker wie moͤglich eingelegt, sodann herausgenommen, gut gewaschen,
                              gewalkt, einige Tage auf die Bleiche ausgebreitet, wieder durch ein schwefelsaures Bad genommen.,
                              gut gereinigt und getrocknet, worauf sie vollkommen weiß erscheinen, und wieder zum
                              drucken oder faͤrben tauglich sind.
                           e) Auch in den Papierfabricken kann man sich dieser
                              Bleichfluͤssigkeit zum Weißbleichen vegetabilischer Hadern mit großem
                              Vortheil bedienen.
                           f) Die Wirkung der Bleichfluͤssigkeit auf
                              thierische Stoffe, als Wolle, Seide, Haare, Federn, u.dgl. ist der vorigen
                              entgegengesezt; sie nehmen dadurch saͤmmtlich mehr oder weniger eine gelbe
                              Farbe an.
                           
                        
                           Literatur uͤber das Bleichen mit der oxydirten Salzsaͤure.
                           Kleine physikalisch-chemische Abhandlungen von Joh. Friedr. Westrumb. 6 B.
                              1tes Heft. Hanover bei den Gebruͤdern Hahn 1800. – Ueber das Bleichen
                              mit Saͤuren nach franzoͤsisch und englischen Vorschriften, nebst
                              Beschreibung des besten Bleichverfahrens etc. von Joh. Fried. Westrumb. Berlin und
                              Stettin in der Nicolaischen Buchhandlung 1819. – Vollstaͤndige
                              Bleichkunst; nebst des Buͤrger Chaptal Beschreibung einer neuen Methode durch
                              Daͤmpfe zu bleichen etc. von R. O'Reilly, aus dem franz. uͤbersezt von
                              Dr. Christian Gotthold
                                 Eschenbach. Leipzig bei J. C. Hinrichs 1802, – Anleitung
                              vermittelst der dephogistirirten Salzsaͤure zu jeder Jahreszeit vollkommen
                              weiß, geschwind, sicher und wohlfeil zu bleichen etc. von Dr. Joh. Gottlob Tenner.
                              Leipzig bei Voß und Leo 1793. – Allgemeine Grundsaͤze der Bleichkunst;
                              oder theoretische und praktische Anleitung zum Bleichen des Flachses, der Baumwolle,
                              Wolle und Seide etc. nach den neuesten Erfahrungen der Physik, Chemie und
                              Technologie von Dr. Sigismund Friedrich Hermbstaͤdt. Berlin in der
                              Realschulbuchhandlung 1804. – Die Bleichkunst, oder Unterricht zur leichten
                              und allgemeinen Anwendung der oxydirten Salzsaͤure beim bleichen vegetabilischer Stoffe von
                              Pajot des Charmes. Aus dem franz. uͤbersezt.
                              Herausgegeben von Alex. Nic. Scherer, Breslau, Hirschberg und Lissa 1800. –
                              Bemerkungen und Vorschlaͤge fuͤr Bleicher von Joh. Fried. Westrumb.
                              Hanover bei Gebruͤder Hahn 1800. – Die Kunst baumwollene Gewebe mit
                              aͤchten und unaͤchten Farben zu drucken etc. Aus dem franz. mit
                              Anmerkungen und Zusaͤzen. Leipzig im Joachimschen literarischen Magazin 1802.
                              – Eléments de l'art de la teinture, avec un
                                 description du blanchiment par l'acide muriatique oxygené. Second
                                 Edition, revue corrigée, avec deux planches; par C. L., et A. B.
                                 Berthollet. Tome I et II. 8. Paris chez Fermin Didot 1804. – Eléments de l'art de la teinture; par M. Berthollet,
                                 Docteur en Medecin. Tom. I et II. Paris 1791. Ins deutsche uͤbersezt von I. F. A.
                                 Goͤttling. Jena bei Mauke 1792. – Anfangsgruͤnde der
                              Faͤrbekunst; nebst einer Beschreibung deß Bleichens mit oxydirter
                              Salzsaͤure. Zweite durchgesehene verbesserte Auflage; von C. L. und A. B.
                              Berthollet. Aus dem franzoͤsischen uͤbersezt, von Adolph Ferdinand Gehlen,
                              und mit Anmerkungen versehen von S. F. Hermbstaͤdt. Berlin, im
                              Verlage der Froͤlichschen Buchhandlung. 2 Baͤnde. 1806. –
                              Verbessertes Verfahren des Bleichens durch dampffoͤrmige, vollkommene
                              Salzsaͤure, und durch dampffoͤrmige schweflichte Saͤure von
                              Jak. Sieber in Dinglers neuem Journal der Faͤrbekunst. 4ter Band. –
                              Die boͤhmische Leinwandbleiche etc. von Christ. Polykarp Fried. Erxleben.
                              Wien 1812. Bei Christian Kaulfuß und Karl Armbrester.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
