| Titel: | Ueber den Einfluß der Obstfrüchte auf die sie umgebende Luft; Grundsäze zur zwekmäßigen Anlage von Obstkellern oder Obstkammern. | 
| Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. XXVIII., S. 213 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber den Einfluß der Obstfrüchte auf die sie umgebende Luft; Grundsäze zur zwekmäßigen Anlage von Obstkellern oder Obstkammern.
                        Aus Hrn. Berard's Preisschrift uͤber das Reifen der Fruͤchte in den Annales de Chemie et de Physique. Februar und Maͤrz 1821. S. 152, 225.
                        Berard über den Einfluß der Obstfrüchte auf die sie umgebende Luft.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich erhielt Hr. Berard
                              fuͤr seine gekroͤnte Preisschrift den von der Akademie des sciences de Paris im Jahr 1819. ausgeschriebenen
                              Preis von 5000 Franken. So sehr auch seine gekroͤnte Preisschrift
                              zunaͤchst bloß fuͤr den rein theoretischen Theil der
                              Pflanzen-Physiologie und Chemie berechnet ist, so glauben wir doch die
                              Resultate der von dem Hrn. Preistraͤger unternommenen Versuche unseren Lesern
                              mittheilen zu muͤssen, damit dieselben einen zwekmaͤßigen Gebrauch davon in ihren
                              Obstgaͤrten und in ihren Obstkellern machen moͤgen.
                           Was die zwekmaͤßige Einrichtung der lezteren betrifft, so glauben wir zu
                              voͤrderst darauf aufmerksam machen zu muͤssen, daß nach den
                              wiederholten Erfahrungen und Versuchen des Hrn. Berard
                              (a. a. O. S. 159.) alle noch unreifen, gruͤnen Obstfruͤchte, selbst
                              die gruͤnen Mandeln, waͤhrend 24 Stunden, unter dem abwechselnden
                              Einflusse des Lichtes bei Tage und bei der Nacht, an einem sehr hellen Orte den
                              Sauerstoff der sie umgebenden Luft in Kohlenstoff verwandeln; daß sie sogar dasselbe
                              im kraͤftig auf sie einwirkenden Sonnenlichte, und zwar noch staͤrker
                              als im Dunklen, zu thun vermoͤgen, nur mit dem Unterschiede, daß hier mehr
                              Sauerstoff verschwindet, als Kohlenstoff erzeugt wird, waͤhrend im Lichte das
                              Gegentheil statt hat; daß diese Umwandlung des Sauerstoffes der Luft in
                              Kohlensaͤure zum Reifen der Frucht durchaus unerlaͤßlich ist, und daß
                              die Frucht vertroknet und abstirbt, sobald diese zu ihrem Leben nothwendige
                              Verrichtung gestoͤrt oder unterdruͤkt wird.
                           „Nachdem ich mich uͤberzeugt hatte“ sagt Hr. Berard a. a. O. S. 173. „daß die Absonderung
                                 des Kohlenstoffes zum Reifen einer gruͤnen Frucht durchaus
                                 unerlaͤßlich ist, faßte ich Hoffnung, Fruͤchte, und
                                 vorzuͤglich solche Fruͤchte, die durch Liegen reif werden, lange
                                 Zeit gruͤn erhalten zu koͤnnen, wenn ich naͤmlich die
                                 Verbindung ihres Kohlenstoffes mit dem Sauerstoffe der Atmosphaͤre zu
                                 hindern vermoͤchte. Es war in dieser Hinsicht, genug die Fruͤchte
                                 in einen leeren Raum oder in Umgebungen zu bringen, die von allem Sauerstoffe
                                 frey waren. Bringt man noch unreife gruͤne Fruͤchte in einen
                                 leeren Raum, in Wasserstoff- oder Stikstoffgas, so entwikeln sie
                                 daselbst, besonders im Lichte, eine gewisse Menge kohlensauren Gases, die am
                                 ersten Tage starker ist, und dann von Tag zu Tage abnimmt. Nach drei bis vier
                                 Tagen hoͤrt
                                 diese Absonderung gaͤnzlich auf. Die gesammte Menge des Gases, welche
                                 eine Frucht fahren laͤßt, ist bei verschiedenen Arten verschieden. Ich
                                 fand sie nie groͤßer, als anderthalb mal so groß als die
                                 Frucht.“
                              
                           
                              „Am 1. Oktober 1819. brachte ich eine Birne von der Sorte Messire-Jean,
                                 noch ganz gruͤn und hart und vollkommen gesund, unter einen kleinen
                                 glaͤßernen Sturz, welchen ich auf den Teller einer Luftpumpe sezte und
                                 luftleer machte. Am folgenden Tage enthielt dieser Sturz einige
                                 Kohlensaͤure, welche die Frucht unterdessen ausgeschieden hat. Ich zog
                                 neuerdings die Luft aus, um einen luftleeren Raum zu bilden, und wiederholte
                                 diese Operation durch vier bis fuͤnf Tage: nach dieser Zeit blieb der
                                 Sturz immer luftleer. Am 1. Dezember waren alle Birnen dieser Sorte in einem
                                 guten Obstkeller bereits reif oder schon verdorben, waͤhrend am 15.
                                 Jaͤner, als ich den Sturz von der Birne weghob, dieselbe noch
                                 gruͤn und fest und vollkommen gut erhalten war. Ich sezte sie nun
                                 fuͤnf oder sechs Tage lang in einem Zimmer der Luft aus; sie reifte, und
                                 ich fand sie eben so schmakhaft als diejenigen, die mit mir von derselben
                                 kosteten. Zu gleicher Zeit bewahrte ich eben so lang und mit gleich
                                 guͤnstigem Erfolge eine Birne von der Sorte Martin-sec in einem mit
                                 kohlensaurem Gase gefuͤllten Becher auf.“
                              
                           
                              „Diese und mehrere andere aͤhnliche Versuche, deren Detail ich hier
                                 uͤbergehe, gewahrten mir die schoͤnste Hoffnung, die
                                 Fruͤchte auf aͤhnliche Weise durch lange Zeit uͤber
                                 aufbewahren zu koͤnnen; diese Hoffnung wurde indessen nicht ganz
                                 erfuͤllt. Ich stellte Versuche mit Kirschen, Johannisbeeren, Aprikosen,
                                 mit Pflaumen von verschiedenen Sorten, mit Pfirsichen, mit verschiedenen Sorten
                                 von Birnen und Aepfeln an. Ich waͤhlte sie alle im vollkommenen Zustande,
                                 und ungefaͤhr 8–14 Tage vor ihrer vollen Reife. Die einen brachte
                                 ich in luftleeren Raum, die anderen in Glaͤser, welche ich mit kohlensaurem Gase,
                                 mit Wasserstoffgase oder mit Stikgas gefuͤllt hatte.“
                              
                           
                              „Keiner dieser Versuche mißlang mir auch nur bei einer einzigen der
                                 genannten Obstarten: wenn man sie indessen zu lang in diesen Gasarten
                                 aufbewahrt, so verlieren sie, so schoͤn erhalten sie auch aussehen, ihren
                                 Wohlgeruch und ihren angenehmen suͤßen Geschmak, und bekommen
                                 dafuͤr einen ganz eigenen, den ich nicht beschreiben kann, der aber an
                                 allen diesen Fruͤchten derselbe, und hoͤchst unangenehm ist. Sie
                                 werden sauer, und dieser saure Geschmak haͤngt nicht von einer besonderen
                                 Saͤure, sondern von der Aepfelsaͤure ab, die ich unter diesen
                                 Umstaͤnden in allen diesen Fruͤchten fand.“
                              
                           
                              „Kirschen und Apricosen, die auf diese Weise in Glaͤsern aufbewahrt
                                 werden, in welchen keine Spur von Sauerstoff sich findet, lassen, nach einigen
                                 Tagen, eine Fluͤssigkeit fahren, die die Farbe der Frucht besizt. Die
                                 Frucht selbst verliert waͤhrend dieser Zeit einen Theil ihrer Farbe.
                                 Laͤßt man sie nur zwanzig Tage in diesen Gasen, und nimmt sie dann
                                 heraus, und laͤßt sie einen Tag an der Luft liegen, so haben sie kaum
                                 etwas von ihrem angenehmen Geschmake verloren: ganz anders ist es aber, wenn sie
                                 laͤngere Zeit in diesen Gasen lagen. Ich nahm am 1. Dezember Kirschen aus
                                 dem luftleeren Glase, in welches ich dieselben am 26. Juni gebracht hatte; das
                                 Glas roch nur etwas schwach nach Kirschen, welche also hier offenbar weniger
                                 litten, als wenn sie waͤhrend dieser Zeit der freyen Luft ausgesezt
                                 geblieben waͤren; sie sahen, obschon ihre Farbe etwas gelitten hatte,
                                 noch sehr schoͤn aus: allein sie waren sauer, schmekten kaum mehr wie
                                 Kirschen, und hatten jenen eigenen unangenehmen Geschmak, von welchem ich
                                 gesprochen hatte. Pflaumen und Pfirsiche gaben dasselbe Phaͤnomen wie die
                                 Aprikosen, nur schwizten sie keine Fluͤssigkeit aus. Ich habe in diesem
                                 Augenblike (den 25. Dez.) ein Glas vor mir, in welchem 2 Pfirsiche in Stikstoff
                                 aufbewahrt sind. Sie wurden am 6. Oktober in dasselbe eingesezt, und sehen noch
                                 so frisch her, als wenn sie so eben vom Baume gepfluͤkt worden
                                 waͤren; allein gewiß haben sie bereits ihren Geschmak und ihren
                                 koͤstlichen Wohlgeruch verloren, waͤhrend zwei andere Pfirsiche,
                                 die ich an demselben Tage mit diesen zugleich in ein Glas voll Stikstoff legte,
                                 und am 5. November herausnahm, nachdem sie 48 Stunden lang an der freyen Luft
                                 lagen, noch koͤstlich schmekten.“
                              
                           
                              „Birnen und Aepfel sind unter allen Obstarten diejenigen, die in einer von
                                 allem Sauerstoffe freyen Umgebung am laͤngsten und am schoͤnsten
                                 sich erhalten lassen. Unter den vielen Versuchen, die ich hieruͤber
                                 machte, will ich nur einiger hier erwaͤhnen, die ich mit Sommerbirnen von
                                 der Sorte Sucrin-vert angestellt habe. Ich
                                 legte sie am 15. Oktober 1819 in eine luftleere glaͤserne Kugel. Andere
                                 Birnen von den Sorten Messire-Jean und Doyennè brachte ich an demselben Tage in ein
                                 mit Stikstoff gefuͤlltes Glas. Am 10. Julius 1820 waren diese Birnen
                                 aͤußerlich noch sehr wohl erhalten, allein innerlich schien es ihnen zum
                                 Theile wie den uͤbrigen Fruͤchten ergangen zu seyn; ihr Fleisch
                                 war zwar noch ziemlich fest, allein es hatte seinen Wohlgeruch verloren, und
                                 einen saͤuerlichen unangenehmen Geschmak bekommen. Ich habe mich indessen
                                 uͤberzeugt, daß, wenn man sich bloß darauf beschraͤnken will,
                                 Aepfel oder Birnen drei Monate lang unter solchen Verhaͤltnissen
                                 aufzubewahren, sie die Eigenschaft erhalten in wenigen Tagen, wenn sie wieder an
                                 die Luft gebracht werden, auszureifen.“
                              
                           Vollkommen reife Obstfruͤchte jeder Art verwandeln, wenn sie der Luft
                              ausgesezt werden, anfangs einen Theil des Sauerstoffes der sie umgebenden Luft in
                              Kohlensaͤure, erzeugen aber spaͤter hin aus sich selbst eine große
                              Menge Sauerstoffes. Dieß ist das Resultat einer Reihe sorgfaͤltig angestellter Versuche, welche
                              Hr. Berard mit reifen Obstfruͤchten unter Berthollet's Manometer angestellt
                              hat.
                           Bei oft wiederholter chemischer Analyse der Pfirsiche, Pflaumen, Aprikosen, Birnen,
                              Aepfel, Kirschen, Johannisbeeren und Trauben fand Hr. Berard nichts anderes als fluͤßigen Bestandtheil derselben, als
                              eine waͤsserige Aufloͤsung von Zuker, Gummi, Aepfelsaͤure,
                              aͤpfelsaurem Kalke, Faͤrbestoffe (der bei jeder Art verschieden ist),
                              von einer vegeto-animalischen Materie und von einem bei jeder Art
                              verschiedenen und dieser allein eigenen Arome, uͤber dessen eigentliche Natur
                              man bei dem jezigen Zustande der Chemie nichts Befriedigendes zu sagen vermag: in
                              der Traube fand er jedoch noch saure weinsteinsaure Pottasche und weinsteinsauren
                              Kalk, und eine geringe Menge Citronen-Saͤure in den
                              Johannis-Beeren. Vom Staͤrkmehle, das man so oft in Birnen und Aepfeln
                              gefunden haben will, sah er keine Spur.
                           Wir glauben den Landwirthen, und Freunden der Obstbaumzucht uͤberhaupt, keinen
                              unangenehmen Dienst zu erweisen, wenn wir denselben in folgender Tabelle die
                              Resultate der Analysen, welche Hr. Berard an
                              verschiedenen Obstfruͤchten unternahm, vorlegen, damit sie mit einem Blike
                              die verschiedenen Verhaͤltnisse der Bestandtheile derselben
                              uͤberschauen koͤnnen.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 6, S. 219
                              
                           
                           Hr. Berard gibt am angefuͤhrten Orte (Maͤrz-Heft S.
                              249) folgendes Verfahren als das einfachste an, Obstfruͤchte, und
                              vorzuͤglich jene, welche abgenommen vom Baume nachreifen, eine
                              laͤngere Zeit uͤber unverdorben aufzubewahren. „Das
                                 einfachste Verfahren“ sagt er, „ist, am Boden eines
                                 Trinkglases einen Teig aus Kalk, schwefelsaurem Eisen und Wasser anzubringen und
                                 in dieses Glas vollkommen gesunde Obstfruͤchte einige Tage vor ihrer
                                 vollen Reife einzusezen. Man isolirt diese Fruͤchte auf irgend eine
                                 bequeme Weise von dem am Boden liegenden Teige, haͤlt sie, soviel
                                 moͤglich, von einander entfernt, damit sie sich wechselseitig nicht
                                 beruͤhren, und verschließt die Muͤndung des Bechers mit einem
                                 Stoͤpsel von Kork, der mit Kitt luftdicht gemacht wird. Auf diese Weise
                                 werden die Fruͤchte sich gar bald in einer Luftart befinden, welche
                                 keinen Sauerstoff mehr enthaͤlt, und sich mehr oder minder lang, je
                                 nachdem sie ihrer Natur nach mehr oder minder dazu geeignet sind, gut erhalten:
                                 die Pfirsiche, Pflaumen, Aprikosen, 20 Tage oder einen Monat uͤber,
                                 Aepfel und Birnen aber durch drei Monate. Wenn man sie nach dieser Zeit
                                 herausnimmt, und einige Zeit uͤber an der Luft liegen laͤßt, so
                                 reifen sie vollkommen. Laͤßt man sie aber laͤngere Zeit in diesen
                                 Glaͤsern, so erleiden sie eine besondere Veraͤnderung und
                                 vermoͤgen nicht mehr zu reifen.“
                              
                           Es verdient wohl kaum erinnert zu werden, daß der von dem verdienstvollen Herrn
                              Preistraͤger hier gegebene Rath im Großen nicht anwendbar ist. Indessen kann
                              derselbe, in Verbindung mit den uͤbrigen von ihm hier aufgestellten
                              Grundsaͤzen, als Resultaten wiederholter Erfahrungen und Versuche, zur
                              Grundlage dienen, auf welcher der zwekmaͤßige Bau einer Obstkammer oder eines
                              Obstkellers zum Vortheile seines Besizers gegruͤndet werden muß. Die
                              Anwendung dieser Grundsaͤze muß uͤbrigens nach Zeit- und
                              Orts-Verhaͤltnissen eben so mannigfaltig seyn, als die traurige Erfahrung
                              einfoͤrmig ist, daß wir in unseren Obstspeichern, so wie sie
                              gegenwaͤrtig sind, oft eben so viel Obst fuͤr unsere Schweine als
                              fuͤr uns selbst aufsparen, und der halbe Ertrag manches Obstgartens
                              fuͤr den Besizer desselben verloren geht. Von dem hoͤheren Ertrage,
                              und wo man gluͤklich genug lebt, auf diesen nicht Ruͤksicht nehmen zu
                              duͤrfen, von dem hoͤheren Genuͤsse, Obstfruͤchte zu
                              einer Zeit noch zu besizen, wo sie um keinen Preis mehr auf dem Markte zu haben
                              sind, wollen wir hier gar nicht gesprochen haben.