| Titel: | Biographische Notiz über den berühmten englischen Ingenieur John Rennie Esqu. | 
| Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LVI., S. 345 | 
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                        LVI.
                        Biographische Notiz über den berühmten englischen Ingenieur John Rennie Esqu.
                        Biographie des berühmten englischen Ingenieur John Rennie Esqu.
                        
                     
                        
                           Am 4. Okt. 1821 starb zu London in seinem 64sten Jahre, John
                              Rennie, ein geborner Schottlaͤnder, unstreitig einer der groͤßten
                              Ingenieure unserer Zeit, und Vorstand saͤmtlicher Hafen- und
                              Marinebauten des Koͤnigreichs Großbritannien. Seit Smeaton, dessen Name durch
                              den Bau des Leuchtthurms am Wirbelsteine (Eddystone
                                 Lighthouse) unsterblich geworden ist, hat England keinen Ingenieur
                              aufzuweisen gehabt, dessen Ruf ausgebreiteter, vom In- und Auslande
                              allgemeiner anerkannt gewesen waͤre, keinen, der seinen Namen durch
                              groͤßere und gemeinnuͤzigere Werke verewigt haͤtte, als John
                              Rennie. Er hatte in seiner Jugend nicht verschmaͤht, selbst als Handwerker zu
                              arbeiten, trat dann
                              zuerst als Muͤhlenbaumeister auf, und erregte schon damals durch verschiedene
                              Verbesserungen, die er in dem zu jener Zeit noch sehr mangelhaften Bau der
                              Muͤhlen in England machte, große Aufmerksamkeit. Seine Muͤhlen hatten,
                              bei demselben Aufwand an Wasser, viermal so viel Kraft, als die
                              gewoͤhnlichen, und arbeiteten leichter und sanfter. Dieß begruͤndete
                              seinen Ruhm, und erwarb ihm das allgemeine Zutrauen, welches in einem Lande wie
                              England – wo alle großen oͤffentlichen Bauten durch Gesellschaften von
                              Privatmaͤnnern unternommen werden, die die Ausfuͤhrung derselben
                              irgend einem Meister aus freier Wahl uͤbertragen koͤnnen – der
                              sicherste Weg ist, in Kurzem zu Ehre und Ansehn zu gelangen. Spaͤterhin wurde
                              ihm von der Regierung die Oberaufsicht uͤber alle Hafen- und
                              Marinebauten des Reichs uͤbertragen, und hier hatte er Gelegenheit, die
                              groͤßten und kostspieligsten Bauten auszufuͤhren, und sich dabei einen
                              Schaz von Erfahrungen zu sammeln, der wohl selten in Einem Manne vereint getroffen
                              wird, und wobei sein Genie freien Spielraum hatte, sich in neuen Erfindungen und
                              weitumfassenden Projekten zu bethaͤtigen Obgleich Hrn. Rennie's Bildung
                              urspruͤnglich nur auf das Praktische gerichtet war, so vernachlaͤßigte
                              er doch in der Folge nichts, sich mit dem theoretischen Theil seiner Kunst vertraut
                              zu machen; er besaß eine der vollstaͤndigsten architektonischen
                              Buͤchersammlungen, und in Nebenstunden war die Astronomie seine
                              Lieblingsbeschaͤftigung, besonders waͤhrend seines Aufenthalts auf
                              seinem schoͤnen Landgute in Lincolnshire, wo er sich ein kleines
                              Observatorium eingerichtet hatte. Von fruͤher Jugend an war er ein vertrauter
                              Freund seines beruͤhmten Landsmannes, James Watt, des Vervollkommners der
                              Dampfmaschine; beide arbeiteten lange zusammen, und Hr. Rennie soll wesentlichen
                              Antheil an den sinnreichen und wichtigen Erfindungen gehabt haben, welche Watt und
                              Boulton an der Dampfmaschine anbrachten. Hr. Rennie fuͤhrte mehrere
                              bedeutende Kanaͤle aus, worunter sich vorzuͤglich der Kennet-
                              und Aponkanal auszeichnet, der auf eine lange Streke, beinahe von einer englischen
                              Meile, unter der Erde durch eine Anhoͤhe gegraben ist. In den
                              Kriegshaͤfen zu Portsmouth, Plymouth, Chatham und Sherneß fuͤhrte er
                              mehrere große Arbeiten aus, die wesentlich zur Verbesserung dieser wichtigen
                              Plaͤze beitrugen; in dem lezteren wendete er zur Gruͤndung einer neuen
                              Hafenmauer auf 70 Fuß unter der Oberflaͤche des Meeres, die Tauchergloke mit
                              dem besten Erfolge an, und erleichterte durch einige daran angebrachte
                              Verbesserungen ihren Gebrauch so, daß sie jezt als eines der vorzuͤglichsten
                              Huͤlfsmittel
                              bei dergleichen schwierigen Bauten angesehen werden kann – ja man wird
                              dadurch in den Stand gesezt. Bauten auszufuͤhren, an deren
                              Moͤglichkeit man vordem verzweifelt haben wuͤrde. Das groͤßte
                              und außerordentlichste Werk jedoch, welches Hr. Rennie im Hafenbau vollendete,
                              bleibt unstreitig der Meerdamm auf der Rhede von Plymouth, zum Schuze dieses Hafens,
                              der die groͤßten in dieser Art bis jezt ausgefuͤhrten Arbeiten, selbst
                              die bei Cherbourg nicht ausgenommen, bei weitem uͤbertrifft. Außerdem legte
                              er noch mehrere kleinere Handelshaͤfen an, worunter sich besonders die
                              Haͤfen zu Howth in Irland, und von Holyhead in Nordwales auszeichnen. In
                              Bedford- und Lincolnshire fuͤhrte er eine neue Art der Austroknung der
                              dort befindlichen großen Moose ein, wodurch er bedeutende Streken Landes urbar
                              machte; andere gewann er durch Eindaͤmmung dem Meere ab. Jedoch alle diese
                              ausgezeichneten Arbeiten der hydraulischen Architektur werden noch
                              uͤbertroffen durch jene zwei imposantesten und schoͤnsten Monumente
                              seiner praktischen Thaͤtigkeit, durch die zwei großen von ihm erbauten
                              Bruͤten in London, die Waterloo- und Southwarkbruͤke, die
                              erstere von Granit, die andere von Gußeisen, welche in jeder Hinsicht als
                              Meisterwerke der Kunst zu betrachten sind, die ihres Gleichen wohl in keinem andern
                              Lande Europa's finden, und daher mit Recht die Bewunderung aller Fremden, die London
                              besuchen, erregen. Außerdem hat Hr. Rennie noch viele andere große Bruͤken,
                              theils von Stein, theils von Eisen ausgefuͤhrt, welche aufzuzaͤhlen
                              uns hier zu weit fuͤhren wuͤrde.
                           Alle seine Werke zeichnen sich nicht allein durch zweckmaͤßige und
                              wohluͤberlegte Anlage, scharfsinnige und gluͤkliche Benuzung der
                              Lokalitaͤten und der ihm zu Gebote stehenden Mittel, sondern
                              vorzuͤglich durch eine selbst in dem Aeußern derselben sich schon
                              aussprechende große Soliditaͤt aus, die ihnen das Gepraͤge gibt, als
                              waͤren sie, um der Ewigkeit zu trozen gebaut. Auch als Mechaniker und
                              Maschinenbaumeister verdient Herr Rennie einen ausgezeichneten Plaz. Er hatte zu
                              London ein großes Etablissement errichtet, in welchem alle Arten von Maschinen
                              verfertigt werden; bei mehreren der nuͤzlichsten Maschinen hat er wesentliche
                              Verbesserungen angebracht, und durch sinnreiche Zusammensezung des bereits bekannten
                              manchem bis dahin noch unbefriedigten Beduͤrfnisse abgeholfen. Vor allem
                              verdient hierin die Maschinerie erwaͤhnt zu werden, die er fuͤr die
                              koͤnigl. Muͤnze zu London verfertigte, und die sich durch
                              Vollkommenheit und Einfachheit auszeichnet. Eben so ist die von ihm erbaute
                              Ankerschmiede zu Portsmouth sehr merkwuͤrdig, wo die großen Anker fuͤr
                              die Kriegsschiffe
                              verfertigt werden, und bei der durch zwekmaͤßige Maschinerie ein großer Theil
                              der vormals dabei noͤthigen Handarbeit erspart wird. Noch werden unter anderm
                              die Zukerpressen von Gußeisen, nach Hrn. Rennie's Erfindung geruͤhmt, die in
                              großer Anzahl nach den Kolonien verschikt wurden. Dampfmaschinen aller Art,
                              Dampfboote, hydraulische Pressen, Kraniche von Gußeisen u.a.m. werden ebenfalls
                              daselbst verfertigt. Die große Dampfmaschine von 70 Pferde Kraft zu Yorkbuildings in
                              London ist ebenfalls daraus hervorgegangen. Er stand so hoch in Ansehen, daß alle
                              Rivalitaͤt zwischen ihm und fast allen andern Technikern Englands, deren es
                              doch viele und darunter sehr ausgezeichnete gibt, aufhoͤrte; man unterwarf
                              sein Urtheil gern dem des erfahrenen und bescheidenen Veteranen, der nie etwas sagte
                              oder behauptete, was er nicht durch hinreichende Gruͤnde und Beispiele
                              beweisen konnte. Daher kam es auch, daß er fast in allen technischen
                              Gegenstaͤnden vom Parlamente zu Rathe gezogen wurde.
                           Die koͤnigl. Gesellschaft der Wissenschaften zu London, so wie die zu
                              Edinburgh, hatten ihn schon fruͤher zu ihrem Mitgliede gewaͤhlt;
                              spaͤter ward er auch zum Mitglied des franzoͤsischen Instituts, und im
                              verflossenen Jahre zum Mitglied der koͤnigl. baierischen Akademie der
                              Wissenschaften ernannt. Noch in seinem lezten Lebensjahre hatte er vier große
                              steinerne Bruͤken, drei neue Kanaͤle und vier Hafenbauten in
                              Ausfuͤhrung, außer denjenigen Arbeiten, die er fuͤr die Regierung
                              ausfuͤhrte, und die in jedem Jahre bei einer Million Pfund Sterling Aufwand
                              verursachten. Sehr zu bedauern ist es, daß ein so eminenter Techniker, wie Hr.
                              Rennie war, der mehr und wichtigere Bauten auszufuͤhren Gelegenheit hatte,
                              als irgend einem anderen Ingenieur selbst in dem groͤßten Reiche zu Theil
                              wird, seine Erfahrungen und daraus hergeleitete Grundsaͤze nie durch den Druk
                              bekannt machte. Sein thaͤtiges, immer beschaͤftigtes Leben erlaubte
                              ihm nicht an litterarische Arbeiten zu denken, die er sich, nach seinem eigenen
                              Ausdruk, auf jene Zeiten aufsparte, wo er nicht mehr durch die That zu wirken im
                              Stande seyn wuͤrde. Er hinterlaͤßt indessen seinen Soͤhnen, die
                              wuͤrdig in die Fußstapfen ihres Vaters treten und bereits ruͤhmlich
                              bekannt sindDer aͤlteste Sohn des Hrn. Rennie, Hr. George Rennie, ist
                                    gegenwaͤrtig Direktor der Maschinen in der koͤniglichen
                                    Muͤnze, der zweite, Hr. John Rennie, hat sich zum Ingenieur gebildet,
                                    und bereits, unter Leitung seines Vaters, den Bau der großen eisernen
                                    Southwarkbruͤke ausgefuͤhrt, und der dritte, Offizier in der
                                    Marine, focht ehrenvoll in der Schlacht von Algier., einen Schaz von
                              sorgfaͤltig geordneten Baugeschichten aller seiner Werke, begleitet von den
                              genauesten Zeichnungen davon; und es waͤre fuͤr die Wissenschaft sehr
                              zu wuͤnschen, daß, gleichwie aus Smeaton's Papieren einst drei Baͤnde,
                              welche die kurzen Geschichten seiner vorzuͤglichsten Arbeiten enthielten, und
                              welche noch jezt von allen Ingenieuren als ein Hauptbuch ihres Faches
                              geschaͤzt werdenSmeatons Reports and Miscellaneous Papers. 4 Vol. in 4to London 1806–1814 mit vielen
                                    Kupfern., auch aus den ungleich reicheren und interessanteren Sammlungen des Hrn.
                              Rennie ein aͤhnliches Werk dem Publikum geschenkt werde. Denn bis jezt finden
                              sich nur in den Parliamentary Reports (die aber nicht im
                              Buchhandel erscheinen) mehrere, aber groͤßtentheils sehr summarische
                              Nachrichten und Kostenanschlaͤge von einigen seiner Werke.
                           (Bell. z. Allgem. Zeit. Nr. 192.)