| Titel: | Ueber die Verdichtung des fließenden Wassers. Von J. L. Späth, k. b. Hofrath und Professor. | 
| Autor: | Prof. Johann Leonard Spaeth [GND] | 
| Fundstelle: | Band 8, Jahrgang 1822, Nr. XXVIII., S. 218 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber die Verdichtung des fließenden Wassers. Von J. L. Späth, k. b. Hofrath und Professor.
                        Späth über die Verdichtung des fließenden Wassers.
                        
                     
                        
                           In einem Sendschreiben uͤber den
                                 mineralischen Koͤrper, Muͤnchen bei Fleischmann 1817; stellte
                              ich den Saz auf, daß auf unserer Erde alles Feste und Tropfbarfluͤßige, ja
                              die ganze Erde selbst, urspruͤnglich aufgeloͤst gewesen seyn
                              muͤße. Gas ist ferner nach meiner Ansicht, immer
                              ein Konflikt von unendlich feinen, mit gewissen Kraͤften von der Natur
                              ausgestatteten Grundstoffen, durch welche sich diese in eine elastisch
                              fluͤßige Waͤrme-Huͤlle
                              wikelten: es mußte dabei die Dichte der Schichten dieser Huͤllen von Innen
                              nach Außen, mit der Ziehkraft der Grundstoffe selbst abnehmen, waͤhrend ihre Elastizitaͤt
                              gerade in verkehrtem Verhaͤltniß zunimmt.
                           So wie nun gleichartige Gase unter sich gemischt nur durch Aggregation sich
                              anhaͤufen, so zersezen sich dagegen ungleichartige Gase, durch die
                              verschiedenen Kraͤfte ihrer Grundstoffe, indem sie von ihren Huͤllen
                              wechselseitige Schichten entbinden oder frei machen; und der aus den
                              Huͤllenresten entstandene Koͤrper ist nach meiner Ansicht der Sachen
                              noch tropfbarfluͤßig, wenn die Gravitation seiner
                              Grundstoffe noch groͤßer, als die Cohaͤrenz
                              ist, welche diese in den Abstaͤnden, in welche sie nach der Groͤße
                              ihrer Huͤllenreste noch unter sich kommen mußten,
                              durch ihre Kraͤfte noch konstituiren koͤnnen – es ist der
                              Ruͤkstand nach der Zersezung gestanden, wenn die
                              Cohaͤrenz seiner Grundstoffe ihrer Gravitation gleich ist – er ist feste, wenn jene groͤßer als diese, und dabei um
                              so fester, je mehr die Cohaͤrenz seiner Grundstoffe ihre Schwerkraft nach der
                              Erde uͤbertrifft.
                           
                              1) Zersezet sich das Sauerstoffgas
                                 mit dem Hydrogengas, so, daß der Ruͤkstand
                                 beider, bekantlich Wasser, das also in seinem
                                 natuͤrlichen Zustand noch in so weit elastisch ist, als die
                                 Huͤllenreste der Sauer- und Hydrogenstoffe, das ist, die Wasserhuͤllen in ihrer Dichte gegen ihre
                                 Zusammendruͤkung reagiren – es legen sich dabei die
                                 verhuͤllten Grundstoffe durch die Ueberwucht ihrer Gravitation
                                 uͤber ihre Cohaͤrenz schichtenweise uͤber uns
                                 nebeneinander, bis in jeder Wasserschichte die Theile sich gleich stark druken,
                                 mithin in dem Wasser der statische
                                    Gleichgewichts-Zustand der Ruhe hergestellt ist. In diesem
                                 Zustande hat nun das Wasser jene Kraͤfte als vakante uͤbrig, welche seine Grundstoffe von ihren
                                 natuͤrlichen Kraͤften auf ihre Cohaͤrenz, und auf die
                                 Erhaltung ihrer Huͤllenreste nicht weiters verwenden koͤnnen; es
                                 aͤußert durch das Integrale derselben eine Massenanziehung, die von seiner Oberflaͤche aus, nach einem
                                 gewissen Gesez stetig abnimmt: waͤhrend gleichzeitig die Grundstoffe
                                 seiner Oberflaͤche selbst, durch die ihre Huͤllen excedirende
                                 Kraͤfte das Phaͤnomen der Adhaͤsion zeigen – es sauget
                                 das Wasser durch die vakanten Kraͤfte seiner Grundstoffe, die Luft und
                                 anderes Fluͤßige, ja selbst staubartige Stoffe von Schicht zu Schicht
                                 ein, und nimmt das Eingesogene in die Zwischen-Raͤume auf, die in seiner Substanz zwischen den
                                 Huͤllen seiner Grundstoffe uͤbrig bleiben muͤßen, und
                                 behaͤlt diese, als ihm inkolirende so lange in
                                 sich, bis sie durch aͤußere Veranlassungen aus ihm getrieben, oder
                                 sonsten entweichen muͤßen.
                              2) Durch diese dem Wasser inkolirende Luft pflanzet sich nun
                                 meines Erachtens zunaͤchst der Schall in dem Wasser von Oben nach Unten,
                                 und von Unten nach Oben, oder aufwaͤrts in seiner Substanz fort. Die
                                 Taucher hoͤren bis auf etliche Klafter unter dem Wasserspiegel noch den
                                 Schall eines klingenden Metalls, waͤhrend ein Schlag an die bis auf 80
                                 Fuß versenkte eiserne Gloke noch uͤber dem Wasser gehoͤrt wird.
                                 – Das Wasser vicochetirt eben so, wie der feste Boden und Stein, eine
                                 Kugel zunaͤchst durch die Haͤrte seiner Substanz, und diese nimmt
                                 um so mehr zu, je mehr durchs Kochen seine ihm inkolirende luftartige Stoffe,
                                 wie z.B. in dem Wasserhammer aus ihm ausgetrieben
                                 worden sind. – Wenn wir daher die dem Wasser selbst noch uͤbrige
                                 Elastizitaͤt exprobiren wollen, so muͤßen wir dasselbe
                                 zunaͤchst durch aͤußern Druk in Umstaͤnde versezen, wo die
                                 Huͤllen der Wasserstoffe sich in ihrer Form dadurch deformiren, daß sie
                                 nach ihren mit der Luft erfuͤllten Zwischenraͤumen sich ausbiegen,
                                 und die Luft dadurch aus sich vertreiben; laͤßt nun jener Druk nach, und
                                 die Wassersaͤule gewinnt nachhero ihre vorige Hoͤhe wieder, so
                                 sind wir uͤberzeugt, daß diese Restitution nur durch die
                                 Elastizitaͤt bewirkt worden seyn muͤße, welche das Wasser als
                                 Ruͤkstand gasartiger zersezter Substanzen noch in seinem
                                 natuͤrlichen Zustande hat. – Je kuͤrzer nun die gedrukte
                                 Wassersaͤule, mithin auch ihre Masse bei einerlei Durchmesser ist, um so
                                 unbedeutender sind deßwegen auch die Zwischenraͤume seiner Substanz, in
                                 welche sich die gedrukten Wasserhuͤllen ausbiegen, und dadurch in ihrer
                                 Form sich deformiren moͤgen, und um so weniger laͤßt sich eine
                                 solche Wassersaͤule zusammendruͤken, oder um so haͤrter und
                                 resistenter zeigt sie sich in ihrer Substanz. Je laͤnger statt dessen die
                                 Wassersaͤule an und fuͤr sich ist, mithin um so bedeutender die
                                 Zwischenraͤume der Wasserhuͤllen sind, um so mehr wird sich auch
                                 die Saͤule unter gewissem Druk verkuͤrzen. – Nach diesem
                                 Umstande lassen also die Florentiner – nur mit
                                 kleinen mit Wasser angefuͤllten gedrukten Kugeln, angestellten Versuche
                                 fuͤr die Elastizitaͤt des Wasses wenig oder gar nichts folgern;
                                 – mehr laͤßt sich dagegen aus den von Hrn. Zimmermann und Abicht mit Saͤulen von 16
                                 Zollen, angestellten Versuche abnehmen; denn eine Wassersaͤule, die in
                                 ihrem natuͤrlichen Zustande 192 Linien maß, verkuͤrzte sich unter
                                 einem Druk von 745,, 1333,, 2509,, 3686 Pfunden auf 188, 9,, 185, 9: 181, 6,,
                                 179, 7 Linien, und ging nach aufgehobenem Druk nahe zu, und in so weit auf ihre
                                 natuͤrliche Laͤnge zuruͤk, als die Elastizitaͤt der
                                 Wasserhuͤllen, die staͤrkere Cohaͤrenz, welche ihre
                                 Grundstoffe durch ihre Annaͤhrung unter sich eingehen mochten,
                                 uͤberwuchten konnte. –
                                 Anmerkung. Ich habe diese
                                    Versuche auf eine Scale gebracht, und nach derselben gefunden, daß die Kurve
                                    anfaͤnglich sich etwas hohl zeigte; sie hat dorten ihren Wendepunkt,
                                    wo das Wasser so stark gedrukt wird, daß es Waͤrme verliert, und
                                    wendet nun ihre konvexe Seite von der Absciße ab. Seze ich daher die Dichte des Wassers in den Cilinder
                                    fuͤr die Saͤule von 192 Linien = 1; so ist fuͤr die
                                    oben angefuͤhrten Pressungen, die Dichte des Wassers 1,, 1,0172,,
                                    1,0336,, 1,0528,, 1,0691.
                              3) Laͤßt sich nun Wasser, das als gedruktes nicht zur
                                 Seite ausweichen kann, schon in so weit verdichten, um so mehr wird sich
                                 fließendes Wasser verdichten, wo die Wasserhuͤllen als gedrukte nach der
                                 Richtung ihres Abflusses sich verlaͤngern oder eine ovale Figur annehmen koͤnnen. – Es verdichtet sich so
                                 das fließende Wasser in seinen untern Schichten um so mehr durch den Druk der
                                 obern, je tiefer diese unter dem Wasserspiegel liegen, – es werden
                                 deßwegen auch die untern Wasserschichten in sich selbst um so
                                 kohaͤrenter, je staͤrker sich ihre Kraͤfte nach den
                                 kuͤrzern Abstaͤnden anziehen, in welche sie durch die Deformation
                                 ihrer Huͤllen kommen muͤßen.
                                 Anmerkung. Nach diesem Prinzip
                                    folgert sich unmittelbar, daß das Wasser oben geschwinder als in seinen
                                    tiefern Schichten abfließe, wie dieß auch wirklich die von Bruͤnings und Ximenes in der Wahl und im Arno angestellten Versuche beweisen, – es
                                    erklaͤrt sich eben so hieraus, warum das auf der schiefen Ebene
                                    abfließende Wasser nicht wie eine auf derselben abrollende Kugel
                                    accelerirt.
                              4) Muß das Wasser eines Flußes einen Engpaß passiren, so stemmt
                                 es sich vor demselben nach und nach in so weit auf, bis endlich den Engpaß so
                                 viel Wasser passirt, als in dem Flußbeet von hinten gleichzeitig
                                 zustroͤmet – es durchstroͤmet dabei das dem Passe direkte
                                 zufließende oder Klingenwasser denselben,
                                 waͤhrend gleichzeitig das uͤbrige oder Seitenwasser an den Waͤnden des Passes sich wendet, gegen jenes
                                 drukes, und sich auf beide Seiten mit jenem in den Paß einzwaͤnget. – Es hemmet so dieß Seitenwasser den Zufluß
                                 des Klingenwassers, waͤhrend die Wasserhuͤllen des den Paß
                                 passirenden Wassers sich um so mehr in ihrer Form deformiren, je staͤrker
                                 sie sich wechselseitig druͤken; – es wird das den Paß
                                 durchfließende Wasser dadurch um so dichter; je mehr Wasserhuͤllen in
                                 jeder Schicht auf einer Linie nebeneinander zu liegen kommen – es nimmt
                                 mit einer Verdichtung auch die Kohaͤrenz das Wassers zu, oder das Wasser
                                 wird in seiner Substanz um so dichter und hoͤher, je breiter das Beet des
                                 Flußes und schmaͤler der Engpaß im Vergleich mit diesem ist. – Ist
                                 nun das Gerinne des Engpasses immer gleich breit, so
                                 fließet das Wasser in der gewonnenen Dichte, in eben demselben mit einer
                                 Geschwindigkeit ab, die von der Geschwindigkeit seines Einstroͤmens in
                                 den Paß, und dem Gesenke seines Gerinnes abhaͤngig ist.
                              5)Verjuͤnget sich hingegen das Gerinne des
                                 Passes allmaͤhlig, so reflektiret sich das an den Waͤnden
                                 desselben anschlagende Wasser nach dem seine Mitte durchfließenden Wasser
                                 – es druͤket dieß Wasser um so staͤrker, je groͤßer
                                 seine Bewegende Kraft an und fuͤr sich ist, und seine
                                 Wasserhuͤllen streken sich dadurch um so ablanger, waͤhrend sie
                                 gleichzeitig durch ihr Ausgleiten neben einander
                                 jenem Druck auszuweichen streben, und nach der mittlern Richtung jenes Druks,
                                 mit einer Geschwindigeeit fortfließen, die mir jenem Seitendruk in
                                 naͤchster Beziehung ist. – Es verdichtet sich unter solchen
                                 Umstaͤnden das Wasser immer mehr, je laͤnger es in dem sich
                                 verjuͤngenden Gerinne fortfließt, und gewinnt gleichzeitig eine immer
                                 mehr zunehmende Geschwindigkeit, bis endlich an dem lezten Querschnitt des
                                 Gerinnes, wo das Wasser frei abfaͤllt, dasselbe eine Dichte und
                                 Geschwindigkeit hat, wonach durch ihn eben so viel Wasser abfließet, als
                                 gleichzeitig in den Engpaß sich einzwaͤnget. So presset sich der Konnektikut in Nordamerika in einen Engpaß ein, der
                                 sich immer mehr verenget, und erhaͤlt dorten, wo seine Breite nur 15 Fuße
                                 wird, eine Geschwindigkeit, wonach ein Saͤgeblok bei seinem Anstoßen an
                                 einen Felsen mit einer Kraft zersprungt, als wenn ihn der Bliz gespalten
                                 haͤtte; – sein Wasser wird allda durch seine Verdichtung so
                                 zaͤhe, daß Voͤgel, welche mit ihren Fuͤßen in den
                                 Wasserspiegel eintauchen, von ihm gefaßt, und fortgefuͤht werden;
                                 – eben dieß
                                 ereignet sich auch auf dem Laurenz fluß, wo er vor
                                 seinem Abfall einen Engpaß passiret.
                              6) Diese Verdichtung des Wassers in einem sich stetig
                                 verengenden Gerinne, zeiget sich insbesondere auch an dem aus unsern Feuersprizen ausfahrenden Strahle; denn dieser Strahl
                                 dehnet sich bei seinem Austritte aus der Oeffnung des Sprizrohrs, wo er den
                                 Seitendruk desselben nicht mehr verspuͤret, momentan um 1/6 bis 1/5 jener Oeffnung unmittelbar uͤber der Platte derselben, durch die
                                 Elastizitaͤt seiner gedruͤkten Wasserhuͤllen aus; er nimmt
                                 in seiner Staͤrke allmaͤhlig bis dahin zu, wo seine
                                 Wasserhuͤllen ihre natuͤrliche Form und Dichte durch ihre
                                 Elastizitaͤt in etwas wieder hergestellt haben, und er deßwegen wieder in
                                 etwas durchsichtig zu werden beginnt. – Ist nun der Strahl allda um die
                                 Haͤlfte der Weite des Mundlochs staͤrker, als dieses, so muß sein
                                 Wasser in dem Momment seines Austritts aus demselben 2/4 oder uͤber 2 mal
                                 dichter, als in dem natuͤrlichen Zustande seyn.
                              7) Faͤllt das Wasser durch eine zilindrische
                                 Roͤhre ab, so faͤllt es nach den Gesezen der Schwere immer
                                 geschwinder, je hoͤher die Roͤhre an und fuͤr sich ist,
                                 – es gewinnt statt dessen in der konischen Roͤhre, wie in dem sich
                                 verjuͤngenden Engpaß, eine noch um so groͤßere Geschwindigkeit,
                                 und verdichtet sich um so mehr, je mehr die Roͤhre sich nach und nach in
                                 ihrer Weite verjuͤnget. –
                              
                           Deßwegen bedient man sich bei den Wassertrommeln statt der
                              zilindrischen Roͤhren, besser der konischen; weil durch sie mehr Wasser, als
                              durch jene in einerlei Zeit abfallet, mithin auch aus dem Zerspringen des Wassers
                              auf dem Steine mehr Luft gleichzeitig entbunden oder frei wird, die sich in der
                              Trommel verdichtet.
                           Bei unsern Brunnenwerken hat das aus der Roͤhre des
                              Kessels abfallende Wasser vorerst die in den Hauptroͤhren und den
                              Verzweigungen der Roͤhrenleitung befindliche Luft vor sich fortzutreiben, die
                              seinem Fließen um so mehr widerstehet, je weiter die Roͤhren an und
                              fuͤr sich sind, je weiter sich die Leitung in ihrer Verzweigung extendirt, je
                              weniger Luftzapfen sie auf ihren hoͤchsten Stellen hat, je enger die
                              Muͤndungen des Ausflußes sind, und je mehr die bewegende Kraft des Wassers
                              durch das Steigen der Leitung vermindert wird; – es wiederstehet außerdem das
                              den Roͤhren anklebende Material dem Fließen des Wassers um so mehr, je rauher es
                              ist.
                           Auf jeden Fall verbreitet sich daher das in der Fallroͤhre abfallende Wasser
                              in der Leitung um so baͤlder, je mehr Wasser und schneller dieses bei ihrer
                              konoidalen Form in ihr abfaͤllet, oder je groͤßer die bewegende Kraft
                              des Wassers durch sie ist. Muͤnchen den 1. Juni 1820.