| Titel: | Ueber die schwarze und graue oder geflekte Cochenille, nebst dem Verfahren, der schwarzen Cochenille den Silberglanz zu geben. Von Hrn. Boutron-Charlard. | 
| Fundstelle: | Band 13, Jahrgang 1824, Nr. LXXIV., S. 350 | 
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                        LXXIV.
                        Ueber die schwarze und graue oder geflekte
                           Cochenille, nebst dem Verfahren, der schwarzen Cochenille den Silberglanz zu geben. Von
                           Hrn. Boutron-Charlard.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Janvier 1824. S.
                              46.
                        Boutron-Charlard über die schwarze und graue
                           Cochenille.
                        
                     
                        
                           Es kommen zweierlei Sorten von Cochenille im Handel vor: die
                              schwarze und die graue
                              oder geflekte (cochenille noire et
                                 grise ou jaspée). Die meisten naturhistorischen Werke schreiben
                              diesen Unterschied an den beiden Sorten der verschiedenen Art zu, nach welcher man
                              diese Insecten toͤdtet. Man gibt naͤmlich die gesammelte Cochenille,
                              wenn man sie toͤdtet, in ein Saͤkchen und stoͤßt dieses in
                              siedendes Wasser, worauf man die dadurch getoͤdteten Thierchen troknet; oder,
                              man breitet sie auf Huͤrden aus, und troknet sie am Ofen: auf die erste Weise erhalt man
                              schwarze, auf die leztere geflekte CochenilleDieses Toͤdten wuͤrde besser durch Wasserdaͤmpfe
                                    bezwekt. D..
                           Der Silber-Schimmer, den man an lezterer bemerkt, haͤngt bloß von einem
                              weißlichen Stoffe ab, der sich in den Zwischen-Raͤumen zwischen den
                              Ringen oder den Querrunzeln dieser Thierchen befindet. Die Schwierigkeit, diesen
                              Stoff von dem Insecte abzusondern, verbunden mit der noch groͤßeren
                              Schwierigkeit sich graue Cochenille zu verschaffen, ehe dieselbe irgend eine
                              Veraͤnderung erlitt, hinderte mich denselben (der aller Wahrscheinlichkeit
                              nach eiweißartiger Natur und von dem zarten baumwollenartigen Flaume, der die wild
                              vorkommende Cochenille bekleidet, verschieden ist) genau zu untersuchen.
                           Gewohnheit hat bisher, mehr als Erfahrung, gewisse Faͤrber und Fabrikanten die
                              graue Cochenille der schwarzen vorziehenvorzieziehen lassen, obschon durchaus kein Grund diese Auswahl rechtfertigen kann, wie
                              ich mich durch vergleichende Versuche uͤberzeugte, durch welche erwiesen
                              wurde, daß die schwarze Cochenille eben so vielen Farbestoff enthaͤlt, als
                              die graue. Es ist indessen nicht wahrscheinlich, daß man jemahls dieses Vorurtheil
                              wird verbannen koͤnnen, indem gewisse Leute ihr Interesse dabei finden,
                              dasselbe zu unterhalten.
                           Ich vermuthete schon seit langer Zeit, daß die graue Cochenille nur durch eine
                              besondere Zubereitung entsteht, welche man der schwarzen gibt. Ein weisses Pulver,
                              welches ich am Boden mehrerer Flaͤschchen fand, in welchen graue Cochenille
                              aufbewahrt wurde, brachte mich auf diese Idee, Ich verschaffte wir daher bei
                              verschiedenen Kaufleuten zu Paris Muster von grauer Cochenille, und sonderte, theils
                              durch Reibung theils mit der Spize eines Stahles, ein weisses, wie Perlenmutter
                              glaͤnzendes, seifenareiges Pulver ab, das sich sanft anfuͤhlte, und
                              das ich bald als gemeinen Talk (talcum venetum, talc de
                                 Venise) erkannte. Diese Erdart taugte allerdings sowohl durch ihren
                              Perlmutterglanz als vorzuͤglich durch ihre Schwere zu dieser Art von
                              Verfaͤlschung.
                           
                           Nachdem ich mich nun von dieser Verfaͤlschung vollkommen uͤberzeugt
                              hatte, glaubte ich mich uͤber die Art und Weise unterrichten zu
                              muͤssen, wie man die Cochenille versilbert. Was ich daruͤber erfuhr,
                              ist dieses, daß man die schwarze Cochenille 36 bis 48 Stunden lang in einen Keller
                              bringt, die wenige Feuchtigkeit, welche die Cochenille waͤhrend dieser Zeit
                              anzieht, reicht hin, um dieselbe den Talk aufnehmen zu machen, und ihr die
                              Versilberung zu verschaffen. Um also der schwarzen Cochenille diese Zurichtung zu
                              geben, bringt man sie mit fein gepuͤlvertem Talk in einen ledernen oder
                              zwillichenen Sak, und schuͤttelt sie in demselben nach allen Richtungen,
                              worauf man sie troknet, durchsiebt um den uͤberfluͤssigen Talk zu
                              entfernen, und dann in den Handel bringt. Es ist also nur Vorurtheil, daß die graue
                              Cochenille besser seyn soll, als die schwarze.
                           Als im Jahre 1803 und 1809 das Pf. Cochenille 80 bis 500 Franken kostete, war diese
                              Zubereitung, wie man sich denken kann, sehr eintraͤglich, und man behauptet,
                              daß ein Pariser-Handlungshaus sehr glaͤnzende Geschaͤfte
                              dadurch gemacht hat.
                           Die Anwendung des Talkes bei dieser Art von Verfaͤlschung war lange Zeit
                              uͤber ein Geheimniß. Die Nachahmer dieses Verfahrens versuchten in dieser
                              Absicht Gips und Bleiweiß; allein, außerdem, daß diese Koͤrper der Cochenille
                              ein mattes und schmuziges Ansehen gaben, mußten auch die Zufaͤlle, die
                              dadurch bei innerlichem Gebrauche der Cochenille entstehen konnten, sie diese Mittel
                              aufgeben machen.
                           Seit die Verbindungen mit unseren Colonien hergestellt sind hat der Preis der
                              Cochenille sich bedeutend vermindert: allein, diese Verfaͤlschung dauert noch
                              immer fort, und wird wahrscheinlich so lang dauern, als das Vorurtheil
                              waͤhrt, daß graue Cochenille besser ist, als schwarze.
                           Hr. Robiquet, dem ich meine Beobachtungen mittheilte, versicherte mich, daß er auch
                              den Thee mit Talk verfaͤlscht gefunden hat.