| Titel: | Ueber einige natürliche und künstliche Puzzolanen. Von Hrn. Girard, Ingénieur des Ponts et Chaussées. | 
| Fundstelle: | Band 23, Jahrgang 1827, Nr. XVI., S. 60 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XVI.
                        Ueber einige natuͤrliche und
                           kuͤnstliche Puzzolanen. Von Hrn. Girard, Ingénieur
                              des Ponts et Chaussées.
                        Aus den Annales de Physique et de Chimie. Octbr. 1826.
                              S. 197.
                        Girard, uͤber einige natuͤrliche und
                           kuͤnstliche Puzzolanen.
                        
                     
                        
                           Ein Aufsaz des Hrn. Generals Treussart im Maͤrz-Hefte der Annales
                                 de Phys. et de Chimie
                              Polyt. Journ. B. XXI. S. 40. enthaͤlt eine merkwuͤrdige Thatsache in Bezug auf die Theorie
                              der kuͤnstlichen Puzzolanen; naͤmlich diese, daß Puzzolanen, die man
                              durch Gluͤhung des Thones mitten in einem Luftstrome erhaͤlt, weit
                              kraͤftigere Eigenschaften erlangen, als wenn der Thon in einem geschlossenen
                              Gefaͤße, oder bloß in einem Kalkofen, gegluͤht wird General Treussart fand nicht, daß, nachdem er Kieselerde und
                              Bittererde einzeln versuchte, der Zusaz derselben zu dem gebrannten Thone einen
                              großen Einfluß auf das Resultat zeigte; er fand aber, daß Thonerde allein und in
                              einem Luftstrome gebrannt, einen Moͤrtel gab, der viel schneller
                              erhaͤrtete, als dieselbe Thonerde in geschlossenen Gefaͤßen gebrannt.
                              Hieraus folgerte er, daß es wahrscheinlich ist, daß die in den Thonarten enthaltene
                              Thonerde Sauerstoff verschlingt, und daß dieses die Ursache ist, warum
                              Moͤrtel, in welchen die enthaltene Thonerde Sauerstoff verschlingt, viel
                              besser sind, als gewoͤhnliche Moͤrtel.
                           Es ist zu bedauern, daß der Hr. General seinen Versuchen nicht noch eine einfache
                              Thatsache beifuͤgte, und die unter beistroͤmender Luft, so wie die in
                              einem geschlossenen Gefaͤße, gegluͤhte Thonerde gewogen hat. Wenn, in
                              dem ersten Falle, sich Gewichts-Zunahme, statt, wie man bei der Zersezung des
                              Hydrates vermuthen mußte, Verminderung des Gewichtes gezeigt haͤtte, oder,
                              wenn diese Abnahme an Gewicht bei der in freier Luft gebrannten Thonerde weniger
                              merklich gewesen waͤre; so waͤre die Einsaugung irgend einer Gasart,
                              im lezten Falle, beinahe erwiesene Thatsache geworden; wenn man aber, im
                              Gegentheile, gefunden haͤtte, daß die in einem verschlossenen Gefaͤße
                              gebrannte Thonerde weniger an Gewicht verlor, als die andere, so muͤßte man
                              die von Hrn. General Treussart angefuͤhrte Thatsache einer
                              vollkommneren Zersezung des Hydrates zuschreiben; was den gewoͤhnlichen Ideen
                              uͤber die Wirkung der Calcination mehr entspricht.
                           Mag es nun mit diesem Puncte der Theorie, mit welchem man bald in's Reine kommen
                              wird, wie immer beschaffen seyn, der General empfiehlt, wenn man gute
                              kuͤnstliche Puzzolane erhalten will, die Thonziegel in einem Reverberirofen
                              zu hizen, oder, wenn man sich eines gewoͤhnlichen Ofens bedient, den oberen
                              Theil desselben nicht zu bedeken. Dieses Verfahren soll, nach den Erfahrungen des
                              Hrn. Verfassers, wirklich die besten Resultate geben; man kann sie aber auf diese
                              Weise nicht erhalten, ohne eine schon an und fuͤr sich theuere Sache, deren
                              Anwendung die Wasserbau-Kosten bedeutend erhoͤht, noch theuerer durch
                              die Fabrikation selbst zu machen. Indessen fuͤgt er noch bei: „es
                                 haͤlt schwer, alle Vortheile voraus zu sehen, die man von Thonarten, die
                                 lang in einem Strome atmosphaͤrischer Luft
                                 gebrannt wurden, erhalten kann.“ Es scheint, daß der Hr. General
                              dadurch, daß er sich zu sehr solchen Betrachtungen hingab, sich von dem wahren Zweke
                              der Untersuchungen dieser Art entfernte. Allerdings fehlt es nicht an
                              Koͤrpern, die mit fettem Kalke gemengt, einen Moͤrtel (béton) von sehr großer Festigkeit geben, und die
                              den hydraulischen Kalk in Gegenden, wo man denselben entbehren muß, ersezen
                              koͤnnen; allein, die wahre Aufgabe, um deren Loͤsung es sich hier
                              handelt, ist, hydraulischen Moͤrtel von der zu jedem
                                 Zweke erforderlichen Festigkeit mit den moͤglich geringsten Kosten
                              zu verfertigen. Es ist offenbar, daß ein Moͤrtel, der die Waͤnde einer
                              Schleuse oder eines Abzug-Canales von hoͤchstens 5 bis 6 Meter
                              Hoͤhe zu tragen hat, nicht den Widerstand zu leisten hat, den man von. einem
                              Moͤrtel bei hohen Bruͤken-Pfeilern fordert.
                           Es handelte sich darum, einen Vergleichungs-Punct zwischen der Haͤrte
                              eines Mergels und seinem Widerstaͤnde gegen ein
                                 Gewicht, das ihn zu zerdruͤken, oder bloß zusammenzudruͤken
                                 strebt, zu finden. Allein hier verwikelt sich die Aufgabe in alle jene
                              Ruͤksichten, die man hinsichtlich des Widerstandes fester senkrecht stehender
                              Koͤrper zu nehmen hat. Sie koͤnnte nur durch eine große Anzahl von
                              Versuchen, die man noch nicht angestellt hat, hinlaͤnglich erlaͤutert
                              werden; man koͤnnte jedoch mit geringeren Kosten die Graͤnze des Gewichtes bestimmen,
                              welches, wenn es auf Ein Quadrat Centimeter
                              Moͤrtel-Oberflaͤche druͤkt, dieselbe nicht merklich
                              eindruͤkt, und ich glaube, man koͤnnte nach dieser Grundlage die Last
                              bestimmen, die man den Moͤrtel ohne allen Nachtheil tragen lassen kann.
                           Hierbei kommt es vorzuͤglich darauf an, sich nicht uͤber die Zahlen zu irren, die man durch Vergleichung
                              verschiedener Moͤrtel unter einander erhaͤlt, sey es nun durch
                              Brechung der Prismen derselben, oder durch das Eindringen einer Spize. Diese Zahlen
                              druͤken in der That den Widerstand oder die relative Haͤrte aus,
                              lehren uns aber nichts oder beinahe nichts hinsichtlich der Anwendung, die man im
                              Großen voll diesen Moͤrteln machen muß, und es koͤnnte sich treffen,
                              daß jene Moͤrtel, die auf der Stufenreihe am tiefsten stehen, wenn man dabei
                              am meisten erspart, allen uͤbrigen aus demselben Grunde vorgezogen werden
                              muͤßten, aus welchem man die gewoͤhnlichen Bausteine dem Marmor und
                              dem Granite vorzieht.
                           Es gibt uͤbrigens Eigenschaften eines guten Moͤrtels, uͤber
                              welche man noch keine Versuche angestellt hat. Diese Eigenschaften sind seine
                              Unaufloͤsbarkeit; der Widerstand, den er der Stroͤmung und dem Falle
                              des Wassers in Hinsicht auf das Auswaschen entgegen sezt; seine
                              Undurchdringlichkeit. Wir haben keine Beweise, daß diese uͤbrigens so
                              wichtigen Eigenschaften mit der Festigkeit im Verhaͤltnisse stehen, die der
                              Moͤrtel unter Wasser erhaͤlt. Man weiß z.B., daß dichter reiner Thon
                              so undurchdringlich und so unaufloͤslich im Wasser ist, als guter
                              Moͤrtel; uͤbrigens hat er, unter Wasser, nie mehr Festigkeit, als ein
                              fester Teig.
                           Wenn man sich daher nur mit der Harte und mit dem Widerstande des Moͤrtels
                              allein befaßt, so betrachtet man sie nur einseitig aus einem einzelnen
                              Gesichtspuncte, und loͤst daher eine Frage, die viele andere
                              Ruͤksichten umfaßt, und die zu wichtig ist, als daß man sie nicht von allen
                              Seiten betrachten sollte, nur sehr unvollstaͤndig.
                           Ich habe in einem Schreiben an den General-Director der Bruͤken und
                              Chausséen, im November 1824, und zeither in einem bei dem Institute im
                              Maͤrz 1825 niedergelegten Mémoire die hoͤchst ausgezeichneten
                              Eigenschaften des gegrabenen thonigen Sandes, dessen Farbe vom braun Rochen bis zum
                              gelblich Rochen spielt, und den man im Isle Thale (Dptt. 
                              de la Gironde) Arènes nennt, beschrieben. Dieser Sand besizt mehr oder minder die
                              Eigenschaft, mit fetten und mit mageren Kalken Moͤrtel zu bilden. Der
                              kraͤftigste Sand dieser Art (der Uebersezer wird ihn fortan Arèn-Sand nennen), bildet in dem
                              Verhaͤltnisse von 3 Theilen auf 1 Theil fetten geloͤschten Kalk
                              vortrefflichen hydraulischen Moͤrtel. Dieser Arèn-Sand kommt in
                              jeder Hinsicht dem besten Moͤrtel gleich, und kommt zehn Mahl wohlfeiler. Man
                              kann selbst nur ein Fuͤnftel fetten Kalkes mit diesem
                              Arèn-Sande mengen, wie ich mich zeither uͤberzeugte, und man
                              erhaͤlt dadurch noch ein guͤnstigeres Resultat. Wenn dieser
                              Arèn-Sand weniger als 30 p. Cent Thonerde enthaͤlt, so hat er
                              wenig Kraft, und bindet sich oͤfters erst nach anderthalb Monaten; nach Einem
                              Jahre und spaͤter aber bemerkt man nicht mehr viel Unterschied zwischen
                              diesen sogenannten faulen Moͤrteln, und
                              denjenigen, die sich schneller anfiengen zu binden.
                           Solcher Arèn-Sand ist haͤufig
                              uͤber der Erde verbreitet, und man kann sagen, daß er viel haͤufiger
                              vorkommt, als reiner Sand. Der Preis des Moͤrtels aus solchem
                              Arèn-Sande und fettem Kalke in den angegebenen Verhaͤltnissen,
                              mag er nun schlechter seyn als anderer hydraulischer Moͤrtel oder nicht, ist
                              immer beinahe um die Haͤlfte geringer als jener
                              eines Moͤrtels, den man unter den guͤnstigsten Umstaͤnden mit
                              ausgezeichnet hydraulischem Kalke erhaͤlt.
                           Der niedrige Preis des Arèn-Moͤrtels erlaubt gewisser Massen,
                              denselben bei dem Baue zu verschwenden. Die Anwendung, die man von demselben bei 19
                              Schleusen am Isle-Flusse machte, ließ seine Eigenschaften hinsichtlich des
                              Widerstandes gegen das Auswaschen durch Stroͤmung und durch Fall des Wassers
                              beurtheilen. Er haͤlt sich dort, wo große lose Steine fortgeschwemmt werden.
                              Man kann diesen Arèn-Sand, wenn er kraͤftig ist, auch in
                              bedeutenden Massen und als Moͤrtel-Lager fuͤr die massiven
                              Mauerwerke der Schleusen und Abzugs-Canaͤle anwenden. Davon hat man
                              mehrere Beispiele an dem Flusse Isle, wo man sich solcher
                              Grundlager mit dem groͤßten Vortheile bediente.
                           Wenn sich irgendwo nur mittelmaͤßig starker Arèn-Sand findet, so
                              kann man denselben mit geringen Kosten dadurch sehr stark machen, d.h., eine ganz
                              vortreffliche Puzzolane dadurch erhalten, daß man ihn etwas leicht gluͤht.
                              Diese wichtige Thatsache wurde von Hrn. Vicat bemerkt, nachdem er von meinen
                              Versuchen mit rohem Sande Kenntniß erhielt. Im Allgemeinen wird lezterer hinreichen;
                              im Nothfalle findet man aber an dem anderen Alles, was sich von Puzzolanen erwarten
                              laͤßt.
                           Wenn man diese Thatsachen mit jenen uͤber den natuͤrlichen
                              hydraulischen Kalk vergleiche und wenn man bedenkt, daß es wenige Gegenden gibt, die
                              zugleich weder solchen Arèn-Sand noch diesen kostbaren Kalk
                              besaͤßen; so wird man sich uͤberzeugen, daß die Faͤlle, wo es
                              erlaubt seyn kann in den Kuͤnsten zu dem kostbaren Gebrauche
                              kuͤnstlicher und vulcanischer Puzzolane seine Zuflucht zu nehmen, sobald
                              leztere weit her gehoͤhlt werden muß, nur sehr selten vorkommen
                              muͤssen, und daß die Zeit nicht mehr sehr fern ist, in welcher man diese Art
                              von Materialien in der Baukunst nicht mehr anwenden wird.
                           General Treussart hat, wie er sagt, bemerkt, daß die
                              hydraulischen Moͤrtel, die sehr schnell erhaͤrten, spaͤter und
                              immer weit fester blieben, als die uͤbrigen Moͤrtel, so daß man
                              beinahe nach der Laͤnge der Zeit, die der Moͤrtel von dem Augenblike
                              seiner Einsenkung in Wasser bis zur vollendeten Erhaͤrtung braucht, die
                              Staͤrke des Moͤrtels beurtheilen kann, den man anwenden will. Dagegen
                              will ich nur zuerst bemerken, daß Hr. Vicat eine wichtige
                              Ausnahme von dieser Regel uns kennen lehrte, und zwar bei Gelegenheit der
                              hydraulischen Eigenschaften des unvollkommen gebrannten Kalkes; daß ferner die
                              Versuche des Hrn. Treussart nicht hinreichen, dieses
                              Gesez selbst fuͤr jene Koͤrper geltend zu machen, die er untersuchte.
                              Ich habe wirklich bemerkt, daß, wenn man einen aus was immer fuͤr einer
                              Puzzolane und fettem Kalke gemengten Moͤrtel in Wasser bringt, nach und nach
                              sich eine große Menge Kalkes aufloͤst: eine Erscheinung, die nur dann
                              aufhoͤrte, wann der Moͤrtel erhaͤrtete. In diesem Augenblike
                              wurde der Moͤrtel unaufloͤslich; da aber der aufgeloͤste Kalk
                              den Moͤrtel-Lagen unmittelbar entzogen ward, wenn er in
                              Beruͤhrung mit dem Wasser kam, so ließ sich leicht vermuthen, daß der
                              Widerstand dieser Lagen endlich dadurch geschwaͤcht werden mußte; dieser
                              Zustand von Festigkeit, den man den unregelmaͤßigen nennen koͤnnte, erstrekt sich desto weiter,
                              je langsamer der Moͤrtel erhaͤrtet. In einigen Versuchen mit
                              Aͤren-Sand Moͤrtel durch Eindringen einer Spize gab ein
                              Moͤrtel aus starkem Arèn-Sand fuͤr die Groͤße, in
                              welcher die Spize eindrang, 0,0055 Meter an der Oberflaͤche, und nur 0,0047 Meter bei 0,005
                              Meter unter dieser Oberflaͤche. Moͤrtel aus mittlerem Sande gab 0,009
                              Meter Vertiefung an seiner Oberflaͤche, und 0,005 Meter bei einem Centimeter
                              unter derselben. Dieser lezte Moͤrtel brauchte anderthalb Monathe, um unter
                              dem Wasser zu erhaͤrten. Diese beiden Versuche reichen hin, um zu beweisen,
                              wie sehr die Ursache, die ich angegeben habe, Ungewißheit uͤber die
                              Vergleichungen verbreitet, die man bisher uͤber Moͤrtel anstellte, von
                              welchen man die Oberflaͤche bis auf Ein oder anderthalb Centimeter Tiefe
                              abgekrazt hat. Hr. General Treussart, der den Widerstand
                              des Moͤrtels nach daraus gebildeten und unter Wasser gebrachten Ziegeln
                              bemaß, deren Oberflaͤchen alle auf ein Mahl der aufloͤsenden
                              Einwirkung des Wassers ausgesezt sind, mußte dadurch nothwendig auf jenes Gesez
                              kommen, von welchem ich oben sprach, ohne daß man deßwegen dieses Gesez, als
                              hinlaͤnglich begruͤndet, betrachten darf.