| Titel: | Beobachtungen über Seiden-Zucht. Von dem sel. Hrn. Archibald Stephenson, Esq. of Mongreenan, Ayrshire. | 
| Fundstelle: | Band 23, Jahrgang 1827, Nr. XXXIX., S. 136 | 
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                        XXXIX.
                        Beobachtungen uͤber Seiden-Zucht.
                           Von dem sel. Hrn. Archibald
                              Stephenson, Esq. of Mongreenan, Ayrshire.
                        Aus Gill's technical Repository.Dieser Aufsaz findet sich auch im 43. B. der Transactions of the Society for
                                          the Encouragement of Arts, und im Repertory of
                                          Patent-Inventions, Jaͤner 1827. S. 18.
                                    Wir glauben, daß diejenigen, die die Seiden-Zucht in einem Lande
                                    studirten, in welchem sie seit Jahrhunderten betrieben wird, bessere Lehrer
                                    sind, als diejenigen, die sie bloß aus Buͤchern kennen. A. d. U. N. 51. S. 174. N. 52. S. 241. N. 53. S. 253. N. 54. S. 325. N. 55. S.
                              44.
                        (Im Auszuge. Mit Anmerkungen.)
                        Stephenson's, Beobachtungen uͤber
                           Seiden-Zucht.
                        
                     
                        
                           Da ich fuͤnf Jahre lang in Languedoc und Quercy im
                              suͤdlichen Frankreich lebte, wo man alle Aufmerksamkeit auf
                              Seiden-Zucht wendet, so benuͤzte ich die Gelegenheit, die Art, wie
                              dieser eintraͤgliche Zweig der Industrie und des Handels betrieben wird, mit
                              Sorgfalt zu beobachten. Ich wendete um so mehr Fleiß auf diesen Gegenstand, als ich
                              der Ueberzeugung war, daß diese hoͤchst eintraͤgliche
                              Beschaͤftigung unter der gehoͤrigen Vorsicht auch in England,
                              besonders in den suͤdlichen Gegenden desselben, wo große Streken Landes mit
                              Maulbeer-Baͤumen bepflanzt werden koͤnnten, die nicht zum
                              Akerbaue taugen, betrieben werden koͤnnte.
                           Ich kann aus einer fuͤr den franzoͤsischen Minister abgefaßten
                              Denkschrift, deren Verfasser mir die Einsicht derselben erlaubte, versichern, daß im
                              J. 1764 in Frankreich fuͤr nicht weniger als 30 Millionen Roh-Seide
                              erzeugt wurde: dieser Ertrag muß sich zeither bedeutend vermehrt haben, indem die
                              Seiden-Zucht sich immer mehr und mehr gegen Norden ausdehnt. Dieser
                              Gegenstand verdient also allerdings unsere Aufmerksamkeit, und entging auch nicht
                              der Sorgfalt der Society of Arts, die sich
                              bemuͤhte und noch unermuͤdet bemuͤht ist, Seiden-Zucht
                              in England einzufuͤhren.
                           Ich will mit einigen Notizen uͤber den Maulbeer-Baum beginnen, indem
                              man zuerst Futter fuͤr die Seiden-Raupen haben muß, ehe man irgend
                              einen Versuch mit der Anzucht derselben machen kann.So einleuchtend diese Wahrheit fuͤr jeden an und fuͤr sich seyn
                                    muß, so
                                    ward sie doch beinahe immer bei allen Versuchen, die man zur
                                    Einfuͤhrung der Seidenzucht in Deutschland machte, verkannt. Man
                                    wollte ernten, ehe man gesaͤet hat. Man vergaß, daß man ehe 25
                                    Zentner Blaͤtter braucht, als man 10 Pfund Seide ziehen kann, und daß
                                    man vor 10 Jahren, auch wenn man den Maulbeer-Baum bloß strauchartig
                                    zieht, nicht auf einen anhaltenden Ertrag an Blattern rechnen kann. Es
                                    finden sich nur wenige Menschen, die die Kraft ihrer Arme oder ihres Beutels
                                    auf zehn Jahre vorhinein, ohne allen Ertrag in der Zwischenzeit, Herleihen
                                    wollen, und von diesen Wenigen haben nur Wenige das Gluͤk, ihre
                                    Beharrlichkeit auf ihre Erben und Nachfolger fortzupflanzen; so daß wir, wie
                                    die Geschichte der Seidenzucht in Deutschland nur zu oft lehrte, mit
                                    Schmerzen sehen muͤssen, daß die Soͤhne und Enkel die
                                    Pflanzungen von Maulbeer-Baͤumen zerstoͤrten, die ihre
                                    Vaͤter und Großvaͤter mit weiser Sorgfalt fuͤr sie
                                    anlegten. Erst wenn man sich 10–12 Jahre lang fleißig mit
                                    Maulbeer-Baumzucht beschaͤftigt haben wird, erst dann kann man
                                    ein ernsthaftes Wort uͤber Seiden-Zucht sprechen. A. d. U.
                              
                           
                           Man zieht zweierlei Arten schwarzer Maulbeer-Baͤume in Frankreich; die
                              erstere liefert die bekannten, haͤufig zum Nachtische aufgetragenen
                              Fruͤchte, und wird auch in unseren Gaͤrten in der Naͤhe von
                              London gezogen. Die Blaͤtter dieser Art sind zu rauh und zu saftig, um ein
                              brauchbares Futter fuͤr die Seiden-Raupen zu liefern. Die Seide, die
                              die Raupen bei diesem Futter liefern, wird grob, und ist von schlechter
                              Qualitaͤt.
                           Die zweite Art hat viel kleinere Fruͤchte, die nicht als Nachtisch taugen; ihr
                              Blatt ist aber, als Futter fuͤr die Seiden-Raupen, viel besser als
                              jenes der ersteren, weniger rauh, und liefert eine feinere Seide, als die erstere.
                              Sie ist wahrscheinlich diejenige Art, die, wie man sagt, gegenwaͤrtig im
                              Koͤnigreiche Valencia fuͤr die Seiden-Raupen gepflanzt wird,
                              und viele alte Pflanzungen in Frankreich sind von dieser Art. Die neueren hingegen
                              sind alle aus dem weißen Maulbeer-Baume, der jezt
                              die einzige Art ist, die man in Frankreich in allen Baumschulen zieht.
                           Dieser weiße Maulbeer-Baum ist die dritte Sorte von
                              Maulbeer-Baum, dessen Laub zarter und weniger saftig, als das der beiden
                              vorigen Arten ist, und die schoͤnste und beste Seide gibt. Einige Leute
                              glauben, daß diese Art von Maulbeer-Baͤumen keine Samen bringt, und
                              nur durch Ableger fortgepflanzt werden kann, was hoͤchst unrichtig ist. Denn,
                              wenn auch der weiße
                              Maulbeer-Baum in einem so noͤrdlichen Klima, wie das unsrige, keine
                              Fruͤchte bringen sollte, was ich nicht behaupten moͤchte,In Bayern bringt er, in warmen Sommern, reife Samen. A. d. U. so ist es doch gewiß, daß er im suͤdlichen Frankreich sehr reichlich
                              Fruͤchte traͤgt, obschon diese kleiner sind, als an beiden vorigen
                              Arten. Die Farbe derselben ist schmuzig weiß, etwas in's Gelbliche ziehend, und
                              enthaͤlt eine Menge kleiner Samen, wie Senf, aus welchen alle Jahre im ganzen
                              suͤdlichen Frankreich eine Menge junger Baͤume gezogen werden.
                           Mehrere Jahre lang nach der ersten Einfuͤhrung der Seiden-Zucht in
                              Frankreich brauchte man daselbst die Blaͤtter aller drei obigen Arten ohne
                              Unterschied; als man spaͤter Pfropf-Reiser von dem weißen
                              Maulbeer-Baume aus Piemont und Spanien erhielt, der ein groͤßeres
                              Blatt trug, als derjenige den man bisher in Frankreich gezogen hatte, pfropfte man
                              die franzoͤsischen Wildlinge damit, und erhielt so groͤßere
                              Blaͤtter was man als großen Gewinn betrachtete, indem man dadurch mehr
                              Futter-Vorrath erhielt. Das Pfropfen der Maulbeer-Baͤume
                              verbreitete sich nun uͤber die ganze ehemalige Provence und uͤber
                              Languedoc.
                           Hr. Marteloy, Arzt zu Montpellier, der eine Reihe von
                              Jahren uͤber die Seiden-Raupe zu seinem besonderen Studium machte,
                              bewies aber durch eine Menge sorgfaͤltig angestellter und genau beobachteter
                              Versuche auf die uͤberzeugendste Weise, daß das Blatt des aus Samen gezogenen
                              wilden Maulbeerbaume das beste Futter ist, das man diesem nuͤzlichen Thiere
                              geben kann, indem die mit demselben gefuͤtterten Raupen gesuͤnde und
                              staͤrker und weniger Krankheiten unterworfen sind, als die jenigen, die mit
                              gepfropften Blaͤttern genaͤhrt werden, und daß auch ihre Seide um
                              Vieles besser ist. Seit dieser Zeit, seit das J. 1765, gibt man den Blaͤttern
                              der Wildlinge den Vorzug vor allen uͤbrigen.Hiervon hat man sich nun auch in Italien uͤberzeugt. (Vergleich Gera, Polyt. Journ. B. XXII. S. 73, wo man mehrere von
                                    Hrn. Stephenson vor 50 Jahren gemachte
                                    Bemerkungen bestaͤtigt finden wird.) A. d. U.
                              
                           Da unsere englischen Gaͤrtner, meiner Meinung nach, geschikter sind, als die
                              franzoͤsischen, wenigstens als jene, die ich in Frankreich kennen lernte; so
                              wird man es vielleicht fuͤr uͤberfluͤßig halten, wenn ich der Wartung und
                              Pflege der Maulbeer-Baͤume erwaͤhne: wenn man aber bedenkt, daß
                              man auf die Anzucht dieses Baumes in Frankreich seit einer so langen Reihe von
                              Jahren alle erdenkliche Aufmerksamkeit gewendet hat, und daß ich den
                              franzoͤsischen Gaͤrtnern volle Gerechtigkeit widerfahren lasse, wenn
                              ich sage, daß sie hierin Meister sind, so wird man es vielleicht nicht ganz
                              ungeeignet finden, wenn ich hier die Art beifuͤge, deren man sich in
                              Frankreich bei Anzucht dieser Baͤume bedient.
                           Man waͤhlt zuerst einen geeigneten Flek Bodens, um den Samen der
                              Maulbeer-Baͤume anzubauen, und sucht hierzu einen sandigen oder
                              schuttigen Boden, der einige Zeit uͤber in Garten- oder Akerbau
                              gestanden ist, und von dem man weiß, daß er nicht schlecht ist. Nachdem dieser Grund
                              gehoͤrig zugerichtet wurde, zieht man, in der Entfernung von zwei Fuß von
                              einander, Furchen, und saͤet die Samen in dieselben, so wie man
                              gewoͤhnlich Salat baut. Die Samen werden mit der feinsten durchgesiebten Erde
                              leicht zugedekt, und, wenn die Witterung troken ist, ein oder zwei Mahl in der Woche
                              leicht begossen. Die Saatzeit ist von Ende April's bis Ende Mai's, und selbst noch
                              in der ersten Woche des Junius. Ich sah mehrere Gaͤrtner, um des Erfolges
                              desto sicherer zu seyn, waͤhrend dieser Periode zu drei verschiedenen Mahlen
                              anhauen: naͤmlich, zum ersten Mahle in der lezten April-Woche; zum
                              zweiten Mahle, in der Mitte Mai's; zum dritten Mahle, im Anfange Junius.
                           Nachdem die Pflaͤnzchen sich etwas uͤber die Erde gehoben haben, werden
                              sie sorgfaͤltig von allem Unkraute gereinigt, und die Erde zwischen den
                              beiden Furchen mittelst der Schaufel und der Harke aufgelokert.
                           Man hebt nun im dritten Jahre die Pflaͤnzchen aus. Diejenigen, die so dik als
                              ein Federkiel geworden sind, kommen in die Baumschule, wo sie in drei Fuß weit von
                              einander stehenden Reihen zwei Fuß weit von einander gepflanzt werden, damit Raum
                              genug zur Reinigung und Zurichtung des Bodens uͤbrig bleibt. Bei dem
                              Verpflanzen schneidet man die halbe Wurzel weg, und so auch die Krone, bis auf
                              ungefaͤhr 6 oder 7 Zoll von dem Boden.Diese aͤltere Verpflanzungs-Methode der Baͤume
                                    koͤnnen wir uͤberhaupt (da wir fuͤr das Versezen mit
                                    dem Ballen sind) nicht empfehlen, und noch weniger bei dem
                                    Maulbeer-Baume. Die Anleitung, die Hr. Stephenson weiter unten uͤber das Beschneiden der
                                    Maulbeer-Baͤume gibt, nachdem sie einmahl herangewachsen sind,
                                    scheint uns zuviele Kuͤnsteleien der franzoͤsischen
                                    Gaͤrtnerei zu enthalten, und es befremdet uns, daß er, als
                                    Englaͤnder, nicht auf die Idee kam, die Maulbeer-Baͤume
                                    strauchartig und in Heken zu ziehen, wo sie schneller wachsen, mehr Ertrag
                                    geben, und das Einsammeln der Blaͤtter erleichtern, nebstdem, daß sie
                                    alle Vortheile einer Heke oder eines Zaunes gewaͤhren. Er
                                    erwaͤhnte auch nicht der Vermehrung dieses nuͤzlichen Baumes
                                    durch Ableger, die in den ersten Jahren der Einfuͤhrung der
                                    Maulbeerbaum-Zucht in irgend einem Lande nie uͤbersehen werden
                                    darf, indem der Maulbeer-Baum sich auch auf diese Weise, wenn gleich
                                    etwas schwieriger, als mancher andere Baum, vermehren laͤßt. Selbst
                                    durch Wurzelbrut laͤßt er sich vermehren, und auch, obgleich
                                    schwerer, durch Steklinge. A. d. U. Alle uͤbrigen Pflanzen, welche fuͤr die Baumschule zu klein sind, pflanzt man
                              dicht an einander, und laͤßt sie noch Ein Jahr uͤber stehen, oder auch
                              zwei Jahre, wenn es noͤthig seyn sollte, und versezt sie dann erst in die
                              Baumschule. Die best Zeit zum Verpflanzen der Maulbeer-Baͤume ist im
                              Herbste, gerade nach dem Abfallen der Blaͤtter derselben.
                           Wenn die Baͤumchen in der Baumschule treiben, streift man die Seitenknospen
                              ab, und laͤßt nur soviele derselben uͤbrig, als zur Bildung der Krone
                              nothwendig sind, und wenn sie in dem eisten Jahre nicht gehoͤrig
                              emporschießen, so schneidet man sie im Maͤrz des folgenden Jahres bis auf
                              sieben Zoll uͤber der Erde ab, wodurch sie im folgenden Jahre desto freudiger
                              wachsen.
                           Nachdem die Baͤumchen Einen Zoll im Durchmesser dik geworden sind, werden sie
                              auf das Feld hinaus verpflanzt, wo sie nun zu verbleiben haben. Die Gruben
                              fuͤr dieselben werden 6 Fuß im Gevierte und 20 Zoll bis zwei Fuß tief
                              gegraben.
                           Waͤhrend des ersten Jahres des Verpflanzens in's Freie lassen die Franzosen
                              alle Knospen, die der Baum an der Krone getrieben hat, bis zum folgenden
                              Fruͤhjahre, wo sie nur drei oder vier Aeste lassen, um dieselbe auszubilden;
                              so wie die Knospen sich zeigen, nehmen sie alle diejenigen weg, die am Stamme zum
                              Vorscheine kommen, von unten hinauf bis dort, wo die Krone des Baumes sich bilden
                              soll. Noch mehrere Jahre hernach schnei den sie die Krone der Baͤume zu
                              dieser Zeit aus, wenn das Holz zu dik wird, und vorzuͤglich schneiden sie
                              jeden Ast, der ableitet und mehr Saft nimmt, als er haben soll, damit alle Aeste
                              sogleichfoͤrmig wachsen, als moͤglich.
                           
                           Nachdem die Baͤume versezt wurden, und ebenso, solang sie noch in der
                              Baumschule stehen, wird die Erde um dieselben regelmaͤßig drei bis vier Mahl
                              des Jahres gereinigt und zugerichtet; was den Baͤumen sehr gut bekommt.
                           Ich muß hier bemerken, daß man in Frankreich einige junge
                              Maulbeer-Baͤume von der Baumschule aus an geschuͤzte
                              Waͤnde in Gaͤrten, wo der Grund nicht zu fruchtbar ist, verpflanzt,
                              und daselbst spaliermaͤßig zieht; wo es moͤglich ist, waͤhlt
                              man dazu auch sandigen und steinigen Boden. Man thut dieß in der Absicht, um
                              fruͤhzeitig Blaͤtter fuͤr die jungen Raupen zu bekommen, indem
                              der zwergartig gezogene Maulbeerbaum in einer geschuͤzten Lage fruͤher
                              treibt, als Baͤume in freier und offener Lage. Fuͤr ihre jungen Raupen
                              nehmen sie auch die zarten Blaͤtter der jungen Baͤumchen in dem
                              Samen-Beete und in der Baumschule.
                           Man kann Maulbeeren-Samen in jeder Menge sowohl zu Montpellier, als zu
                              Marseille bekommen, wo er in den Kauflaͤden verkauft wird, und wenn man sich
                              auf diese Kaufleute nicht verlassen will, so darf man nur suchen an einem oder dem
                              anderen dieser beiden Plaͤze einen Freund zu finden, und man erhaͤlt
                              sicher den frischesten und besten Samen. Eben so erhaͤlt man ihn auch leicht
                              aus Spanien, wo der Maulbeer-Baum noch besser ist, als in Frankreich; denn er
                              hat ein groͤßeres, und eben so zartes und gutes Blatt, als die aus Samen
                              gezogenen Baͤume in diesem lezteren Lande.
                           Hr. Marteloy hat durch eine Reihe von Versuchen klar
                              erwiesen, daß die Blaͤtter der Baͤume, die auf sehr gutem Boden
                              wachsen, durchaus kein gutes Futter fuͤr die Seidenraupen sind: sie sind zu
                              geil, zu saftig fuͤr sie. Blaͤtter von Baͤumen, die auf
                              steinigem und sandigen Boden wachsen, wo nie ein Duͤnger hinkam, sind den
                              vorigen bei weiten vorzuziehen.
                           Aus diesen Erfahrungen laͤßt sich nun wohl eine der vielen Ursachen, und
                              vielleicht die wichtigste, erklaͤren, warum die Versuche, Seidenzucht in
                              England unter der Regierung Jakobs I. und Karls II. einzufuͤhren, mißlangen.
                              Man hatte damahls kein anderes Futter fuͤr die Seidenraupen, als die
                              Blaͤtter der schwarzen Maulbeer-Baͤume, deren große
                              Fruͤchte als Nachtisch gegessen werden, und die heute zu Tage in Frankreich
                              allgemein als schaͤdlich verworfen werden. Was diese Blaͤtter noch
                              nachtheiliger fuͤr die Raupen machte, war der Umstand, daß die Baͤume alle in dem
                              fruchtbarsten Boden Englands wuchsen, naͤhmlich in den alle Jahre reichlich
                              geduͤngten Gaͤrten um London.
                           Die Maulbeer-Baͤume duͤrfen in dem ersten Jahre nach dem
                              Verpflanzen nicht beschnitten werden, damit sie sich nicht verbluten;Das wird auf demjenigen Boden nicht leicht zu besorgen seyn, wo man, wie die
                                    gelehrten Aerzte daselbst behaupten, allen lebendigen Wesen halb zu todt
                                    Ader lassen muß, damit sie am Leben bleiben! A. d. U. im zweiten Fruͤhjahre aber haͤlt man es fuͤr
                              raͤthlich, ihre Kronen zuzuschneiden, und dieß die folgenden 10 bis 12 Jahre
                              uͤber jaͤhrlich zu wiederhohlen: man sorgt dafuͤr, daß die
                              Krone in der Mitte hohl wird, damit die Luft frei durchziehen kann, und die
                              Blaͤtter auch leichter gesammelt werden koͤnnen. Nach dem
                              zwoͤlften Jahre ist es genug, wenn man die Krone alle 3 Jahre ein Mahl
                              ausschneidet. Da aber, bei dem Einsammeln der Blaͤtter, alle Jahre einige
                              Aeste gebrochen werden, muß man alle gebrochenen Aeste wegschneiden, dann die
                              Baͤume nicht zu sehr dadurch leiden.
                           Bei dem Verpflanzen der Baͤume in's Freie muß man dafuͤr sorgen, daß
                              die Wurzeln derselben gehoͤrig bedekt werden und die Erde nicht hohl auf
                              denselben liegt. Sie muͤssen auch gehoͤrig an Pfaͤhle
                              angebunden werden, damit sie gegen den Wind geschuͤzt bleiben: an den Baum
                              selbst muß Stroh kommen, damit die Rinde sich nicht reibt. Es ist auch gut, die
                              Baͤume mit dornigem Gestraͤuche zu umgeben, damit sie gegen die Thiere
                              geschuͤzt werden.
                           Die zweite Ernte von Blaͤttern, welche zum Vorscheine kommt, nachdem die
                              ersten Blaͤtter bereits zum Futter fuͤr die Raupen abgestreift wurden,
                              wird zwar nicht fuͤr die Raupen verfuͤttert, wohl aber fuͤr die
                              Schafe. Man laͤßt daher diese Blaͤtter nicht abfallen im Herbste,
                              sondern streift sieHr. Stephenson erwaͤhnt nirgendwo der
                                    Frage: ob es besser ist, die Blaͤtter am Baume abzustreifen, oder die
                                    Aeste abzuschneiden, und bei Hause abzustreifen? Diese Frage ist zu wichtig,
                                    als daß sie uͤbersehen werden darf, und es scheint beinahe, daß,
                                    unter verschiedenen Umstaͤnden, das Abschneiden dem Abstreifen
                                    vorzuziehen ist. A. d. U. etwas vor der Zeit ihres natuͤrlichen Abfallens: die Schafe fressen
                              sie mit großer Begierde, und die Paͤchter stehen sich gut bei diesem Futter. Ehe die
                              Seiden-Zucht in der Naͤhe der Cevennen in Languedoc eingefuͤhrt
                              wurde, waren die Bauern dieser Gegend so arm und elend, als ihr Boden, der beinahe
                              bloß Sand und Steingeroͤlle ist, und durchaus nicht zum Getreide-Bau
                              benuͤzt werden kann. Nachdem man aber fand, daß der Maulbeer-Baum
                              daselbst ziemlich gut gedeiht, verlegten diese guten Leute sich mit allem Fleiße auf
                              die Seidenzucht, in welcher sie es so weit gebracht haben, daß sie, die sie ehemahls
                              unter die aͤrmsten Franzosen gehoͤrten, gegenwaͤrtig reicher
                              sind, als die meisten Bauern in Frankreich.Darin besteht eben der große Vortheil der Seidenzucht fuͤr ein Land,
                                    daß sie, da der Maulbeer-Baum auch auf dem schlechtesten Boden
                                    gedeiht, in den aͤrmsten unwirthbarsten Gegenden desselben betrieben
                                    werden kann, wo kein anderer bedeutender Erwerb fuͤr den Landmann
                                    moͤglich ist. A. d. U.
                              
                           Als ich in dieser Gegend, zu Gange, war, wo so viele seidene Struͤmpfe gewebt
                              werden, fuͤhrte man mich zu einigen Maulbeer-Baͤumen, die Einem
                              Paͤchter in der Nachbarschaft gehoͤrten, der sie zuerst daselbst
                              einfuͤhrte. Die Baͤume waren sehr groß und schoͤn, und gaben
                              unseren Ulmen von mittlerer Groͤße wenig nach. Die Leute, die mir diese
                              Baͤume mit sichtbarer Freude zeigten, versicherten mich, daß jeder
                              groͤßere Baum der Familie des Paͤchters jaͤhrlich Einen
                              Louisdor traͤgt.
                           Um die kleineren Paͤchter und aͤrmeren Bauern zur Anpflanzung der
                              Maulbeer-Baͤume aufzumuntern, unterhaͤlt die Regierung in
                              verschiedenen Gegenden Frankreichs Baumschulen fuͤr
                              Maulbeer-Baͤume mit nicht unbedeutendem Aufwande, und die
                              aͤrmeren Bauern und kleinen Paͤchter erhalten dieselben unentgeldlich,
                              soviel sie wollen, zur Verpflanzung: der Gaͤrtner an der Baumschule gibt
                              ihnen, zugleich mit den Baͤumchen, den noͤthigen Unterricht, wie sie
                              dieselben zu warten und zu pflegen haben. Diese wohlthaͤtige Maßregel
                              gewaͤhrt dem Lande grossen Nuzen, und erspart dem Landmanne viele
                              Muͤhe und Auslagen.
                           Maulbeer-Blaͤtter sind im suͤdlichen Frankreich bei der starken
                              Seidenzucht gegenwaͤrtig ein Handels-Artikel geworden, und die Bauern,
                              die deren nicht genug fuͤr ihre Seidenraupen haben, zahlen sie gern mit barem
                              Gelde.
                           Dieß veranlaßte wohlhabende Guͤterbesizer große Pflanzungen von
                              Maulbeer-Baͤumen auf ihren Guͤtern anzulegen, da sie dadurch
                              ein sicheres jaͤhrliches Einkommen ohne viele Muͤhe und Auslage
                              erhalten, sobald die Baͤume einmahl so groß geworden sind, daß sie von den
                              Thieren nicht mehr beschaͤdigt werden koͤnnen. Da der schlechteste
                              Grund, der nicht zum Getreidebaue taugt, fuͤr die
                              Maulbeer-Baͤume gerade am Besten ist, so wird der Ertrag des Gutes
                              gerade dadurch noch mehr erhoͤht.
                           Man hat auf solchen Gruͤnden in Frankreich ehemals Wein gepflanzt; man
                              uͤberzeugte sich aber jezt, daß der Maulbeer-Baum auf denselben weit
                              mehr Ertrag gibt, als die Rebe.
                           Ein Mann, auf dessen Wahrheitsliebe ich mich verlassen kann, erzaͤhlte mir,
                              daß ein Wundarzt zu Nismes ein Grundstuͤk von seinem Vater erbte, das ihm,
                              bei dem schlechten Boden, jaͤhrlich ungefaͤhr 300 Franken (12 1/2
                              Guinee) trug. Als dieser Mann sah, daß die Seiden-Zucht sich in der Gegend
                              maͤchtig zu heben anfing, bepflanzte er dieses ganze Grundstuͤk mit
                              weißen Maulbeer-Baͤumen, um die Blaͤtter davon den
                              Seidenziehern zu Nismes und in den naͤchsten Umgebungen zu verkaufen. Nach 16
                              Jahren hatte er von diesem erbaͤrmlichen Grundstuͤke eine sichere
                              Jahres-Rente von 1200 Franken (ungefaͤhr 50 Guin.) Seine Nachbarn
                              befolgten dieses Beispiel, und mehrere derselben, die aͤhnliche schlechte
                              Grundstuͤke hatten, in welchen sie ehevor Wein bauten, gruben die Reben aus,
                              und pflanzten weiße Maulbeer-Baͤume dafuͤr. Man darf nicht
                              vergessen, daß der Maulbeer-Baum ein Baum ist, der ein sehr hohes Alter
                              erreicht: viele Maulbeer-Baͤume sind uͤber hundert Jahre alt
                              geworden, und sind selbst in diesem Alter noch ganz kraͤftig und frisch.
                           Waͤhrend die jungen Maulbeer-Baͤume noch im Samenbeete stehen,
                              und selbst nachdem sie spaͤter in die Baumschule verpflanzt wurden, so wie
                              auch einige Jahre noch, nachdem sie aus dieser in's Freie versezt wurden, muß man
                              jeden Abend im Fruͤhlinge und im Sommer fleißig um dieselben umher nach einer
                              kleinen nakten Schneke suchen, die die Rinde der jungen
                              Maulbeer-Baͤume sehr gierig frißt, und die Baͤume in dem
                              Samenbeete, wie in der Baumschule, und selbst die jungen Baͤume im Freien
                              abfrißt: sie toͤdtet zwar die Baͤume nicht, beschaͤdigt sie
                              jedoch sehr, und haͤlt sie in ihrem Wachsthume zuruͤk. Diese Schneken
                              muͤssen daher jeden Abend nach Sonnen-Untergang gesammelt werden (was
                              besser ist, als am fruͤhen Morgen, indem sie des Nachts uͤber fressen) und
                              dann verbrannt oder auf irgend eine andere Weise vernichtet werden; denn wenn man
                              sie nicht zerstoͤrt, so kommen sie wieder auf die Baͤume.
                           Als ich den Winter zu Montauban, im ehemaligen Quercy, zubrachte, war die
                              Kaͤlte so streng, daß nicht bloß der groͤßte Theil den Gemuͤse
                              und Kuͤchengewaͤchse in den Gaͤrten zu Grunde ging, sondern
                              selbst viele Feigen und Oehl-Baͤume und Neben und sogar die
                              Pomeranzen-Baͤume in den Orangerien erfroren; aber diese strenge
                              Kaͤlte schadete den Maulbeer-Baͤumen und den Eiern der
                              Seidennachtfalter nicht im Mindesten. Diese Kaͤlte hielt zwei Monathe lang
                              an, und war nur um 2 1/2 Grad milder, als die große Kaͤlte vom J. 1709. Ja
                              man versicherte sogar aus der verlaͤssigsten Quelle, daß selbst die große
                              Kaͤlte im J. 1709 den Maulbeer-Baͤumen nicht im Geringsten
                              nachtheilig war, obschon in derselben viele Weinstoͤke, und beinahe alle
                              Feigen- und Oehl-Baͤume in der Provence und in Languedoc
                              erfroren sind. Man darf also fuͤr die Maulbeer-Baͤume in
                              England nicht die mindeste Gefahr von Seite des Frostes besorgen.Und eben so wenig bei uns in Bayern; wir haben Maulbeer-Baͤume
                                    im Freien, die unter dem Churfuͤrsten Maximilian gepflanzt wurden.
                                    Wenn auch, in sehr starken Wintern, die Spizen der Zweige abfrieren, so
                                    schadet dieß auf keine bedeutende Weise. A. d. U.
                              
                           Die Samen der Maulbeer-Baͤume werden in Frankreich auf folgende Weise,
                              die aber Muͤhe und Aufmerksamkeit fordert, aus den Fruͤchten derselben
                              herausgeschafft.
                           Die Fruͤchte muͤssen vor Allem vollkommen reif seyn, ehe man sie
                              pfluͤkt, und werden dann in der, fuͤr die Menge der Samen, die man
                              erhalten will, nothwendigen Masse in eine große Kufe geschuͤttet, und darin
                              von einem Arbeiter mit nakten Fuͤßen getreten, so daß die kleinen Beerchen
                              oder Zellen, in welchen der Same stekt, zerquetscht werden, und lezterer frei heraus
                              kann.
                           Dieser Kufe wird eine andere Kufe, die ziemlich tief seyn muß, zur Seite gestellt,
                              und ein flaches Brett, 6, 8 bis 10 Zoll von dem Boden derselben, oder auch noch
                              hoͤher, quer in derselben befestigt. Auf diesem Querbrette ruht ein Sieb mit
                              sehr feinen und dicht aneinander stehenden Loͤchern, so daß nur der Same, und so wenig als
                              moͤglich von der breiartigen oder haͤutigen Masse der Frucht, durch
                              dasselbe durchfallen kann.
                           Diese Kufe wird nun so hoch mit Wasser gefuͤllt, daß dasselbe uͤber die
                              Haͤlfte der Wand des Siebes, wenn es auf dem Brette ruht, emporsteigt, und
                              ein paar Handvoll der zertretenen Frucht werden in das Sieb geworfen, und mit der
                              Hand auf dem Boden des Siebes fest gerieben, damit die Samen durch die
                              Loͤcher durchfallen: man hebt zuweilen das Sieb mit beiden Haͤnden
                              empor und schuͤttelt es, damit das Wasser durchlaufen und die Samen mit sich
                              fuͤhren kann. Man muß die Fruͤchte auch zwischen beiden Haͤnden
                              mit den Ballen, die man fest an einander druͤkt, zerreiben, indem es schwer
                              ist, die Samen aus ihren kleinen Zellen herauszuschaffen, und dieß nothwendig
                              geschehen muß, ehe man sie durch das Sieb durchlaͤßt. Diese Arbeit muß so
                              lang wiederholt und fortgesezt werden, bis man sieht, daß aller Same durch das Sieb
                              durchgegangen ist, worauf man die Baͤlge und den Brei wegwirft.
                           Man nimmt hierauf das Brett und das Sieb aus der Kufe, und gießt alles Wasser ab, wo
                              man dann den Samen auf dem Boden liegen findet, zugleich aber auch noch eine Menge
                              Baͤlge und Brei, die durch das Reiben auf dem Siebe durch dasselbe mit
                              durchgedruͤkt wurden.
                           Alle Samen, die auf der Oberflaͤche des Wassers schwimmen, muͤssen als
                              unbrauchbar weggeworfen werden.
                           Der Same mit den obenerwaͤhnten Huͤlsen und mit dem Breie auf dem Boden
                              der Kufe wird nun in ein anderes Gefaͤß gethan, welches wieder mit Wasser
                              gefuͤllt und mit dem Brette und Siebe, wie vorher, versehen wird, und wie
                              vorher gerieben und durchgesiebt. Die abgesonderten Baͤlge werden nun
                              sogleich weggeworfen, sobald man sieht, daß sie keinen Samen mehr enthalten. Man
                              gießt, wenn man mit dem Durchsieben fertig ist, das Wasser wieder, wie vorher, ab,
                              und wenn man die Samen noch sehr mit Baͤlgen und Brei verunreinigt findet, so
                              siebt man sie auf aͤhnliche Weise zum dritten Mahle durch, wo sie dann, wenn
                              anders das Sieb fein genug war, hinlaͤnglich gereinigt seyn werden.
                           Wenn das Sieb zu grob ist, d.h., wenn die Loͤcher zu weit sind, so geht diese
                              Arbeit weit laͤnger her, indem man die Samen oͤfters durchsieben muß,
                              bis sie ganz rein werden. Die reinen Samen werden nun auf einem Tuche ausgebreitet
                              und in die Sonne gelegt,
                              bis sie vollkommen troken geworden sind, wozu drei bis vier Tage bei vollem
                              ungetruͤbten Sonnenscheine gehoͤren.
                           Man darf nicht vergessen, daß in einem kuͤhleren und feuchteren Lande, wie um
                              Paris und London, der Maulbeer-Baum doppelt, ja beinahe drei Mahl soviel
                              Blaͤtter traͤgt, als in dem heißeren und trokeneren suͤdlichen
                              Frankreich, was der groͤßeren Feuchtigkeit und dem besseren Boden
                              zuzuschreiben ist. In einem kalten feuchten Klima kann man, auch bei der
                              groͤßten Sorgfalt, nicht uͤber die Haͤlfte Cocons aus einer
                              gegebenen Menge Eier erhalten, die man in trokenen und waͤrmeren
                              Laͤndern daraus erzielt: allein, da in kaͤlteren Gegenden der
                              Maulbeer-Baum beinahe drei Mahl soviel Blaͤtter traͤgt als in
                              waͤrmeren, so ist man im Ganzen doch in kaͤlteren Klimaten im Stande,
                              eben soviel Seide zu ziehen, als in waͤrmeren, da das Futter fuͤr die
                              Raupen die Hauptsache ist, indem man sich leicht soviel Eier verschaffen kann, als
                              man will.Hr. Stephenson haͤtte bemerken
                                    koͤnnen, daß der Maulbeer-Baum, außer dem, daß seine
                                    Blaͤtter das Futter der Seidenraupe sind, ein treffliches hartes
                                    gelbliches Holz liefert, welches im Wasser lang aushaͤlt, und von den
                                    Tischlern und Drechslern in Frankreich gesucht wird; daß die Rinde der
                                    zarten Zweige in Wasser geroͤstet oder in Lauge gesotten ein gutes
                                    Surrogat fuͤr Hanf und Flachs liefert, wie Olivier de Serres, Duhamel, Larouviere, Friese in seiner Abh. vom
                                       weißen Maulbeerbaume und der Seidenpflanze, Stoixner in seiner Abh. vom
                                       Seiden-Flachs- und Hanfbaue, Nuͤrnb. 1788, Burgsdorf, Guardia und Dou in Cavanilles
                                    Diss. bot. II. p.
                                    498 gezeigt haben; daß, nach des verlaͤssigen Poͤrner Versuchen, das Holz des untersten Theiles des
                                    Stammes und vorzuͤglich der Wurzel eine brauchbare gelbe Farbe mit
                                    Alaun und Weinstein auf Tuch liefert; daß Schaͤffer und Johannot endlich
                                    aus der Rinde der Zweige der Maulbeer-Baͤume sehr
                                    schoͤnes Papier verfertigten: die franzoͤsischen Assignate
                                    sollen aus solchem Papier gewesen seyn. Vergl. Boͤhmer's techn. Gesch. d. Pflanzen. B. I. S. 169. 481.
                                    541. B. 2. S. 234. 463. A. d. U.
                              
                           II. Ich werde nun die Methode angeben, wie man in Frankreich die Eier
                              ausbruͤtet, vorher aber einige Bemerkungen uͤber Gegenstaͤnde
                              vorausschiken, die besondere Aufmerksamkeit in Hinsicht auf die Eier verdienen.
                           Man kann nicht sorgfaͤltig genug darauf sehen, gesunde und gute Eier (sogenannten
                              Seidenwurm-Samen) zu erhalten: denn wiederholte Erfahrungen haben erwiesen,
                              daß Eier aus solchen Haͤusern, wo die Raupen schlechte Luft hatten, und krank
                              wurden, diese Krankheit fortpflanzen, und Raupen ausfallen lassen, die an denselben
                              Krankheiten leiden, woran ihre Aeltern im vorigen Jahre gelitten haben.Leider ist diese Bemerkung nur zu richtig, und kann vorzuͤglich in
                                    einem Lande, in welches die Seidenzucht erst eingefuͤhrt werden soll,
                                    nicht genug beruͤksichtigt werden. A. d. U.
                              
                           Wenn die Eier gehoͤrig aufbewahrt werden sollen, muͤssen sie an einem
                              trokenen Plaze, der freie aber nicht warme Luft hat, und niemahls in einem
                              Gewoͤlbe oder in einem Keller unter der Erde aufbewahrt werden, indem alle
                              Feuchtigkeit hoͤchst nachtheilig fuͤr sie ist.Sie werden am sichersten im Keller aufbewahrt, nur muͤssen sie durch
                                    mehrere Ueberzuͤge uͤber das Gefaͤß, in welchem man sie
                                    aufbewahrt, gegen alle Feuchtigkeit geschuͤzt werden. A. d. U.
                              
                           Man hat gefunden, daß die Eier der Seidenraupen in fuͤnf Jahren ausarten; sie
                              muͤssen daher von Zeit zu Zeit gewechselt werden, und man muß dafuͤr
                              sorgen, daß man immer Eier aus einem waͤrmeren Klima in ein kaͤlteres
                              bringt. Dieß darf indessen nur nach und nach, und nicht ploͤzlich von einem
                              Extreme zum anderen geschehen. So darf man z.B. nicht Eier aus Cypern, aus der
                              Levante, oder aus anderen Laͤndern von derselben Breite in ein so kaltes
                              Klima bringen, wie das von Flandern oder wie das im noͤrdlichen Frankreich,
                              sondern sie muͤßten zuerst in die Provence, Languedoc, und nachdem sie
                              daselbst ein paar Jahre verweilten, konnten sie erst mit Sicherheit in ein
                              kaͤlteres Klima verpflanzt werden.Dieß ist sehr richtig, und haͤngt vorzuͤglich von den Fehlern
                                    ab, die man bei der Wartung und Pflege der Seidenraupen begeht, und von der
                                    bei den Seidenraupen noch nie beachteten Notwendigkeit der Kreuzung der
                                    Rassen, indem man hier fast immer die Thiere Blutschande treiben
                                    laͤßt. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß die Seidenwirthe
                                    immer ihre Maͤnnchen gegenseitig austauschten: selbst eine
                                    schlechtere Nasse, wuͤrde dann bessere Nachkommenschaft erzeugen. Da
                                    bei Einfuͤhrung der Seidenzucht in einem Lande der Landwirth
                                    nimmermehr die zur gehoͤrigen Wartung und Pflege dieser Thiere
                                    noͤthigen Kenntnisse und Erfahrung besizen kann, so muͤssen
                                    die Seidenraupen unter diesen Verhaͤltnissen noch fruͤher
                                    ausarten, und man darf sich dann nicht wundern, wenn Cocons zum
                                    Vorscheine kommen, wovon 350, oft 500, auf Ein Pfund gehen. Es wird daher ein
                                    Seminarium fuͤr die Seidenraupen in jedem Lande, in welchem
                                    Seidenzucht eingefuͤhrt werden soll, eben so nothwendig, als ein
                                    Gestuͤte, wo man die Pferde-Rasse in einem Lande veredeln muß.
                                    Was Hr. Stephenson uͤber den Verlust bei
                                    Gewoͤhnung auslaͤndischer Raupen an das Klima sagt, ist nicht
                                    ganz richtig, wenn man die Raupen gehoͤrig zu halten versteht; denn
                                    es laͤßt sich fuͤr die Raupen eben so gut, wie fuͤr die
                                    Pflanzen des Aequators, ein kuͤnstliches Klima bereiten. A. d. U.
                              
                           
                           In dem ersten Jahre, in welchem die Eier aus einem waͤrmeren Klima in ein
                              kaͤlteres gebracht wurden, darf man nicht viel Vortheil von denselben
                              erwarten; man wird im Gegentheile finden, daß, auch bei der groͤßten Sorgfalt
                              und Aufmerksamkeit, der groͤßte Theil der Raupen wegstirbt. Es werden aber
                              noch immer genug am Leben bleiben, um eine hinlaͤngliche Menge von Eiern zu
                              erhalten, aus welchen man von Jahr zu Jahr bessere Raupen erzielen wird, so wie
                              naͤhmlich diese Thierchen sich nach und nach an das Klima gewoͤhnen,
                              was nur allmaͤhlig geschehen kann. In England wird man hierzu laͤngere
                              Zeit brauchen, als in Frankreich, indem das Klima auf dem festen Lande mehr
                              bestaͤndig ist, als bei uns in England.
                           Wenn man die Eier aus einem Lande in das andere schikt, vorzuͤglich wenn dieß
                              uͤber Meer geschehen muß, muß man dieselben in eine Flasche thun, die aber
                              nur zur Haͤlfte damit gefuͤllt seyn darf, damit die Eier nicht zu
                              dicht auf einander liegen, wodurch sie sich erhizen und ausgebruͤtet werden
                              koͤnnten. Wenn die Flasche aber nur halb voll ist, so bleibt Raum genug
                              fuͤr die Eier, um durch das Ruͤtteln uͤber einander fallen zu
                              koͤnnen, so daß die unteren in die Hoͤhe kommen, wodurch sie
                              kuͤhl und frisch erhalten werden. Die Flasche muß genau zugestoͤpselt,
                              und Leder uͤber den Kork gebunden werden, welches man, zu groͤßerer
                              Sicherheit, damit die Eier nicht ausgewechselt werden, siegeln kann. Die Flasche muß
                              in eine doppelte hoͤlzerne Schachtel kommen, nicht bloß um die Eier vor aller
                              Feuchtigkeit auf der See zu bewahren, sondern auch, um sie gegen zu große
                              Waͤrme zu schuͤzen, wodurch sie leicht ausgebruͤtet werden
                              koͤnnten.
                           Wenn die Eier von dem maͤnnlichen Nachtfalter gehoͤrig befruchtet
                              worden sind, sind sie aschgrau, und behalten diese Farbe bis zum Ausbruͤten.
                              Die nicht gehoͤrig befruchteten Eier werden immer, nachdem man sie einige Zeit uͤber
                              aufbewahrte, gelb, und bleiben so, taugen nichts, und muͤssen weggeworfen
                              werden. Es gibt kein Mittel, gute Eier von schlechten zu unterscheiden, außer obigem
                              Wechsel in der Farbe, nachdem man sie einige Zeit uͤber aufbewahrte.
                           Zwei Loth Eier geben 40,000 Raupen, und so im Verhaͤltnisse auch
                              groͤßere oder kleinere Mengen derselben.Der Nachsaz ist, wie man sehen wird, nicht ganz richtig; das
                                    Verhaͤltniß der Raupen nimmt bei groͤßerer Anzahl der Eier
                                    immer ab. A. d. U.
                              
                           Die Methode, deren man sich in Frankreich zum Ausbruͤten der Eier bedient, ist
                              folgende. Um der Gefahr des Verlustes zu entgehen, der nothwendig entstehen
                              muͤßte, wenn die Maulbeer-Blaͤtter durch Frost litten, nachdem
                              man die Eier zum Ausbruͤten hergerichtet hat, findet man es fuͤr
                              rathsam, dieselben abzutheilen, und sie auf zwei Mahl auszubruͤten, so daß
                              man 10 bis 12 Tage von der ersten Brut bis zur zweiten verstreichen
                              laͤßt.Diese Vorsicht ist in kaͤlteren Laͤndern noch weit
                                    noͤthiger, obschon bei uns der Maulbeer-Baum den alten Namen,
                                    arbor sapiens, weil er nie vor
                                    anhaltend warmer Witterung ausschlaͤgt, noch mehr zu verdienen
                                    scheint, als jezt in Frankreich oder Italien: denn bei uns
                                    beschaͤdigen Spaͤtfroͤste den Maulbeer-Baum
                                    aͤußerst selten. Die ganze lange von Hrn. Stephenson hier angegebene Methode, die Eier des
                                    Seiden-Nachtfalters auszubruͤten, ist eben so
                                    unbehuͤlflich, als laͤcherlich, und verdient kaum eine
                                    Beleuchtung ihrer Abgeschmaktheit, die eben so groß ist, als das Umhertragen
                                    dieser Eier bei eigens hierzu angestellten Processionen in dem
                                    aberglaͤubischen Italien. Es bedarf nichts anderes zum
                                    Ausbruͤten dieser Eier, als daß sie, nachdem der Maulbeerbaum
                                    auszuschlagen anfaͤngt, auf einen von einer Lampe maͤßig,
                                    anfangs bis auf 14, und nach einigen Tagen, hoͤchstens bis auf
                                    20° erwaͤrmten, Sand gebracht werden. A. d. Ueb.
                              
                           Die Zeit des Ausbruͤtens richtet sich nach dem Vorschreiten der Jahreszeit:
                              man schikt sich zu demselben an, sobald man findet, daß man eine
                              hinlaͤngliche Menge Futters fuͤr die Raupen hat. Um jedoch zu dieser
                              Arbeit gehoͤrig vorbereitet zu seyn, muß man bereits Einen Monat vor der
                              gewoͤhnlichen Bruͤte-Zeit die noͤthigen Vorkehrungen
                              treffen; naͤmlich: die Eier in kleine Abtheilungen von Einem Loche bis zu
                              zwei Loth bringen, und sie auf reinem weißen Papiere, das man auf einen Teller legt, ausbreiten; diese
                              Teller bringt man an einen etwas waͤrmeren Ort, als derjenige war, an welchem
                              man sie den Winter uͤber gehalten hat, z.B., auf eine Stelle in dem Alkofen
                              neben dem Bette. In dieser Lage laͤßt man sie die ersten fuͤnf bis
                              sechs Tage, worauf man kleine, vollkommen reine Schachtelchen aus Holzspaͤnen
                              (von 7 Zoll Laͤnge und 4 Zoll Breite und Hoͤhe), innenwendig mit
                              reinem weißen Papiere auskleidet, und die verschiedenen Abtheilungen der Eier
                              hineingibt: jede in ihr eigenes Schaͤchtelchen. Diese Schachtelchen kommen in
                              ein Koͤrbchen, das man auf einem Stuhle unten zu Fuͤßen des Bettes so
                              stellt, daß es auf der Matraze ruht: oben dekt man das Koͤrbchen mit einem
                              Wollentuche zu, welches mit Steknadeln angestekt wird, und daruͤber breitet
                              man die Bettdeke aus, so daß die Bettwaͤrme sich nach und nach den Eiern
                              mittheilt. In dieser Lage laͤßt man sie wieder sechs Tage lang, worauf man
                              die Waͤrme bis auf + 14° Reaum. (64. Fahrenh.)Im Originale werden unrichtigerweise 59° Fahr. = 140° R.
                                    gesezt. A. d. Ueb. vermehrt, und mittelst eines kleinen Feuers in irgend einer Eke des Zimmers
                              in einiger Entfernung vom Bette Tag und Nacht gleich unterhaͤlt.
                           Am Morgen bei dem Aufstehen stekt man einen Bett-Waͤrmer, z.B. eine
                              zinnerne Flasche mit heißem Wasser oder einen Fußwaͤrmer zwischen die
                              Bettdeken, um dadurch dem Bette nur soviel Waͤrme zu geben, als ob man selbst
                              darin laͤge, und unterhaͤlt diese Waͤrme, bis man wieder zu
                              Bette geht.Techn. Repos. N. 52. S. 241.
                              
                           Nachdem man die Eier acht bis neun Tage lang in dieser Lage erhalten hat, bringt man
                              die verschiedenen Abtheilungen derselben in kleine, vollkommen rein gewaschene,
                              Lappen alter Leinwand von ungefaͤhr Einem Fuß im Gevierte: der mindeste
                              Schmuz an diesen Lappen wuͤrde den Eiern nachtheilig seyn. Die Enden der
                              Lappen werden in die Hoͤhe gezogen, und mit einem Bindfaden so nahe als
                              moͤglich an der Spize derselben, zugebunden, so daß die Eier loker liegen,
                              und von Zeit zu Zeit geruͤttelt werden koͤnnen, ohne daß man den
                              Lappen aufknuͤpfen darf. Diese kleinen Buͤndelchen werden in den Korb
                              zuruͤk gethan, wie vorher, bedekt, und drei bis vier Mahl des Tages
                              geruͤttelt, damit die Eier gleichfoͤrmig Waͤrme erhalten.
                           
                           Wenn die Eier in diese Lappen gebracht wurden, muß man die Waͤrme auf 14
                              1/2° R. vermehren, und dieselbe Tag und Nacht so gleichfoͤrmig als
                              moͤglich unterhalten, wozu man ein Paar Thermometer im Zimmer noͤthig
                              hat. Nachdem die Eier drei bis vier Tage lang in diesen Lappen geblieben sind,
                              erhoͤht man die Waͤrme bis auf 15°, und nach vier Tagen, wenn
                              die Witterung bestaͤndig ist, treibt man die Waͤrme allmaͤhlig
                              bis auf 16°, wobei man, wie vorher, von Zeit zu Zeit nachsieht, und die Eier
                              ruͤttelt.
                           Wenn die Eier endlich anfangen weiß zu werden, und die Maulbeer-Baͤume
                              so weit vorgeruͤkt sind, daß nichts mehr von kalten Winden oder leichten
                              Froͤsten fuͤr sie zu besorgen steht, vermehrt man die Waͤrme
                              bis auf 17 1/2, oder hoͤchstens bis auf 18°, um das Ausfallen der
                              Raupen aus den Eiern zu beschleunigen, und die Raupen soviel moͤglich gleichzeitig
                              Gleichzeitigkeit bei dem Auskriechen, wie bei dem
                                    Haͤuten und Einspinnen, ist eine Hauptbedingung bei gut geregelter
                                    Seidenzucht, wodurch unendlich viel Muͤhe und Arbeit und Verlust an
                                    Raupen erspart wird. Alles, was diese Gleichzeitigkeit foͤrdert,
                                    foͤrdert den Fortgang und den Ertrag der Seidenzucht, und verdient
                                    die hoͤchste Beachtung. A. d. Ueb. zum Vorscheine kommen zu lassen. Nie darf aber die Hize uͤber
                              18° vermehrt werden, indem eine hoͤhere Waͤrme die Raupen zu
                              stark treibt, und sie allzeit roth herauskommen macht.
                           Die roth aus dem Eie ausschliefenden Raupen zeugen, daß die Eier entweder schlecht
                              waren, oder den Winter schlecht aufbewahrt, oder uͤberhizt wurden
                              waͤhrend des Ausbruͤtens. Raupen von solcher Farbe taugen nichts, und
                              muͤssen weggeworfen werden, damit man sie nicht umsonst fuͤttert,
                              indem sie nie Seide spinnen.
                           Wenn die Raupen bei ihrem Auskriechen aus dem Eie vollkommen schwarz sind, so ist
                              dieß ein Zeichen, daß sie gehoͤrig behandelt wurden, und es laͤßt sich
                              von ihnen eine gute Seiden-Ernte erwarten.
                           Wenn die Eier anfangen, eine weiße Farbe zu zeigen, gibt man sie in kleine
                              Schaͤchtelchen aus Holzspaͤnen, und bedekt jedes Schaͤchtelchen
                              mit einem Stuͤke reinen weißen Papieres, durch welches man mit einer Nadel
                              mehrere kleine Loͤcher sticht, damit die Raͤupchen durchkriechen
                              koͤnnen. Man sieht bei diesen Schaͤchtelchen von Zeit zu Zeit nach,
                              und schuͤttelt die Eier sanft, damit die Waͤrme gleichmaͤßig auf sie wirken kann.
                              Wenn die Raupen zum Auskriechen bereit sind, legt man einige
                              Maulbeer-Blaͤtter auf das durchstochene Papier, und die
                              Raͤupchen werden alsogleich auf die Blaͤtter kriechen, so wie sie
                              herauskommen. Mittelst dieser Blaͤtter, auf welche sie gekrochen sind, kann
                              man sie leicht wegnehmen, um sie in kleine Schaͤchtelchen zu thun, und in
                              denselben mit den zaͤrtesten, klein geschnittenen Blaͤttern drei Mahl
                              des Tages zu fuͤttern.Die so eben empfohlene Methode ist sehr gut; nur taugt das klein geschnittene
                                    Futter nicht. Es ist unmoͤglich, die zarten Blaͤtter zu
                                    zerschneiden, ohne sie zugleich zu zerquetschen, und Hr. Stephenson warnt weiter unten selbst, und sehr
                                    richtig, gegen gequetschtes Futter. Es ist genug, wenn man dafuͤr
                                    sorgt, daß die jungen zarten Raupen sehr kleine zarte Blaͤtter
                                    bekommen, so wie diese sich eben aus den Knospen entwikelten, und diese
                                    muͤssen ihnen ganz, ungeschnitten und ungequetscht, gereicht werden.
                                    A. d. Ueb.
                              
                           Da die jungen Blaͤtter selbst schon in Einer Stunde, wenn sie der freien Luft
                              ausgesezt sind, vertroknen, und nicht mehr als Nahrung fuͤr die jungen
                              Raͤupchen taugen, muß man sie in einen glassirten irdenen Topf thun, und in
                              demselben loker uͤber einander legen, damit sie nicht zu schwer auf einander
                              druͤken, und dieser Topf muß nt ein Gewoͤlbe oder in einen Keller
                              gethan, oder uͤberhaupt in den kuͤhlsten Ort des Hauses gestellt
                              werden, wo dann die Blaͤtter zwei bis drei Tage uͤber frisch, und zur
                              Verfuͤtterung brauchbar seyn werden. Man muß immer dafuͤr sorgen, daß
                              man wenigstens fuͤr drei Tage Futter-Vorrath fuͤr die
                              Raͤupchen bei Hause hat, damit sie, im Falle, daß waͤhrend dieser Zeit
                              schlechtes Wetter eintraͤte, hinlaͤngliche Menge guter Nahrung finden:
                              denn nichts ist schaͤdlicher fuͤr die Seiden-Raupen, als nasses
                              Futter. Man darf daher nie nasse Blaͤtter, sie moͤgen entweder vom
                              Regen oder vom Thaue naß geworden seyn, abpfluͤken, außer in der
                              hoͤchsten Noth, und in diesem Falle muͤssen sie ausgebreitet, und von
                              Zeit zu Zeit mit einer langen hoͤlzernen Gabel umgekehrt werden, damit sie
                              vollkommen troknen koͤnnen, ehe man sie den Raupen als Nahrung gibt.Das vorlaͤufige Schuͤtteln der nassen Blaͤtter zwischen
                                    zwei großen Betttuͤchern, die man an den vier Eken
                                    zusammenhaͤlt, scheint Hrn. Stephenson
                                    unbekannt. A. d. Ueb.
                              
                           Man ist in Frankreich allgemein der Meinung, daß die Blaͤtter ein
                              gesuͤnderes Futter fuͤr die Raupen geben, wenn man sie vier bis
                              fuͤnf Stunden lang nach dem Abpfluͤken liegen laͤßt, ehe man
                              sie verfuͤttert, vorzuͤglich wenn die Baͤume nicht einen
                              trokenen, sandigen oder steinigen, Boden haben, indem die Blaͤtter dadurch
                              ihre zu große Saftigkeit verlieren. Die Leute, die die Blaͤtter
                              pfluͤken, muͤssen sehr reine Haͤnde haben, die durchaus keinen
                              starken Geruch, wie z.B. nach Knoblauch, Zwiebel oder Tabak, verbreiten, und sie
                              muͤssen besonders dafuͤr sorgen, daß sie die Blaͤtter
                              waͤhrend des Abpfluͤkens nicht zerquetschen.
                           Wenn die Raupen ausgekrochen sind, muß man dafuͤr sorgen, daß diejenigen, die
                              an einem und demselben Tage auskrochen, bei einander gehalten werden, indem es
                              aͤußerst wichtig ist, die Raupen von gleichem Alter so viel nur immer
                              moͤglich ist, bei einander zu haben, damit sie auch zu gleicher Zeit sich
                              einspinnen koͤnnen. Wenn man, auf diese Weise, die in den ersten vier Tagen
                              ausgekrochenen Raͤupchen in vier Partieen zusammengelegt hat, koͤnnen
                              die nach vier Tagen noch unausgebruͤtet gebliebenen Eier fuͤglich
                              weggeworfen werden; denn die spaͤter ausfallenden Raupen sind meistens
                              Schwaͤchlinge, und spinnen ihre Cocons nicht gehoͤrig aus, so daß man
                              bei Auffuͤtterung derselben die Blaͤtter nur umsonst verliert, so wie
                              die Muͤhe, die man mit denselben hat.
                           Die eben aus dem Eie gekrochenen Raupen muͤssen in einer Waͤrme
                              gehalten werden, die 15 Grabe nicht uͤbersteigt;Die Temperatur darf allerdings 15° uͤbersteigen, und kann sogar
                                    bis auf 20°, jedoch nicht hoͤher, getrieben werden, wenn nur
                                    die Luft rein und frisch gehalten wird. Es ist Erfahrungs-Sache, daß
                                    die Raupen, bei reiner Luft, desto mehr fressen, und desto besser gedeihen,
                                    je mehr die Temperatur sich jener von 20° naͤhert. A. d.
                                    Ueb. man darf sie dann nicht mehr mit den Dekeln der Schachteln deken, indem es
                              besser ist, wenn man ihnen frische Luft laͤßt. Wenn es aber zu kuͤhles
                              Wetter gaͤbe, ist es gut, wenn man bei Nacht die Dekel wieder auf die
                              Schachteln bringt, oder sie mit einem doppelten Tischtuche bedekt, welches jedoch
                              die Raͤupchen nicht beruͤhren darf, damit sie nicht dadurch verlezt
                              werden. Am Morgen wird der Dekel oder das Tischtuch wieder abgenommen, und die
                              Raupen muͤssen so fruͤhe, als moͤglich, gefuͤttert
                              werden, um 4 oder 5 Uhr; wenigstens nicht spaͤter als 5 Uhr. In dieser
                              fruͤhesten Periode des Lebens der Raupen fuͤttert man diese Thierchen
                              drei Mahl am Tage, von 6 Stunden zu 6 Stunden.
                           Wenn die Raupen auskriechen, darf man sie kaum einen Augenblik aus dem Auge lassen,
                              indem sie aus ihren Schachteln genommen werden muͤssen, sobald sie sich
                              zeigen; und da sie des Nachts eben so gut, als am Tage, auskriechen, so wird dieses
                              Geschaͤft dadurch ziemlich erschwert. Hr. Marteloy, der die Seiden-Raupen so genau beobachtete, begab sich
                              waͤhrend dieser kritischen Zeit um 9 Uhr Abends zur Ruhe, und stand um
                              Mitternacht wieder zu seinen kleinen Freunden auf: das hieß sie so wenig als
                              moͤglich verlassen. Diese große Sorgfalt ist indessen nur bei großen
                              Quantitaͤten von Eiern noͤthig, wenn man Ein Pfund Eier, oder
                              daruͤber, ausbruͤten laͤßt.
                           Ehe wir die fernere Behandlung der neu ausgekrochenen Raupen beschreiben,
                              muͤssen wir von den Stellen und Koͤrben, die hierzu noͤthig
                              sind, sprechen, indem diese einige Zeit vorher hergerichtet werden
                              muͤssen.
                           Die Stelle wird in einem großen Zimmer, welches zu beiden Seiten mit Fenstern
                              versehen ist, so daß man, wo es noͤthig ist, die Luft kann durchstreichen
                              lassen, aufgeschlagen. Waͤnde und Fußboͤden an demselben
                              muͤssen auf das Genaueste durchgesehen, und jede Rize, jedes Loch, durch
                              welches Ratten oder Maͤuse durchschluͤpfen konnten, muß auf das
                              Sorgfaͤltigste ausgefuͤllt werden, indem diese Thiere sehr
                              luͤstern auf Seiden-Raupen sind, und sie mit Begierde fressen.
                           In Languedoc und Quercy macht man diese Stellen sechs Fuß, haͤufiger jedoch
                              nur 4 1/2 Fuß, breit, so daß eine Person, die zuerst auf einer Seile den Raupen die
                              Blaͤtter gibt, und ihren Unrath wegpuzt, und dann auf der anderen Seite die
                              selbe Arbeit wiederholt, leicht uͤber die ganze Breite hinreichen kann. Von 9
                              Fuß zu 9 Fuß wird, der Laͤnge der Stelle nach, ein Pfosten auf dem Fußboden
                              befestigt, der hoch genug ist, um die Deke zu stuͤzen. Auf diese Pfosten wird
                              quer uͤber die Stelle hin ein Stuͤk Holz angenagelt, welches die
                              Koͤrbe traͤgt, von welchen unten die Rede seyn wird, die auf den
                              beiden Enden derselben ruhen. Jedes solche Stuͤk ist 4 Zoll breit, und gibt
                              jedem Korbe zwei Zoll Unterlage, da die Koͤrbe auf demselben dicht an
                              einander stehen. Zwei solche Koͤrbe fuͤllen die Breite der Stelle von
                              4 Fuß 2 Zoll aus. In dieser Stelle bringen sie so viele Faͤcher, als die Hoͤhe
                              derselben erlaubt, und halten ein Fach zwanzig Zoll von dem anderen entfernt. Das
                              unterste Fach, oder die unterste Tafel ist 6 Zoll breiter, als die unmittelbar
                              uͤber derselben befindliche, damit sie zu jeder Seite um drei Zoll vorsteht,
                              und so geht dieß Verhaͤltniß fort bis zur obersten Tafel: der Nuzen hiervon
                              wird unten erklaͤrt werden.
                           Um die so gefaͤhrlichen Ratten und Maͤuse abzuhalten, bedient man sich
                              folgender Vorrichtung. Man bedekt den Fuß eines jeden dieser hoͤlzernen
                              Pfosten, der die Stelle tragen hilft, mit einem starken glatten Papiere, welches man
                              darauf bis zur Hoͤhe Eines Fußes uͤber den Fußboden aufnagelt, wodurch
                              diese Thiere, wenn sie daran hinaufklettern wollen, wieder zuruͤk
                              hinabgleiten. Eine Einfassung von Glas von derselben Hoͤhe wuͤrde
                              vielleicht besser seyn, obschon man mir versicherte, daß glattes Papier dieß eben so
                              gut thut. Auch die Ameise ist ein eben so gefaͤhrlicher Feind fuͤr die
                              Seiden-Raupen: das gewoͤhnliche Mittel, gegen diese Insecten, wo man
                              von ihnen etwas zu besorgen hat, ist etwas ungeloͤschten Kalk um jeden
                              Pfosten herumzulegen, wodurch sie sicher abgehalten werden. Auch Kazen und Federvieh
                              sind den Seiden-Raupen gefaͤhrlich, und man muß leztere
                              sorgfaͤltig vor ersteren verwahren.
                           So lange die Raupen jung sind, haͤlt man sie; in
                              Weiden-Koͤrbchen von 3 Fuß Laͤnge und 18 Zoll Breite: die
                              Seiten oder die Waͤnde derselben sind 2 bis 3 Zoll hoch. Auf diese Art sind
                              sie leicht von einem Orte zu dem anderen zu bringen.
                           Wenn die Raupen auf die Stelle kommen, gibt man sie in Koͤrbe, die vier und
                              einen halben Fuß lang, und zwei Fuß drei Zoll breit sind: die Seiten oder
                              Waͤnde derselben sind zwei bis drei Zoll hoch, und ungefaͤhr drei
                              Viertel Zoll dik. Der Boden dieser Koͤrbe ist aus geflochtenem Rohre, das
                              gespalten ist, damit es flach liegt. Sie sind rings umher mit einem etwas mehr als
                              Einen Zoll breiten hoͤlzernen Span eingefaßt, der ungefaͤhr ein
                              Viertel Zoll dik ist, damit sie fest gehalten werden, und dieser Span ist
                              aufgenagelt. Zu groͤßerer Befestigung sind ruͤkwaͤrts drei
                              Querhoͤlzer auf jeden Korb aufgenagelt.
                           Alle diese Stellen, die ich sah, scheinen mir zu breit, um gehoͤrig auf
                              denselben arbeiten zu koͤnnen. Ich bin daher der Meinung, daß, statt Einer
                              Stelle von 6 Fuß, oder, wie die schmalsten Stellen in Frankreich sind, von 4 1/2
                              Fuß, es besser waͤre zwei Stellen zu haben, deren jede drei Fuß breit ist, und eben so
                              viel freien Raum an der Wand zum Herumgehen um die Stelle auf allen Seiten
                              derselben, wodurch die Arbeiter frei und ungehindert ihren Geschaͤften
                              nachgehen koͤnnten. Wenn die Stellen nur 3 Fuß breit sind, so wird dieß bei
                              dem Aufsteigen der Raupen (wovon unten) auch noch den Vortheil gewaͤhren, daß
                              es den Raupen dabei nicht so heiß wird, indem die Luft freier circuliren, und
                              uͤber dieselben hinstreichen kann; was vorzuͤglich bei dem Aufsteigen,
                              wo die Witterung gewoͤhnlich sehr heiß ist, von großem Nuzen ist.
                           Sowohl in Languedoc als in Quercy sah ich Koͤrbe von 9 Fuß Laͤnge, und
                              4 1/2 Breite, die genau eine Abtheilung eines Faches ausfuͤllten. Ich kann
                              Koͤrbe von dieser Große durchaus nicht billigen, da sie schwer und hart zu
                              handhaben sind; uͤberdieß biegen sie sich, bei einer solchen Laͤnge
                              und so schwachem Materiale, sehr leicht in der Mitte, und stehen in jeder Hinsicht
                              den obigen kleineren Koͤrbchen weit nach.
                           Man muß dafuͤr sorgen, daß die Stelle eine solche Lage erhaͤlt, daß die
                              Sonne nicht unmittelbar auf die Raupen scheinen kann, indem sie die Sonnenhize, wenn
                              sie etwas bedeutend ist, nicht ertragen koͤnnen. Wenn sie noch jung sind,
                              werden sie sogar dadurch getoͤdtet. Obschon die Sonnenstrahlen in einem
                              kaͤlteren Klima nicht so heiß sind, als im suͤdlichen Frankreich, so
                              werden sie doch die Thierchen quaͤlen, sie hoͤchst unruhig machen, und
                              sie hindern mit dem gewoͤhnlichen Appetite ihre Mahlzeiten zu halten.Es ist Thatsache, daß die Raupen mehr fressen, wenn das Zimmer, in welchem
                                    sie sich befinden, dunkel gehalten wird: nur darf mit dem Lichte nicht auch
                                    zugleich die Luft ausgeschlossen werden. A. d. Ueb. Wenn die Sonne auf bereits erwachsene Raufen scheint, so wird man sie
                              schnell aus dem Sonnenlichte eilen, und Schatten suchen sehen, selbst mit Gefahr
                              Mangel an Nahrung zu leiden; allein in ihrer ersten Jugend wissen sie nicht sich zu
                              helfen, und gehen dadurch oͤfters zu Grunde.
                           Statt der Weiden-Koͤrbe fand ich eine sehr gute Vorrichtung zu
                              Montauban. Malt nimmt daselbst einen Reif von einem Fasse, bindet ihn mit Bindfaden
                              fest, und bindet zugleich quer uͤber den Rand desselben in entgegengesezter
                              Richtung acht bis neun Reihen Rohr, wodurch man einen Boden erhaͤlt, der in eine
                              Menge Viereke getheilt wird: das Rohr wird noch uͤberdieß an jenen Stellen,
                              wo es auf einander zu liegen kommt, festgebunden. Auf diese Weise entsteht eine Art
                              von Korb, die außerordentlich leicht und bequem zu handhaben ist, die zugleich, da
                              das Rohr in seinen Reihen von einander absteht, den Thierchen Luft gewaͤhrt,
                              was fuͤr dieselben hoͤchst zutraͤglich ist. Man bedekt dann
                              diese Reife mit starkem grauen Papier, das je staͤrker desto besser ist, und
                              legt die Raupen auf dasselbe. Ich habe diese Reife zu Montauban selbst versucht, und
                              sie weit leichter und bequemer gefunden, als die Weidenkoͤrbe; indessen muß
                              man gestehen, daß sie sich nicht so gut paken lassen, d.h., daß sie mehr Raum
                              einnehmen, weil sie rund sind.
                           Um nun wieder zu den frisch ausgekrochenen Raupen zuruͤkzukehren, wollen wir
                              zuvoͤrderst bemerken, daß es nicht gut ist, ihnen zu viele Blaͤtter
                              auf ein Mahl zu geben, und daß man dieselben duͤnn uͤber sie
                              hinstreuen muß, indem, wenn man die Blaͤtter zu dik streut, eine große Menge
                              Raupen, weil sie noch zu klein sind, mit dem Miste, aus welchem sie sich nicht
                              herausarbeiten koͤnnen, verloren geht.Es ist noch ein anderer Grund, warum man den Raupen nie zu viel Futter auf
                                    ein Mahl, und lieber oͤfters in kleineren Mengen geben muß; wovon
                                    unten. A. d. Ueb. Wo die geringere Anzahl der Raupen es gestattet, muß man das Futter
                              fuͤr dieselben die ersten zehn bis zwoͤlf Tage uͤber klein
                              schneiden; bei einer großen Anzahl Raupen wuͤrde dieß aber zu viele
                              Muͤhe machen, und man fuͤttert in diesem Falle die Blaͤtter
                              ganz.Siehe Anm. 56. S. 153. A. d. Ueb.
                              
                           Waͤhrend des ersten Lebensalters der Raupen, d.h., vor der ersten
                              Haͤutung, mistet man den Raupen nur Ein Mahl aus, weil ihr Mist beinahe so
                              schnell troknet, als er von ihnen abgeht, und nur in geringer Menge noch vorhanden
                              ist. Man darf bei dem ersten Ausmisten nur das Haͤufchen umkehren, und dann
                              soviel Mist wegnehmen, als nothwendig ist. Dieß ist die leichteste Methode, den
                              Raupen in dieser Periode auszumisten.
                           Bei dem Aufstreuen der Blaͤtter fuͤr die jungen Raupen muß man
                              dafuͤr sorgen, daß jene hohl zu liegen kommen, damit diese Luft bekommen.
                              Wenn die Blaͤtter zu flach und zu dicht liegen, hindern sie die freie Circulation der Luft,
                              die fuͤr das Gedeihen dieser Thiere immer hoͤchst nothwendig ist.
                           Waͤhrend dieser ganzen ersten Lebens-Periode sind die Blaͤtter
                              junger Baͤumchen aus dem Samenbeete und aus der Baumschule, als die
                              zaͤrteren, den Blaͤttern aͤlterer Baͤume weit
                              vorzuziehen; daher ist es gut, immer jungen Nachwuchs von
                              Maulbeer-Baͤumen zu haben.Wenn kein Samenbeet oder keine Baumschule in der Naͤhe ist, bedient
                                    man sich der jungen zarten Blaͤtter an den neuen Trieben. Es ist
                                    sogar nachtheilig, den jungen Baͤumchen in dem Samenbeete ihre
                                    Blaͤtter zu entziehen. A. d. Ueb.
                              
                           Wenn die Seiden-Raupen sich haͤuten, kraͤnkeln sie, und
                              ruͤhren kein Futter an. Sobald man daher sieht, daß in einer Abtheilung
                              mehrere Raupen anfangen nichts zu fressen, gibt man dieser Abtheilung statt drei
                              Mahl nur zwei Mahl des Tages Futter, und wenn noch mehrere nichts fressen, nur ein
                              Mahl, und wenn alle aufhoͤren zu fressen, gibt man kein Futter, bis der
                              groͤßte Theil die Haͤutung uͤberstanden, d.h., die Haut
                              abgeworfen hat. Auf diese Weise koͤnnen sie alle so viel moͤglich
                              gleich fortgezogen werden, wodurch man sich viele Muͤhe in der Pflege
                              derselben erspart.
                           Nach dieser ersten Haͤutung bekommt die Seiden-Raupe eine grauliche
                              Farbe, und die Spize ihres Kopfes wird pechschwarz, woran man leicht ihr Alter
                              erkennt.
                           Nach der zweiten Haͤutung wird dieser schwarze Flek braun.
                           Wenn die Raupen ihre dritte Haͤutung uͤberstanden haben, ist ihr Kopf
                              bedeutend groß, woran man sie in dieser Periode erkennt.
                           Nach der vierten Haͤutung werden sie braͤunlich gelb oder
                              lederfarben.
                           Waͤhrend der Haͤutung darf man den Raupen nicht ausmisten; nach ihrer
                              Haͤutung aber muß ihnen alsogleich sorgfaͤltig ausgepuzt werden.
                           Auch in dem zweiten Lebens-Alter (zwischen der ersten und zweiten
                              Haͤutung) ist es gut, wenn man die Raupen mit den jungen Blaͤttern aus
                              der Baumschule fuͤttern kann, indem diese Blaͤtter besser taugen, als
                              die von aͤlteren Baͤumen.
                           Nun muß man anfangen sehr aufmerksam auf die Reinigung der Raupen von ihrem Miste zu
                              seyn, damit derselbe sich nicht erhizt, was hoͤchst nachtheilig fuͤr diese Thiere seyn
                              wuͤrde, die die Reinlichkeit außerordentlich lieben. Sie werden auf das
                              Auspuzen wie neu belebt, und bekommen so guten Appetit, daß sie alsogleich
                              uͤber die frisch aufgestreuten Blaͤtter herfallen. Der Mist wird auf
                              folgende Weise weggeschafft. Man streut frische Blaͤtter in eine Eke des
                              Koͤrbchens, und sobald die Raupen auf dieselben gekrochen sind, was bald
                              geschieht, nimm man dieselben mittelst der Blaͤtter und der Stiele der
                              lezteren, an welchen sie haͤngen, weg, und legt sie auf die in der anderen
                              Eke. Dann kehrt man allen Mist in dieser Eke mit einem kleinen Besen aus Heidekraut
                              oder Reisern rein zusammen, und schafft ihn sorgfaͤltig heraus, ehe man die
                              Raupen wieder in diese Eke hinlegt. Auf dieselbe Weise verfaͤhrt man in den
                              uͤbrigen Eken, bis der ganze Korb ausgepuzt ist.Eine weit bessere und bequemere Methode, den Mist, von den Stellen
                                    wegzuschaffen, haben wir im polytechn. Journ. Bd. XVIII. S. 419. angegeben. A. d.
                                    Ueb.
                              
                           Waͤhrend des dritten Lebensalters (zwischen der zweiten und dritten
                              Haͤutung), nimmt man die Blaͤtter von Baͤumen, die im Freien
                              stehen, spart jedoch die Blaͤtter von den aͤltesten Baͤumen
                              fuͤr die vierte Lebensperiode auf, die den ausgewachsenen Raupen am besten
                              bekommen.
                           Man muß nun alle moͤgliche Sorgfalt auf die Reinigung der Raupen wenden, indem
                              dieselbe waͤhrend des dritten Alters wenigstens vier bis fuͤnf Mahl
                              vorgenommen werden muß. Alle todten Raupen muͤssen in dem Augenblike, wo man
                              sie bemerkt, weggenommen werden; auch alle kranken Raupen muͤssen in der
                              Regel entfernt werden, damit sie die uͤbrigen nicht ansteken, was bald
                              geschehen wird, wenn man diese Regel nicht mit aller Aufmerksamkeit befolgt. Alle
                              Raupen, die gelb werden, und eine durchscheinende Haut bekommen, sind schwer krank,
                              und muͤssen alsogleich weggeworfen werden, damit sie nicht die gesunden
                              ansteken. Diese kranken Raupen lassen einen gelben Saft aus ihrem Hintertheile
                              fahren, der auch oͤfters an anderen Stellen ihres Koͤrpers
                              hervorquillt. Die augenblikliche Entfernung solcher Raupen wird noch weit mehr
                              nothwendig, ehe die Raupen in die dritte Haͤutung kommen, weil zu dieser Zeit
                              der oben erwaͤhnte gelbe Saft fuͤr dieselben Gift, und diese Krankheit
                              dann so anstekend ist, daß, wenn eine Raupe diesen Saft auch nur beruͤhrt,
                              sie sicher von derselben befallen wird. Diese Krankheit ist bisher unheilbar.
                           Tabak ist ein unmittelbar toͤdtliches Gift fuͤr die
                              Seiden-Raupen. Wenn einige Staͤubchen Schnupf-Tabak auf diese
                              Thiere fallen, so zeigen sie alsogleich große Unruhe und Aengstlichkeit, und in
                              ungefaͤhr Einer Minute bekommen sie Convulsionen und sterben. Kurz vor dem
                              Tode tritt ihnen eine kleine Kugel von einer waͤsserigen Fluͤßigkeit
                              aus dem Munde, und wenn eine andere Raupe diese Kugel beruͤhrt, so bekommt
                              auch diese Convulsionen und stirbt. Leute, die Seiden-Raupen ziehen und
                              fuͤttern, sollten daher waͤhrend dieser Zeit das
                              Tabak-Schnupfen aufgeben, oder wenigstens dafuͤr sorgen, daß kein
                              Staͤubchen davon auf die Seiden-Raupen faͤllt, indem diese
                              Thierchen sterben, wie sie von demselben beruͤhrt werden, und sich dieser Tod
                              durch die Wasserkugel auch unter den uͤbrigen Insecten verbreitet. Jedes Oehl
                              ist ein eben so toͤdtliches Gift fuͤr die Seiden-Raupen, wie
                              der Tabak.
                           Wir haben bemerkt, daß den Raupen waͤhrend der Haͤutung nicht
                              ausgemistet werden darf, weil einige derselben dadurch zu Grunde gehen
                              koͤnnten. Wenn sich aber der Mist zu dieser Zeit so angehaͤuft
                              haͤtte, daß offenbar Gefahr der Erhizung desselben droht noch ehe die Raupen
                              ihre alte Haut abgelegt haben, wozu sie gewoͤhnlich zwei Tage und einen
                              halben brauchen, so ist es besser einige derselben aufzuopfern und den Mist zu
                              dieser Zeit wegzuschaffen, als daß man sich der Gefahr aussezt, die ganze Abtheilung
                              zu verlieren, was unvermeidlich der Fall seyn wuͤrde, wenn der Mist sich
                              waͤhrend der Haͤutung erhizte. Man wird die Wichtigkeit und
                              Nothwendigkeit der Reinigung der Seiden-Raupen einsehen lernen, wenn man
                              bemerkt, daß der Verlust, den man in Frankreich jaͤhrlich durch den Tod der
                              Raupen waͤhrend ihrer vier Haͤutungen, durch das Erstiken derselben im
                              Miste unter den Blaͤttern und unter anderen Raupen, und durch das
                              Feuchtwerden und Erhizen des Mistes in diesen kritischen Perioden erleidet, im
                              Durchschnitte auf nicht weniger, als auf 2 bis 3 Millionen Franken geschaͤzt
                              wird, d.h., auf den zehnten Theil des jaͤhrlichen Ertrages der
                              Seiden-Zucht in ganz Frankreich.
                           Nun ist die Zeit, wo man die Raupen in verschiedene Classen sortiren, und versuchen
                              muß, in jede Classe Raupen von soviel moͤglich gleicher Groͤße zu
                              erhalten, damit jede Classe gleichzeitig aufsteigt, und anfaͤngt sich einzuspinnen. Jezt
                              muͤssen auch jene Raupen vorwaͤrts getrieben werden, die zuruͤk
                              geblieben sind, weil sie nicht so leicht wie die uͤbrigen zum Futter gelangen
                              konnten: denn auch diese sollen gleichzeitig mit den uͤbrigen sich
                              einspinnen. Lezteres geschieht dadurch, daß man diese Spaͤtlinge in einen
                              besonderen Korb thut, und ihnen taͤglich eine Mahlzeit mehr, als den
                              uͤbrigen gibt, bis man sieht, daß sie beinahe eben so groß geworden sind, als
                              die anderen.
                           Mit dem vierten Alter naͤhert sich nun die Zeit, wo die Raupen aufsteigen, um
                              ihre Cocons zu spinnen, und man muß nun zu dieser wichtigen Periode die
                              noͤthigen Vorkehrungen treffen. Das erste hierbei ist, daß man sich mit einer
                              hinlaͤnglichen Menge von Besen-Reis versieht, um die
                              Spinnhaͤuser fuͤr die Raupen zu bereiten, wozu Heidekraut und Ginster,
                              wenn man es haben kann, am besten taugt: wenn keine dieser beiden Pflanzen zu haben
                              ist, so dient jedes andere Reiswerk, vorzuͤglich solches, das oben buschig
                              und stark genug ist in seinen Zweigen, um die Schwere der Raupen zu tragen, eben so
                              gut. Je schlanker und biegsamer uͤbrigens die Reiser sind, desto besser,
                              damit man sie nach allen Seiten biegen kann: denn steife, unbiegsame Reiser taugen
                              nicht.
                           Nachdem die Reiser herbeigeschafft sind, versieht man sich mit einigen Koͤrben
                              fuͤr diejenigen Raupen, die zum Aufsteigen fertig sind. Zu Montauban nimmt
                              man ein rundes Weidenkoͤrbchen, und legt es mit den Reisern aus, so daß
                              ungefaͤhr zwei Drittel davon voll werden, und das andere Drittel fuͤr
                              die Raupen leer bleibt, damit man ihren Mist auspuzen kann. Man neigt dann die
                              Spizen der Reiser gegen einander, jedoch so, daß sie nicht zu dicht auf einander
                              liegen, bindet sie oben mit einem Bindfaden, damit sie ihre Lage behalten, und zieht
                              eine weite Kappe von Papier oben daruͤber, indem man gefunden hat, daß die
                              Raupen unter einer Bedekung dieser Art sich lieber einspinnen, da sie dadurch
                              Gelegenheit finden, einige Faden Seide an das Papier anzuheften, wodurch sie ihren
                              Cocon sicherer befestigen koͤnnen. Ich hatte einige solche Koͤrbe auf
                              obige Weise so vorgerichtet, daß die Reiser vier Fuß hoch uͤber den Korb
                              empor ragten. Diese Vorrichtung diente mir trefflich, da die Raupen bei derselben
                              kuͤhler und luͤftiger gehalten wurden, als in den gewoͤhnlichen
                              Spinnhaͤusern auf der Stelle. Allein, diese Vorrichtung ist dort, wo man viele Raupen hat,
                              unanwendbar, theils weil sie viele Auslage veranlaͤßt, theils weil sie mehr
                              Raum einnimmt, als die Spinnhaͤuser auf der Stelle.
                           Wenn man Spinnhaͤuser auf der Stelle selbst aufrichtet, werden die beiden
                              Reihen von Reisern am Ende der Stelle diker angelegt, als an den uͤbrigen
                              Seiten, vorzuͤglich sechs bis acht Zoll uͤber dem Fache, damit die
                              Raupen nicht daselbst zuweit hinauskriechen, und uͤber die Stelle
                              hinabfallen. Bei dem Aufsezen der uͤbrigen Reihen legt man ein kleines
                              Stuͤk Holz, oder ein Rohr bei jeder Reihe quer uͤber die Stelle, und
                              kehrt erst die einen Reiser rechts, die anderen links, und so abwechselnd fort,
                              wobei das Holz oder das Rohr in der Mitte bleibt, und so alles festhaͤlt.
                              Diese Vorrichtung sah ich zuerst in Montauban, und sie scheint eine Verbesserung
                              jener Art, nach welcher man in Languedoc die Spinnhaͤuser errichtet, indem
                              diese dadurch fester, und die Reiser mehr gerade gehalten werden.
                           Bei dem Aufsezen der Reiser auf der Stelle wird es gut seyn, wenn man auch die
                              Pfosten damit bekleidet, und selbst den obersten Theil der Stelle. Man muß ferner
                              wohl dafuͤr sorgen, daß bei Anlage der Spinnhaͤuser die Reiser so
                              gestellt werden, daß die Raupen freien Durchgang durch die verschiedenen Zweige
                              finden, die jedoch nicht zu weit von einander gestellt werden duͤrfen. Die
                              Reiser muͤssen sich aber mit ihren Spizen so viel moͤglich
                              beruͤhren, weil die Raupen dadurch leichter aufsteigen koͤnnen. Zu
                              Montauban steken Manche einen guten Theil Rosen oder anderer angenehm riechenden
                              Blumen auf die Pfeiler, die die Stelle tragen, und bringen solche auch an anderen
                              Stellen des Zimmers an, um dadurch die Luft zu verbessern. Allein, das beste Mittel,
                              die Luft zu verbessern, ist, fuͤr gehoͤrigen freien Zug derselben zu
                              sorgen, indem man alle Fenster offen haͤlt, und selbst, wenn es
                              noͤthig seyn sollte, die Thuͤren.
                           Wenn man die Bogen der Spinnhaͤuser aus den Reisern bildetTechn. Repository. N. 53. S. 263., so bleibt immer eine kleine Oeffnung oben an jedem Pfosten, die durch die
                              Kruͤmmung oder durch den oberen Theil des Kreises entsteht. Man muß
                              dafuͤr sorgen, daß diese Oeffnung gehoͤrig weit wird, indem man
                              wahrgenommen hat, daß die Raupen vorzuͤglich dieses Loch lieben, und sich an
                              demselben befestigen, um daselbst ihre Cocons zu spinnen. Um dieser Oeffnung die gehoͤrige
                              Weite zu geben, muͤssen die Reiser nicht ganz gerade empor stehen, sondern
                              vielmehr etwas gekruͤmmt oder gebogen seyn. Diese Oeffnungen sind nicht bloß
                              der Lieblings-Aufenthalt der Raupen, sondern es entsteht auch noch ein
                              anderer Vortheil dadurch, naͤmlich der, daß die Spinnhaͤuser auf diese
                              Weise eine groͤßere Menge von Raupen aufnehmen koͤnnen, als wenn diese
                              Oeffnungen zu klein sind; daß man folglich auf diese Weise weniger
                              Spinnhaͤuser braucht. Wenn die Reiser ganz gerade sind, muß man nothwendig
                              solche Oeffnungen anbringen. Diese Reiser muͤssen immer ohne alle
                              Blaͤtter, und vollkommen troken seyn.
                           Wenn man bei Errichtung dieser Spinnhaͤuser die Reiser gerade aufrecht
                              richtet, so sind die Raupen bei dem Aufsteigen in Gefahr wieder herabzufallen, wie
                              ich oͤfters sah, und meistens gehen die herabgefallenen Raupen zu Grunde. Um
                              diesen Nachtheil zu vermeiden, muß man die Reiser, welche die Seiten des Bogens
                              bilden, etwas schief stellen, wodurch die Raupen bei dem Aufsteigen sich fester
                              halten koͤnnen. Man muß ferner bei Anlage der Spinnhaͤuser
                              sorgfaͤltig alle sehr kleinen duͤnnen Reiser wegschneiden, die, wenn
                              sie sich selbst uͤberlassen, und nicht gehoͤrig in einander gebunden
                              werden, nicht stark genug sind Eine Raupe, viel weniger mehr zu tragen, und daher
                              immer, wenn man sie stehen laͤßt, einen großen Theil Raupen, die davon
                              herabfallen, zu Grunde richten.
                           Wir haben oben bei Beschreibung der Stelle bemerkt, daß immer die untere Tafel oder
                              das untere Fach um 6 Zoll breiter seyn muß, als das zunaͤchst daruͤber
                              stehende, damit die Raupen nicht zu hoch herabfallen. Diese Hervorragungen von 3
                              Zoll zu jeder Seite muͤssen nun mit Reisern bedekt werden, wenn die
                              Spinnhaͤuser einmahl mit Raupen reichlich versehen sind, indem dadurch, wenn
                              eine Raupe herabfaͤllt, die Hoͤhe des Falles derselben vermindert
                              wird. Aus eben diesem Grunde ist es auch gut, wenn die Spinnhaͤuser einmahl
                              gefuͤllt sind, unten und bei dem Eingange derselben etwas Reiser hinzulegen,
                              die den herabfallenden Raupen sehr zu Statten kommen, und fuͤr diejenigen,
                              die von dem Falle so betaͤubt sind, daß sie nicht leicht wieder auf die
                              Reiser hinaufsteigen koͤnnen, ist es gut, etwas Papier hinzulegen, damit sie
                              sich in demselben einspinnen koͤnnen.So lang auch diese Beschreibung der Spinnhaͤuser ist, ist sie doch
                                    nicht
                                    deutlich. Man hat beinahe in jeder Gegend eine eigene Methode dieselben
                                    zuzubereiten. Wo man Papier genug haben kann, sind Papier-Bogen in
                                    breite Falten zusammengelegt und aufgestellt, wo man vollkommen reine Lappen
                                    von Leinwand, Cattun, Duͤnntuch etc. haben kann, diese in Falten
                                    gelegt und herabhaͤngend, Stuͤke Matten oder aufgeflochtene
                                    Rohr- oder Strohdeken, selbst Strohbuͤndel
                                    garbenfoͤrmig gebundene etc. hinreichend. A. d. Ueb.
                              
                           
                           Sobald man, um zu der Behandlung der Raupen in ihrem vierten Lebens-Alter
                              zuruͤkzukehren, bemerkt, daß einige Raupen ihre vierte Haͤutung
                              uͤberstanden haben, sucht man sie aus, und legt sie zusammen, d.h., alle
                              diejenigen, die schon zwei Tage uͤber die vierte Haͤutung hinaus sind,
                              legt man zu einander, die von den naͤchsten zwei Tagen bringt man wieder
                              zusammen, u.s.f., damit jeder Haufe, soviel moͤglich, von gleichem Alter
                              ist.
                           Waͤhrend dieser Periode gibt man in Frankreich keine zarten Blaͤtter
                              mehr, sondern fuͤttert die Raupen mit den Blattern der aͤltesten
                              Baͤume, die man hat. Man glaubt, daß die Seide dadurch mehr Starke und
                              Haltbarkeit bekommt. Von der vierten Haͤutung an bis vier, fuͤnf Tage
                              vor ihrem Aufsteigen gibt man den Raupen taͤglich vier Mahl Futter.
                           Man muß nun auf das Sorgfaͤltigste fuͤr Reinlichkeit sorgen, und den
                              Mist regelmaͤßig alle Tage wegschaffen: wo es seyn koͤnnte,
                              waͤre es gut, wenn dieß zwei Mahl alle 24 Stunden geschaͤhe,
                              vorzuͤglich in den vier, fuͤnf Tagen vor dem Aufsteigen. Wo dieß, wie
                              z.B. bei sehr vielen Raupen, unmoͤglich ist, muß man wenigstens dafuͤr
                              sorgen, daß der Mist so weggeschafft wird, daß er nie durch seine Menge die
                              geringste Gefahr von Gaͤhrung oder Erhizung veranlassen kann, wodurch die
                              Raupen jedes Mahl zu Grunde gehen werden.
                           Man gibt waͤhrend der grande fraize (wie man
                              in Frankreich die 4 bis 5 Tage vor dem Aufsteigen nennt), den Raupen hier und da in
                              24 Stunden nicht bloß 4 bis 5 Mahl Futter, sondern man gibt ihnen auch sehr viele
                              Blaͤtter auf ein Mahl: es waͤre besser wenig auf ein Mahl und
                              oͤfters Futter zu reichen: acht bis 9 Mahl in 24 Stunden, je nachdem
                              naͤmlich die Thierchen Hunger haben. Sie fressen auf diese Weise ihr Futter
                              schneller und besser auf, und machen nicht so viel Mist. Die immer frischen
                              Blaͤtter erregen immer neue Eßlust in ihnen, so daß sie wirklich in 24
                              Stunden weit mehr Blaͤtter auf diese Weise aufzehren, als wenn man sie nur 4 bis 5 Mahl des
                              Tages fuͤttert, indem kein frisches Blatt durch das Herumkriechen der Raupen
                              auf demselben verunreinigt wird. Auf diese Weise werden die Raupen schnell zur
                              vollen Reift gebracht, und es wird zugleich viel an Blaͤttern erspart: es
                              geht nur wenig davon unter dem Miste verloren. Ueberdieß erreicht die Arbeit
                              schneller ihr Ende, und die Raupen bleiben bei voller Gesundheit.
                           Man muß es sich ferner zur Regel machen, die Raupen immer des Nachts zu
                              fuͤttern, unmittelbar ehe man zu Bette geht, und so fruͤhe als man
                              kann, am Morgen.Die Seidenraupen sind Nachtthiere, des Nachts mehr rege, als am Tage, und
                                    fressen auch des Nachts, und uͤberhaupt im Dunklen, has sie lieben,
                                    mehr. A. d. Ueb.
                              
                           Man muß nicht vergessen, den Mist, sobald er aus den Koͤrben herausgeschafft
                              ist, aus dem Zimmer zu bringen, und zugleich mit diesem, alle todten Raupen, die man
                              findet, damit sich so wenig uͤbler Geruch als moͤglich in dem Zimmer
                              entwikelt, der den Raupen sehr nachtheilig ist. Nichts foͤrdert ihr Gedeihen
                              mehr, als Reinlichkeit und frische Luft: dieser Grundsaz mag bei dem
                              muͤhevollen, ermuͤdenden, immerwaͤhrenden Auspuzen, das in den
                              lezten 4 bis 5 Tagen vor dem Aufsteigen unerlaͤßlich nothwendig wird, als
                              Ermunterung dienen.
                           Wenn man die Raupen bei dem Fuͤttern genau beobachtet, sieht man bald, ob sie
                              reif sind. Die reifen Raupen vermeiden die frischen Blaͤtter, statt daß sie
                              dieselben fressen, und laufen so schnell als moͤglich daruͤber weg:
                              man kann sie sehen an den Seiten und am Rande des Korbes herumkriechen. Man erkennt
                              sie auch daran, daß sie, gegen das Licht gehalten, durchscheinend sind, wie ein
                              frisch gelegtes Ey, und ganz von der Farbe der Seide. Wenn sie nahe daran sind zu
                              reifen, so werden sie zuerst am Bauche durchscheinend; sie sind aber nie ganz reif,
                              bis sie nicht auch am Kopfe durchscheinend werden.
                           Man muß sich mit dem Aufsteken der Reiser auf die Koͤrbe auf der Stelle nicht
                              zu sehr beeilen; es darf nicht ehe geschehen, bis nicht eine große Menge Raupen zu
                              steigen anfaͤngt, indem die Reiser die Raupen zu sehr beschraͤnken und
                              zu wann halten, und sie der Gefahr aussezen, die Krankheit zu bekommen, welche die
                              Franzosen Touffe nennen, die sehr toͤdtlich
                              fuͤr sie ist, und sie gerade in der Periode befaͤllt, wo sie
                              aufsteigen.
                           
                           Wenn sie vollkommen ausgewachsen, und zum Aufsteigen reif sind, werden sie durch zu
                              große Hize schwach, und die Seide erstikt sie: in dieser Periode ist ihnen daher
                              frische Luft vorzuͤglich nothwendig. Aus diesem Grunde glaubt man sogar, daß
                              es nicht gut ist, die Reiser ehe aufzusteken, bis man einen schoͤnen Cocon
                              auf der Stelle ausgesponnen findet. Man kann fuͤr jeden Fall einige der
                              groͤßeren Koͤrbe, von welchen man immer einen hinlaͤnglichen
                              Vorrath haben muß, mit Reisern aufgestekt in Bereitschaft halten, und von Zeit zu
                              Zeit diejenigen Raupen in dieselben hinein thun, die man vollkommen reif zum
                              Aufsteigen findet. Wenn eine ganze Abtheilung hierzu reif ist, nimmt man bloß den
                              Korb, der sie enthaͤlt, heraus, und stellt einen anderen mit den aufgestekten
                              Reisern hin, wo man dann die Raupen unmittelbar in die fuͤr sie angebrachten
                              Spinnhaͤuser bringen kann, wodurch die Arbeit sehr erleichtert, und alle
                              Uebereilung vermieden wird. Der leer gewordene Korb wird dann auf der Stelle wieder
                              mit Reisern versehen, um fuͤr die zunaͤchst aufsteigende Abtheilung in
                              Bereitschaft zu seyn. Wenn die Raupen vollkommen reif geworden sind, darf man keine
                              Minute verlieren: es ist also nothwendig, immer mehrere Koͤrbe in
                              Bereitschaft zu halten.
                           Wir haben bemerkt, daß man immer solche Reiser waͤhlen muß, die oben buschig
                              sind, und daß man sie oben etwas in einander biegen muß, wodurch sie daselbst diker
                              werden. Indessen muß man zwischen den Zweigen noch kleine Oeffnungen lassen, damit
                              den Raupen der Durchweg nicht versperrt wird, und man den Vortheil gewinnt, daß die
                              Raupen eine Menge kleiner Plaͤzchen daselbst finden, in welchen sie ihre
                              Cocons spinnen koͤnnen. Wenn die Reiser oben zu duͤnn sind, suchen die
                              Raupen vergebens nach einem Plaͤzchen, um sich einzuspinnen, und verlieren
                              dadurch, daß sie von Zweig zu Zweig kriechen muͤssen, einen guten Theil ihrer
                              Kraft umsonst. Die Reiser muͤssen so gestellt seyn, daß sie mit ihrer Basis
                              so nahe als moͤglich an einander kommen, damit die Raupen bei ihrem
                              Herumkriechen uͤberall etwas zum Aufsteigen finden. Wenn man aber Reiser
                              nimmt, die oben sehr buschig sind, werden dieselben mit ihrer Basis weit auseinander
                              kommen: die Zwischenraͤume zwischen denselben muͤssen daher mit
                              anderen Reisern ausgefuͤllt werden, damit, wie gesagt, die Raupen
                              uͤberall aufsteigen koͤnnen.
                           
                           Wenn man die Reiser zwischen zwei uͤbereinander stehenden Koͤrben
                              aufstekt, wie dieß auf den Stellen immer der Fall ist, muͤssen dieselben alle
                              gleich lang abgeschnitten werden, jedoch acht bis neun Zoll laͤnger bleiben,
                              als der Abstand zwischen den beiden Koͤrben: wenn man sie dann in den unteren
                              Korb einsezt, werden sie mit ihrem oberen Theile in einen Bogen nach abwaͤrts
                              gekruͤmmt, und zwar entweder ganz nach einer Seite, oder auf beiden Seiten
                              gekruͤmmt, wie es die Zeraͤstlung der Reiser eben gestattet. Man
                              stellt die Reihen der Reifer quer uͤber die Breite des Korbes achtzehn bis
                              zwanzig Zoll weit aus einander, so daß man leicht von einer Seite zur andern die
                              Hand einbringen, und von Zeit zu Zeit in den Zwischenraͤumen den Mist
                              auspuzen kann, was wenigstens ein Mahl binnen 24 Stunden geschehen muß, nachdem die
                              Reiser aufgestellt sind, und, wenn man Zeit genug hierzu findet, sollte es zwei Mahl
                              waͤhrend dieser Zeit geschehen. Die Koͤpfe der Reiser bilden kleine
                              Bogen zwischen jeder Reihe derselben, und stehen auf diese Weise fest, indem sie
                              eben so gut auf den oberen Korb druͤken, als auf den unteren.
                           Nachdem die Raupen ein Mahl auf die Reiser aufgestiegen sind, muß man
                              sorgfaͤltig darauf achten, daß Niemand dieselben stoͤrt, weder durch
                              Anruͤhren noch durch Verruͤken der Reiser-Buͤndel,
                              indem, wenn sie anfangen zu spinnen, ihre erste Arbeit darin besteht, eine Menge
                              Seiden-Faden an die verschiedenen Zweige anzulegen, wodurch die Cocons
                              gestuͤzt und gehalten werden. Wenn einer dieser Faden durch das
                              Ruͤhren der Reiser reißt, so findet die Raupe dann bei dem weiteren
                              Ausspinnen, daß durch das Reissen dieses Fadens der Cocon
                              sein Gleichgewicht verloren hat, daß er nicht mehr ruhig haͤngen bleibt, und
                              sie kann ihren Cocon nicht mehr gehoͤrig ausspinnen. Sie durchbohrt denselben
                              also, verlaͤßt ihn, und laͤßt ihre Seide uͤberall fahren, wo
                              sie hinkriecht, wodurch sowohl diese leztere, als sie selbst, zu Grunde geht, indem
                              sie keinen Ort findet, um sich gehoͤrig zu bergen, und in einen Nachtfalter
                              zu verwandeln.
                           Zuweilen werden auch einige dieser Seiden-Faden, die die Raupe zuerst an die
                              Reiser anlegt, von einer in der Naͤhe sich einspinnenden Raupe abgerissen:
                              die traurige Folge hiervon ist dieselbe, wie oben; nur hat dieser Zufall seltener
                              Statt.
                           Diejenigen Raupen, die man, obschon sie zum Aufsteigen reif sind, unten herum kriechen
                              sieht, muß man von Zeit zu Zeit auf die Reiser heben, die an den beiden Enden und an
                              den Seiten der Buͤhne angebracht sind. Es gibt immer solche Raupen, die
                              entweder faul sind, oder nicht Kraft genug zum Aufsteigen haben, obschon sie stark
                              genug sind gute Cocons zu spinnen, wenn man sie an einen Ort bringt, wo sie spinnen
                              koͤnnen, ohne daß sie sich selbst bemuͤhen duͤrfen, auf die
                              Reiser zu kriechen. Diejenigen, die so ungluͤklich sind, daß sie von den
                              Reisern herabfallen, muͤssen gleichfalls mit den uͤbrigen schwachen
                              und faulen auf die Reiser gehoben werden, indem das Fallen selbst ihnen meistens
                              eine Schwaͤche zugezogen hat. Diese auf die Reiser hinaufgehobenen Raupen
                              muͤssen dann mit Papier bedekt werden, an welches sie ihre Faden anlegen, und
                              so den Cocon befestigen koͤnnen. Man kann auch einige dieser schwaches
                              Wuͤrmer in Papier thun, das man tutenfoͤrmig zusammengerollt hat: in
                              diesen Papierchen spinnen sie ihre Cocons ganz vortrefflich aus.Allerdings waͤren kleine Papiertuten die allerbesten
                                    Spinnhaͤuser; allein, theils ist bei einer großen Menge derselben
                                    selbst das schlechteste Papier zu theuer, theils wuͤrde die
                                    Verfertigung der Tuten zuviel Zeit kosten. Gelegentlich muͤssen wir
                                    bemerken, daß Hr. Stephenson vergessen zu haben
                                    scheint, vor haͤufiger Beruͤhrung der Raupen mit der Hand zu
                                    warnen. Man muß die Raupen so wenig als moͤglich mit bloßen Fingern
                                    beruͤhren, sondern sie immer mit den Blaͤttern, auf welchen
                                    sie sich befinden, von einem Orte auf den anderen heben. Wenn man sie ja mit
                                    den Fingern fassen muß, so muß dieß so sanft als moͤglich geschehen.
                                    A. d. Ueb.
                              
                           Man muß sorgfaͤltig von Zeit zu Zeit bei allen Spinnhaͤusern nachsehen,
                              und was man immer Krankes oder Todtes an Raupen findet, alsogleich entfernen, indem
                              leztere sehr bald anfangen zu stinken, und das ganze Zimmer mit uͤblem
                              Geruche erfuͤllen, wodurch die anderen in demselben Spinnhause befindlichen
                              Raupen sehr leiden; die kranken Raupen werden die Gesunden bald anfielen.
                           Gewoͤhnlich bringt man, wenn man sieht, daß viele Raupen in einem Korbe zum
                              Aufsteigen reif sind, und daß sie herumkriechen und Reiser zum Einspinnen suchen,
                              alle diese Raupen auf ein Mahl in die Spinnhaͤuser. Dieses Verfahren ist aber
                              nicht bloß unbequem, sondern auch gefaͤhrlich, indem es unmoͤglich
                              ist, die Raupen so zu ziehen, daß sie alle, wie sie in einem Korbe liegen, sich
                              zugleich einspinnen. Die Folge hiervon ist, daß die ganz reifen sich alsogleich
                              einspinnen, die anderen aber, die noch nicht reif sind, selbst in den
                              Spinnhaͤusern noch so lange gefuͤttert werden muͤssen, bis sie
                              reif werden, und daß man folglich den Mist derselben oͤfters auspuzen muß,
                              damit er sich nicht erhizt, wodurch die Spinnenden gestoͤrt werden. Das
                              Schlimmste hierbei ist aber noch dieses, daß die Raupen, die aufgestiegen sind, ehe
                              sie sich gaͤnzlich in dem Cocon einsperren, eine Menge Fluͤßigkeit
                              fahren lassen, die auf die unten im Spinnhause befindlichen, noch nicht
                              eingesponnenen. Raupen herabtroͤpfelt, und dieselben benezt und schmuzig
                              macht; daß diese Feuchtigkeit, die klebrig ist, auf ihrer Hautvertroknet und
                              erhaͤrtet, ihre Ausduͤnstung unterdruͤkt, und ihnen jene
                              Gelenkigkeit und Thaͤtigkeit benimmt, die sowohl zum Aufkriechen, als zur
                              Verfertigung ihrer Cocons so nothwendig ist. Die Folge hiervon ist, daß die mit
                              dieser klebrigen Fluͤßigkeit benezten Raupen krank werden und sterben in dem
                              Augenblike, wo sie aufsteigen sollten, und daß, da diese Krankheit, indem die Raupen
                              bersten, nur zu oft sehr anstekend wird, sich dieselbe uͤber alle
                              uͤbrigen Raupen ausbreitet, die davon gleichfalls angestekt werden, so daß
                              man oͤfters alle in den Spinnhaͤusern befindlichen Raupen
                              verliert.
                           Einige, die aufmerksamer auf diese Thierchen sind, und die Gefahr ahnen, die bei
                              einem solchen Verfahren droht, haben Geduld genug alle Raupen einzeln, so wie sie
                              bemerken, daß sie reif geworden sind, auszulesen, und auf die Spinnhaͤuser zu
                              stellen,Vergl. Anmerk. 67. S. 169. wo sie dann, nachdem sie gehoͤrig gewaͤhlt wurden, alsogleich
                              aufsteigen, und sich einspinnen. Man erkennt ihre volle Reife, wie gesagt, an der
                              Durchscheinenheit ihres Koͤrpers, vorzuͤglich aber an jener ihres
                              Kopfes. Die noch nicht reif gewordenen lassen sie in ihrem Korbe zuruͤk, und
                              fuͤttern sie so lang, bis sie gleichfalls reif geworden sind, wo sie wieder
                              nach und nach gesammelt, und auf die Spinnhaͤuser gebracht werden. Auf diese
                              Weise kann man sie bequemer, auspuzen, und sie werden dadurch zugleich gegen jene
                              klebrige Feuchtigkeit gesichert, die so verderbliche und toͤdtliche Folgen
                              fuͤr sie hat. Man kann zwar sagen, daß dieses leztere Verfahren noch mehr
                              Muͤhe veranlaͤßt; allein, man wird dagegen wieder bemerken, daß eine
                              Menge Raupen dadurch erhalten werden, die durch das Uebertragen eines ganzen Korbes voll Raupen in
                              die Spinnhaͤuser auf ein Mahl gaͤnzlich verloren gehen; daß folglich
                              weit mehr Seide auf diese Weise erhalten, und man fuͤr diese besondere
                              Muͤhe und Sorgfalt zehnfach belohnt wird.
                           Wenn man die reifen Raupen in die Spinnhaͤuser bringt, muß man dafuͤr
                              sorgen, daß sie zuerst in die Mitte derselben kommen, und daß diese reichlich mit
                              Raupen versehen wird, ehe man irgend eine Raupe an den Seiten derselben anbringt.
                              Nenn man an den Seiten, oder an den aͤußeren Enden der Spinnhaͤuser
                              anfinge, wuͤrde es aͤußerst schwer werden, die Raupen spaͤter
                              in die Mitte zu bringen, ohne diejenigen zu stoͤren, die an den Seiten oder
                              an den Enden bereits aufgestiegen sind, und daselbst anfangen sich einzuspinnen.
                           Ich muß hier gelegentlich bemerken, daß ich, waͤhrend der ersten beiden
                              Lebensalter der Raupen, immer Hrn. Marteloy's Rath
                              befolgte, und die Fenster geschlossen hielt. Wenn aber die zweite Haͤutung
                              einmahl voruͤber war, gewoͤhnte ich sie nach und nach an die frische
                              Luft, und oͤffnete gegen Mittag die Fenster ein Paar Stunden lang, die ich
                              dann von Tag zu Tage eine laͤngere Zeit uͤber offen ließ, bis sie
                              endlich den ganzen Tag und selbst waͤhrend der Nacht uͤber offen
                              blieben, vorzuͤglich, nachdem die vierte Haͤutung voruͤber war,
                              wo sie, außer wenn die Witterung sehr feucht und naß war, bis die Cocons
                              ausgesponnen waren, nie mehr geschlossen wurden. Obschon dieses Verfahren im
                              suͤdlichen Frankreich sehr gut bekommt, so wollte ich es doch durchaus nicht
                              uͤber mich nehmen zu behaupten, daß dieselbe Methode auch in England befolgt
                              werden kann, da das Klima daselbst so sehr verschieden ist. Im Gegentheile scheint
                              es mir, daß man in England die Fenster des Nachts uͤber immer geschlossen
                              halten muß; daß aber, nachdem die zweite Haͤutung voruͤber ist, es
                              sehr gut seyn wird, wenn man die Raupen am Tage nach und nach an freie Luft
                              gewoͤhnt, und noch mehr, wenn sie einmahl die vierte Haͤutung
                              uͤberstanden haben, wo reine Luft unentbehrlich fuͤr sie ist. Aber
                              auch dann muͤßten, selbst am Tage, bei kalter Witterung die Fenster
                              geschlossen werden. Man muß hier, mit einem Worte, mit Klugheit und Verstand, und
                              nach den einmahl gemachten Erfahrungen handeln.Fuͤr den Fall, daß wegen der rauhen Witterung Fenster und
                                    Thuͤren geschlossen werden muͤssen, muß immer
                                    ein Ventilator, wenigstens in einer Fenster-Scheibe angebracht seyn,
                                    damit die Luft sich immer erneuen kann. A. d. Ueb.
                              
                           
                           Eine Bemerkung, die ich oben bei dem Ausbruͤten der Eier hatte einschalten
                              sollen, muß ich hier nachtragen. Ich sagte daselbst, daß man in Frankreich allgemein
                              empfiehlt, die in den vier ersten Tagen ausgekrochenen Raupen aufzuziehen. Ich
                              lernte indessen zu Montauban einen Franzosen kennen, der der Seidenzucht viele
                              Aufmerksamkeit schenkte, und, wie man mir versicherte, in derselben sehr
                              gluͤklich war. Er sagte mir, daß er immer bemerkte, daß die Raupen, die
                              zuerst auskrochen, die gesuͤndesten geblieben, und die staͤrksten
                              geworden sind; daß er daher folgendes Verfahren versuchte, und, da es ihm gelang,
                              dasselbe seit mehreren Jahren immer befolgte. Er schreibt demselben das
                              hoͤhere Gelingen seiner Seidenzucht zu.
                           Wenn er, sagte er, soviel Raupen aufziehen will, als man aus vier Loth Eiern
                              erhaͤlt, nimmt er immer fuͤnf Loth zum Ausbruͤten, und zieht
                              keine anderen Raupen auf, als diejenigen, die in den ersten drei Tagen aus den Eiern
                              ausgekrochen sind: alle uͤbrigen wirft er weg. Er machte es sich ferner zur
                              Regel, bei den verschiedenen Haͤutungen nur diejenigen Raupen weiter fort
                              aufzuziehen, die zeitig genug in die Haͤutung traten, und dieselbe auch
                              schnell genug uͤberstanden: alle Spaͤtlinge aber und alle jene, die
                              lange mit der Haͤutung zu kaͤmpfen hatten, wegzuwerfen. Er gab
                              hieruͤber folgenden Grund an: daß er naͤmlich sich durch eine Reihe
                              von Jahren uͤberzeugte, daß alle Raupen, die erst nach dem dritten Tage
                              ausfallen, ihr ganzes Leben uͤber Schwaͤchlinge bleiben, und bei allen
                              ihren weiteren Entwikelungen und Arbeiten zuruͤkbleiben. Aus demselben Grunde
                              warf er auch alle jene Raupen weg, die lange zu ihrer Haͤutung brauchten, was
                              er ihrer Schwaͤche, oder dem Keime einer Krankheit zuschreibt, die sich
                              gewoͤhnlich erst spaͤter entwikelt, und sie toͤdtet, ehe sie
                              ihn Cocons zu spinnen anfangen, oder, wenn sie ja bis zum Einspinnen leben, sie nur
                              so schlechte und leichte Cocons spinnen laͤßt, daß diese kaum die
                              Blaͤtter werth sind, die sie in den lezten 4 bis 5 Tagen (waͤhrend der
                              grande fraize) verzehrten. Er zog nur solche Raupen
                              weiter fort auf, die ihre Haͤutung in den ersten zwei Tagen
                              uͤberstanden hatten, und warf alle diejenigen weg, die nicht am Ende des zweiten Tages
                              damit fertig waren. Nach den Beobachtungen, die ich selbst zu machen Gelegenheit
                              hatte, hat dieser Ehrenmann allerdings sehr viel fuͤr sich bei seinem
                              Verfahren: allein, da in Allem, was auf Seiden-Zucht Bezug hat, ich einzig
                              und allein nur eigener Erfahrung traue, so wollte ich selbst Versuche
                              hieruͤber anstellen. Ungluͤklicher Weise mußten sie unterbleiben, da
                              ich nach England zuruͤkkehren mußte, ehe ich dieselben anstellen konnte, und
                              da diese Versuche sehr wichtig sind, so empfehle ich sie anderen dringend.Der Uebersezer hat diese Versuche vor 30 Jahren schon angestellt, ohne von
                                    Hrn. Stephenson, oder dem Ehrenmanne. zu
                                    Montauban etwas zu wissen, und es freut ihn, diesem lezteren alle Ehre
                                    richtiger und treuer Beobachtung uͤberlassen zu koͤnnen. Das
                                    Verfahren dieses Ehrenmannes ist so fest auf die allgemeinen Geseze der
                                    Entwikelung der gesammten thierischen Natur gegruͤndet; daß es
                                    unbegreiflich ist, wie man nicht allgemein diese Winke der Natur errathen
                                    und befolgen konnte. Es war sicher nur der leidige Geiz, der den Menschen
                                    hier blendete. Man wollte nicht mehrere Cocons durch das Auskriechen der
                                    Nachtfalter verderben lassen, und sparte Pfennige an Seide, waͤhrend
                                    man Thaler und Louisd'ors an Blaͤttern und Raupen hinaus warf. Wie
                                    viel Geld, und was noch mehr ist, wieviel Zeit verliert man nicht mit
                                    Wartung und Pflege solcher elenden Kruͤppel von Raupen, die ihre
                                    gesunden starken Bruͤder vergiften, oft eine ganze
                                    Seiden-Ernte vernichten, und Reihen von Generationen von
                                    Schwaͤchlingen in die Welt sezen. Wenigstens sollte man den Grundsaz:
                                    nur die zuerst aus dem Eie ausgekrochenen, zuerst
                                       gehaͤuteten, zuerst sich einspinnenden Raupen aufzuziehen,
                                       bei der Nachzucht und Fortpflanzung der Raupen benuͤzen,
                                    wenn man so filzig seyn will, nichts Schlechtes wegzuwerfen, und keine
                                    anderen Raupen, als diese Erstlinge, nie aber die kranken Spaͤtlinge
                                    zur Nachzucht waͤhlen, oder auch nur dazu kommen lassen. A. d.
                                    Ueb.
                              
                           Die Cocons bleiben nun 6 bis 7 Tage nach dem Aufsteigen der lezten Abtheilung der
                              Raupen auf den Reisern oder Epinnhaͤusern.
                           Bei dem Abnehmen derselben sortirt man sie nach ihrer Farbe, und legt zugleich alle
                              schwachen und alle Doppel-Cocons bei Seite. Auch diejenigen, deren
                              Oberflaͤche sehr glaͤnzend ist, und die man deßwegen
                              Atlaß-Cocons nennt, sollten bei Seite gelegt werden, weil sie die zweite
                              Sorte von Seide liefern. Die Doppel-Cocons geben die groͤbste
                              Sorte.
                           Alle sogenannte Floret- oder lose Seide außen um die Cocons muß sorgfaͤltig
                              davon abgezogen werden, indem, je mehr sie von derselben gereinigt wurden, desto
                              besser sie in dem Beken spielen, und folglich desto leichter sich abwinden
                              lassen.
                           Wenn man nach dem Abnehmen der Cocons von den Spinn-Haͤusern die
                              Floret-Seide von denselben abzieht, sucht man gewoͤhnlich diejenigen
                              aus, die man fuͤr die Nachzucht zu Erhaltung der Eier am besten haͤlt,
                              und legt sie bei Seite. In der Folge sucht man aus diesen noch ein Mahl die besten
                              aus, und bringt sie paarweise zusammen, insofern man naͤmlich aus den Cocons
                              auf das Geschlecht des darin enthaltenen Nachtfalters schließen kann. Man muß
                              hierbei dafuͤr sorgen, daß man die Cocons derjenigen Raupen, die an einem und
                              demselben Tage anfingen sich einzuspinnen, bei einander haͤlt, damit die
                              Nachtfalter gleichzeitig aus denselben ausbrechen. Wenn die Cocons alle von der
                              ganzen Stelle zusammengeworfen werden, und man erst aus diesem großen Haufen
                              diejenigen paarweise aussuchen will, die man zur Nachzucht bestimmt, so wird man
                              Cocons von Raupen erhalten, die sich au verschiedenen Tagen eingesponnen haben, die
                              folglich nun auch an verschiedenen Tagen als Nachtfalter ausfallen werden, so daß
                              man nie zu gleicher Zeit eine gleiche Anzahl von Maͤnnchen und Weibchen
                              erhaͤlt, wodurch also viele Nachfalter umsonst verloren gehen, und viele Eier
                              unbefruchtet bleiben werden. Daher die Nothwendigkeit, die Cocons, die an denselben
                              Tagen gesponnen wurden, immer bei einander zu halten.
                           Wenn man mehr Weibchen als Maͤnnchen hat, so muß man die Maͤnnchen, die
                              am vorigen Tage ausfielen, noch ein Mahl benuͤzen, damit man keine Weibchen
                              unbefruchtet laͤßt und verliert. Dieß ist aber nur in dringenden
                              Faͤllen erlaubt,Dieß kann in keinem Falle erlaubt werden, und man muß sogar dafuͤr
                                    sorgen, daß es nicht zufaͤllig geschieht. A. d. Ueb. da es immer besser ist, die Maͤnnchen nur ein Mahl zur Paarung zu
                              lassen, wenn man gleichviel Maͤnnchen und Weibchen zur Paarung bekommen
                              kann.
                           Die Doppel-Cocons erkennt man daran, daß sie diker, breiter, und nicht
                              vollkommen rund sind.
                           Das Abnehmen der Cocons von den Reisern muß mit Sorgfalt geschehen,
                              vorzuͤglich wenn tobte Raupen sich unter denselben befinden, die leicht
                              in Faͤulniß uͤbergehen, indem die Cocons, welche diese tobten Raupen
                              beruͤhren, dadurch verunreinigt werden, und eine gewisse Klebrigkeit
                              bekommen, die das gehoͤrige Abwinden der Seide hindert. Das beste Mittel,
                              gute und schlechte Cocons von einander zu unterscheiden, ist, sie an ihren beiden
                              Enden mit den Fingern zu druͤken. Wenn sie dem Druke gehoͤrig
                              widerstehen, und fest und hart zwischen den Fingern scheinen, sind sie gewiß
                              gut.
                           Wenn sie gleich an den Seiten, wo man sie zwischen den Fingern druͤkt, fest
                              scheinen, so sind sie darum noch nicht vollkommen gut: nur der Druk an beiden Enden
                              entscheidet fuͤr ihre Guͤte.
                           Die Cocons, welche zur Nachzucht bestimmt sind, muͤssen mit der
                              hoͤchsten Sorgfalt von aller Floret-Seihe gereinigt werden, indem
                              diese das Durchbrechen der Nachtfalter aus denselben hindern wuͤrde. Man
                              durchsticht hierauf die Cocons mit Nadel und Faden in ihrer Mitte, und faßt sie so
                              auf dem Faden auf, wie die Kuͤgelchen an einem katholischen oder
                              tuͤrkischen Rosenkranz. Bei diesem Anfassen muß man Acht geben, daß das
                              Insect in der Mitte des Cocons nicht mit der Nadel verlezt wird. Man darf nur soviel
                              von dem Gewebe des Cocons durchstechen, als noͤthig ist, um denselben auf dem
                              Faden halten zu machen: die Enden muͤssen unberuͤhrt bleiben, da man
                              nicht wissen kann, an welchem Ende das Insect den Cocon durchbrechen wird. Diese
                              Schnur mit Cocons wird nun an der Wand des Zimmers auf einem Nagel
                              aufgehaͤngt, bis die Nachtfalter aus denselben auskriechen.
                           Man muß bei dem Auffassen der Cocons auf die Schnur Acht geben, daß immer ein
                              maͤnnlicher Cocon neben einem weiblichen zu liegen kommt, damit sie bei ihrem
                              Auskriechen zur Paarung einander so nahe kommen, als moͤglich. Wenn die
                              Nachtfalter ausgekrochen sind, bringt man sie auf ein Stuͤk reinen
                              Wollentuches, das vollkommen glatt ist, keine Haare hat, und haͤngt es auf
                              die Lehne eines Stuhles.Es ist bei weiten besser, dicht an die Wand, an welcher die Cocons
                                    haͤngen, einen langen Tisch oder ein Brett hinzustellen, und die
                                    Cocons so nahe als moͤglich uͤber das Brett zu haͤngen,
                                    damit die Nachtfalter, die man eigentlich gar nicht beruͤhren sollte,
                                    nicht so
                                    weit uͤbertragen werden muͤssen. Es ist auch besser, die Eier
                                    auf schlechten alten Taffet, (am besten auf schwarzen), als auf Tuch legen
                                    zu lassen, indem man sie vom Taffet in der Folge leichter wegbringt. Hr. Stephenson bemerkt nicht, ob man in Frank: reich
                                    ein anderes Kennzeichen fuͤr das Geschlecht des im Cocon enthaltenen
                                    Nachtfalters hat, als bei uns, wo die rundlicheren Cocons meistens Weibchen,
                                    die spizigeren meistens Maͤnnchen geben. Eben so gibt er auch unten
                                    nicht das gute Kennzeichen fuͤr die maͤnnlichen Nachtfalter,
                                    die weit bartigeren Fuͤhlhoͤrner, an. A. d. Ueb.
                              
                           
                           Man erkennt das Maͤnnchen an seinem duͤnneren Leibe, durch das
                              oͤftere Schlagen seiner Fluͤgel, und durch die groͤßere
                              Staͤrke, die es vor dem Weibchen voraus hat. Nachdem die Nachtfalter zehn
                              Stunden lang sich gepaart haben, nimmt man das Maͤnnchen sanft weg, indem man
                              glaubt, daß das Weibchen dann hinlaͤnglich befruchtet ist.Dieß sollte unter keiner Bedingung geschehen. Die Thierchen wissen selbst am
                                    besten, wann ihre Bestimmung erfuͤllt ist. A. d. Ueb. Das Weibchen legt dann seine Eier auf das Tuch, auf welchem dieselben fest
                              haͤngen bleiben, und auf diesem Tuche laͤßt man sie bis
                              ungefaͤhr Einen Monat vor der Bruͤtezeit, wo man sie mittelst einer
                              sehr duͤnnen Kupfermuͤnze, (Pfennig-Stuͤken, Sol Marque) davon abnimmt. Das Tuch wird einstweilen
                              leicht zusammengelegt, in einer Schublade in einem Kasten an einem trokenen Orte
                              aufbewahrt, der aber nicht warm seyn darf. Ein Weibchen legt gewoͤhnlich
                              zwischen 3 bis 400 Eier. Man laͤßt die Eier deßwegen so lang auf dem Tuche
                              liegen, damit die Schale hinlaͤnglich erhaͤrten kann, und sie ohne
                              allen Schaden abgenommen werden koͤnnen. Wenn es aber gegen den
                              Fruͤhling geht, wird ihre Schale wieder weich, und deßwegen muß man sie Einen
                              Monat fruͤher von dem Tuche nehmen.Techn. Repository. N. 54. S. 325.
                              
                           Waͤre es moͤglich, die Seide von den anderen Cocons abzuwinden, ehe das
                              Insect dieselben durchgerissen hat, so waͤre dieß die beste Zeit, indem die
                              Seide sich jezt weit besser und leichter abwinden ließe, als spaͤter. Da dieß
                              aber unmoͤglich ist, so hat man zwei Methoden gewaͤhlt, um das Insect
                              in dem Cocon zu zerstoͤren, damit man die Seide nach Muße und mit aller
                              Bequemlichkeit abwinden kann. Die erstere dieser Methoden, die man in Frankreich
                              befolgt, besteht darin, daß man die Cocons in Koͤrbchen in einen Bakofen
                              bringt, und so die Insecten toͤdtet; wenn aber der Ofen nur etwas zu heiß ist, so wird die
                              Seide dadurch gesengt, und nicht selten sehr verdorben. Man versuchte daher, die
                              Thierchen durch Daͤmpfe des siedenden Wassers zu toͤdten, wodurch die
                              Seide nicht leiden konnte, und der Versuch gelang, so daß man heut zu Tage den
                              Bakofen gaͤnzlich aufgab.
                           Das Toͤdten der Puppen der Seidenraupe mittelst des Dampfes des siedenden
                              Wassers geschieht auf folgende Weise. Man baut einen kleinen Ofen aus Ziegeln von
                              ovaler Form; der untere Theil desselben dient zur Aufnahme des Holzes oder der
                              Holzkohlen, deren man sich zu diesem Zweke bedient; damit das Feuer gehoͤrig
                              brennt, ist ein Rost in dem Ofen angebracht, auf welchem das Holz oder die
                              Holzkohlen gelegt werden. Ueber dem Roste befindet sich in geringer Entfernung ein
                              kleiner kupferner Kessel, den man mit Wasser fuͤllt, und durch das unten
                              angeschuͤrte Feuer in Sud bringt. Ueber dem Kessel ist ein anderer eiserner
                              Rost, auf welchen man die Cocons in einem kleinen offenen, aus Weiden geflochtenen,
                              Koͤrbchen legt; die Zwischenraͤume zwischen dem Geflechte sind
                              ziemlich weit offen, damit der Dampf und die Hize leicht durch dieselben bis zu den
                              Cocons dringen kann. Zu dem Kessel und zu dem Roste uͤber demselben, auf
                              welchem das Koͤrbchen mit den Cocons steht, gelangt man mittelst eines
                              kleinen Thuͤrchens, welches sich uͤber dem Schuͤrloche
                              befindet. Ueber dem Ofen ist ein Ziegelgewoͤlbe, so daß, wenn das eben
                              erwaͤhnte Thuͤrchen geschlossen ist, der Dampf in demselben
                              eingeschlossen bleibt, welcher, wie man durch Erfahrung gefunden hat, binnen 8
                              Minuten die Insecten getoͤdtet hat. Man nimmt hierauf das Koͤrbchen
                              heraus, und stellt es bei Seite, damit die Cocons abtroknen koͤnnen, indem
                              sie, so wie sie aus dem Ofen kommen, vom Dampfe ganz naß sind, stellt dann wieder,
                              ein anderes Koͤrbchen mit Cocons auf den Rost, und unterhalt das Feuer, so
                              daß das Wasser im Kessel immer siedet. Holzkohlen sind zu dieser Arbeit besser als
                              Holz, weil sie keinen Rauch verursachen, welcher die Farbe der Seide verdirbt, und
                              ihr ihren Glanz nimmt. Der Rauch von Steinkohlen wuͤrde noch weit mehr
                              schaden.Der Ofen laͤßt sich aber leicht so bauen, daß dort, wo man die Cocons
                                    durch Dampf toͤdtet, gar kein Rauch hinkommen kann. Man braucht sogar
                                    keinen eigenen Ofen hierzu, sondern kann das Feuer auf jedem Herde
                                    benuͤzen, wenn man einen Dampf-Kessel auf demselben hat, und
                                    den Dampf durch eine Roͤhre in ein in der Wand angebrachtes kleines
                                    Kaͤmmerchen leitet, in welches man die Cocons bringt. A. d. Ueb.
                              
                           
                           Nachdem die Puppen in den Cocons durch Dampf getoͤdtet wurden, muͤssen
                              sie taͤglich wenigstens Ein Mahl regelmaͤßig umgeruͤhrt und
                              umgewendet werden, indem sie sonst faulen und sich Wuͤrmer in den Cocons
                              erzeugen, die die Seide verderben. Man muß auch die Cocons, nachdem sie aus dem Ofen
                              genommen, und, wie gesagt, etwas abgetroknet wurden, in ein gutes, dikes, wollenes
                              Tuch einschlagen, um den heißen Dampf laͤnger in denselben zu erhalten, und
                              den Zutritt der aͤußeren Luft zu verwehren. Auf diese Weise werden auch alle
                              Puppen, die noch lebendig seyn sollten, erstikt, indem sie sonst, der freien Luft
                              ausgesezt, sich wieder erholen und erstarken konnten. Man laͤßt sie, in das
                              Tuch eingeschlagen, fuͤnf bis sechs Stunden lang liegen, worauf man sie aus
                              dem Koͤrbchen nimmt, und auf einer Tafel ausbreitet, und dann
                              regelmaͤßig alle Tage, wie oben angegeben wurde, umkehrt. Hierauf sortirt man
                              die Cocons nach ihrer verschiedenen Farbe, von welcher man in Frankreich drei
                              verschiedene Sorten besizt: die weiße, die gelbe und die gruͤnliche.
                           Je fruͤher nach, dem Toͤdten der Puppen man die Seide von den Cocons
                              abwindet, desto besser: denn diese Arbeit geht dann weit leichter von Statten, als
                              wenn man sie laͤngere Zeit uͤber aufbewahrt. Man windet daher die
                              Seide so schnell als moͤglich nach dem Toͤdten ab, und zwar auf
                              folgende Weise. Man mauert einen kleinen kupfernen Kessel in einen kleinen aus
                              Ziegeln erbauten Ofen, unten mit einem Schuͤrherde, wie in dem oben
                              beschriebenen Ofen, und genau so, wie unsere Wasch- und Bleichoͤfen an
                              den Ufern der Fluͤsse in England: am Ende desselben ist ein großer Haspel
                              angebracht, der mit der Hand und mittelst eines Fußbrettes gedreht wird, und 2 oder
                              3 in gehoͤriger Entfernung gestellte eiserne Staͤngelchen mit Augen,
                              durch welche die Seidenfaden auf den Haspel laufen. Dieser Kessel wird mit Wasser
                              gefuͤllt, und mit Holz oder Holzkohlen bestaͤndig siedend erhalten:
                              leztere sind jedoch, wegen des geringeren Rauches, vorzuziehen. Nun werden 20 bis 30
                              Cocons auf ein Mahl in das siedende Wasser gethan, und mit einer kleinen Ruthe (z.B. aus
                              Zweigen von Heidekraut)Jede feinere Ruthe, z.B., aus der Rispe des Schilfrohres, thut es eben so
                                    gut. A. d. Ueb. umgeruͤhrt. Die Hize des heißen Wassers loͤst den Gummi, der
                              um die Seide ist, auf, so wie die Cocons in dem siedenden Wasser umher getrieben
                              werden, und die Enden der Seidenfaden haͤngen sich an der Ruthe an. Sobald
                              die Weibsperson, die sich mit diesem Abwinden beschaͤftigt, bemerkt, daß die
                              Seidenfaden an der Ruthe haͤngen bleiben, nimmt sie diese Faden mit der Hand,
                              legt die Ruthe weg, und zieht die Seidenfaden an sich, die leicht von den Cocons
                              ablaufen, und mit dieser Arbeit faͤhrt sie fort, bis sie alle Flokenseide,
                              oder das aͤußere Gewebe der Cocons abgewunden hat. Wenn sie dann bemerkt, daß
                              sie auf die feine Seide kommt, bricht sie ab, und sondert die grobe Seide, welche
                              sie bei Seite legt, von der feinen. Dann wendet sie ihr Ruͤthchen neuerdings
                              an, bis sie die Enden der feinen Seide gefaßt hat, die sie alle jeden Faden einzeln,
                              bei Seite legt, und auf einem Stuͤkchen Holz befestigt, das, zu dieser
                              Absicht, sich in der Naͤhe des Ofens befindet, bis sie dann mit allen, oder
                              wenigstens mit dem groͤßten Theile derselben fertig ist, um sie einzulassen,
                              und den Seidenfaden zu bilden, der aufgewunden werden soll.
                           Nachdem dieses geschehen ist, nimmt sie so viel Faden zusammen, als sie
                              noͤthig findet, um die Seide nach ihrem Beduͤnken grob oder fein zu
                              machen. Diese Faden verbindet sie unter einander, und nachdem sie dieselben durch
                              ein Auge an einem der beiden eisernen Staͤngelchen, welches zu ihrer Leitung
                              nach dem Haspel bestimmt ist, durchgezogen hat, befestigt sie dieselben auf dem
                              Haspel, worauf dann eine andere Weibsperson, die den Haspel zu besorgen hat,
                              denselben mit der Hand zu drehen anfaͤngt, und durch das Treten des
                              Fußbrettes oder Tretschaͤmels in Bewegung erhaͤlt: auf diese Weise
                              wird die Seide von den Cocons mit großer Schnelligkeit abgewunden.
                           Sobald ein oder der andere Cocon erschoͤpft ist, ersezt die Weibsperson, am
                              Kessel denselben durch einen anderen, und sorgt dafuͤr, daß, waͤhrend
                              auf diese Weise die einen Cocons aufgewunden werden, die anderen zubereitet werden,
                              so daß immer Vorrath vorhanden ist, und die Seide von allen Cocons, die sie in
                              Umlauf sezte, gehoͤrig abgewunden wird.
                           
                           Da sie beinahe jeden Augenblik ihre Finger in siedend heißem Wasser haben muß, um die
                              Cocons gehoͤrig zu behandeln, so hat sie ein Beken mit kaltem Wasser zur
                              Hand, in welches sie immerdar ihre Finger eintauchen kann, um das Verbrennen an
                              denselben zu verhindern. Sie mag aber auch noch so sehr fuͤr ihre Finger
                              sorgen, so wird sie doch bei dieser Arbeit dieselben durch das heiße Wasser bald so
                              angegriffen finden, daß sie fuͤr einige Zeit alles Gefuͤhl an ihnen
                              verliert: mit der Zeit verliert sich dieß jedoch.Unsere Leser werden aus dem polytechn. Journ. Bd. XX. S. 413. wissen, daß man in
                                    Spanien und Italien gelungene Versuche, die Seide im kaltem Wasser
                                    abzuwinden, angestellt hat. A. d. Ueb.
                              
                           Was obige Ruthe betrifft, so muß man wohl bemerken, daß die aͤußersten Spizen
                              derselben sehr fein seyn muͤssen, weil, wenn diese dik und grob sind, die
                              Seide sich nicht fein von den Cocons abheben laͤßt, sondern grob und
                              kluͤmperig wird, und folglich nicht gehoͤrig auf dem Haspel
                              aufgewunden werden kann.
                           Das Abhaspeln oder Abwinden der Seide von den Cocons geschieht immer in freier Luft,
                              gewoͤhnlich in irgend einem Garten wegen der Feuersgefahr sowohl, als wegen
                              des uͤblen Geruches der todten Puppen, der unertraͤglich ist. Man
                              laͤßt das her diese Arbeit nie innerhalb großer Staͤdte, sondern
                              allzeit vor den Ringmauern derselben verrichten. Wenn das Tagwerk voruͤber
                              ist, macht man ein Feuer von Reisern, und wirft die todten Puppen, die aus der
                              innersten Huͤlle der Cocons herausgenommen werden, welche man in dieser
                              Hinsicht mit einer Schere aufschneidet, in dasselbe, und verbrennt sie, um allen
                              boͤsen Folgen des faulen Gestankes derselben vorzubeugen. Dieß geschieht
                              regelmaͤßig jeden Abend, ehe die Leute von der Arbeit heimkehren.Der Uebersezer sah die Puppen, wo man deren viele hat, auf eine
                                    vorteilhaftere Weise als Duͤnger benuͤzen, und, wo man
                                    derselben nur wenige und viel Gefluͤgel hat, lezteres damit
                                    fuͤttern, das darauf viele und große schoͤne Eier legt. A. d.
                                    Ueb. Da die Seidenfabrikanten und Seidenhaͤndler große Mengen Cocons
                              aufkaufen, so haben manche derselben 10 bis 20 solche Oefen, die in ihren
                              Gaͤrten alle zugleich im Umtriebe stehen, und zuweilen noch mehr.
                           Da nicht alle Seide abgewunden werden kann, so wird das, was auf der todten Puppe von
                              der Seide zuruͤk bleibt, zugleich mit der groben Seide, die man anfangs abnahm, ehe
                              man auf die feine Seide gelangte, bei Seite gelegt.
                           Die Groͤße des Ofens und Bekens, die ich oben beschrieb, und zu Montauban im
                              Gange fand, ist folgende:
                           Hoͤhe des Ofens vom Boden: 22 1/4 Zoll.
                           Laͤnge desselben: 29 1/2 Zoll.
                           Breite desselben: 24 Zoll.
                           Hoͤhe des Rostes, auf welchen die Kohlen gelegt werden, vom Boden: 12 1/4
                              Zoll.
                           Breite der Aschenthuͤre am Boden des Ofens, durch welchen auch das Feuer die
                              noͤthige Luft erhaͤlt: 9 1/4 Zoll.
                           Breite des Thuͤrchens, durch welches die Kohlen eingeschuͤrt werden: 7
                              1/2 Zoll.
                           Laͤnge des eifoͤrmigen kupfernen Bekens, welches oben in dem Ofen
                              eingemauert ist, und das heiße Wasser zum Abwinden der Cocons enthaͤlt: 20
                              3/4 Zoll.
                           Breite desselben: 16 1/2 Zoll.
                           Tiefe desselben: 3 3/4 Zoll.
                           Breite des Ranftes dieses Bekens: 1 1/4 Zoll.
                           Ich wuͤrde hier die Dimensionen des italiaͤnischen Haspels angegeben
                              haben, der auch in Frankreich allgemein gebraucht wird, wenn die Society nicht
                              bereits, Modelle hiervon besaͤße,Die besten Haspel sind die piemontesischen. A. d. Ueb. und werde daher nur noch einiger Umstaͤnde beim Abwinden der Seide
                              erwaͤhnen.
                           Quell-Wasser oder Regen-Wasser ist das einzige Wasser, dessen man sich
                              zum Abwinden bedienen darf. Brunnen-Wasser taugt durchaus nicht, indem es zu
                              hart ist, und den Gummi nicht aufloͤst, der die Seide im natuͤrlichen
                              Zustande umhuͤllt.
                           Das Wasser in dem Beten muß zwei Mahl des Tages erneuert werden: des Morgens, ehe die
                              Arbeit beginnt, und zum zweiten Mahle, ehe die Arbeiter Mittag halten, da einige
                              Zeit vergeht, ehe es zu sieden anfaͤngt.
                           Wenn man die Cocons in das heiße Wasser gibt, und die Seide steigt dik auf der Ruthe
                              auf, so ist dieß ein Beweis, daß das Wasser zu heiß war. Wenn man aber die
                              Seidenfaden nicht mit der Ruthe fangen kann, so ist dieß ein Zeichen, daß das Wasser
                              zu kalt war.
                           Wenn, waͤhrend die Arbeit im Gange ist, die Cocons oͤfters zu den kleinen
                              eisernen Leitern emporsteigen, so ist das Wasser zu heiß, und wenn die Cocons nicht
                              mit Faden folgen, so ist es zu kalt. Nach diesen Anzeigen wird man leicht den
                              gehoͤrigen Waͤrmegrad des Wassers finden, und unterhalten
                              koͤnnen.
                           Wenn Sand zwischen den Cocons im Beken ist, so treibt ihn die Hize des Wassers empor,
                              und er legt sich an den Cocons an. Dieß erkennt man sehr leicht daran, daß der Faden
                              dadurch abbricht, als waͤre er mit einem Messer abgeschnitten. Man muß daher
                              bei Reinigung des Bekens sich wohl vor allem Sande huͤten, und es geschieht
                              vorzuͤglich aus Furcht vor Sand, daß man das Wasser zwei Mahl des Tages, und
                              zuweilen noch oͤfters wechselt. Wenn man sieht, daß Sand im Wasser ist, und
                              man hat nicht Zeit das Wasser zu wechseln, indem es lang hergeht, bis das Wasser
                              wieder zum Sieden gebracht wird, so bedekt man die Ruche mit der zuerst abgenommenen
                              rauhen Seide, taucht sie bis auf den Boden des Bekens, und zieht sie sacht auf
                              demselben hin, wo dann der Sand an dieser rauhen Seide haͤngen bleibt, wenn
                              diese mit demselben in Beruͤhrung gelangt. Man fuͤhrt dann die Ruthe
                              an einer Seite des Bekens herauf, und bringt so den Sand aus demselben. Diese kleine
                              Arbeit muß oͤfters wiederholt werden.
                           Das Feuer unter dem Kessel muß so unterhalten werden, daß das Wasser immer denselben
                              Grad von Hize behaͤlt: das kalte Wasser, das man von Zeit zu Zeit nachgießen
                              muß, darf daher nur in den geringsten Mengen, und nach und nach nachgegossen werden,
                              um keinen Wechsel in der Temperatur zu erzeugen. Wenn man zuviel kaltes Wasser auf
                              ein Mahl nachgießt, und dadurch die noͤthige Temperatur zu sehr
                              abkuͤhlt, so verliert die Seide auf den Cocons im Beken ihre Farbe, und wird
                              ganz blaß: solche blaße Seide laͤßt sich in der Folge, wie man sagt, in
                              keiner Farbe mehr gehoͤrig faͤrben, und verliert folglich viel im
                              Werthe.
                           Wenn man die Cocons im Beken mit dem Ruͤthchen klopft, so muß die Hand dabei
                              so leicht gefuͤhrt werden, als moͤglich so daß die Cocons nur sanft
                              davon beruͤhrt werden. Wenn man zu stark klopft, so kluͤmpern sich die
                              Faden, statt daß sie sich einzeln abwaͤnden, so zusammen, daß sie in der
                              Folge nicht mehr abgewunden werden koͤnnen, und es geht dadurch viele Seide
                              verloren.
                           
                           Wenn man die feinen Faden mit jenen verbindet, die so eben abgewunden wurden, so
                              duͤrfen sie nicht uͤber einen Zoll uͤber die Finger
                              hervorstehen; denn wenn sie laͤnger sind, so verbinden sie sich nicht
                              gehoͤrig, sondern haͤngen herab, kluͤmpern sich, und machen,
                              daß der Faden reißt, indem er zu dik wird, als daß er leicht durch den eisernen
                              Leiter durchlaufen konnte.
                           Waͤhrend des Abwindens muß der Faden immer naß seyn, damit er desto leichter
                              auf den Haspel hinschluͤpft. Wenn das Rad einige Zeit uͤber still
                              stand, muß der ganze Faden zwischen dem Beken und den beiden eisernen Leitern genezt
                              werden, damit er desto leichter laͤuft.
                           Man muß auch die Schnur und das kleine hoͤlzerne Rad, welches den
                              hoͤlzernen Regulator in Bewegung sezt, von Zeit zu Zeit mit Wasser naß
                              machen, damit sie sich leichter gehoͤrig bewegen. Wenn die Schnur troken
                              wird, so dreht sie den Regulator, nicht gehoͤrig, und die Seide wird ungleich
                              auf den Haspel aufgetragen, so daß die Faden auf demselben an einander ankleben,
                              indem sie auf einander zu liegen kommen, ehe noch die fruͤher aufgewundenen
                              Faden Zeit hatten, troken zu werden. Denn der hoͤlzerne Regulator ist so
                              berechnet, daß er die Faden auf den Haspel nur so auflegt, daß sie einander schief
                              und in so wenigen Puncten, als moͤglich, beruͤhren, damit die Faden
                              Zeit haben abzutroknen, ehe sie mit den folgenden in Beruͤhrung kommen. Wenn
                              die Faden aneinander kleben, weil sie zu fruͤhe mit einander in
                              Beruͤhrung gebracht wurden, so ist die ganze Seide verdorben.
                           Die sogenannten Atlaß-Cocons, (weil sie wie Atlaß glaͤnzen), verlangen
                              nur ein mittelmaͤßig warmes Wasser im Beken. Der Grad von Waͤrme, der
                              fuͤr feine Cocons nothwendig ist, wurde sie gaͤnzlich verderben, indem
                              die Seide zu dik abliefe, und werkig wuͤrde. Man findet den noͤthigen
                              Grad von Waͤrme fuͤr dieselben, indem man sorgfaͤltig die Art
                              und Weise untersucht, wie die Seide von den Cocons, die man zuerst in das Beken
                              thut, herabkommt; findet man, daß sie zu dik abgeht, so sezt man nach und nach
                              kaltes Wasser zu, bis man die gehoͤrige Temperatur gefunden hat. Man darf
                              diese Cocons nicht lang im heißen Wasser liegen lassen, und nur einige derselben auf
                              ein Mahl in's Wasser thun. Wenn man auf diese Umstaͤnde nicht achtet,
                              laͤuft die Seide zu dik ab, wodurch dann der Faden bei dem Abwinden alle
                              Augenblike bricht, und nicht bloß die Seide selbst verloren geht, sondern auch
                              diejenige, die man erhaͤlt, grob und ungleich wird.
                           Wenn einmahl soviel Seide auf den Haspel aufgewunden ist, als man fuͤr
                              hinlaͤnglich erachtet, z.B. die Seide von 3 Pfund Cocons, so nimmt man den
                              Haspel ab, und stekt einen neuen auf, damit die Arbeit nicht unterbrochen wird. Die
                              Seide bleibt 6 bis 8 Stunden lang auf dem Haspel, und, wenn es moͤglich ist,
                              noch laͤnger, indem sie vollkommen troken seyn muß, ehe man sie von dem
                              Haspel abnimmt.
                           Wenn die Cocons, die man in das Beken that, beinahe fertig sind, muß man das Rad
                              still stehen lassen, die Cocons zu jeder Seite mit einem Seihloͤffel
                              herausnehmen, und sie auf einen Teller in der Naͤhe des Ofens legen. Dieß
                              geschieht aus einem doppelten Grunde: 1) damit sie sich nicht mit den neuen Cocons
                              vermengen, die man zum Abwinden nachschuͤttet; 2) weil, wenn man die alten
                              Cocons so lang im Wasser ließe, bis die frischen gehoͤrig zubereitet sind,
                              die Seide nicht schnell und gehoͤrig abgewunden werden koͤnnte.
                           Sobald die Seide gaͤnzlich von den Cocons abgewunden ist, nimmt man die noch
                              uͤbrige Huͤlle, welche das Insect enthaͤlt, aus dem Beken, und
                              wirft sie weg, damit das Wasser nicht dadurch verunreinigt, und folglich die Seide
                              verdorben wird.
                           Man muß dafuͤr sorgen, daß an jedem Ende des Bekens eine gleiche Anzahl von
                              Cocons zu liegen kommt, damit die Seidenfaden gleich dik werden. Wenn an einer Seite
                              weniger Cocons liegen, so wird nicht bloß der Faden auf dieser Seite duͤnner,
                              sondern er reißt auch ehe. Man muß daher die Cocons einzeln, und nie mehr als zwei
                              auf ein Mahl eintragen. Wenn man z.B. vier oder fuͤnf auf ein Mahl
                              eintruͤge, so wird es auf dieser Seite zu schwer, und der Faden bricht, weil
                              das Gleichgewicht verloren ist.
                           Wenn man die Seidenfaden um die beiden kleinen Drahtstuͤke, die sie auf den
                              Haspel leiten, anlegt, so muß man an dem rechten Drahtstuͤke den Faden
                              rechts, an dem linken aber links umwinden: rechts und links ist hier nach der Hand
                              der Arbeiterinn genommen.
                           Je schneller das Rad laͤuft, desto besser windet die Seide sich ab, und desto
                              besser verbinden sich die Enden der Faden aneinander. Man sollte glauben, daß durch
                              die groͤßere Schnelligkeit der Bewegung der Faden uͤberspannt und leichter
                              abgerissen wuͤrde; Erfahrung hat aber gezeigt, daß der Faden nie wegen der
                              Schnelligkeit reißt, sondern daß, im Gegentheile, je schneller desto besser gewunden
                              wird.
                           Nachdem die gehoͤrige Menge Seide auf dem Haspel aufgewunden wurde, reinigt
                              man die Seide von allen losen Faden mittelst der Finger, und nimmt hierauf eine
                              kleine Handvoll rauher Seide, waͤscht sie, um sie gehoͤrig zu
                              reinigen, druͤkt sie aus, und taucht sie in kaltes Wasser, worauf man mit
                              derselben mit der flachen Hand mehrere Mahle die Seide auf dem Haspel ringsumher
                              abreibt, und mit dem Ballen der Hand aufklopft. Hierauf gießt man etwas kaltes
                              Wasser auf die Seide, und treibt dann den Haspel mit aller nur immer
                              moͤglichen Schnelligkeit acht bis zehn Minuten lang herum, um alles Wasser
                              wegzuschnellen, worauf man den Haspel bei Seite auf einen luftigen Plaz stellt,
                              damit die Seide vollkommen troknet: man darf die Seide aber nicht der Sonne bloß
                              stellen, wodurch sie ihre Farbe verlieren und verdorben wuͤrde. Auf diese
                              Weise wird die Seide rein und glaͤnzend.
                           Bei dem Zurichten der Doppel-Cocons zum Abwinden nimmt man mehr von denselben
                              auf ein Mahl in das Beken, als von der feinsten Sorte. Ehe man sie aber in das Beken
                              bringt, muß man sie von aller außen anhaͤngenden rauhen Seide reinigen, damit
                              sie in dem Beken gehoͤrig spielen. Das Wasser muß ferner siedend heiß seyn,
                              und, da man hier eine groͤbere Seide erhaͤlt, und außen viel rauhe
                              Seide (Werg) anfliegt, benuͤzt das Maͤdchen, welches das Rad dreht,
                              die Zeit, waͤhrend die andere Weibsperson die Cocons im Beken zum Abwinden
                              zubereitet, und puzt die rauhe lose Seide von der bereits auf dem Haspel
                              befindlichen Seide weg.
                           Bei dem Abwinden der feinen Seide befinden sich immer zwei Straͤhne zugleich
                              auf dem Haspel: bei dem Abwinden der Doppel-Cocons hingegen
                              beschraͤnkt man sich bloß auf eine Straͤhne.Obschon Hr. Stephenson hier einige interessante
                                    Bemerkungen uͤber das Abwinden der Seide mittheilte, so, ist hier
                                    doch das wichtige Sortiren der Seide nach der Feinheit der Faden
                                    gaͤnzlich uͤbergangen. Die Kunst des Abwindens der Seide hat
                                    soviele Feinheiten, als die Seide selbst, und eine Virtuosinn in dieser
                                    Kunst erhoͤht den Werth der Seide oͤfters um 20 p. C. Wenn man
                                    in einem Lande ernstlich daran denkt, Seidenzucht einzufuͤhren, so
                                    muß man waͤhrend der 10–12 Jahre, die die
                                    Maulbeer-Baͤume brauchen, um als Straͤucher
                                    heranzuwachsen, jaͤhrlich ein halb Duzend geschikte Arbeiterinnen
                                    nach Piemont schiken, (wo diese Kunst den Gipfel der Vollkommenheit erreicht
                                    hat) um sie daselbst Seide abwinden lernen zu lassen. Aus Buͤchern,
                                    und von Abwinderinnen, die man aus Italien kommen laͤßt, lernt man
                                    diese Kunst nicht: denn eine Meisterinn in dieser Kunst steht sich zu gut in
                                    Italien, als daß sie fuͤr denjenigen Lohn nach Deutschland gehen
                                    wuͤrde, den man ihr bei Einfuͤhrung der Seidenzucht geben
                                    kann. A. d. U.
                              
                           
                           Die Art, wie die Franzosen ihre rauhe Seide und die Abfaͤlle beim Abwinden,
                              (die sogenannte Floretseide oder Filoselle) behandeln,
                              ist folgende. Alle Cocons, durch welche sich die Nachtfalter durchgebissen haben,
                              alle leichten Cocons, die man zum Abwinden ungeeignet findet, alle Huͤllen,
                              die man aus dem Beken weggeworfen hat, nachdem die Seide davon abgewunden wurde,
                              werden zusammengethan.
                           Diejenige Floretseide, die ihre gelbe Farbe behalten soll, kommt in einen großen
                              kupfernen Kessel, und wird daselbst von einem Manne mit nakten Fuͤssen
                              eingetreten, wie es in Schottland einige Weiber bei dem Waschen ihrer Waͤsche
                              zu thun pflegen. Die Cocons werden von Zeit zu Zeit mit den Haͤnden
                              umgekehrt, und das Treten hierauf fortgesezt. Diese Arbeit dauert ungefaͤhr
                              zwei Stunden, wobei immer umgewendet und von Zeit zu Zeit frisches Wasser zugegossen
                              wird, bis man sieht, daß die Seide von den Cocons leicht losgeht, wenn man sie mit
                              den Fingern zupft. Da die am Rande liegenden Cocons beim Treten der Kraft der
                              Fuͤße oͤfters entzogen werden, so wirft man die am Rande befindlichen
                              fleißig in die Mitte, damit sie gleichfalls gehoͤrig durchgetreten
                              werdenTechnic. Repository. N. 55. S. 44..
                           Wenn sie gehoͤrig abgeschieden ist, bringt man sie an den Bach, und bindet die
                              Cocons in ein reines Tuch, damit die Seide sich nicht vermengt. Am Bache gießt man
                              von Zeit zu Zeit frisches Wasser auf, bis man sieht, daß alles Wasser rein abfließt,
                              ohne auf irgend eine Weise getruͤbt oder gefaͤrbt zu seyn. Wenn dieß
                              der Fall ist, breitet man die Seide in der Sonne aus, um in derselben zu troknen,
                              und wenn sie troken geworden ist, ist sie fertig.
                           
                           Wenn diese Seide weiß werden soll, so bringt man die Cocons zuerst in einen Kessel
                              mit kaltem Wasser, in welchem man sie 24 Stunden lang liegen laͤßt. Dann gibt
                              man soviel Wasser in einen kupfernen Kessel, als noͤthig ist, die Cocons
                              gehoͤrig darin zu kochen, so daß also diese davon bedekt werden. In diesem
                              Wasser loͤset man auf jedes Pfund Cocons ein Viertel Pfund gute Seife auf,
                              und wenn die Seife vollkommen aufgeloͤst ist, bindet man die Cocons in ein
                              reines Tuch, um zu verhindern, daß die Seide nicht zusammenlauft, und bringt sie in
                              den Kessel, wo man sie so lang kochen laͤßt, bis man sieht, daß die Cocons
                              weiß geworden sind. Waͤhrend des Kochens haͤlt man die Cocons mit
                              einem Stoke immer unter Wasser, damit sie alle gleichfoͤrmig ausgesotten
                              werden. Nachdem sie gehoͤrig weiß geworden sind, nimmt man sie heraus,
                              fuͤhrt sie zum Bache, und wascht sie daselbst so, wie die vorigen, bis das
                              Wasser vollkommen klar ablauft, worauf man sie an der Sonne ausbreitet, und eben so
                              troknet.
                           Obschon diese lezte Sorte von Seide, sie mag weiß oder gelb seyn, gleichen Preis hat,
                              so zieht der Kaufmann doch die erstere oder gelbe vor, indem diese, wie er sagt,
                              weniger von ihrem natuͤrlichen Gummi verloren hat, als diejenige, die
                              gesotten wurde, und daher auch alle Farben besser annimmt, als leztere.
                           Ich will hier eines Umstandes noch erwaͤhnen, der zwar nicht an seinem Plaze
                              ist, aber doch vielleicht beachtet zu werden verdient. Als ich in den lezten Jahren
                              meines Aufenthaltes zu Montauban nicht so viele Blaͤtter fuͤr meine
                              Raupen in der Nachbarschaft hatte, als ich brauchte, und dieselben eine halbe Stunde
                              weit herkommen lassen mußte, pfluͤkte man sie zwar, wie gewoͤhnlich,
                              in Koͤrbe, fuͤhrte mir aber dieselben in Saͤken zu. Da sie auf
                              diese Weise einige Zeit in den Saͤken liegen mußten, erhizten sie sich, und
                              schwizten, so daß sie bei dem Ausbeuteln ganz naß aus dem Sake kamen. Da ich ein
                              sehr trokenes Gewoͤlbe hatte, ließ ich die Blaͤtter auf dem Boden
                              desselben, den ich vorher rein kehren ließ, ausbreiten, und von einem Arbeiter mit
                              einer hoͤlzernen Gabel fleißig umkehren, bis sie vollkommen troken wurden:
                              der Arbeiter mußte so sanft als moͤglich dabei verfahren, damit er die
                              Blaͤtter nicht zerquetschte, und ich ging waͤhrend dieser Arbeit nicht
                              von seiner Seite. Ich bemerkte nie, daß diese, auf die angegebene Weise behandelten
                              Blaͤtter,
                              obschon sie geschwizt hatten, die mindeste uͤble Wirkung hervorbrachten: die
                              Raupen Fraßen sie mit großem Appetite, blieben gesund und stark, bis sie aufstiegen,
                              und gaben eine gehoͤrige Menge trefflicher Seide. Als ich uͤber diesen
                              Zufall nachdachte, schien es mir, daß es in einem weniger trokenen Lande, als das
                              suͤdliche Frankreich, wie z.B. in England, sogar vorteilhaft werden
                              koͤnnte, wenn man die Blaͤtter schwizen ließe, indem auf diese Weise
                              eine große Menge der zu groben Saͤfte, welche diese Platter in feuchteren
                              Laͤndern enthalten, weggeschafft werden konnte, was bei
                              Maulbeer-Baͤumen, die, wie gegenwaͤrtig in England, in stark
                              geduͤngtem Gartenboden gezogen werden, wo die Blaͤtter viel zu saftig
                              werden, als daß sie den Raupen gut anschlagen koͤnnten, (in Frankreich
                              haͤlt man, wie gesagt, solche Blaͤtter sogar fuͤr
                              hoͤchst gefaͤhrlich) um so mehr nothwendig zu seyn scheint. (Herr Stephenson wuͤnscht, daß die Gesellschaft Versuche
                              hieruͤber anstellen ließe, um der Sache auf die Spur zu kommen, indem es
                              hoͤchst nothwendig ist, den Raupen das gesuͤndeste Futter zu
                              verschaffen.)
                           Um den wahrscheinlicheren mittleren Ertrag bei der Seiden-Zucht zu erfahren,
                              fragte ich einen der erfahrensten Maͤnner in diesem Zweige der
                              Landwirthschaft. Er versicherte mir, daß er eine Seidenernte allerdings fuͤr
                              gut erklaͤrt, wenn er aus zwei Loth Eiern fuͤnf Pfund Seide
                              erhaͤlt, obschon er auch Jahre hatte, in welchen er sechs, sieben, acht, und
                              sogar neun Pfund aus zwei Loth Eiern gewann: ja er kannte einige Landwirthe, die 10
                              Pf. Seide aus derselben Menge Eier erhielten. Er wiederhohlte aber, daß er sich gern
                              mit fuͤnf Pfund Seide begnuͤgt, vorzuͤglich, wenn er viele
                              Raupen zieht, indem der Ertrag an Seide in dem Maße abnimmt, als man viele Raupen
                              auf ein Mahl zieht, da es durchaus unmoͤglich ist, auf eine sehr große Menge
                              derselben jene Aufmerksamkeit zu wenden, die man einer kleineren allerdings schenken
                              kann.Es ist unglaublich, wie schnell das Verhaͤltnis; der Raupen zu den
                                    Cocons abnimmt, wenn die Zahl der Raupen zunimmt. Wenn man z.B. aus 4 Loth
                                    Eiern 120 bis 130 Pf. Cocons rechnet, so erhaͤlt man aus 16 Loth
                                    Eiern nur mehr 3 bis 3 1/2 Ztr. Cocons, und aus 32 Loth Eiern gar nur 6 Ztr.
                                    Darin besteht aber gerade der Vortheil bei der Seidenzucht fuͤr den
                                    kleineren Landwirth, daß er verhaͤltnißmaͤßig mehr bei der
                                    Seidenzucht gewinnt, als der große Guͤter-Besizer.
                                    Jeder Bauer kann 2 Loth Eier ausbruͤten lassen, und daraus 5 Pf.
                                    Seide gewinnen, die ihm an 60 fl. tragen, wenn seine Maͤdchen die
                                    Seide abwinden koͤnnen. A. d. U.
                              
                           
                           Ich will hier noch bemerken, daß, man, in Frankreich, zweihundert und Zwanzig Cocons
                              auf Ein Pfund rechnet, wenn sie mittelmaͤßig gut sind;
                           daß man, um soviel Raupen zu fuͤttern, als man zu Einem Zentner Cocons
                              braucht, zwei und zwanzig bis drei und zwanzig Zentner
                              Maulbeer-Blaͤtter als Futter fuͤr dieselben noͤthig
                              hat;
                           daß Ein Zentner Cocons nur zwischen neun bis zehn Pf. gesponnene Seide liefert;
                           daß, ein Jahr in das andere, das Pfund Cocons nur 25 Sols gilt;
                           daß die gesponnene Seide, bis sie gereinigt und zum Verarbeiten auf dem Stuhle fertig
                              ist, beinahe ein Viertel am Gewichte verliert;
                           daß endlich das Pfund gesponnene Seide, ein Jahr in das andere, in Frankreich 25
                              Livres gilt.
                           Hr. Stephenson empfiehlt der Society fuͤr Maulbeerplantagen auf sandigem steinigen Boden zu
                              sorgen, der zwar jaͤhrlich umgegraben und gereinigt werden muß, aber durchaus
                              nicht geduͤngt werden darf, und die Maulbeer-Baͤume bloß aus
                              Samen ziehen zu lassen, indem dieß die schnellste und leichteste
                              Vermehrungs-Art derselben ist, und man dadurch zugleich immer zarte junge
                              Blaͤtter fuͤr die jungen Raupen erhaͤltVergl. Anm. 40. S. 138 und 56. S. 153. A. d.
                                    U..
                           Er schließt mit einem Auszuge aus Hrn. Marteloy's
                              Denkschrift, die derselbe nach 18jaͤhrigen Versuchen uͤber die
                              Ursachen des Verfalles der Seiden-Zucht dem Minister unterlegte, und Hrn. Stephenson im Manuscripte mittheilte. Hr. Marteloy findet die Ursachen des geringeren Ertrages der
                              Seidenzucht in Frankreich: 1) in Mangel an Reinlichkeit, die fuͤr die
                              Gesundheit und das Gedeihen der Raupen unerlaͤßlich ist; 2) in dem
                              Aufeinanderhaͤufen zu vieler Raupen in zu engen Raͤumen; 3) in dem
                              Einsperren der Raupen oder in dem Ausschließen der freien atmosphaͤrischen
                              Luft, wodurch die Luft in dem Zimmer allmaͤhlich toͤdtlich fuͤr
                              die Raupen wird.
                           Hr. Marteloy fing seine Abhandlung damit an, daß er dem Minister bewies, daß
                              ein Seidenwirth (fabriqueur); der nur ein Zimmer von 18
                              Fuß Laͤnge, eben solcher Breite, und 15 Fuß Hohe hat, ohne die mindeste
                              Bedenklichkeit 40 Loch Eier ausbruͤten laͤßt, die ihm, wenn sie
                              ziemlich gut sind, acht mahl hundert tausend Raupen geben. Wenn diese Raupen reif
                              werden, werden sie Finger dik, und koͤnnten unmoͤglich in diesem
                              Raͤume Plaz finden, wenn sie nicht, wie alle anderen Thiere, in jedem Alter
                              sterben konnten. Wenn wir annehmen, sagt Hr. Marteloy,
                              daß beider vierten Haͤutung die Haͤlfte derselben gestorben ist, so
                              bleiben noch 400,000 uͤbrig, die unmoͤglich in einem solchen Zimmer
                              Plaz haben koͤnnen, wenn man bedenkt, daß hundert Raupen wenigstens Einen
                              Quadratfuß brauchen, wo sie gehoͤrig untergebracht seyn sollen. Ein solcher
                              Seidenwirth muß also sein Ammer so mit Stellen anfuͤllen, daß man nichts wie
                              eine Masse von Insecten und Mist in demselben findet, wodurch die Luft nothwendig
                              verdorben werden muß. Nun kommt noch die Grausamkeit hinzu, in einem solchen Zimmer
                              Fenster und Thuͤren fest zuzuschließen, alle aͤussere Luft abzuhalten,
                              und diese Zimmerluft, die kaum mehr athembar ist, durch dichte
                              Raͤucherungs-Wolken noch mehr zu verderben.
                           Von den ersten zwei Haͤutungen fuͤllen die jungen Raupen nur zwei
                              Stellen, weil sie noch klein sind, und folglich wenig Raum einnehmen: sie gedeihen
                              nach Wunsch, und ihr Wirth ist voll suͤßer Hoffnung eines gluͤklichen
                              Erfolges.
                           Wenn die dritte Haͤutung kommt, sind die Raupen um ein Achtel groͤßer
                              geworden, und nehmen dann sechzehn Mahl mehr Raum ein. Von diesem Augenblike an
                              zerstoͤrt eben dieser Wirth alle seine schoͤnen Hoffnungen selbst. Er
                              schließt Fenster und Thuͤre, verstopft jede Rize, wodurch nur die mindeste
                              frische Luft eindringen koͤnnte; er heizt mit großer Auslage dieses Zimmer,
                              und erstikt, buchstaͤblich, die Raupen durch seine Raͤucherungen.
                           Waͤhrend der ersten beiden Lebensperioden der Raupen ist es nicht absolut
                              noͤthig, frische Luft in das Zimmer zu schaffen, indem die Raupen kaum den
                              zwanzigsten Theil des Zimmers einnehmen: der Mist vertroknet von selbst; denn er
                              wird kaum Einen Zoll oder hoͤchstens anderthalb Zoll dik. Allein, in dem
                              dritten Lebens-Alter sieht es anders aus. Die Raupen fuͤllen bereits
                              16 Stellen, und werden nun jeden Tag bis zu ihrer Reife groͤßer, so, daß
                              sie bald das ganze Zimmer ausfuͤllen. Der Mist nimmt in Verhaͤltniß
                              der großen Menge Blaͤtter zu, die sie freßen, und des Unrathes, den sie
                              absezen, und wird in diesem Alter schon 5 bis 6 Zoll hoch. Die Luft im Zimmer, voll
                              giftiger Feuchtigkeit, die aus den Raupen und ihrem Unrathe und aus den
                              Blaͤttern emporsteigt, laͤßt den Unrath nicht troken werden: er erhizt
                              sich, und nezt und aͤzt die Raupen an, die nun ihre Lebhaftigkeit verlieren,
                              und selbst das beste Futter nicht mehr anruͤhren.
                           Zuweilen vollendet die Raupe, selbst unter, allen diesen Drangsalen, wenn sie stark
                              genug ist, ihr drittes Alter, und selbst ihr viertes: allein, in dem Augenblike der
                              Reife, wo sie aufsteigen soll, unterliegt sie endlich, angestekt und
                              erschoͤpft, unter ihren vielen Leiden. Vergebens erwartet der Wirth den Lohn
                              fuͤr seine Kost und Muͤhe: die verpesteten Wuͤrmer
                              vermoͤgen nicht aufzusteigen und zu spinnen; vergebens will er ihnen mit
                              seinen Haͤnden auf das Spinngeruͤst helfen; er toͤdtet ihm
                              dadurch nur noch mehrere, denn sie fallen herab, oder legen nur hier und da einige
                              Faden an. Nun sieht der Wirth mit Entsezen den Untergang seiner Hoffnungen,
                              herannahen, und, um denselben zu beschleunigen, raͤuchert er mit
                              Gesundheits-Rauch alle noch lebenden Raupen zu Tode.
                           Die aͤrmsten Doͤrfer, wo die Wohnhaͤuser nur wahre
                              Huͤtten sind, sind dafuͤr die Plaͤze, wo man meistens die
                              reichste und die sicherste Seiden-Ernte findet. Diese, ungeachtet aller
                              Sorgfalt sie zu schließen, großen Theils doch noch immer luͤftigen
                              Huͤtten haben Loͤcher genug, durch welche frische Luft in und durch
                              sie dringen kann: dieß ist die Ursache, warum die Raupen hier gedeihen. Die
                              reicheren Nachbarn, deren Haͤuser besser gegen Wind und Wetter
                              geschuͤzt sind, erstaunen uͤber den Segen Gottes bei den Armen, und
                              stellen diese bei ihren Seidenraupen als Waͤrter an. Allein hier gelingt
                              ihnen ihr Segen nicht mehr, und sie sind einfaͤltig genug, nicht einzusehen,
                              daß es bloß die bessere Luft ihrer halb offenen Haͤuser ist, welcher sie das
                              bessere Gedeihen ihrer Raupen zu danken haben; sie schreiben das Mißlingen, in ihrer
                              neuen scheinbar besseren Lage, bald der Hize, bald der Kaͤlte, bald einem
                              boͤsen herrschenden Winde, bald der Natur des Bodens, bald der Menge der
                              Blaͤtter, bald dem Monatflusse der Weiber zu, die die Raupen warten.
                           
                           So war der Zustand der Seiden-Zucht in Frankreich, ehe Hr. Marteloy fand, daß bloß Mangel an Reinlichkeit, Mangel an
                              frischer Luft die Ursache alles jenen Unheiles ist, welches den Seidenwirth um
                              seinen Ertrag bringt. Durch fleißiges Auspuzen und Verhindern, daß der Mist nicht in
                              Gaͤhrung geraͤth, durch immer freieren Zutritt der Luft, beseitigte er
                              nach 18jaͤhrigen Versuchen alle Gefahren, und uͤberzeugte sich, daß
                              die Seidenraupe nach der zweiten Haͤutung auch die freie Luft ertragen
                              kann.
                           Das heillose Verfahren, welches man ehevor im suͤdlichen Frankreich bei der
                              Seiden-Zucht befolgte, beschraͤnkte sich nicht bloß auf die Leichen
                              der Raupen, sondern wuͤrgte auch Menschen, vorzuͤglich Kinder. Man
                              bemerkte haͤufig, daß Kinder an der Brust von Muͤttern, die mit
                              Wartung und Pflege der Seidenraupen beschaͤftigt waren, dahin starben, und
                              die Sterblichkeit unter den Saͤuglingen in jenen Gegenden, wo die Seidenzucht
                              stark betrieben wird, wie zu Tiers, Narbonne, Castrie etc., war zur Zeit der
                              Seidenwirthschaft außerordentlich groß. Man schrieb dieß einer giftigen Eigenschaft
                              der Milch der saͤugenden Muͤtter zu, die durch das Warten und Pflegen
                              der Raupen entstehen soll: allein es ist lediglich die Wirkung der verpesteten, Luft
                              der Zimmer, in welchen man die Seidenraupen auf die oben angegebene verkehrte Weise
                              zog, die die Muͤtter krank machte und die schwaͤcheren Kinder
                              toͤdtete. Haͤufig bekamen die Weiber, die die Seidenraupen in solchen
                              Zimmern warteten, die Gelbsucht, und wurden so gelb, wie die Raupen, und wenn sie
                              hier und da die leichtesten Verlezungen an der Haut hatten, so entstanden daraus
                              brandige Geschwuͤre (wie in Feldspitaͤlern, wo der Typhus herrscht).
                              Seit die bessere Methode bei der Seiden-Zucht eingefuͤhrt ist, wird
                              kein Arbeiter bei den Seidenraupen mehr krank.
                           In Folge der Versuche des Hrn. Marteloy trugen die Staaten
                              von Languedoc, nach dem Wunsche des Hrn. Ministers, auf einen Versuch im Großen an,
                              die Seidenraupen ganz in freier Luft zu ziehen. Hr. Marteloy, der den Versuch leiten sollte, erhielt 1200 Livres zur
                              Ausfuͤhrung desselben. Er wurde im J. 1764 (in Gegenwart des Hrn. Stephenson) zu Montpellier mit dem gluͤklichsten
                              Erfolge vollendet. Acht und ein Viertel Pfund Cocons gaben Ein Pfund Seide,
                              waͤhrend man
                              sonst zwoͤlf Pfund Cocons zu soviel Seide rechnetAuch der Uebersezer zog vor 30 Jahren Seidenraupen in freier Luft, und sie
                                    gediehen trefflich: allein die Voͤgel holten sie vor dem Einspinnen.
                                    A. d. U..
                           Dieses guͤnstige Resultat veranlaßte im folgenden Jahre einen zweiten
                              aͤhnlichen Versuch, zu welchem Hrn. Marteloy 1800
                              Livres vorgeschossen wurden; allein die Witterung war in diesem Jahre so kalt und
                              naß, und es regnete gerade zur Zeit des Aufsteigens der Seidenraupen so gewaltig,
                              daß es unmoͤglich ward, den Raupen trokenes Futter zu verschaffen. Der
                              Versuch mißlang; es mißrieth aber auch zugleich die Seiden-Ernte im ganzen
                              suͤdlichen Frankreich.
                           Man stellte nun zwar keinen neuen Versuch mehr an, die Seidenraupen im Freien zu
                              ziehen; allein die beiden fruͤheren Versuche des Hrn. Marteloy oͤffneten allen Seidenwirthen die Augen; sie lernten die
                              Nachtheile kennen, die dadurch entstehen, wenn man viele Raupen in einem engen
                              Raͤume zusammenhaust; sie lernten, die Nothwendigkeit der Reinlichkeit, des
                              fleißigen Ausmistens einsehen, die Unerlaͤßlichkeit reiner frischer Luft
                              fuͤr die Raupen begreifen, und die Seiden-Zucht bekam eine neue
                              Gestaltung und neuen Umschwung.
                           Die Eigenthuͤmer des Languedoker-Canals geriethen auf die
                              wolthaͤtige Idee, beide Ufer dieses Canales, der das mittellaͤndische
                              Meer mit dem Ocean verbindet, auf einer Streke von 120 engl. Meilen von Agde bis
                              Toulouse mit weißen Maulbeer-Baͤumen zu bepflanzen, und Hr. Marteloy bekam die Leitung dieser Pflanzung, von welcher
                              ihm das Zehntel des Ertrages zugesichert wurde. Sie uͤbertrugen ihm ferner
                              eine große Streke ihnen zugehoͤrigen wuͤsten Landes mit Helen von
                              Maulbeer-Baͤumen zu bepflanzen, und er entsprach ihren
                              Wuͤnschen, wofuͤr er auch reichlichen Lohn erhielt.