| Titel: | Auszug aus einer Abhandlung über die Frage: kann der Steindruk den Kupferstich bei Landkarten ersezen, und in wiefern kann er dieß? Von Herrn Jomard. | 
| Fundstelle: | Band 23, Jahrgang 1827, Nr. LXIII., S. 257 | 
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                        LXIII.
                        Auszug aus einer Abhandlung uͤber die
                           Frage: kann der Steindruk den Kupferstich bei Landkarten ersezen, und in wiefern kann er
                           dieß? Von Herrn Jomard.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. N. 268. S. 316.
                        (Im
                              Auszuge.)
                        Jomard, uͤber die Frage: kann der Steindruk den Kupferstich
                           bei Landkarten ersezen?
                        
                     
                        
                           Schon in dem ersten Augenblike, als wir uns mit der
                              Beantwortung dieser Frage beschaͤftigten, fanden wir dieselbe schwieriger und verwikelter, als sie
                              uns Anfangs schien. Es handelt sich naͤmlich nicht darum, ob der Steindruk,
                              der in seinem Entstehen so unvollendet war, Fortschritte gethan hat; ob er
                              schaͤzbare Resultate geliefert hat; ob man in gewissen einzelnen
                              Faͤllen sich auf ihn verlassen kann; es handelt sich um eine weit
                              ausgedehntere Aufgabe, naͤmlich darum: ob er, auf Topographie, auf Landkarten
                              angewendet, bedeutende und hinlaͤngliche Vortheile gewaͤhrt; ob ein
                              Vortheil dabei ist, wenn man ihn auf Zeichnung von Umrissen,
                                 Bergen, Wasser, Waͤlder, auf die verschiedenen Bezeichnungen der
                              Cultur des Bodens und auf die Schrift in allen
                              verschiedenen Formen derselben bei den Landkarten anwendet?
                           Man muß ferner auch sicher seyn, daß die Menge der Abzuͤge oder
                              Abdruͤke von Stein, verglichen mit jenen von Kupferplatten, wirklich
                              Vortheile gewaͤhrt.
                           Zwei Gesichtspuncte scheinen uns, mitten in dieser Verworrenheit der Frage, dieselbe
                              sehr zu vereinfachen. Die Freunde des Steindrukes und die des Kupferdrukes sind
                              durchaus verschiedener Meinung; und haben nicht vielleicht beide wirklich Recht,
                              insofern sie uͤber einzelne Puncte urtheilen? Erfahrung allein, der einzige
                              unparteiische Richter bei solchem Streite, kann hier entscheiden; man muß beobachten
                              und vergleichen, ehe man aburtheilt. Man muß die Gegenstaͤnde der
                              Vergleichung abtheilen und unterabtheilen, wenn man zu einem endlichen Resultate
                              gelangen will.
                           Alles Uebrige (gleiche Guͤte der Arbeit!) gleich gesezt, handelt es sich am
                              Ende auch um die Kosten, d.h., um die Kosten der Zeichnung auf Stein, und, um den
                              wahren Preis der Abdruͤke: wir sagen wahren Preis;
                              denn die Abdruͤke des Steindrukes sind, wie man sagt, sehr ungleich, wodurch
                              Zeit und Papier verloren geht.
                           Den Werth der topographischen Arbeit in Geld auszudruͤken, scheint uns sehr
                              schwer, wo nicht unmoͤglich. Die Kunst des Steindrukes ist neu, und die
                              Kuͤnstler, die sich auf dieselbe verlegen, koͤnnen noch keine
                              feststehenden und unwandelbaren Daten hieruͤber liefern: wir mußten daher
                              eine andere Weise aufsuchen, dieselben zu bestimmen.
                           Es ist ferner nicht genug den Steindruk und den Kupferdruk in Hinsicht auf
                              Ausfuͤhrung und Wohlfeilheit zu vergleichen; man muß auch bedenken, daß eine
                              Kupferplatte, nachdem sie eine hinlaͤngliche Anzahl von Abdruͤken geliefert hat, noch in
                              der Folge brauchbar ist, und neue Abdruͤke liefern kann; daß also diese
                              Kupferplatten ein Capital sind, das in Rechnung gebracht werden muß. Bei Steinen ist
                              dieß nicht der Fall.
                           
                        
                           I. Zeichnung von Planen und Karten auf
                                 Stein.
                           Es waͤre unbillig, dem Steindruke schlecht gezeichnete und schlecht abgedrukte
                              Karten vorzuruͤken. Man muß nicht bloß die besten Producte dieser Kunst
                              waͤhlen, sondern auch der Vergleichung der mittelmaͤßigen mit den
                              gewoͤhnlichen guten Karten nicht zu viel trauen. Genug, wenn der Steindruk
                              ein Mahl guͤnstige Resultate lieferte, um gewiß zu seyn, daß er sie immer
                              liefern kann. Unterschiede zwischen Steinen und Steinen und Abdruͤken und
                              Abdruͤken wird es noch lang geben, insofern sie von mehr oder minder
                              geuͤbten Haͤnden abhaͤngen, nicht aber von der Kunst
                              selbst.
                           Wir haben die gelungensten Karten und Plane im Steindruke verglichen. Ein
                              gluͤklicher Zufall ist es, daß zwei Plane von Girona (Plan de Girone) vorhanden sind, der eine Kupferstich, der andere
                              Steindruk, beide Arbeiten der ausgezeichnetesten franzoͤsischen
                              Kuͤnstler; ersterer von Blondeau, der andere von
                              Paulmier. Beide Kuͤnstler scheinen in Hinsicht
                              auf Talent und Reinheit gewetteifert zu haben. Lezterer hat, leider, Frankreich
                              verlassen, und sich nach Bruͤssel gezogen; wir wissen daher nicht, wieviel
                              Zeit er auf seinen Plan verwendete, und muͤssen uns begnuͤgen zu
                              gestehen, daß dieser in mancher Ruͤksicht die Parallele mit dem in Kupfer
                              gestochenen Plane auszuhalten vermag; daß er selbst in einigen Partien weicher und
                              markiger ist, und dadurch manches aufwiegt, worin er dem Kupferstiche nachsteht, und
                              es ist gewiß viel, wenn die Kunst in so wenigen Jahren den Arbeiten eines Blondeau so nahe kommen konnte. Hr. Paulmier bediente sich uͤbrigens, so wie man es zu Muͤnchen
                              und an anderen Orten thut, statt der Feder und des Pinsels eines Instrumentes, das
                              durch die Firniß-Bedekung etwas in die Oberflaͤche des Steines selbst
                              eingreift (wie es im XI. B. der Description des Brevets
                                 d'invention, S. 322 beschrieben ist) und zuweilen auch dieses Instrumentes
                              mit der Feder und mit dem Pinsel zugleich.
                           Die Carte des Pyrénées orientales von
                              demselben Kuͤnstler ist gleichfalls ein sehr schaͤzenswerthes Werk,
                              und kann, ob sie gleich klein ist, mit den schoͤnsten gestochenen Karten
                              verglichen werden. Die
                              Carte de la Guadeloupe, die Iles Joniennes, der Petit Atlas pour la Tactique de
                                 Lallemand
                                 , der Plan de Cadix, der Plan du port Dieudonné etc. sind ausgezeichnete Werke. Leztere, so
                              wie viele andere bekannte Werke, sind von den HHrn. Desmadryl, welchen Frankreich die erste Vervollkommnung lythographischer
                              Karten verdankt. Hr. Engelmann verdient dasselbe Lob.
                              Auch die HHrn. Cosnier und Renou haben, vorzuͤglich in Hinsicht auf Schrift, einige gute
                              Arbeiten geliefert.
                           Wir wollen in unserer vergleichenden Pruͤfung bei einigen schoͤnen
                              Karten sowohl von großem als von kleinem Formate stehen bleiben:
                              auslaͤndische Arbeiten, wie den großen Atlas aus der bayerischen Steindrukerei, die große Sammlung des Hrn. Vandermaelen (die in Hinsicht auf Vollendung manches zu
                              wuͤnschen uͤbrig laͤßt) wollen wir umgehen.
                           Als wir folgende Vergleichung unternahmen, die die Basis nachstehender Tabelle ist,
                              wußten wir noch nicht, auf welche Seite sich die Wagschale neigen wuͤrde.
                           N. 1. Carte de l'arrondissement de Vendôme (Dptt. de Loir et Cher.) Sie ist von großer Dimension: 22
                              Zoll auf 26. Sie empfiehlt sich weniger durch Schoͤnheit der
                              Ausfuͤhrung, als durch Nettigkeit. Der Zeichner brauchte dazu 33 Tage, jeden
                              zu 8 Stunden gerechnet, ohne die viele Schrift. Sie ist aus dem alten Institute der
                              HHrn. Desmadryl, und wurde bei Hrn. Engelmann gedrukt, so wie die vier folgenden.
                           N. 2. Carte topographique de la Campagne de Nice. 19
                              Zoll auf 23. Berge, Wiesen, Gaͤrten, bebaute Gruͤnde sind gleich gut
                              ausgefuͤhrt und der Strich ist herrlich; die Schrift ist nett und fein, aber
                              nicht regelmaͤßig genug. Eben dieß gilt auch von dem Wasser. Im Ganzen ist
                              die Karte schoͤn und schmeichelt dem Auge. Die ganze Arbeit wurde, ohne
                              Schrift, in 69 Tagen vollendet.
                           N. 3. Plan topographique de la montagne de
                                 Saint-Odile. 15 Zoll auf 20. Dieselbe Hand und dieselbe
                              Guͤte, wie in N. 2., nur ist zuviel Zwischenraum
                              in der Kreuzschattirung der Berge, oder vielmehr die Striche fallen zu stark auf.
                              Die Schrift laͤßt wenig zu wuͤnschen uͤbrig. Die Zeichnung auf
                              den Stein nahm 25 Tage weg.
                           N. 4. Plan de la bataille de Peta, en Grece. Von einer
                              weniger geuͤbten Hand; die Schrift haͤlt aber eine Vergleichung mit der besten Schrift
                              aus. Die Groͤße ist 9 Zoll auf 12. Die Karte wurde in 44 Tagen fertig.
                           N. 5. Plan du siége de Boulogne par Henri VIII.
                              Ist noch kleiner (7 Zoll auf 8); Schrift, Wasser, Berge sind vortrefflich; der
                              Strich ist beinahe so rein, als ob er mit dem Grabstichel gezeichnet waͤre,
                              und man kann eben dieß von dem Wasser sagen. Alle Abwechslungen des Bodens sind mit
                              Geschmak und mit Verstand ausgefuͤhrt, und der geschikteste Kupferstecher
                              wuͤrde diese Arbeit nicht ablaͤugnen. So klein sie ist, kann sie als
                              Muster aufgestellt werden. Sie wurde in 11 Tagen vollendet.
                           Wir haben bei dieser Vergleichung nicht auf die Zeit Ruͤksicht genommen, die
                              die Schrift fordert, indem sie eine besondere Arbeit ausmacht, und die Arbeit, aus
                              obigen Gruͤnden, in Tagen und nicht in Geld angegeben.
                           Wir wollen nun sehen, wieviel dieselbe Arbeit auf Kupfer mit Aezwasser und mit dem
                              Griffel gekostet haben wuͤrde. Wir sprechen hier nicht vom Pausen und
                              Abpausen, indem, wenn der Steindruk in dieser Hinsicht einige Vortheile
                              gewaͤhrt, dieser nicht von großer Bedeutung ist. Wenn aber auch diese erste
                              Arbeit auf dem Kupfer geschehen ist, so bleiben wenigstens noch vier andere Arbeiten
                              uͤbrig: 1) das Einschneiden des Grundrisses mit dem Griffel, der zwar auch,
                              obschon minder rein, geaͤzt werden kann; 2) Einschneiden der Schrift; 3)
                              Ueberfirnissen des Kupfers, Vollendung der Berge und bebauten Gruͤnde mit dem
                              Aezwasser und Aezen der Platte; 4) Schattirung des Wassers und Vollendung der ganzen
                              Karte mit dem Grabstichel. Oberst Jacotin, Chef der
                              topographischen Section im Kriegs-Depot, hat, auf unser Ansuchen, selbst die
                              Zeit berechnet, die ein guter Kupferstecher noͤthig haben wuͤrde, um
                              obige 5 Plane zu verfertigen: er leitete seit 20 Jahren die großen und
                              schoͤnen topographischen Sammlungen: l'Egypte et la
                                 Syrie, la Corse, l'Espagne etc., und seine Berechnung verdient daher alles
                              Zutrauen. Den Tag zu 6 Stunden angenommen fand er fuͤr N. 1, 2, 3, 4, 5 folgende correspondirende Tage: 115 1/2, 212, 109, 42
                              1/2, 29. Auf 8 Stunden den Tag gerechnet wuͤrde dieß 86 1/2, 159, 81 3/4, 32
                              und 22 Tage geben.
                           Die Schrift muß im Gelde berechnet werden, indem man sie nicht nach der Zeit bezahlt.
                              Man zahlt fuͤr 100 Worte Cursiv-Schrift
                              (italiques) zwischen 5 und 8 Franken. Vier Mahl so viel bezahlt man
                              fuͤr Cicero, (romaine) englische Schrift und
                              Versalien (Capitale). Sechs Franken fuͤr das
                              Hundert Woͤrter als Mittelpreis angenommen, wofuͤr man schoͤne
                              Arbeit erhalten kann, wuͤrden N. 1, 2, 3, 4, 5,
                              correspondirend 149 1/2, 37, 60, 17 1/2, 53 Franken gekostet haben. Da der
                              Kalligraph beim Steindruke schlechter bezahlt wird, als der Topograph, zugleich aber
                              mehr Vorsicht anwenden muß, damit er die auf dem Steine bereits fertige Arbeit nicht
                              verdirbt, was mehr Zeit fordert, so erhaͤlt er dadurch Ersaz fuͤr die
                              aufgewendete Zeit, und da im Kupferstiche die Arbeit einer Stunde im Durchschnitte
                              mit 1 Fr. 20 Cent. bezahlt wird, so gibt dieß eine Basis zur Berechnung der
                              Schriftkosten beim Steindruke.
                           Die Zeichnung der Buchstaben im Steindruke auf N. 1, 2,
                              3, 4, 5 hat 17, 7, 9, 1 und 4 Tage Arbeit, jeden zu 8 Stunden, gekostet, was im
                              Gelde auf 163, 67, 86 1/2, 9 1/2, 38 1/2 Franken laͤuft: bei den lezten
                              Nummern auffallend wenig.
                           Einer der Hauptvortheile bei dem Landkarten-Steindruke ist die Vereinfachung
                              der Arbeit. Ein geschikter Arbeiter kann hier alle Arbeiten, die sich auf drei
                              zuruͤk fuͤhren lassen: Pausen, Zeichnen und Schreiben, selbst und
                              allein verrichten, waͤhrend bei gestochenen Karten, wie wir oben sahen, die
                              Arbeit mit dem Retouchiren in 5 Theile zerfaͤllt, die zwei bis drei, zuweilen
                              fuͤnf, Kuͤnstler nothwendig machen. Indessen glauben auch die
                              Lythographen Vortheil bei Vertheilung der Arbeiten zu finden, und es gibt auch bei
                              ihnen eigene Zeichner fuͤr den Grund; fuͤr Wasser, Sand und Wiesen;
                              fuͤr Berge; fuͤr Waͤlder; fuͤr Schrift.
                           
                        
                           II. Abziehen oder Abdruken beim
                                 Steindruke.
                           Um den Steindruk mit dem Kupferdruke in dieser Hinsicht zu vergleichen, muß man
                              wissen, wieviel ein geschikter Druker in Einem Tage (den Tag zu 9 Stunden gerechnet)
                              gute Abdruͤke liefern kann. Nach der Versicherung der Steindruker zog man von
                              dem Steine N. 1. in Einem Tage 120, von N. 2. 90, von N. 3. 150, von
                              N. 4. 200, von N. 5. 250
                              Exemplare ab. Dieselben Karten wuͤrden, auf Kupferplatten gestochen, 110,
                              100, 120, 200 und 225 Abdruͤke in Einem Tage gegeben haben.
                           Wenn man auf den Zeitverlust Ruͤksicht nimmt, welcher bei dem Steindruke durch
                              die Abzuͤge, welche man wegen Ungleichheit der Schwaͤrze und des
                              Drukes ausschießen muß, entsteht, waͤhrend man bei dem Kupferdruke immer dieselben
                              guten Abdruͤke erhaͤlt, und wenn man diesen Verlust, der zu 5 bis 10
                              p. Cent (mehr bei Zeichnungen mit der Kreide, weniger bei Zeichnungen mit der Feder)
                              angegeben wird, auf 8 p. Cent schaͤzt; so konnten obige Steine im
                              Durchschnitte 110, 83, 138, 184 und 230 Abdruͤke in Einem Tage liefern: der
                              Unterschied zwischen Stein- und Kupferdruk ist also hoͤchst
                              unbedeutend. Man muß indessen bemerken, daß ersterer 5 per Cent
                              Ueberlag-Papier mehr fordert, wenn man gute Abdruͤke haben will. Es
                              ist bekannt, daß der Ton bei verschiedenen Stein-Abdruͤken sehr
                              verschieden ausfaͤllt, zumahl, wenn man viele Exemplare abzieht, und den
                              Stein nicht gehoͤrig ruhen laͤßt. Dieß ist aber mehr der Fall bei
                              Zeichnungen mit der Kreide, als bei Zeichnungen mit dem Pinsel oder mit der Feder,
                              mit welcher lezteren die Landkarten vorzuͤglich gezeichnet werden. Ueberdieß
                              faͤllt heute zu Tage der Stein-Abdruk bei besserer Schwaͤrze
                              und anderen angebrachten Verbesserungen weit schoͤner aus.
                           Wir ließen in unserer Gegenwart bei den HHrn. Cosnier und
                              Renou eine kleine Karte von Saut Domingo abziehen,
                              und alle Abzuͤge numeriren. Man erhielt in Einer Stunde im Durchschnitte 18
                              Abzuͤge, etwas weniger als oben angegeben wurde, und ein Beweis mehr, daß der
                              Unterschied zwischen Stein- und Kupfer-Abdruk unbedeutend ist. 8 bis 9
                              p. C. Abzuͤge mußten ausgeschossen werden, weil sie zu matt oder zu schwarz
                              waren: lezteres ist desto haͤufiger der Fall, je laͤnger man
                              drukt.
                           
                        
                           III. Noch einige Parallelen zwischen
                                 Kupferstecherei und Lythographie.
                           Jedes Verfahren hat seine eigenen Vortheile und Nachtheile, die in der Natur der
                              Sache selbst liegen. Eine Unbequemlichkeit in der Lythographie ist die Dike des
                              Steines, die aber wegen des Drukes nothwendig ist. Daher die Schwierigkeit, um nicht
                              zu sagen Unmoͤglichkeit, eine große Menge Zeichnungen auf Stein
                              aufzubewahren, was auf Kupferplatten leicht moͤglich ist. Wenn man auch das
                              noͤthige Locale zur Aufbewahrung der Steine haͤtte, so kann man doch
                              nicht verhindern, daß die Zeichnungen nicht in der Laͤnge der Zeit litten:
                              man muß also sehr oft auf der Stelle alle Exemplare abziehen lassen, die man
                              brauchen zu koͤnnen glaubt, und derer man oft erst nach Jahren noͤthig
                              haben wuͤrde, so daß ein Capital ohne Zinsen liegen bleibt. Die Mittel, die
                              man zur Beseitigung dieses Nachtheiles vorschlug, sind nur Palliative. In dieser
                              Hinsicht hat also die Kupferstechern Vorzuͤge, abgesehen von dem inneren
                              Werthe des Metalles, das durch die Zeit und selbst durch das Abschleifen wenig
                              verliert.
                           Eine andere Frage, abgesehen von allem Bisherigen, ist: kann der Steindruk den
                              Kupferdruk sowohl bei den eigentlichen Landkarten, oder nur bei den Topographien, wo
                              man das Land im großen Maßstabe studirt, ersezen? Wir glauben diese Frage schon jezt
                              loͤsen zu koͤnnen. Geographie fordert, bei ihrem kleinen Maßstabe und
                              Stiche, die netteste Darstellung der Bergketten und Gewaͤsser: und hierin
                              zeichnet die Kunst des Kupferstechers sich aus, dem kein Maßstab fuͤr die
                              Spize seines Grabstichels zu klein ist: vorzuͤglich kann die Schrift mit der
                              hoͤchsten Zartheit vollendet werden, ohne jemahls unleserlich werden zu
                              duͤrfen. Der Lythograph, der bei seinen groͤßeren Arbeiten freien
                              Schwung fuͤr feine Feder hat, kommt bei einem so kleinen Raume mit den
                              noͤthigen feinen und haͤufigen Kreuzschattirungen der Berge nicht
                              durch, und wenn seine Geduld auch alle Schwierigkeiten hierbei uͤberwindet,
                              so schwaͤrzt sich der Abdruk zu sehr, und fuͤhrt die Verwirrung
                              herbei, welcher er entgegen kaͤmpfte. Beim Kupferstiche kann der
                              Kuͤnstler und die Kupferstich-Maschine die Schnitte auf 1/180 Zoll und
                              noch naͤher an einander ruͤken, ohne daß der Abdruk dadurch am Ende
                              weniger deutlich wuͤrde, als er anfangs war. Die Aezwasser der Lythographen
                              werden nie die Zartheit erlauben, die bei Karten im kleinen Maßstabe nothwendig ist.
                              Bei topographischen Karten und Planen verschwinden diese Nachtheile, und die
                              Erfahrung zeigt, daß sie eben so schon auf Stein als auf Kupfer gelingen.
                           Die Ultras unter den Lythographen behaupten, daß der Steindruk eine unbestimmte
                              Anzahl von Exemplaren liefern koͤnne. Wir wollen sehen, woher es kommt, daß
                              die Kupferdruke nach und nach matter werden. Jeder Einschnitt des Griffels bildet
                              ein hohles Prisma mit dreiekiger Basis. Bei jedem Abdruke wird durch das Abwischen
                              der Metallplatte eine kaum merkbare, aber doch hoͤchst feine, Lage der
                              Oberflaͤche der Metallplatte weggenommen. Einschnitte, die ein Viertel
                              Millimeter z.B. entfernt standen, und doppelt so breit waren, verlieren nach und nach ihre Breite und
                              Tiefe, und der Zwischenraum zwischen denselben wird groͤßer; er wird ein
                              halbes Millimeter werden, und die Breite wird nur mehr ein Viertel-Millimeter
                              betragen. Auf diese Weise werden zwei neben einander befindliche Einschnitte nur
                              mehr die Haͤlfte der Schwaͤrze auf das Papier auftragen, und ihr
                              Zwischenraum, oder das Weiße auf dem Papiere, wird zwei Mahl so groß seyn: ein
                              doppelter Grund, warum der Abdruk matter erscheinen muß. Am Ende wird, zumahl wenn
                              man die Platte mit Lumpen und ohne Vorsicht puzt, die Breite der Einschnitte
                              unendlich klein und die Tafel abgenuͤzt seyn.
                           Beim Steindruke hat das Gegentheil Statt. Die Schraffirungen werden breiter, statt
                              schmaͤler, und die Zwischenraͤume zwischen benachbarten Strichen
                              werden kleiner; daher verklekst sich die Zeichnung, die Farbe faͤllt zu
                              schwer, die Harmonie geht verloren, die Striche verwirren sich und gehen in einander
                              uͤber, und dieß ist zuweilen das Ende der Steine, von welchen man zuviel
                              Blaͤtter abgezogen hat. Das ist also kein Vortheil vor dem Kupferdruke; die
                              Kupfertafeln koͤnnen mit dem Griffel oder mit dem Aezwasser wieder
                              aufgefrischt werden.
                           Es handelt sich hier naͤmlich nicht bloß um Schrift, von welcher eine
                              unbestimmte Anzahl Exemplare abgezogen werden kann;Man hat von einem Rundschreiben 97 Tausend Exemplare abgezogen. Der
                                    schoͤne Plan de Cadix hat 8000
                                    Abdruͤke geliefert, die aber nicht alle gleich gut sind. A. d. O. sondern von Zeichnungen, die als Kunstwerk gelten. Zuweilen verliert der
                              Stein auch die Zuͤge, statt daß sie auf demselben staͤrker
                              wuͤrden, gerade wie bei den Kupferstichen, was von vielen verschiedenen
                              Ursachen herruͤhren kann. Die Schraffirungen lassen zuweilen auch bei zu
                              diker Tinte gaͤnzlich aus, wenn die Steine fuͤr die Feder zu
                              feinkoͤrnig sind. Bei Zeichnungen mit der Kreide hat das Gegentheil Statt;
                              eine zu duͤnne Tinte sezt naͤmlich, weil der Stein hier
                              grobkoͤrniger ist, zuviel Schwarz ab, und erzeugt dadurch Abdruͤke,
                              die zu sehr uͤberladen sind. Die Tinte hat also hier sehr vielen Einfluß auf
                              den Abdruk.
                           Es ist oft, nur zu oft, der Fall, vorzuͤglich bei geographischen Karten, daß
                              corrigirt werden muß. Die Lythographie ist hierzu nicht besonders geeignet; das
                              Retouchiren ist aͤußerst schwierig und gelingt selten vollkommen; es bleiben immer
                              Spuren davon auf dem Steine zuruͤk: Correcturen sind die Klippen der
                              Lithographen. Auf Kupferplatten laͤßt sich leicht und mit Sicherheit
                              corrigiren und retouchiren.
                           Auch bei Karten in großem Formate ist der Vortheil auf der Seite des Kupferstechers.
                              Abgesehen, daß es schwer ist, Steine von 3 Fuß Laͤnge und 2 Fuß Breite zu
                              erhalten, indem sie dann auch verhaͤltnißmaͤßig dik, in diesem Falle
                              an 3 Zoll dik seyn muͤssen, was ein Gewicht von mehr als zwei Zentner gibt,
                              haͤlt es auch mit dem Auftragen der Farbe und mit dem Abdruke sehr schwer.
                              Wie kann man sich mit einem gleichfoͤrmigen Abdruke schmeicheln, wo die Walze
                              uͤber eine so große Flaͤche laufen muß? Ist es, im Vorbeigehen gesagt,
                              nicht eine sehr verdrießliche Unvollkommenheit beim Steindruke, daß es bloß dem
                              Gutduͤnken des Drukers uͤberlassen ist, die Schwaͤrze
                              aufzutragen, ohne daß er wissen kann, ob er genug oder zu wenig aufgetragen hat?
                              Seine Gewohnheit leitet ihn hierbei; er hat keine sichere Reges. Wird seine Hand zu
                              leicht, oder zu schwer, so stimmen die Resultate nicht mehr; und wie kann er, wenn
                              die Zeichnung etwas groß ist, gewiß seyn, daß er auf alle Theile des Steines die
                              Tinte gleichfoͤrmig auftrug? Ein Abdruk kann eben so gut von dem anderen
                              verschieden ausfallen, als in einem und demselben Abdruke zwei aͤhnliche
                              Theile verschieden seyn koͤnnen. In dieser Hinsicht steht die neue Kunst der
                              Kunst des Kupferstechers, der sie sich in Hinsicht auf Zeichnung so sehr
                              naͤhert, und die sie in Bezug auf Leichtigkeit uͤbertrifft, noch weit
                              nach.
                           Das Einlaufen des Papieres ist bei dem Steindruke wie bei dem Kupferdruke: 14 Tage
                              nach dem Abdruke betraͤgt der Unterschied in den Dimensionen auf dem Steine
                              und auf dem Papiere 1/77 bis 1/86.
                           Ein Vortheil, der bemerkt zu werden verdient, ist der, daß beim Steindruke der
                              Kuͤnstler keines Probe-Abdrukes bedarf, um sein Werk beurtheilen zu
                              koͤnnen: er kann das Schoͤne so wie das Schlechte seiner Arbeit, die
                              Reinheit derselben, das Einzelne so wie die Harmonie und den Effect, den seine
                              Arbeit hervorbringt, auf dem Steine beurtheilen, was der Glanz und die Farbe des
                              Kupfers dem Kupferstecher nicht erlaubt, selbst wenn er Farbe auf die Platte
                              auftragen laͤßt.
                           Wir haben die Maͤngel und Unbequemlichkeiten beim Steindruke, so wie sie gegenwaͤrtig
                              noch bei demselben vorkommen, nicht verhehlt; sie werden indessen taͤglich
                              weniger und geringer; und wir sind uͤberzeugt, daß die Lithographen dieselben
                              besiegen werden, wenn sie das Publicum unterstuͤzt, und wenn noch mehr
                              geschikte Kuͤnstler im topographischen Fache sich auf Lithographie verlegen.
                              Der Steindruk besizt gegenwaͤrtig unbestreitbare und reelle Vorzuͤge
                              genug, um keine Vorwuͤrfe mehr uͤber die in gewisser Hinsicht noch
                              niedrige Stufe, auf welcher er steht, zu verdienen.
                           
                        
                           Tabelle zur Vergleichung der Kosten in Zeit und Geld bei
                              einigen Karten im Kupferdruke und im Steindruke.
                           Topographische Arbeit.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 23, S. 266
                              Bezeichnung der Karten; Art des
                                 Bodens; Kupferdruk; Steindruk; Unterschied z. Gunsten des Steindrukes; mehr;
                                 weniger; Arrondissement de Vendôme; Decimeter; Plan de Nice;
                                 Mòntague des St. Odile; Bataille de Peta; Siége de Boulogne;
                                 Grundriß u. Grenzen; Berge; Wasser; Gehoͤlze, Baugruͤnde; Summe;
                                 Sand; Gaͤrten etc.; Wiesen; Tage
                              
                           
                           Schrift.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 23, S. 267
                              Art der Schrift; Kupferdruk;
                                 Steindruk; Unterschied zu Gunsten des Steindrukes; mehr; weniger; Capitale;
                                 Romaine; Italique; Summe; Schrift; Titre; Fr.; C. *Diese Resultate sind gegen
                                 die drei vorigen, und vielleicht nicht richtig. A. d. O.
                              
                           Aus obiger Tabelle erhellt, daß, bei fuͤnf lithographirten Karten oder Planen,
                              die man mit Kupferstichen verglichen hat, der topographische Theil wohlfeiler, die
                              Schrift aber theuerer zu stehen kommt. Mehr als die Haͤlfte betraͤgt
                              der Unterschied zu Gunsten des Steindrukes bei der Zeichnung, bei den Bergen und den
                              bebauten Gegenden; ein Neuntel bis ein Drittel beim Wasser. Der Bruch 9/16
                              druͤkt den Gesammt-Vortheil ziemlich genau aus. Auf der anderen Seite
                              betraͤgt der Unterschied bei der Schrift zu Gunsten des Kupferstiches
                              zuweilen auch die Haͤlfte; er faͤllt aber auf einen weit geringeren
                              Theil der Auslage, als jene des topographischen Theiles. Wenn man daher die
                              Gesammt-Auslage der fuͤnf Platten zusammenrechnete, als wenn sie ein
                              Werk bildeten, so wuͤrde die Schrift auf Kupfer 317 Franken 40 Cent., und auf
                              Stein 454 Franken 60 Cent. kosten; die Topographie kostete aber, im ersten Falle,
                              381 Tage und im zweiten 152 Tage, oder, nach obiger Schaͤzung, im Gelde, 3657 Franken und 1459
                              Franken. Waͤhrend also der Steindruk gegenwaͤrtig in Hinsicht auf
                              Schrift nicht wohlfeiler kommt, ist er es in topographischer Hinsicht um vieles.
                           In Hinsicht auf Wohlfeilheit ist daher der Vortheil auf der Seite des Steindrukes,
                              obschon der Kupferstich einen entschiedenen Vorzug vor dem Steindruke besizt und
                              noch lang behalten wird, indem er allein jene Meisterwerke hervorrufen kann, die den
                              franzoͤsischen Kuͤnstlern so viele Ehre dringen. Es ist schon viel,
                              daß der Steindruk dem Kupferdruke so nahe kam.
                           Wenn der Steindruk nur einst auch Karten zum Unterrichte in der Geographie liefern
                              koͤnnte, deren Studium in Frankreich wegen des hohen Preises der Landkarten
                              so sehr vernachlaͤßigt ist!Wieviel haben wir daher in Deutschland den Schatten der Homannschen Erben,
                                    Schraͤmbl's, Bertuch's zu verdanken, die unsere Schulen mit
                                    wohlfeilen Karten versahen! A. d. U. Wenn dieß moͤglich waͤre, so muͤßte man ihn auf alle
                              erdenkliche Weise beguͤnstigen und aufmuntern: an Aufmunterung hat es aber
                              bisher immer gefehlt. Man muß jedoch gestehen, daß bloße Elementar-Karten in
                              einfacher Zeichnung oder mit geringer Schraffirung im Steindruke ebenso viel kosten
                              wuͤrden, als im Kupferstiche, und die Schrift, mit welcher diese Karten
                              uͤberladen sind, wuͤrde weder so rein, noch so leserlich seyn, außer
                              man wendete mehr Geld darauf. Indessen hat der Steindruk, ohne alle
                              Unterstuͤzung, topographische Karten geliefert, die sehr nett und
                              schoͤn, gut geschrieben, schnell gearbeitet und sehr wohlfeil sind. Wer
                              haͤtte vor einigen Jahren gewagt dieses zu hoffen?Man hat angefangen, den Steindruk auf gefaͤrbte
                                       Karten (cartes coloriées)
                                    anzuwenden: ein Versuch, der Aufmunterung, zugleich aber auch
                                    Vervollkommnung, verdient. A. d. O.
                              
                           Wer zeichnen kann, kann sich im Steindruke versuchen; es bedarf nicht der
                              langwierigen und muͤhevollen Einuͤbungen, die zum Kupferstiche
                              gehoͤren.
                           Der Steindruk erlaubt der Hand volle Freiheit, und naͤhert sich in dieser
                              Hinsicht der Aezkunst.
                           Der Steindruk hat ferner alle Vortheile der Autographie,
                              vorzuͤglich in Bezug auf Arbeiten mit der Kreide. Kupferdruk und Steindruk
                              werden sich nie verdraͤngen: jedem bleibt seine Sphaͤre. Ersterer, als
                              der aͤltere und vollendetere, wird immer bei rein geographischen
                              Landkarten, bei sehr großen Karten, bei großen Sammlungen und Atlassen, die viele
                              Gleichfoͤrmigkeit fordern, bei Werken, von welchen nur von Zeit zu Zeit
                              Abdruͤke nothwendig sind, seine Anwendung finden, waͤhrend der
                              leztere, als neue Kunst, sich vorzuͤglich bei topographischen Arbeiten,
                              Special-Karten, und fuͤr die dringendsten Faͤlle
                              benuͤzen laͤßt.
                           Die zwei großen Vorzuͤge des Kupferdrukes sind: daß man die gestochenen
                              Platten eine unbestimmte Zeit uͤber unverdorben aufbewahren, und jeden
                              Augenblik jede noͤthige Verbesserung in denselben anbringen kann.Die Société hat, nach Vorlesung
                                    dieser Abhandlung, beschlossen, mehrere Preise auf Vervollkommnung verschiedener Zweige der Lithographie in mechanischer
                                       und technischer Hinsicht auszuschreiben, und eine Karte von Hrn.
                                    Desmadryl diesem Auszuge beigefuͤgt.
                                    A. d. O. (die, bei dem ersten Anblike, wahrlich jeder ehe fuͤr
                                    Kupferdruk als fuͤr Steindruk halten wuͤrde.
                                    Zufaͤlliger Weise stellt diese Karte, in einer Abtheilung, die
                                    Umgebung von Hechingen mit dem Schlosse Hohenzollern aus Wuͤrtemberg, und in der
                                    anderen aus Bayern die Umgebungen von Nesselwang
                                    dar.) A. d. Ueb.