| Titel: | Ueber die Bildung der Oehl- und Margarin-Säure bei Behandlung der Fette mit Salpeter-Säure. Von den HHrn. Bussy und Lecanu. | 
| Fundstelle: | Band 23, Jahrgang 1827, Nr. CX., S. 512 | 
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                        CX.
                        Ueber die Bildung der Oehl- und
                           Margarin-Saͤure bei Behandlung der Fette mit
                           Salpeter-Saͤure. Von den HHrn. Bussy und Lecanu.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Novbr. 1826. S.
                              605.
                        Bussy, uͤber die Bildung der Oehl- und
                           Margarin-Saͤure.
                        
                     
                        
                           Es heißt im Dictionnaire technologique,
                                 T. IV. S. 402: „Ein Englaͤnder, Hr. Heard, hat ein Mittel gefunden, den Talg und
                                 das thierische Fett auf eine solche Weise zu haͤrten, daß es einer
                                 hoͤheren Temperatur ohne zu schmelzen widerstehen kann. Er sezt dem Talge
                                 im Wasserbade Salpetersaͤure, von 1,500 specif. Schwere, in einem durch
                                 die Art des Fettes zu bestimmenden Verhaͤltnisse zu: daher die Menge
                                 derselben auf Ein Pfund Talg in verschiedenen Faͤllen sehr verschieden
                                 ist. Auf Ein Pfund Talg in Stuͤken (suif en
                                    branches) reicht ein Gramm Saͤure zu, waͤhrend man auf
                                 schlechteren weichen Talg zwei bis drei Mahl soviel rechnen muß.“
                              
                           
                              „Man laͤßt den Talg auf einem maͤßigen Feuer schmelzen,
                                 unterhaͤlt denselben, nachdem man die gehoͤrige Menge
                                 Saͤure zusezte, im Fluße, und ruͤhrt ihn bestaͤndig, bis er
                                 eine Pomeranzen-Farbe angenommen hat. Dann hebt man ihn von dem Feuer ab,
                                 und nachdem er kalt geworden ist, bringt man ihn unter eine sehr starke Presse,
                                 durch welche eine oͤhlichte mit der Saͤure verbundene
                                 Fluͤßigkeit ausgepreßt wird.“
                              
                           
                              „Der auf diese Weise zubereitete Talg behaͤlt eine gelbe Farbe; man
                                 kann ihn aber durch Aussezen an Luft und Licht leicht bleichen. Kerzen, die man
                                 aus solchem Talge bereitet, laufen nicht ab, und sind besser, als die
                                 gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen.“
                              
                           In der Voraussezung, daß diese Haͤrtung des Talges der Bildung einer gewissen
                              Menge Margarin-Saͤure zuzuschreiben ist, haben wir einige Versuche
                              hieruͤber angestellt; ehe wir aber dieselben anfuͤhren, muͤssen
                              wir an jene des Hrn. Braconnot
                              erinnern, von welchen die unsrigen nur eine Bestaͤtigung sind.
                           Hr. Braconnot hat in der vortrefflichen Abhandlung, die er uͤber die fetten
                              Koͤrper schrieb, gesagt, daß thierisches Fett, (axonge) wenn es mit Salpeter-Saͤure behandelt wird, unter
                              anderen Producten seiner Zersezung eine fette im Alkohol hoͤchst
                              aufloͤsliche Materie liefert, aus welcher man mittelst der Presse zwei
                              wesentlich verschiedene Stoffe abscheiden kann, wovon der eine fluͤßig, der
                              andere fest ist. Lezteren vergleicht er mit jenem, den man erhaͤlt, wenn man
                              Talg mit Schwefelsaͤure und mit Alkalien behandelt, und betrachtet ihn als
                              eine eigene Art von Fettwachs (Acipocire), welche
                              folgende Eigenschaften besizt.
                           Er schmilzt bei + 54° Reaumur, verfluͤchtigt sich großen Theils
                              unveraͤndert, loͤst sich in großer Menge in Alkohol und in siedendem
                              Aether auf, und faͤllt bei dem Erkalten in Form von perlmutterartigen
                              Blaͤttchen nieder.
                           Diese Eigenschaften sind, mit Ausnahme der Saͤure, diejenigen, welche man
                              zeither an der Margarin-Saͤure kennen lernte, und wenn man bemerkt,
                              daß der feste fettwachsaͤhnliche Stoff, den Hr. Braconnot erhielt, indem er Fette mit
                              Schwefelsaͤure und Alkalien behandelte, nichts anders ist, als die
                              Margarin-Saͤure (acide margarique) des
                              Hrn. Chevreul, (obschon Hr. Braconnot in seiner Abhandlung, in welcher er demselben
                              die Faͤhigkeit zugesteht kohlensaure Alkalien in der Waͤrme zu
                              zersezen, und sich unmittelbar mit den Basen zu verbinden, nicht sagt, daß er das
                              Tournesol-Papier roͤthet), so fuͤhren die Resultate, die wir
                              aufstellten, natuͤrlich zu der Vermuthung, haß der durch die
                              Salpeter-Saͤure erzeugte feste Stoff Margarin-Saͤure
                              ist.
                           Um uns hiervon zu uͤberzeugen, haben wir zwei Unzen thierisches Fett (axonge) mit vier Mahl soviel siedender concentrirter
                              Salpetersaͤure, dem Gewichte nach, behandelt. Nachdem beide ungefaͤhr
                              eine Stunde lang mit einander in Beruͤhrung waren, ließ man die Mischung
                              erkalten, und sonderte die fettartige Masse von der waͤsserigen
                              Fluͤßigkeit ab, auf welcher sie schwamm. Sie war canariengelb, ohne Geruch,
                              und weicher als das angewendete Fett. Man wusch sie in destillirtem Wasser
                              vollkommen aus, um sie von allen fremdartigen, in obiger Fluͤßigkeit
                              aufloͤslichen, Theilen zu reinigen, und behandelte sie dann mit Alkohol, der
                              sie beinahe vollkommen aufloͤste. Der unaufgeloͤste Theil schien uns
                              vielleicht veraͤndertes Fett zu seyn. Die alkoholische Fluͤßigkeit
                              roͤthere das Tournesol-Papier sehr stark, und gab, im Wasserbade
                              verdampft, als Ruͤkstand eine gelbliche Masse, die man unter die Presse
                              brachte, nachdem man sie vorher in Loͤschpapier abtroknete. Die Presse preßte
                              eine gelbliche, sehr saure, Fluͤßigkeit aus, die in allen
                              Verhaͤltnissen in Alkohol aufloͤslich war, wie in Aezkalilauge, und
                              mit Baryt eine in Alkohol und Wasser unaufloͤsliche Verbindung gab. Der feste
                              Stoff, der zwischen dem Papiere zuruͤkblieb, wurde anfangs mit warmem
                              Baryt-Wasser geruͤttelt, und das dadurch entstandene
                              unaufloͤsbare Baryt-Salz in siedenden Alkohol genommen, um den
                              Fettstoff, der nicht sauer war, und den er noch allenfalls bei sich fuͤhren
                              konnte, davon abzusondern. Der Alkohol loͤste einige fette Atome auf, und
                              ließ als Ruͤkstand das Baryt-Salz. Dieses Salz wurde durch schwache
                              Hydrochlor-Saͤure zersezt, und gab eine dichte fette Masse, die man
                              solang in destillirtem Wasser wusch, bis die Waschwasser keine Wirkung mehr auf
                              salpetersaures Silber und auf die gefaͤrbten Papiere aͤußerten.
                           Nachdem man diese Masse auf obige Weise von aller uͤberschuͤßigen
                              Hydrochlorsaͤure gereinigt hatte, ließ man sie in Alkohol aufloͤsen
                              und krystallisiren.
                           In diesem Zustande war sie ohne Farbe, ohne Geruch und Geschmak, und leichter als
                              Wasser. Sie schmolz bei + 62° am hundertgradigen Thermometer. Siedender
                              Alkohol loͤste sie mit Leichtigkeit auf, und ließ, beim Erkalten,
                              schoͤne perlmutterartige Nadeln fallen. Sie roͤthete nasses
                              Tournesol-Papier, verband sich unmittelbar mit Kali und Baryt, und bildete
                              mit ersterem eine Art gewoͤhnlicher Seife, die in Alkohol und Wasser
                              aufloͤsbar war, mit lezterem ein in beiden unaufloͤsliches
                              pulverartiges Salz.
                           Hieraus erhellt, daß thierisches Fett, mit Salpetersaͤure behandelt, sich zum
                              Theile, wie wir nach Hrn. Heard's und Braconnot's Versuchen vermutheten, in
                              Oehl- und Margarin-Saͤure verwandelt.Hr. Chevreul, der, nach Braconnot, die Oleïne und Stearine der
                                    Einwirkung der Salpeter-Saͤure unterzog, erwaͤhnt der
                                    Bildung der Margarin-Saͤure nicht, wahrscheinlich, weil er
                                    unter anderen Umstaͤnden arbeitete. A. d. O. Da nun aber die Analogie der Composition erlaubt, dieses Resultat auf
                              alle aus Oleïne und Stearine gebildete Koͤrper auszudehnen, so sieht
                              man, daß die Eigenschaft, diese Koͤrper in Oehl- und
                              Margarin-Saͤure zu verwandeln, die man lange Zeit uͤber auf die
                              Alkalien allein beschraͤnkte, dann auch an der Schwefelsaͤure, an dem
                              Sauerstoffe und an dem Waͤrmestoffe bemerkte, sich auch an der
                              Salpeter-Saͤure findet. Man sollte hiernach in Versuchung gerathen zu
                              vermuthen, daß aͤhnliche Erscheinungen jedes Mahl wieder zum Vorscheine
                              kommen, wenn man auf was immer fuͤr eine Weise die Anordnung der
                              Grundbestandtheile der Oleine und der Stearine stoͤrt.