| Titel: | Ueber die Ausnahmen von dem Geseze, daß Salze in heißem Wasser mehr auflösbar sind, als im kalten; nebst einem neuen Beispiele. Von Thom. Graham, M. A. | 
| Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. XXXVIII., S. 141 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber die Ausnahmen von dem Geseze, daß Salze in
                           heißem Wasser mehr aufloͤsbar sind, als im kalten; nebst einem neuen Beispiele.
                           Von Thom. Graham, M.
                           A.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Julius 1827, S.
                              20.
                        Graham's, Ausnahmen, Salze in heißem Wasser
                           aufzuloͤsen.
                        
                     
                        
                           Die Koͤrper, welche diese Ausnahmen bilden, sind, nach
                              unseren bisherigen Erfahrungen, Kalk-Hydrat und schwefelsaure Soda: an
                              ersterem entdekt Hr. Dalton diese Anomalie, an lezterem
                              Hr. Gay-Lussac. Nach unseren Beobachtungen
                              gehoͤrt aber auch phosphorsaure Bittererde, die sich eben so schwer
                              aufloͤst, wie Kalk-Hydrat, unter diese Koͤrper.
                           Zur Bildung von phosphorsaurer Bittererde wurden Krystalle von phosphorsaurer Soda
                              und von schwefelsaurer Bittererde einzeln im Wasser aufgeloͤset, und zwar in
                              integrirendem Verhaͤltnisse, naͤmlich von ersterem 21 Theile, von
                              lezterem 15,375. Diese Aufloͤsungen wurden unter einander gemengt, und bei
                              Seite gestellt. In 24 Stunden hatte sich die phosphorsaure Bittererde
                              niedergeschlagen, meistens in Haͤufchen von kurzen nadelfoͤrmigen
                              Krystallen, und die schwefelsaure Soda blieb aufgeloͤst.
                           Nach Hrn. Dr. Thomson besteht dieses Salz aus
                           
                              
                                 Einem Atom
                                    Phosphor-Saͤure
                                   3,5
                                 
                              
                                     –        –     Bitter-Erde
                                   2,5
                                 
                              
                                 Sieben Atomen Wasser
                                   7,875
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 13,875.
                                 
                              
                           Es efflorescirt, verliert, der Luft ausgesezt, schnell sein
                              Krystallisations-Wasser, und faͤllt als weißes Pulver nieder.
                           Die Krystalle wurden, nachdem die daruͤber stehende Fluͤßigkeit
                              abgegossen ward, sorgfaͤltig mit Wasser geschuͤttelt und abgewaschen,
                              dann auf dem Filtrum abgewaschen und getroknet. Man bereitete eine Aufloͤsung
                              derselben in dem Verhaͤltnisse von 4 Loth phosphorsaurer Bittererde auf 1
                              Pinte destillirten Wasser, indem man sie drei bis vier Tage lang in demselben stehen
                              ließ, und oͤfters schuͤttelte. Die erhaltenen Aufloͤsungen
                              wurden abgegossen und filtrirt. Obschon das Wasser, das von den Krystallen auf dem
                              Filtrum ablief, beinahe ohne Geschmak war, so hatte doch die Aufloͤsung einen
                              merklich suͤßlichen Geschmak.
                           
                           Man erhizte eine gewisse Menge dieser Aufloͤsung nach und nach durch
                              Erwaͤrmung im Wasserbade. Noch ehe die Temperatur des Bades bis auf
                              120° stieg, wurde die Aufloͤsung truͤbe, und nahm immer mehr
                              und mehr ein milchiges Ansehen an, je mehr die Hize zunahm, bis endlich bei
                              212° sich ein wolkiger Niederschlag zu Boden sezte, und die daruͤber
                              schwimmende Fluͤßigkeit beinahe vollkommen durchsichtig wurde. Der
                              Niederschlag war von phosphorsaurer Bittererde, die ihres
                              Krystallisations-Wassers beraubt war, nicht merklich verschieden.
                           Um die Aufloͤsbarkeit dieses Salzes bei verschiedenen Temperaturen zu
                              bestimmen, wurde von einer gewissen Menge desselben Salzes, welches bereits zu drei
                              Aufloͤsungen diente, durch wiederhohltes Schuͤtteln mit Wasser eine
                              Aufloͤsung bereitet. Die Temperatur war 45°. „(Vermuthlich
                                 Fahrenh.)“
                              
                           8000 Gran dieser Aufloͤsung wurden sorgfaͤltig filtrirt, und im
                              Sandbade bis zur Trokenheit abgeraucht. Der Ruͤkstand war 10,75 Gran
                              wasserfreie phosphorsaure Bittererde. 744 Gran Wasser loͤsen demnach 1 Gran
                              dieses Salzes in wasserfreiem Zustande auf.
                           8000 Gran derselben Aufloͤsung wurden in einer mit einem glaͤsernen
                              Stoͤpsel versehenen Flasche im Wasserbade bis auf 212° erhizt, und
                              einige Zeit uͤber in derselben Temperatur erhalten. Nachdem der Niederschlag
                              zu Boden gefallen war, wurde ein guter Theil der durchscheinenden Fluͤßigkeit
                              abgegossen, und der Ruͤkstand noch heiß auf ein Filtrum geworfen. Er wog,
                              sorgfaͤltig getroknet, 3,8 Gran. 8000 Gran Wasser von 212°
                              Waͤrme halten demnach 10,75 – 3,8 = 6,95 Gran dieses Salzes
                              aufgeloͤset, oder 1151 Gran Wasser halten 1 Gran wasserfreier phosphorsaurer
                              Bittererde aufgeloͤset. Ein Theil Wasser loͤset demnach
                           
                              
                                 bei 45°
                                    1/744,
                                 
                              
                                 bei 212°
                                    1/1151
                                 
                              
                           wasserfreier phosphorsaurer Bittererde auf.
                           Ein Theil Wasser wird daher von krystallisirter phosphorsaurer Bittererde
                           
                              
                                 bei 45°
                                    1/322,
                                 
                              
                                 bei 212°
                                    1/498
                                 
                              
                           aufloͤsen.
                           Der durch Waͤrme erhaltene Niederschlag war außerordentlich voluminoͤs
                              und nicht krystallisirt. Er betrug meistens nicht volle 3,8 Gran in 8000 Gran
                              dieser Aufloͤsung. Nach mittlerem Durchschnitte betrug er in sieben
                              Versuchen, die mit verschiedenen Aufloͤsungen angestellt wurden, 2,5 Gran.
                              Der Betrag des Niederschlages hing aber von der Zeit und von dem Schuͤtteln
                              bei Bereitung der Aufloͤsung ab, indem das Wasser sich nur schwer mit diesem
                              Salze saͤttigen laͤßt, und es ist daher offenbar, daß nicht der
                              mittlere Durchschnitt, sondern der hoͤchste Betrag des Niederschlages der
                              Wahrheit am naͤchsten kommt.
                           Durch Kochen der phosphorsauren Bittererde in Wasser durch mehrere Stunden erhielt
                              man Aufloͤsungen, die diese Eigenschaft besaßen. Durch Hize nahmen die
                              Krystalle in dem Wasser das Ansehen an, als haͤtten sie effllorescirt.
                           Phosphorsaure Soda und schwefelsaure Bittererde wurden einzeln den
                              Aufloͤsungen von phosphorsaurer Bittererde zugesezt, und zwar im
                              Verhaͤltnisse von 10 Gran auf 1000 Gran Aufloͤsungen, ohne daß sich
                              dadurch der mindeste Einfluß auf den Betrag oder das Aussehen des Niederschlages
                              ergeben haͤtte.
                           Phosphorsaure Bittererde scheint in Saͤuren leichter aufloͤsbar, als in
                              Wasser; wenigstens fand man, daß sie sich mit Leichtigkeit in folgenden
                              Saͤuren aufloͤst, wenn diese auch sehr verduͤnnt sind;
                              naͤmlich in Essigsaͤure, Sauerkleesaͤure,
                              Phosphorsaͤure, Kochsalzsaͤure, Salpetersaͤure und
                              Schwefelsaͤure. Der kleinste Zusaz von dieser Saͤure zu der
                              waͤsserigen Aufloͤsung hindert die Erscheinung des bei angewendeter
                              Waͤrme gewoͤhnlichen Niederschlages, indem sie die aufloͤsende
                              Kraft des Aufloͤsungs-Mittels verstaͤrkt.Der Versuch theilweiser Niederschlagung der phosphorsauren
                                    Bittererde-Aufloͤsung durch Waͤrme wurde mit dem besten
                                    Erfolge von meinem Freunde, Hrn. A. Steel,
                                    wiederhohlt in Dr. Thomson's Laboratorium: er
                                    arbeitete sehr sorgfaͤltig, und mit sehr reinem Praͤparaten.
                                    A. d. U.
                              
                           Bei Verfolgung dieses Gegenstandes hatte ich Gelegenheit verschiedene Bemerkungen
                              anzustellen.
                           Bloße Andauer der Hize hatte keinen Einfluß auf Vermehrung des Betrages des
                              Niederschlages, sowohl bei Aufloͤsungen von Kalk-Hydrat, als von
                              phosphorsaurer Bittererde, vorausgesezt, daß nichts von der Aufloͤsung in
                              Dampf verwandelt wurde. Wenn filtrirte Aufloͤsungen von Kalk und von phosphorsaurer
                              Bittererde, die schon ein Mahl erhizt worden sind, neuerdings in verschlossenen
                              Gefaͤßen im Wasserbade einer Temperatur von 212° ausgesezt und mehrere
                              Stunden lang in dieser Temperatur belassen werden, so erscheint kein neuer
                              Niederschlag mehr. Wenn aber eine staͤrkere Hize angewendet wurde, um diese
                              Temperatur von 212° in der Aufloͤsung hervorzubringen, geschah dieß
                              zuweilen. Wenn eine solche Aufloͤsung mittelst der Flamme einer
                              Weingeistlampe, selbst in einem geschlossenen Gefaͤße, erhizt wurde, zeigte
                              sich gewoͤhnlich ein leichter Niederschlag. Wenn das Gefaͤß, obschon
                              es geschlossen war, nicht ganz voll war, war der Niederschlag haͤufiger; und
                              wenn so wenig von der Fluͤßigkeit in dem Gefaͤße war, daß man sie in
                              diesem sieden, und daß sie sich in dem oberen Theile des Gefaͤßes verdichten
                              und wieder zuruͤkfallen konnte, so konnte man den Niederschlag beinahe ad libitum vermehren, vorzuͤglich am Kalkwasser.
                              Die Ursache des Niederschlages scheint in allen diesen Faͤllen dieselbe. In
                              dem Augenblike, als ein Tropfen der Aufloͤsung in Dampf verwandelt wird, sezt
                              er die Menge Kalkes oder Salzes, die in demselben enthalten ist, ab, und wenn dieses
                              Salz so schwer und wenig aufloͤsbar ist, wie Kalk-Hydrat in
                              phosphorsaure Bittererde, so kann das Wasser, wenn es auch wieder auf das Salz
                              zuruͤk kommt, dasselbe nicht wieder aufloͤsen, nachdem es dasselbe
                              einmahl fallen ließ. Es waͤre, wie man weiß, eine vergebene Muͤhe,
                              wenn man eine gesaͤttigte Aufloͤsung des Kalkes im Wasser dadurch
                              bereiten wollte, daß man das Wasser nur mit jenen wenigen Kalkkoͤrnchen
                              schuͤttelt, die es aufzuloͤsen im Stande ist; und in dem vorliegenden
                              Falle hat, wenn der Kalk einmahl niedergeschlagen ist, dieselbe Schwierigkeit Statt,
                              wenn der Kalk wieder aufgenommen werden soll.
                           Aus diesen Bemerkungen erhellt der Vortheil bei Anwendung eines Wasserbades zum
                              Erwaͤrmen der Aufloͤsungen, dessen wir uns immer bedienten, und
                              wodurch wir regelmaͤßig die Niederschlaͤge von Kalk-Hydrat und
                              phosphorsaurer Bittererde erhielten. Hieraus erklaͤrt sich auch eine
                              Erscheinung bei der Aufloͤsbarkeit des Kalkes, die Hr. Rich. Phillips in den Annals of Philos.
                                 N. S. 1. B. S. 109 beobachtete, und die sonst anomal erschiene.
                           Hr. Phillips hizte eine gewisse Menge Kalkwasser in einer
                              Flasche, deren Hals durch eine Roͤhre verlaͤngert wurde, um den Zutritt des kohlensauren
                              Gases aus der Atmosphaͤre abzuhalten, und ließ es kochen, bis ein Drittel
                              desselben verdampft war. Durch den Niederschlag, welcher durch bloße
                              Erhoͤhung der Temperatur erzeugt wurde, sollte die Menge des in der
                              Aufloͤsung enthaltenen Kalkes auf 1/1270 reducirt werden; sie betrug aber
                              nicht mehr als 1/1505. Es ward aber weit mehr von der Aufloͤsung
                              waͤhrend des Kochens in Dampf verwandelt, als wirklich entwich, indem die
                              kuͤhlen Seiten der langen Roͤhre ganz vorzuͤglich geeignet
                              waren, die aufsteigenden Daͤmpfe zu verdichten und in die Aufloͤsung
                              zuruͤk zu fuͤhren, sobald die Roͤhre nur einige Hoͤhe
                              hatte, waͤhrend der in harten Krystallen niedergeschlagene Kalk sich nicht
                              mehr in irgend einem merklichen Grade aufloͤsen laͤßt.
                           Diese Wirkung der Cohobation hat nicht bloß bei Kalkwasser und bei der
                              Aufloͤsung von phosphorsaurer Bittererde, sondern in einem gewissen Grade bei
                              allen schwer aufloͤsbaren Koͤrpern Statt. Ich habe sie in einem
                              bedeutenden Grade an der Aufloͤsung von Gyps, selbst wenn sie sehr
                              verduͤnnt war, beobachtet, und ich glaube, daß der Niederschlag, den man
                              durch gelindes Kochen mehrerer Mineral-Wasser erhaͤlt, und den man
                              gewoͤhnlich dem dadurch entstehenden Austreiben des kohlensauren Gases
                              zuschreibt, in einigen Faͤllen bloß von dieser Ursache abhaͤngt. So
                              schwach die Aufloͤsung auch immer seyn mag, so wird offenbar ein Theil des
                              Salzes auf diese Weise abgesezt.
                           Wir glaubten die relative Aufloͤsbarkeit dieser schwer aufloͤsbaren
                              Koͤrper bei verschiedenen Temperaturen dadurch bestimmen zu koͤnnen,
                              daß wir bei der niedrigsten Temperatur eine gesaͤttigte Aufloͤsung
                              derselben bildeten, und diese so lang mit Wasser verduͤnnten, bis sie bei
                              hoher Temperatur keinen Niederschlag mehr gaben. Wir fanden aber bald, daß dieses
                              Verfahren wegen der Schwierigkeit, die Aufloͤsung mit dem Wasser zu
                              verkoͤrpern, nicht brauchbar ist.
                           4000 Gran Kalk-Wasser wurden mit 2000 Gran Wasser verduͤnnt,
                              geschuͤttelt, und fuͤr zwei Stunden bei Seite gestellt. Nachdem man
                              dasselbe hierauf im Wasserbade bis auf 212° erhizte, zeigte sich ein
                              Niederschlag, der, auf dem Filtrum aufgefangen und getroknet, beinahe zwei Gran
                              Kalk-Hydrat enthielt. Phosphorsaure Bittererde gab, auf dieselbe Weise
                              behandelt, 12 Gran Niederschlag.
                           4000 Gran Kalk-Wasser wurden mit eben so viel reinem Wasser verduͤnnt, und in
                              einem verschlossenen Gefaͤße drei Tage lang bei Seite gestellt und
                              oͤfters geruͤttelt. Bei sorgfaͤltiger Erwaͤrmung im
                              Wasserbade ward die Aufloͤsung etwas truͤbe, und sezte nur eine
                              geringe Menge Kalk-Hydrat ab, wovon man 0,15 erhielt. Unter gleichen
                              Umstaͤnden gab eine Aufloͤsung von phosphorsaurer Bittererde weit
                              weniger Niederschlag, obschon die Aufloͤsung weit truͤber wurde.
                           Man fand, was sich auch aus den fruͤheren Versuchen erwarten ließ, daß der
                              Niederschlag aus dem Kalkwasser nicht bedeutend dadurch vermindert wurde, daß man
                              denselben solang in dem Wasser ließ, bis das Wasser kalt wurde, d.h., daß er durch
                              das Erkalten nicht wieder aufgeloͤset wurde. Es ist also unnoͤthig,
                              die Aufloͤsung zu filtriren, waͤhrend sie noch heiß ist. Phosphorsaure
                              Magnesia schien aber im kalten Zustande sich mit groͤßerer Leichtigkeit
                              aufzuloͤsen, wahrscheinlich, weil sie aͤußerst fein zertheilt
                              niederfiel. Man erhielt, als man die Aufloͤsung der phosphorsauren Bittererde
                              bei 212° filtrirte, 2,3 Gran Niederschlag von der lezteren, waͤhrend
                              eben so viel von dieser Aufloͤsung, kalt filtrirt, kaum 2 Gran gab. Der
                              Niederschlag war sichtbar weniger.
                           Die Schnelligkeit, mit welcher phosphorsaure Bittererde efflorescirt, wenn sie der
                              Atmosphaͤre ausgesezt ist, fuͤhrte uns, der Theorie nach, auf
                              Betrachtungen uͤber diese Anomalie in ihrer Aufloͤsbarkeit.
                              Efflorescenz an Salz-Hydraten zeigt allerdings einen geringen Grad von
                              Verwandtschaft mit dem Wasser bei der Temperatur der Atmosphaͤre an; eine
                              Verwandtschaft oder Anziehungskraft, welche selbst bei einer geringen
                              Erhoͤhung der Temperatur sehr vermindert wird. Wenn die Anziehungskraft, die
                              zwischen dem Salze und Wasser waͤhrend der Aufloͤsung besteht, von
                              derselben Art ist, wie jene zwischen der Basis und dem Wasser im Zustande eines
                              festen Hydrates, so koͤnnen wir erwarten, daß die auffallende Kraft, welche
                              die Hize in Verminderung der Staͤrke der Anziehung aͤußert, auch auf
                              die Aufloͤsbarkeit des Salzes bei verschiedenen Temperaturen Einfluß haben
                              wird. Selbst wenn wir annehmen, daß die Aufloͤsungs-Kraft des Wassers
                              durch erhoͤhte Temperatur bis auf einen gewissen Grad vermehrt, wird, kann
                              diese schnelle Verminderung der Anziehungskraft des Salzes gegen das Wasser, so wie
                              die Temperatur stieg, der vermehrten Kraft des Aufloͤsungs-Mittels
                              entgegen arbeiten, und dieselbe selbst vermindern, vorzuͤglich bei Salzen,
                              die so leicht effloresciren, wie schwefelsaure Soda und phosphorsaure Bittererde.
                              Die Aufloͤsbarkeit solcher Salze kann also anfangen sich zu vermindern, wenn
                              die Temperatur uͤber einen gewissen Grad erhoͤht wird.
                           Da die Hydrate aller Salze, sie moͤgen bei der Temperatur der
                              Atmosphaͤre effloresciren oder nicht, durch die Hize zersezt werden, so muß
                              die angegebene Ursache, welche der Zunahme der aufloͤsenden Kraft des Wassers
                              bei erhoͤhter Temperatur entgegen arbeitet, wenn sie vorhanden ist, allgemein
                              seyn, und mehr oder minder auf die Aufloͤsbarkeit eines jeden dieser Salze
                              bei verschiedenen Temperaturen wirken. Hieraus folgt nothwendig, daß es fuͤr
                              jedes Salz auf dem Maßstabe der Temperatur einen Punct gibt, uͤber welchem es
                              aufhoͤrt in dem Wasser mehr aufloͤsbar zu seyn, und wo seine
                              Aufloͤsbarkeit geringer wird. Bei efflorescirenden Salzen, deren
                              Verwandtschaft fuͤr Wasser, im Zustande eines Hydrates, durch geringe
                              Erhoͤhung der Temperatur sehr vermindert wird, scheint dieser Punct auf dem
                              Maßstabe der Temperatur sehr niedrig zu seyn; in einigen Faͤllen unter
                              212°. Bei Hydraten, welche das Wasser mit staͤrkerer Kraft an sich
                              halten, steht dieser Punct hoͤher, und bei Hydraten, welche eine bedeutende
                              Hize zu ihrer Zersezung fordern, steht dieser Punct der hoͤchsten
                              Aufloͤsbarkeit wahrscheinlich sehr hoch, so daß die Fluͤßigkeit,
                              welche aufloͤsen soll, unter starkem Druke gehalten werden muß, wenn sie
                              fluͤßig bleiben und aufloͤsen soll.
                           In jener großen Anzahl von Salzen, welche mit dem Wasser keine festen Verbindungen
                              eingehen, besizen wir keinen solchen Weiser uͤber ihre verschiedenen Grade
                              von Aufloͤsbarkeit bei verschiedenen Temperaturen. Sie koͤnnen daher
                              in einigen Faͤllen eben solchen Anomalien in der Aufloͤsbarkeit
                              unterliegen, wie die efflorescirenden oder auswitternden Salze. Die Theorie
                              laͤßt sich nicht ohne Unterschied auf alle Hydrate anwenden. Es gibt eine
                              Classe von Hydraten, bei welchen die Verbindung zwischen der Basis und dem Wasser
                              wesentlich von jener der gewoͤhnlichen Salz-Hydrate verschieden zu
                              seyn scheint. Hierher gehoͤren die Hydrate der Alkalien, der Erden und
                              Metall-Oxyde, und diese scheinen nicht dem Geseze zu unterliegen.
                           Viele Salze, Oxyde und Erden dieser Classe sind bekanntlich unaufloͤsbar, wenn
                              sie einer bedeutenden Hize ausgesezt werden. Dieß ruͤhrt von dem Verluste des
                              Wassers her, mit welchem
                              sie vorlaͤufig verbunden waren, und nicht, wie man oͤfters annimmt,
                              von der Einwirkung der Hize, durch welche sie haͤrter geworden seyn sollen,
                              ihr Zusammenhang vermehrt worden seyn soll. Denn, wenn wir die Aufloͤsbarkeit
                              dieser Koͤrper betrachten, muͤssen wir nothwendig annehmen, daß
                              niemahls der Koͤrper fuͤr sich allein aufgeloͤst wird, sondern
                              immer die urspruͤngliche und innige Verbindung desselben mit dem Wasser.
                              Diese Verbindungen sind von einem hoͤheren Range, als die
                              gewoͤhnlichen Hydrate, und erfordern gewoͤhnlich besondere
                              Umstaͤnde zu ihrer Bildung. Die Silica ist ein deutliches Beispiel. Troken
                              und ohne alles Wasser ist sie ganz unaufloͤsbar, und kann nie mehr mit dem
                              Wasser in eine solche Verbindung gebracht werden, daß sie einen Koͤrper mit
                              demselben bildet; wenn sie aber vorlaͤufig in inniger Verbindung mit dem
                              Wasser war, ist sie aufloͤsbar. Die Kiesel- oder
                              Silica-Aufloͤsung darf also nicht als Kiesel-Aufloͤsung,
                              sondern muß als Kieselhydrat-Aufloͤsung betrachtet werden. Dieß ist
                              derselbe Fall mit den Alkalien; was deutlich dadurch erwiesen wird, daß, wenn man
                              Alkalien in Alkohol aufloͤst, dieselben sich immer im Zustande eines Hydrates
                              befinden. Die Verbindung des Wassers mit dem Kalke in dem sogenannten
                              geloͤschten Kalke gehoͤrt gleichfalls zu diesen hoͤheren
                              Verbindungen, so daß man Kalkwasser nicht als Kalkwasser, sondern als
                              Kalkhydrat-Wasser, als eine Aufloͤsung von Kalkhydrat betrachten muß.
                              Das Wasser scheint in innigerer Verbindung mit dem Kalke, als das
                              Krystallisations-Wasser mit jenen Salzen, welche effloresciren. Es
                              widerspricht demnach der Theorie nicht, daß Kalk-Hydrat in kaltem Wasser mehr
                              aufloͤsbar ist, als in warmem, und doch nicht efflorescirt. Wenn
                              Kalk-Hydrat eine losere Verbindung mit etwas hinzugekommenem Wasser, wie das
                              Krystallisations-Wasser der gewoͤhnlichen Salze waͤre, und wenn
                              dann dieses Hydrat nicht efflorescirte, dann wuͤrde dieß der Theorie
                              widersprechen.
                           Der Umstand, daß bei schwefelsaurer Soda Efflorescenz und verminderte
                              Aufloͤsbarkeit bei hoͤherer Temperatur zugleich Statt hat,
                              beguͤnstigt obige Ansicht. Wenn man uͤber die Aufloͤsbarkeit
                              der efflorescirenden Salze genauere Untersuchungen anstellen wuͤrde, so
                              wuͤrde man wahrscheinlich an mehreren derselben dieselben Eigenheiten
                              entdeken.
                           Krystallisirte kohlensaure Bittererde ist hoͤchst efflorescirend, und nach Butini
                              „(sur la Magnésie in Thomson's System, 
                                 Salts of Magnesia)“ ist sie in kaltem
                              Wasser mehr aufloͤsbar, als in warmem, das mit Kohlensaͤure
                              geschwaͤngert ist.