| Titel: | Beitrag zur Geschichte der Anwendung der Einheiten in der Mechanik, und der Dynamometer. | 
| Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. LXXXV., S. 369 | 
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                        LXXXV.
                        Beitrag zur Geschichte der Anwendung der
                           Einheiten in der Mechanik, und der Dynamometer.
                        Vorgelesen im Verwaltungs-Rathe der
                           Société d'Encouragement am 1. August 1827 von Hrn.
                           Hachette.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. N. 277. S. 239.
                        Beitrag zur Geschichte der Anwendung der Einheiten in der Mechanik,
                           und der Dynamometer.
                        
                     
                        
                           Smeaton, ein englischer Mechaniker, hat der Erste ein
                              Verfahren praktisch angewender, durch welches man das Verhaͤltniß zum
                              Widerstande an einer sich drehenden Achse bestimmen kann. Die Versuche, die er
                              anfangs im Kleinen an Modellen von Raͤdern anstellte, und die er
                              spaͤter an großen Raͤdern bestaͤtigt fand, erzaͤhlte er
                              in mehreren vor der k. Gesellschaft zu London im Jahre 1759 vorgelesenen
                              Abhandlungen. Eine zweite Ausgabe dieser gesammelten Abhandlungen erschien im Jahre
                              1796, von welcher Hr. Girard, Mitglied der Académie royale des Sciences im Jahre 1810 eine
                              franzoͤsische Uebersezung herausgab. In den Jahren 1781 und 1797 befolgte Hr.
                              Coulomb, Officier am k. Genie-Corps, und
                              Mitglied der Acad. roy. des scienc. in seinen Recherches sur les effets des moulins à vent et sur la
                                 force journalière de l'homme, dieselbe Methode, welche Smeaton einschlug. Im Jahre 1783 und 1784 erfand Montgolfier die Aërostaten und Fallschirme; im
                              Jahre 1796 den hydraulischen Widder. Ich hoͤrte diesen beruͤhmten
                              Physiker oͤfters die Geschichte seiner Erfindungen er zaͤhlen, und ich
                              erstaunte jedes Mahl uͤber die Leichtigkeit, mit welcher er die Wirkungen
                              seiner Maschinen in Zahlen ausdruͤkte. Man konnte leicht bemerken, daß die
                              Grundsaͤze seiner numerischen Berechnungen von jenen Smeaton's und Coulomb's nicht verschieden
                              waren; daß er jedoch, wie die meisten großen Talente, sich die Wissenschaft selbst
                              schuf, die er besaß. Sein Rath ward mir sehr nuͤzlich, als ich den ersten
                              Curs uͤber die Maschinenlehre an der polytechnischen Schule im J. 1806 hielt.
                              Das Programm zu diesem Curse, welches ich im Jahre 1805 dem
                              Vervollkommnungs-Rathe dieser Schule vorlegte, hat bisher nur wenig
                              Abaͤnderungen erhalten. Hr. Arago gibt
                              gegenwaͤrtig diesen Curs. Vor diesem Curse war Smeaton's Methode beinahe gar nicht bekannt, und die Mechaniker, die bei
                              Maschinen zum oͤffentlichen Dienste angestellt waren, machten durchaus keinen
                              Gebrauch von dieser Methode bei ihren Maschinen. Die ersten Vorlesungen in jenem
                              Curse sollten beweisen, daß man bei jeder wahrhaft nuͤzlichen Maschine sich
                              nicht mit der Beobachtung der zu ihrer Bewegung nothwendigen Kraft begnuͤgen
                              darf, sondern daß man diese unmittelbare Kraft (force
                                 directe) mit den mittelbaren, von derselben abgeleiteten, Kraͤften,
                              (forces sécondaires) vergleichen
                              muͤsse, die als neue bewegende Kraͤfte wirken. Um das
                              Verhaͤltniß der bewegenden Kraͤfte, der unmittelbarem und mittelbaren,
                              zu bestimmen, habe ich im Jahre 1811 (Traité des
                                 machines, édit. p. 1.) zwei dynamische Einheiten angenommen; die
                              Eine, als Ein Kilogramm auf Ein Meter gehoben, um die kleinen Kraͤfte
                              auszudruͤken; die andere zu 1000 Kilogrammen auf dieselbe Hoͤhe
                              gehoben fuͤr die großen Kraͤfte. Seit langer Zeit bediente man sich in
                              England zur Vergleichung der Wirkungen der Pumpmaschinen in den Bergwerken Eines
                              buͤrgert. Pfundes (avoir du poids) bis zur Hohe
                              eines Fußes gehoben, welche Einheit = 1,382 Kilogr. auf Ein Decimeter gehoben.
                           In der Vergleichungs-Tabelle der Wirkungen der Dampfmaschinen, die Hr. Clement
                                 Deformes, Prof. der Chemie am Conservatorium der
                              Kuͤnste und Gewerbe, im Februar 1826 herausgab, heißt die große dynamische
                              Einheit von 1000 Kilogrammen auf Ein Meter gehoben, Dynamie. Allein, eine, mittelbare oder unmittelbare, bewegende Kraft ist
                              durch eine Zahl dynamischer Einheiten noch nicht vollkommen bestimmt. Diese Zahl,
                              deutet nur an, daß sie im Stande ist eine gleiche Anzahl von Massen, deren jede 1000
                              Kilogramm wiegt, auf die senkrechte Hoͤhe Eines Meters zu heben. Um den
                              wirklichen Werth derselben zu erhalten, muß man auch die Zeit betrachten,
                              waͤhrend welcher dieses Gewicht auf diese Hoͤhe gehoben wurde, und so
                              ergibt sich, daß dieser Werth das Product dreier Factoren ist: des gehobenen
                              Gewichtes, der Hoͤhe, zu welcher es emporgehoben wurde, und der Zeit, welche
                              hierzu noͤthig war. Hr. Karl Dupin nannte tausend
                              Dynamien multiplicirt mit der Einheit der Zeit Dyname.
                              (Siehe Cours de mecanique, 1826. XV. Vorlesung. III. Bd.
                              S. 487.). Er nimmt
                              vier und zwanzig Stunden als Einheit der Zeit an. Als drittes Beispiel einer aus
                              mehreren Factoren zusammengesezten Einheit will ich Hrn. de Prony's Mittheilung in der Sizung der Académie roy. des Sciences vom 15. Mai 1826 anfuͤhren, wo
                              dieser Gelehrte den Wasser-Modulus (module d'eau) statt des Brunnen-Zolles (pouce-fontainier) anzuwenden vorschlug. Lezterer wurde bald auf 13 1/2,
                              bald auf auf 14 Pinten in Einer Minute (die Pinte zu 93/100 Liter) geschaͤzt.
                              Der Modulus des Hrn. Prony
                              (module Prony) waͤre 10 kubische Meter
                              Wassers in 12 Stunden (ungefaͤhr ein halber Brunnen-Zoll). Die Annahme
                              dieser neuen Einheit wuͤrde das System der Decimal-Maße
                              vervollstaͤndigen. Die Akademie hat ihre Meinung uͤber die neuen
                              Benennungen: Modulus (Module), Dynamie und Dyname noch nicht ausgesprochen, die man fuͤr drei verschiedene
                              Producte vorgeschlagen hat. Diese Producte haben, als gemeinschaftlichen Factor, ein
                              Gewicht oder eine Masse, die mit der Schwere multiplicirt ist. Dieser an und
                              fuͤr sich schon zusammengesezte Factor ist in dem ersten Producte mit einer
                              Zeit, in dem zweiten mit einer Laͤnge, in dem dritten mit Laͤnge und
                              Zeit zu gleich multiplicirt. Es ist also noch ungewiß, ob man in der
                              gewoͤhnlichen Mechanik neue Einheiten, die aus zwei oder drei Factoren
                              bestehen, annehmen wird, oder ob man fortfahren wird, sie durch Producte der
                              Einheiten auszudruͤken, die zu dem gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen
                              Decimal-Systeme gehoͤren.
                           In Erwartung einer Entscheidung der Akademie uͤber diese grammatikalische und
                              mechanische Frage schien es mir, daß, um in der Dynamik gleichfoͤrmig mit der
                              Statik fortzuschreiten, man die Aufmerksamkeit der Mechaniker vorzuͤglich auf
                              Verfertigung eines wahren Dynamometers lenken muͤsse, der sich an Maschinen
                              waͤhrend ihrer Bewegung anbringen laͤßt. Man hat ja auch die
                              Nothwendigkeit gefuͤhlt, die Wagen ehe auf den hoͤchsten Grad der
                              Vollkommenheit zu bringen, ehe man die Groͤßen und die Namen der Einheiten
                              des Gewichtes unseres Decimal-Systemes bestimmte.
                           In der zweiten Ausgabe meines Traité des machines,
                              1819, untersuchte ich die Frage uͤber das Maß der Triebkraͤfte, und
                              zeigte, daß, wenn man den Druk kennt, welchen eine Triebkraft auf die verschiedenen
                              Elemente der Flaͤchen ausuͤbt, durch welche er seine Wirkung
                              mittheilt, die Summe der Producte des Drukes auf jedes Element multiplicirt mit der
                              Geschwindigkeit des lezteren das Maß der Wirkung der Triebkraft in einer
                              Zeit-Einheit ist. Ich habe mehrere Mittel angegeben, um die Kraft zu messen,
                              welche in der Richtung der Tangente an einer sich drehenden Achse angebracht ist, um
                              irgend einen bestimmten Widerstand zu uͤberwinden. Diese Mittel bestehen in
                              einer Wage mit FedernDie Federwage des Hrn. Regnier heißt Dynamometer. Es scheint mir, daß dieser Name
                                    richtiger auf jene Wagen angewendet wuͤrde, die man bei Maschinen
                                    braucht, welche sich in Bewegung befinden. A. d. O. bei Thieren, und, bei Achsen, die sich drehen, in einer Verbindung von
                              Raͤdern und Wagen mit Federn, die ich dynamometrische
                                 Maschine (machine dynamometrique) nannte; in
                              Zaͤumen, wie Hr. Prony sie im Jahre 1822 in den
                              Annales de Chimie, T. XIX. p. 165. (Polytechn.
                              Journ. Bd. VIII. S. 431.) beschrieb, mit
                              einigen Abaͤnderungen, die ich im Bulletin de la
                                 Société d'Encouragement, Maͤrz, 1822, S. 80.
                              angab.
                           Die Mechaniker fuͤrchteten den Preis der Maschinen, die andere Maschinen in
                              Bewegung sezen sollen, zu vertheuern, wenn sie denselben einen Apparat
                              beifuͤgten, der nicht wesentlich zum Zweke gehoͤrt, und daher blieben
                              die theoretischen Untersuchungen, durch welche man eine genaue Kenntniß der
                              Maschinen zu erlangen wuͤnschte, ohne genuͤgendes Resultat. Die
                              obenerwaͤhnte dynamometrische Maschine hat den Nachtheil, daß die
                              Feder-Wagen in derselben sich mit der Achse drehen, die die unmittelbare
                              Einwirkung der Kraft empfaͤngt. Wenn man den Zaum in Verbindung mit den
                              Feder-Wagen oder mit Gewichten, die am Ende eines Hebels angehaͤngt
                              sind, welcher an einem der Arme des Bakens des Zaumes befestigt ist, betrachtet, so
                              sieht man, daß der bestaͤndige Widerstand, der an einer sich
                              gleichfoͤrmig drehenden Achse angebracht ist, durch einen kuͤnstlichen
                              veraͤnderlichen Widerstand ersezt wird; denn dieser lezte Widerstand, den man
                              durch die Reibung erhaͤlt, aͤndert sich jeden Augenblik durch den
                              groͤßeren oder geringeren Druk. Man muß gestehen, daß diese Mittel,
                              Triebmaschinen zu messen, obschon sie auf einer genauen Theorie beruhen, noch zu
                              viel zu wuͤnschen uͤbrig lassen, sowohl in Hinsicht auf Genauigkeit
                              als auf Leichtigkeit der Beobachtung. Fuͤr meine neue Ausgabe des Traité des machines will ich die
                              Erlaͤuterung zweier Dynamometer beifuͤgen, wovon der eine des Hrn. White, obschon derselbe ihn bereits im Jahre 1801
                              beschrieb, noch sehr wenig bekannt ist; der andere aber, von der Erfindung meines
                              Freundes, des Hrn. Welter, neuerlich erst bekannt gemacht
                              wurde. Neide gruͤnden sich auf die Betrachtung, daß ein
                                 gewisses Verhaͤltniß zwischen Kraft oder Widerstand an einer sich
                                 gleichfoͤrmig drehenden Achse und dem Druke Statt hat, der auf jeden
                                 Punct dieser Achse ausgeuͤbt wird, so daß, wenn man Groͤße und
                                 Richtung dieses Drukes auf einen bestimmten Punct der Achse kennt, man daraus
                                 den Werth der Kraft oder des Widerstandes ableiten kann. White maß diesen
                              Druk auf der Achse einer zweiten Welle, die sich um die Achse der ersteren drehen
                              kann, in einer auf diese Achse senkrechten Ebene. Die Stuͤke, aus welchen die
                              zweite Welle besteht, bilden White's Dynamometer. Eines
                              dieser Stuͤke ist ein sogenannter Aermel (manchon), welcher auf dem Ende der ersten Welle umlaͤuft, welches
                              voraussezt, daß dieses Ende ein Cylinder ist. Dieser cylindrische Theil der ersten
                              Welle muß ferner eine Verlaͤngerung derselben seyn, und sich von ihr abnehmen
                              lassen. Hr. Welter haͤtte die Idee, auf der Achse
                              der sich drehenden Welle selbst zu messen, und so den Druk zu bestimmen, der von der
                              vereinten Wirkung der Kraft und des Widerstandes auf diese Welle entsteht. Bei
                              beiden dieser Dynamometer ist ein Laufgewicht oder eine Feder-Wage, die den
                              Druk bemißt, woraus man dann jenen der Kraft oder des Widerstandes ableitet.
                           Wenn eine Welle durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesezt wird, wird die Bewegung
                              gewoͤhnlich mittelst einer Triebstange und einer Kurbel mitgetheilt. In
                              diesem Falle beschreibt der Punct, auf welchem die Kraft angewendet wird, einen
                              Kreis, der mit dem Halbmesser der Kurbel beschrieben wird. Wenn aber eine Welle sich
                              auf der Verlaͤngerung der Achse eines Wasserrades befindet, oder wenn sie ein
                              Zahnrad fuͤhrt, das in ein anderes Rad oder in einen Triebstok eingreift,
                              welcher von irgend einer beliebigen Triebkraft bewegt wird, so aͤndert sich
                              die Lage des Punctes, in welchem die Kraft auf der Welle des Widerstandes angebracht
                              wird, in Hinsicht auf die Central-Linie dieser Welle nicht. Dieser zweite
                              Fall ist der einzige, in welchem sich das Dynamometer des Hrn. Welter anwenden laͤßt; jenes des Hrn. White, das weniger einfach
                              ist, gewaͤhrt den Vortheil, daß man es in beiden Faͤllen, sowohl wenn
                              der Punct der Kraftanwendung in Hinsicht auf die Centrallinie der sich drehenden
                              Welle feststehend, als wenn er wandelbar ist, anwenden kann. Es steht in Hinsicht
                              auf Festigkeit jenem des Hrn. Welter nach, welches, bei
                              dem gewoͤhnlichen Baue der Wellen, nur eine Abaͤnderung fordert,
                              wodurch naͤmlich augenbliklich der Stuͤze des Lagers eines ihrer
                              Zapfen etwas Beweglichkeit gegeben wird.Hr. Hachette legte hier Zeichnungen und Formeln
                                    vor, die aber hier nicht mitgetheilt sind. A. d. Ueb.
                              
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                           Seit dieser Aufsaz vorgelesen wurde, erschien bei der Ausstellung im Louvre ein
                              Dynamometer nach White's Methode von einem jungen
                              Mechaniker, Hrn. de Laveleye. Bei White's Dynamometer stehen die Achsen der Kraft und des Widerstandes mit
                              ihren Enden an einander; bei de Laveleye's hingegen sind
                              sie parallel.
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                           Da Hr. Molard, d. aͤlt., an der Acad. roy. d. Scienc. sich seit langer Zeit mit
                              Verfertigung eines Dynamometers beschaͤftigte, so ließ Hr. White in Moniteur
                              18. Febr. 1812 ein Schreiben einruͤken, in welchem derselbe Hrn. Molard das Prioritaͤts-Recht der
                              Untersuchungen uͤber diesen Gegenstand einraͤumt.Dieses Schreiben ist hier wieder abgedrukt; da es sich aber bereits in einem
                                    Werke befindet, welches ein Urkunden-Buch in den meisten deutschen
                                    Staaten geworden ist, so fanden wir eine Uebersezung
                                    uͤberfluͤßig. A. d. Ueb.