| Titel: | Ueber den Haidingerit, ein neues Antimonerz aus der Auvergne, von Hrn. P. Berthier. | 
| Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. XCIX., S. 435 | 
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                        XCIX.
                        Ueber den Haidingerit, ein neues Antimonerz aus
                           der Auvergne, von Hrn. P.
                              Berthier.
                        Aus den Annales de Chimie et de Phys. Aug. 1827. S.
                              351.
                        Berthier, uͤber den Haidingerit.
                        
                     
                        
                           Schwefelantimon (Grau-Spiesglanzerz) kommt an sehr
                              vielen Orten in der Gneisformation der Auvergne vor: man findet es dort bald in
                              regelmaͤßigen Gaͤngen, bald in Adern und bald in Massen: obgleich aber
                              seine Lager sehr haͤufig sind, so sind sie doch leider zugleich meistentheils
                              nicht sehr ergiebig: diejenigen, welche sie bearbeiten, sind daher
                              genoͤthigt, sehr viele zugleich anzugreifen, um zur Verarbeitung des Erzes
                              immer Material genug zu bekommen.
                           Das Schwefelantimon der Auvergne ist im Allgemeinen sehr rein, und man erhaͤlt
                              daraus ein gutes Metall: vor einigen Jahren entdekte man bei dem Dorfe Chazelles
                              einen neuen Gang, den man aber bald aufgeben mußte, weil die Fabrikanten, welche das
                              Metall aus dem Erze desselben ausschieden, nur ein mattes Antimon erhielten, welches
                              ihre Abnehmer nicht verarbeiten wollten. Der Eigenthuͤmer hat mir Proben von
                              diesem Minerale geschikt, und da ich fand, daß es eine eigene und neue Species ist,
                              so gab ich ihm den Namen Haidingerit zu Ehren meines
                              geschaͤzten Freundes, des Hrn. Haidinger, eines
                              gelehrten Mineralogen in Edinburg, der sich durch seine Untersuchungen um die
                              Wissenschaft so sehr verdient gemacht hat.
                           Man hat den Haidingerit noch nicht in regelmaͤßigen Krystallen gefunden; in
                              einigen Hoͤhlen aber kommt er in nicht ausgebildeten prismatischen Krystallen
                              vor, die, obgleich sie keiner genauen Messung faͤhig sind, doch deutlich
                              genug zeigen, daß seine Krystallforms nicht die des Schwefelantimons ist. Das neue
                              Mineral kommt gewoͤhnlich in verworren blaͤtterigen Massen vor,
                              vermengt mit Hyalith, gelblichweißem eisenhaltigem, kohlensaurem Kalke, und
                              Schwefelkies in wuͤrfelfoͤrmigen Koͤrnern. Seine Faͤrbe
                              ist eisengrau, und seine Oberflaͤche zeigt oft Regenbogenfarben. Es hat nicht
                              ganz so viel Glanz wie das Schwefelantimon, und seine Farbe zieht sich nicht ganz in
                              das Blaue. Es wirkt ganz und gar nicht auf die Magnetnadel. Ich konnte mir keine so
                              reinen Stuͤke verschaffen, daß ich das specif. Gewicht haͤtte
                              bestimmen koͤnnen.
                           
                           Ich habe mir eine Quantitaͤt, um eine Analyse machen zu koͤnnen,
                              gereinigt, indem ich sie pulverisirte, siebte und schlaͤmmte; dadurch habe
                              ich den Quarz und den Schwefelkies groͤßtentheils, und den kohlensauren Kalk
                              ganz entfernt.
                           Das Pulver schmilzt vor dem Loͤthrohre ganz; aber es zeigt gar nichts
                              Eigenthuͤmliches. Die Salzsaͤure greift es leicht an, und wirkt sogar
                              schon in der Kaͤlte darauf; es entwikelt sich reines Schwefelwasserstoffgas,
                              und alles loͤst sich bis auf eine geringe Menge Quarz und Schwefelkies auf,
                              jedoch ohne Schwefel abzuscheiden: die Aufloͤsung enthaͤlt bloß
                              Antimon, Eisen und eine sehr geringe Menge Zink. Dieß beweist hinreichend, daß der
                              Haidingerit aus Schwefelantimon und Schwefeleisen besteht, und daß diese beiden
                              Metalle darin auf der niedrigsten Schwefelungsstufe sind.
                           Ich analysirte es folgendermaßen: um den Schwefel zu bestimmen, erhizte ich 4 Grammen
                              sehr feines Pulver mit 20 Gr. troknen kohlensauren Natrons, und 10 Gr. Salpeter; bei
                              der Dunkelrothgluͤhhize fing die Reaction sich zu zeigen an, jedoch ohne
                              Verbrennung oder Aufblaͤhen. Bei der Rothgluͤhhize aber kam die Masse
                              vollkommen in Fluß. Nachdem sie in Wasser aufgeweicht, und das unaufgeloͤste
                              gut ausgesuͤßt worden war, blieb auf dem Filter antimonsaures Eisen von
                              blaßer roͤthlich gelber Farbe, welches aus seinem Gewichte zu schließen, Kali
                              in chemischer Verbindung enthalten mußte. Die Aufloͤsung wurde, nachdem sie
                              mit reiner Salpetersaͤure gesaͤttigt worden war, um die
                              Kohlensaͤure zu vertreiben, einige Zeit im Sieden erhalten, und dann mit
                              salzsaurem Baryt gefaͤllt; nach der Menge des niedergefallenen schwefelsauren
                              Baryts konnte das Verhaͤltniß des Schwefels leicht bestimmt werden.
                           Um den Quarz und Schwefelkies zu bestimmen, wurde eine gewiße Quantitaͤt des
                              gepulverten Minerals mit concentrirter Salzsaͤure digerirt; der
                              Ruͤkstand wurde getroknet und gewogen, hierauf mit Koͤnigswasser
                              behandelt, gegluͤht, und neuerdings gewogen: das unaufgeloͤste war
                              reiner Quarz: die Differenz gab die Menge des Schwefelkieses.
                           Das Verhaͤltniß des Antimons zum Eisen habe ich auf zweierlei Art
                              ausgemittelt.
                           1) Ich loͤste eine gewiße Quantitaͤt Haidingerit mittelst
                              Salzsaͤure in einer Retorte auf, deren Hals ich in ein Gefaͤß tauchte,
                              welches Wasser
                              enthielt: ich bemerkte, daß sich gegen das Ende der Operation in dem Gefaͤße
                              ein brauner flokiger Niederschlag von Schwefelantimon bildete: die Quantitaͤt
                              desselben war sehr gering, aber ich habe sie dennoch bestimmt.
                           Dieses Schwefelmetall entsteht dadurch, daß in dem Augenblike, wo die
                              Aufloͤsung eine gewiße Concentration erreicht hat, die salzsauren
                              Daͤmpfe eine kleine Menge Chlorantimon (Butyrum
                                 antimonii) mit sich reißen, die sich sodann in dem mit Schwefelwasserstoff
                              schon gesaͤttigten Wasser verdichtet. Die stark in die Enge gebrachte
                              Aufloͤsung versezte ich dann mit vielem Wasser, um moͤglichst viel
                              Antimon als basisches salzsaures Antimonoxyd zu faͤllen, dessen
                              Zusammensezung bekannt ist. Dieses basische salzsaure Antimonoxyd war mit dem Quarz
                              und Schwefelkies vermengt; das Verhaͤltniß der beiden lezteren war jedoch
                              schon vorher bestimmt worden.
                           Das ruͤkstaͤndige Antimonoxyd wurde aus der Aufloͤsung durch
                              einen Strom Schwefelwasserstoffgas niedergeschlagen: worauf die Fluͤßigkeit
                              in die Enge gebracht, und mit Salpetersaͤure gekocht wurde, um das Eisen auf
                              das Maximum der Oxydation zu bringen; das Eisenoxyd wurde sodann durch
                              uͤberschuͤssiges Ammoniak gefaͤllt: die ammoniakalische
                              Aufloͤsung gab hierauf, als sie mit einigen Tropfen eines
                              schwefelwasserstoffsauren Alkali versezt wurde, einen geringen weißen Niederschlag
                              von Schwefelzink.
                           2) Nachdem ich den Haidingerit, wie eben angegeben wurde, aufgeloͤst hatte,
                              versezte ich die Aufloͤsung mit Weinsteinsaͤure nach der Methode des
                              Hrn. H. Rose, und verduͤnnte sie darauf mit
                              Wasser; sie truͤbte sich nicht, und ich konnte alles Antimon als
                              Schwefelantimon durch Schwefelwasserstoff daraus niederschlagen: ich wog dieses
                              Schwefelmetall noch heiß, und uͤberzeugte mich, indem ich es in
                              Salzsaͤure aufloͤste, daß es keinen uͤberschuͤssigen
                              Schwefel enthielt. Das Eisen wurde sodann durch Ammoniak bestimmt.
                           Das mittlere Resultat aus mehreren Analysen, war:
                           
                              
                                 Quarz
                                 0,032;
                                 
                              
                                 Schwefelkies
                                 0,032;
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,283;
                                 
                              
                                 Antimon
                                 0,483;
                                 
                              
                                 Eisen
                                 0,149;
                                 
                              
                                 Zink
                                 0,003;
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 0,982
                                 
                              
                           
                           oder abgesehen von der Gangart:
                           
                              
                                 Schwefel
                                 0,303,
                                 dieß gibt Schwefelantimon
                                 0,715
                                 
                              
                                 Antimon
                                 0,502,
                                   –     –   Schwefeleisen
                                    in Min.
                                 0,255
                                 
                              
                                 Eisen
                                 0,160,
                                   –     –   Schwefelzink
                                 0,005
                                 
                              
                                 Zink
                                 0,003.
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 0,975.
                                 
                              
                           Nach diesem Resultate besteht der Haidingerit offenbar aus 4 Atomen Schwefelantimon
                              und 3 Atomen Schwefeleisen in Min.; denn in dieser
                              Voraussezung gibt die Berechnung:
                           
                              
                                 Schwefel
                                 0,2985  – 18 At.
                                 
                              
                                 Antimon
                                 0,5330  –   4
                                    At.
                                 
                              
                                 Eisen
                                 0,1685  –   3
                                    At.
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 1,0000.
                                 
                              
                           oder
                           
                              
                                 Schwefelantimon
                                 0,732 – 4 At.
                                 
                              
                                 Schwefeleisen in
                                       Min.
                                 0,268 – 3 At.
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 1,000.
                                 
                              
                           Seine Formel ist also 3 FS² + 4 SbS³. Diese anscheinend complicirte Formel
                              bezeichnet jedoch ein sehr einfaches Verhaͤltniß; denn sie zeigt, daß der
                              Haidingerit so zusammengesezt ist, daß das negative Schwefelmetall (das
                              Schwefelantimon) zweimahl so viel Schwefel enthaͤlt, als das positive (das
                              Schwefeleisen); das naͤmliche Verhaͤltniß hat man schon in dem
                              Jamesonit, der von Hrn. H. Rose analysirt wurde,
                              gefunden, welcher aus 4 Atomen Schwefelantimon mit 3 Atomen Schwefelblei verbunden,
                              besteht.
                           Daß der Haidingerit eine eigene Species ist, kann wohl nicht bezweifelt werden: denn
                              erstens sind die Schwefelmetalle, woraus er besteht, in einem
                              stoͤchiometrischen und einfachen Verhaͤltnisse vorhanden; zweitens
                              kommt das eine dieser Schwefelmetalle, naͤmlich das Schwefelantimon zwar wohl
                              fuͤr sich in der Natur vor, aber das andere Schwefelmetall, naͤmlich
                              das Schwefeleisen in Min. kommt nicht isolirt vor, weil
                              der Magnetkies, welcher unter allen natuͤrlichen Arten von Schwefeleisen am
                              wenigsten Schwefel enthaͤlt, eine Verbindung von Schwefeleisen in Min. mit Schwefeleisen in
                                 Max. ist. Endlich wuͤrde das Mineral von Chazelles, wenn das
                              Schwefeleisen in Min., welches stark magnetisch ist,
                              nicht mit dem Schwefelantimon chemisch verbunden waͤre, gewiß auf die
                              Magnetnadel wirken: der
                              Haidingerit thut dieses aber, wie ich schon bemerkt habe, ganz und gar nicht; die
                              Schwefelmetalle muͤssen also darin vereinigt seyn.
                           Man kann den Haidingerit sehr leicht durch Synthesis nachahmen; denn die beiden
                              Verbindungen des Antimons und Eisens mit Schwefel koͤnnen in allen
                              Verhaͤltnissen zusammengeschmolzen werden, und wahrscheinlich wird man sie in
                              der Natur noch in anderen Verhaͤltnissen vereinigt finden, als in dem
                              Minerale von Chazelles.
                           In den franzoͤsischen Fabriken pflegt man, um das Antimonmetall darzustellen,
                              das Schwefelantimon in einem Reverberirofen zu roͤsten, und die
                              geroͤstete Masse dann in Tiegeln mit kohlensaurem Kali (Pottasche) und Kohle
                              zu schmelzen. Es ist klar, daß, wenn man dieses Verfahren, wie es schon geschehen
                              ist, auf den Haidingerit anwenden wuͤrde, man daraus kein reines Antimon
                              erhalten wuͤrde: denn da von den beiden Oxyden eines fast eben so leicht
                              reducirbar ist, als das andere, und die beiden Metalle sich leicht vereinigen, so
                              muß durch den reducirenden Fluß Antimoneisen entstehen: dieses geschieht auch
                              wirklich, und ich habe mich durch Versuche im Kleinen uͤberzeugt, daß nicht
                              die geringste Spur von Eisen in den Schlaken bleibt, wenn das Mineral durch das
                              Roͤsten ganz entschwefelt worden ist.
                           Es ist uͤbrigens nicht schwierig, auch aus dem Minerale von Chazelles einen
                              guten Regulus zu erhalten, und da es in großer Menge vorkommt, so ist es auch
                              wuͤnschenswerth, daß man es bald zu verarbeiten anfaͤngt. Ich habe in
                              den Annales de Chimie et de Physique, Bd. XXV. S. 379
                              bis 395, mehrere Methoden angegeben, die man anwenden kann. Die am leichtesten
                              ausfuͤhrbare wuͤrde darin bestehen, das Erz in Tiegeln oder
                              Reverberiroͤfen mit Eisen und ein wenig Glaubersalz (schwefelsaurem
                              Natron)Das schwefelsaure Kali, welches man als Ruͤkstand bei der
                                    Salpetersaͤure-Bereitung erhaͤlt, taugt eben so gut
                                    dazu, wenn man es nur zuvor in eisernen Kesseln so lange gegluͤht
                                    hat, bis es keine schwefelsauren Daͤmpfe mehr ausstieß. A. d. R., und Kohle zu schmelzen. Wenn man nur die gerade noͤthige Menge von
                              Eisen zusezen wuͤrde, dann wuͤrde bloß das Schwefelantimon
                              entschwefelt werden, und das in dem Minerale enthaltene Schwefeleisen wuͤrde nebst dem durch die
                              Wirkung des metallischen Eisens auf das Schwefelantimon entstandenen, ganz in der
                              Schlake bleiben, die durch das Schwefelnatronium sehr fluͤßig werden
                              wuͤrde.
                           Die genau noͤthige Menge von Eisen, welche angewandt werden muͤßte,
                              waͤre 6 Atome auf 1 Atom reines Mineral oder 337 Procent; es waͤre
                              jedoch zwekmaͤßig, immer etwas weniger zu nehmen, und so ein wenig
                              Schwefelantimon in die Schlaken uͤbergehen zu lassen, weil, wenn das Eisen
                              uͤberschuͤssig waͤre, eine gewisse Menge desselben sich mit dem
                              Antimon verbinden, und dadurch seiner Reinheit und Guͤte sehr schaden
                              wuͤrde.