| Titel: | Ueber den Chlorkalk, von Hrn. A. Morin, Pharmaceut in Genf. | 
| Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XII., S. 41 | 
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                        XII.
                        Ueber den Chlorkalk, von Hrn. A. Morin, Pharmaceut in
                           Genf.
                        Aus den Annales de Chim. et de Phys. Febr. 1828, S. 139. Mit einem Zusaze von
                           Emil
                              Dingler.
                        Morin, uͤber den Chlorkalk.
                        
                     
                        
                           Die Verbindungen des Chlors mit dem Kalk, Kali und Natron sind
                              ein wichtiger Fabrikationszweig geworden. Ihre Anwendung hat sich vervielfacht. Das
                              Bleichen der baumwollenen, leinenen und hanfenen Zeuge, der Druk dieser Zeuge, das
                              Bleichen des Papierzeuges haben nach einander den Fabrikanten chemischer Producte
                              neue Absazquellen fuͤr die Chloralkalien verschafft. Dieselben Koͤrper
                              spielen seit Kurzem auch in medicinischer Hinsicht eine sehr nuͤzliche Rolle:
                              zur Erhaltung der Gesundheit bei der Fabrikation der Darmsaiten: als luftreinigende
                              und Arzneimittel.
                           Es haben sich mehrere Chemiker mit diesen Verbindungen beschaͤftigt, um ihre
                              Theorie und Bereitungsart aufzuklaͤren.
                           Dalton hat zuerst die Zusammensezung des Chlorkalks
                              ausgemittelt. Welter hat das Verhaͤltniß seiner
                              Bestandtheile bestimmt. Er fand, daß dieser Koͤrper in festem Zustande
                              besteht aus:
                           
                           
                              
                                 1 Aequivalent
                                 Chlor;
                                 
                                 
                                 
                              
                                 2
                                         –2
                                         –
                                 KalkWasser
                                 
                                    
                                    
                                 oder 2 Aeq. Kalkhydrat;
                                 
                              
                           daß er bei der Aufloͤsung in Wasser die Haͤlfte
                              des Kalks verliert, und in der Fluͤßigkeit
                           
                              
                                 1 Aeq.
                                 Chlor;
                                 
                              
                                 1   –
                                 Wasser
                                 
                              
                           bleiben. Erstere Verbindung hat er basischen, leztere neutralen Chlorkalk
                              genannt.
                           Er hat die Eigenschaft des Chlorkalks, die schwefelsaure Indigoaufloͤsung zu
                              entfaͤrben, benuzt, um auf eine bequeme Weise die Quantitaͤt des in
                              dem kaͤuflichen Bleichpulver enthaltenen Chlors zu bestimmen.
                           Spaͤter hat Dr. Ure in dem Quarterly Journal die Resultate von Versuchen bekannt gemacht, welche mit
                              der von Welter gefundenen Zusammensezung in Widerspruch
                              zu stehen scheinen. Er nimmt an, daß sich bei der Behandlung des Chlorkalks mit
                              Wasser zwei verschiedene Verbindungen bilden, wovon die eine mit großem Ueberschuß
                              an Chlor, in Wasser aufloͤslich, die andere, mit großem Ueberschuß an Kalk,
                              in dieser Fluͤßigkeit unaufloͤslich ist.
                           Hr. Gay-Lussac hat das von Hrn. Welter angegebene Verfahren, die Guͤte des
                              Chlorkalks zu bestimmen, durch sein Chlorometer allgemein anwendbar gemacht. Die
                              Einrichtung dieses Instrumentes gruͤndet sich darauf, daß das Chlor sein
                              zehnfaches Volum einer Indigaufloͤsung von gehoͤriger Staͤrke
                              entfaͤrbt. Diese 10 Vol. sind selbst wieder in 100 Theile eingetheilt. Die
                              Entfaͤrbung eines dieser Theile wird 1 Grad genannt und zeigt an, daß ein
                              Kilogramm des Chlorkalkes ein Liter Chlor enthaͤlt. Das beste Chloruͤr
                              entfaͤrbt 100 Theile, das heißt, es zeigt 100 Grade und enthaͤlt 100
                              Liter Chlor auf das Kilogramm.
                           Die einzige Unvollkommenheit des Chlorometers beruht auf der Probefluͤßigkeit;
                              sie erhaͤlt sich nicht mehr vollkommen unveraͤndert, wenn sie in dem
                              fuͤr den Versuch geeigneten Verhaͤltnisse verduͤnnt ist, und
                              auch abgesehen davon kann bei ihrer Anwendung nach den Beobachtungen Welter's durch folgenden Umstand leicht ein Irrthum
                              begangen werden.
                           Wenn man die Fluͤßigkeit in die Aufloͤsung des Chlorkalks gießt,
                              bemaͤchtigt sich die Schwefelsaͤure des Kalks und entbindet das Chlor,
                              welches bei seinem Entweichen den Indigo entfaͤrbt. Je schneller man die
                              Aufloͤsung des Chloruͤrs zusezt, desto mehr Indigo wird auch
                              entfaͤrbt, aber nur bis zu einem gewissen Puncte, und sobald dieser
                              uͤberschritten ist, vermindert sich diese Menge. Dieses macht das Verfahren
                              sehr unsicher, und
                              ich habe oft Unterschiede von 33 Procent bei der Pruͤfung derselben
                              Chlorkalkaufloͤsung gefunden. Durch diese Differenzen werden Streitigkeiten
                              veranlaßt, und die allgemeine Anwendung des Chlorometers wird dadurch
                              verzoͤgert.
                           Ich habe in der Aufloͤsung des salzsauren Manganoxyduls ein Mittel gefunden,
                              diese Unsicherheiten zu beseitigen, ohne daß die Form des Instrumentes
                              abgeaͤndert wird. Da Ein Vol. dieser Fluͤßigkeit 10 Vol.
                              Indigaufloͤsung repraͤsentirt, so braucht man bei dem Versuche einzig
                              und allein die Abaͤnderung zu machen, daß man 10mahl mehr
                              Chlorkalkaufloͤsung nimmt, als bei demjenigen mit Indigo, waͤhrend man
                              uͤbrigens die Grade seiner Staͤrke auf dieselbe Art
                              schaͤzt.
                           Wenn man die Aufloͤsung des salzsauren Manganoxyduls in den Chlorkalk gießt,
                              bemaͤchtigt sich die Salzsaͤure des Kalks, das braune Manganoxyd
                              faͤllt nieder und das Chlor entbindet sich. Die Quantitaͤt der
                              zersezten Fluͤßigkeit entspricht genau derjenigen des entbundenen Chlors.
                           In diesem Falle wird durch die Reaction Chlorgas entbunden. Man kann uͤbrigens
                              die Reaction sehr langsam oder ununterbrochen erfolgen lassen, ohne daß sich bei der
                              Pruͤfung ein merklicher Unterschied zeigt.
                           Diese Probefluͤßigkeit zeigte jedoch mit solchen Chloruͤren, die
                              anscheinend auf gleiche Weise bereitet wurden, etwas abweichende Erscheinungen, so
                              daß man an ihrer Genauigkeit zweifeln koͤnnte. Ich habe Untersuchungen
                              uͤber die Ursache dieser Verschiedenheiten angestellt. Folgendes sind die
                              Hauptresultate dieser Arbeit.
                           Zuerst suchte ich auszumitteln, mit welchen Verhaͤltnissen von Chlor, Wasser
                              und Kalk man bei dem moͤglich geringsten Volumen die groͤßte Menge
                              Chlor in festen Zustand versezen, oder mit anderen Worten, den die groͤßte
                              Anzahl von Graden anzeigenden Chlorkalk erhalten kann.
                           Ich habe Kalkhydrate dargestellt, mit
                           
                              
                                 2
                                 Aequivalenten
                                 Kalk
                                 und
                                 1 Wasser. 
                                 
                              
                                 2
                                      –
                                   –
                                  –
                                 2    –
                                 
                              
                                 2
                                      –
                                   –
                                  –
                                 3    –
                                 
                              
                                 2
                                      –
                                   –
                                  –
                                 4    –
                                 
                              
                           Ich habe sie nach einander gesaͤttigt, indem ich sehr langsam einen Strom
                              Chlor hindurchstreichen ließ. Die erhaltenen Resultate wichen von den hier
                              angegebenen nur unbedeutend ab: das aus 2 Aeq. Kalk und 1 Wasser gebildete Hydrat
                              nahm davon auf 1/2 Chlor.
                           
                              
                                 
                                 Das aus
                                 
                                 
                              
                                 2
                                 Kalk und 2 Wasser bestehende absorbirte
                                 1 Chlor.
                                 
                              
                                 
                                 Das aus
                                 
                                 
                              
                                 2
                                 Kalk und 3 Wasser bestehende, nahm davon auf
                                 1 Chlor.
                                 
                              
                              
                                 
                                 Das aus
                                 
                                 
                              
                                 2
                                 Kalk und 4 Wasser bestehende, absorbirte
                                 1 Chlor.
                                 
                              
                           Daraus geht hervor:
                           daß das aus 2 Aeq. Kalk und 2 Wasser bestehende Hydrat, welches auch Hr. Welter vorschrieb, am meisten Chlor aufnimmt;
                           daß, sobald das Hydrat auf andere Art zusammengesezt ist, das Chlor demjenigen dieser
                              beiden Koͤrper proportional bleibt, welcher in geringerer Menge vorhanden
                              ist;
                           daß in diesem Falle der Ueberschuß an Kalk oder Wasser unnuͤz in dem
                              Chloruͤr bleibt.
                           Nun wollen wir sehen, wie man in den meisten Fabriken verfaͤhrt.
                           Der gebrannte Kalk wird in gitterartig geflochtene Koͤrbe gebracht und so in
                              Wasser getaucht; nachdem er davon so viel verschlukt hat, als er konnte, nimmt man
                              ihn heraus, und oft sogar noch fruͤher; man haͤuft ihn sodann an der
                              Luft auf, worauf er bald zu Pulver zerfallt. In diesem Zustande haͤlt er
                              Wasser zuruͤk und dieses Hydrat sezt man nun der Einwirkung des Chlors
                              aus.
                           Ich habe gefunden, daß der gebrannte Kalk, welcher hier bereitet wird, bei dieser
                              Behandlung auf zwei Aeq. auch zwei Aeq. Wasser verschlukt, aber nachdem er zerfallen
                              war, nur noch etwas weniges mehr als Ein Aeq. davon enthielt.
                           Der Fabrikant muß also nothwendiger Weise besorgt seyn, das auf die angegebene Weise
                              bereitete Hydrat wieder mit eben so viel Wasser zu versezen, als verdampft ist. Man
                              kann ohne großen Nachtheil einen kleinen Ueberschuß davon zusezen, weil er, wenn man
                              die Quantitaͤt verdoppelt, nur 13 Procent von dem Chloruͤr
                              betraͤgt, waͤhrend hingegen durch die Verdampfung Eines Aeq. Wasser 25
                              Procent uͤberschuͤßiger Kalk entstehen.
                           Meine Resultate stimmen mit denjenigen von Dr.
                              Ure nicht uͤberein. Es war mir nicht
                              moͤglich, den Kalk mit einer groͤßeren Menge Chlor, als Hr. Welter angibt, zu verbinden.
                           
                        
                           Zersezung des Chlorkalks.
                           Diese Zersezung kann je nach den verschiedenen Ursachen auf mehrfache Art Statt
                              finden. Unter diese Ursachen gehoͤren die Waͤrme und die Luft.
                           Durch die Einwirkung der Waͤrme kann der Chlorkalk
                              entweder ohne besonderes Hinzuthun, waͤhrend der Vereinigung des Chlors mit
                              dem Kalk, oder durch Erhizen des bereits gebildeten Chloruͤrs zersezt
                              werden.
                           Ueber die bei der Vereinigung des Chlors mit dem Kalk Entstehende Waͤrme. Wenn man einen Strom
                              Chlor sehr langsam in
                              Kalkhydrat leitet, erhoͤht sich die Temperatur dieses Koͤrpers nicht
                              uͤber diejenige der umgebenden Luft. Wenn die Entbindung des Chlors
                              beschleunigt wird, erhoͤht sich die Temperatur des Hydrats an der Stelle, wo
                              die Vereinigung Statt findet um so mehr, je lebhafter die Chlorentbindung, und je
                              diker die Masse ist. Davon kann man sich uͤberzeugen, wenn man ein
                              Thermometer in das Hydrat stekt.
                           Chlorkalk, welchen ich in der Kaͤlte bereitete, zeigte immer 100 Grad; ich
                              habe auch Chloruͤr in der Waͤrme bereitet und als ich den Durchmesser
                              des glaͤsernen Cylinders verschieden abaͤnderte und das
                              Hindurchstroͤmen des Chlors mehr oder weniger beschleunigte, zeigte der
                              Thermometer 30, 40, 60, 87, 87, 119° (C.); es entband
                                 sich aber kein Sauerstoff. Das erhaltene Chloruͤr zeigte
                              66°.
                           Ich habe Chloruͤr zum Theil in der Waͤrme, zum Theil aber in der
                              Kaͤlte und umgekehrt, dargestellt. Das zu dem Versuch verwandte
                              Chloruͤr zeigte
                           
                              
                                 bei dem in der
                                 Kaͤlte bereiteten Theil
                                 100°
                                 
                              
                                  –   –
                                      –   –
                                 Waͤrme bereiteten
                                   66°
                                 
                              
                           in den, den Abaͤnderungen der Temperatur
                              entsprechenden
                           
                              
                                 Graͤnzen oder in den Gemengen beider
                                    Theile
                                  75°,83° etc.
                                 
                              
                                 In diesem Falle schwankte der Gehalt immer
                                    zwischen
                                  66° u. 100°
                                 
                              
                           Ich habe bei jedem Versuche die Quantitaͤt des verschlukten Chlors bestimmt;
                              sie war immer in dem Verhaͤltniß von
                           
                              
                                 
                                 1 
                                 Aequivalent Chlor
                                 
                              
                                 auf 
                                 2
                                 Aequivalent Hydrat.
                                 
                              
                           Wenn Unterschiede Statt fanden, zeigten sie gewoͤhnlich einen geringen
                              Ueberschuß von Chlor an, und waren unbedeutend. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß
                              wenn man in der Kaͤlte arbeitet, das Chlor unveraͤndert mit Kalk in
                              Verbindung bleibt; daß aber, wenn man in der Waͤrme arbeitet, 33 Procent oder
                              1/3 des Chlors nicht mehr als Chlorkalk auf die Fluͤssigkeit im Chlorometer
                              wirken; und daß. wie groß auch die freiwillige Erhoͤhung der Temperatur seyn
                              mag, der Verlust niemals 33 Procent uͤberschreitet.
                           Ich fuͤhre diesen lezteren Umstand ausdruͤklich an, weil ich anfangs
                              der Meinung war, daß der Verlust mit der Erhoͤhung der Temperatur in geradem
                              Verhaͤltnisse stehe, so wie man bei der Bereitung des chlorsauren Kalis um so
                              weniger Chlorkali und um so mehr chlorsaures Salz erhaͤlt, je concentrirter
                              die Kaliaufloͤsung ist, und je mehr sich die Temperatur bei der Vereinigung
                              erhoͤht. Dieß ist wenigstens die Meinung von Berthollet, welche seitdem in den meisten chemischen Lehrbuͤchern
                              wiederholt wurde.
                           
                        
                           
                           Ueber die Wirkung der Waͤrme, welche nach der
                                 Vereinigung des Chlors mit dem Kalk, angewandt wird.
                           Die Wirkung der Waͤrme auf das trokne Chloruͤr ist von mehreren
                              Chemikern, unter anderen von Welter und Ure untersucht worden. Ich will hier nur in Erinnerung
                              bringen, daß Welter durch Erhizen ein Vol. Sauerstoff
                              entband, welches dem mit dem Kalkhydrat verbundenen Chlor entsprach; daß hingegen
                              Dr. Ure durch Anwendung der Waͤrme zuerst
                              Chlor, dann Euchlorine und endlich Sauerstoff erhielt, jedoch in
                              veraͤnderlichen Verhaͤltnissen.
                           Als ich diese Versuche sowohl mit solchem Chlorkalk, welcher in der Kaͤlte,
                              als auch mit solchem, welcher in der Waͤrme bereitet war, wiederholte,
                              erhielt ich in einigen Faͤllen Sauerstoff ohne merkliche Beimengung von
                              Chlor, und aus beiden Chloruͤren, gleiches Volum. Ein anderes Mahl erhielt
                              ich Chlor und Sauerstoff in derselben Folge wie Dr.
                              Ure, ohne daß ich uͤbrigens bestimmen konnte, ob
                              diese Gasarten mit Euchlorine vermischt waren, oder nicht. Ich glaubte zu bemerken,
                              daß, wenn das Chloruͤr sehr gelinde erhizt wird, man anfangs
                              betraͤchtlich viel Chlorgas erhaͤlt, und daß man bei einem sehr
                              schnellen Erhizen, sogleich mit sehr wenig Chlor vermischtes Sauerstoffgas
                              erhaͤlt. Es ist jedoch sehr schwer, eine große Genauigkeit in diese Versuche
                              zu bringen.
                           Nun wollen wir sehen, was bei dem fluͤssigen Chloruͤr Statt findet und
                              mit demjenigen von 66° den Anfang machen.
                           Wenn man troknen Chlorkalk mit Wasser abreibt, wird Ein Aequiv. Kalk abgeschieden;
                              man kann diesen mit der Fluͤssigkeit in Beruͤhrung lassen, oder durch
                              Filtriren abscheiden. Fuͤllt man mit der einen oder anderen dieser
                              Fluͤssigkeiten, einen Kolben, welcher mit einem zur Aufsammlung von Gasarten
                              geeigneten Apparate verbunden ist, ganz voll, so sammeln sich sogleich einige
                              Blaͤschen oben in dem Gefaͤße. Wenn man erhizt, so wird die Entbindung
                              der Blasen beschleunigt, ein kleiner Theil der Fluͤssigkeit geht in die Gloke
                              und das Gas nimmt bald den oberen Theil derselben ein. Sobald die Temperatur bis zum
                              Siedepuncte der Fluͤssigkeit erhoͤht ist, dauert die Gasentbindung
                              gleich rasch etwa eine halbe Stunde lang; nach dieser Zeit vermindert sie sich und
                              nach einigen Stunden entbindet sich nur wenig mehr. Das Gas ist reines
                              Sauerstoffgas. Wenn man, an Statt den Ballon ganz mit der Fluͤssigkeit
                              anzufuͤllen, im oberen Theile einen mit Luft erfuͤllten Raum
                              laͤßt, und die Fluͤssigkeit erhizt, so bleibt sie darin, und man kann
                              sehr genau das Vol. des Sauerstoffs messen, welchen diese Quantitaͤt
                              Fluͤssigkeit geben kann. Man findet auf diese Art, daß der Chlorkalk bis auf
                              ungefaͤhr 1/300. durch das Sieden zersezt wird. Waͤhrend der Bereitung
                              des Chloruͤrs, kann die Waͤrme 1/3 seiner Bleichkraft zerstoͤren, und wenn es
                              einmahl aufgeloͤst ist, zerstoͤrt das Sieden die zwei anderen
                              Dritttheile.
                           Um die in der filtirten Fluͤssigkeit (welche nicht mehr auf die
                              Fluͤssigkeit im Chlorometer wirkte) enthaltenen Substanzen zu analisiren,
                              habe ich damit folgende Versuche angestellt. Durch eine Aufloͤsung von
                              einfach kohlensaurem Kali habe ich daraus den Kalk als einfachkohlensauren Kalk
                              gefaͤllt. Beim vorsichtigen Verdampfen gab die Fluͤssigkeit
                              nacheinander chlorsaures Kali und Chlorkalium. Das chorsaure Kali wurde durch
                              oͤfteres Umkrystallisiren gereinigt und dann getroknet. Das Chlorkalium wurde
                              zur Trokniß verraucht und geschmolzen. Das Mittel der erhaltenen Quantitaͤten
                              ergibt folgende Zusammensezung:
                           
                              
                                   1
                                 Aequivalent
                                 oder
                                 Atom
                                 chlorsauren Kalk; 
                                 
                              
                                 16
                                      –
                                   –
                                    –
                                 Chlorcalcium.
                                 
                              
                           Man kann die filtrirte Chlorkalkaufloͤsung zur Analyse verwenden, ohne sie
                              vorher zu sieden; langsames Abdampfen gibt dieselben Resultate.
                           Als ich die Aufloͤsung des Chloruͤrs von 100° eben so
                              behandelte, wie die des Chloruͤrs von 66°, erhielt ich im Mittel
                              folgende Producte:
                           1 Aequivalent chlorsauren Kalk und etwas weniger als 17 Aequivalente
                              Chlorcalcium.
                           Diese Resultate naͤhern sich denjenigen, welche mit dem Chloruͤr von
                              66° erhalten wurden, so sehr, daß man daraus folgern kann, daß die
                              Aufloͤsung des lezteren beim Erhizen ganz zersezt wird und auch eine Menge
                              Sauerstoffgas entbindet, welche zwei Drittheilen des darin enthaltenen Chlors
                              entspricht.
                           Ein allgemeines Resultat dieser Zersezungen durch die Waͤrme, ist also, daß
                              der Kalk die Eigenschaft hat, unter diesen Umstaͤnden das Chlor in
                              Chlorsaͤure zu verwandeln. Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, daß
                              Chlorkalk von 66°, durch die Waͤrme zwei ganz verschiedene Zersezungen
                              erleidet: durch die bei seiner Bildung frei werdende Waͤrme, hoͤren 33
                              Procent Chlor auf, Chlorkalk zu seyn, ohne daß Sauerstoff entbunden wird; durch
                              Erhizen seiner Aufloͤsung, hoͤren auch die uͤbrigen 66 Procent
                              auf, Chlorkalk zu seyn, aber es entbindet sich dann eine ihnen entsprechende Menge
                              Sauerstoffgas. Andererseits erhaͤlt man aus der Fluͤssigkeit 16 bis 17
                              Arome Chlorcalcium auf 1 chlorsauren Kalk; wenn wir annehmen, daß es deren 17 sind,
                              und das Atom des chlorsauren Kalks hinzufuͤgen, so haben wir im Ganzen 18
                              Atome Chlor, welche sich auf folgende Weise vertheilen: waͤhrend der ersten
                              Zersezung erzeugen 6
                              Atome Chlor Ein Atom chlorsauren Kalk und waͤhrend der zweiten entstehen mit
                              den 12 anderen Atomen Chlor, 12 Atome Chlorcalcium.
                           Da Chlorkalk von 100° dieselbe Menge chlorsaures Salz und Chlorcalcium gibt,
                              so ist es erwiesen, daß seine Aufloͤsung durch das Erhizen die beiden so eben
                              besprochenen Arten von Zersezung erleidet. Diese Chloruͤre sind also
                              folgendermaßen zusammengesezt:
                           Das Chloruͤr von 100°. – So wie es
                              Welter angab, das heißt, es enthaͤlt
                           
                              
                                 18  At.
                                 Chlor; 
                                 
                              
                                 36  –
                                 Wasser; 
                                 
                              
                                 36  –
                                 Kalk;
                                 
                              
                           diese geben fuͤr das trokene
                                 Chloruͤr von 66°,
                           
                              
                                 12 At.
                                 basischen Chlorkalk; 
                                 
                              
                                   5  –
                                 Chlorcalcium; 
                                 
                              
                                   1  –
                                 chlorsauren Kalk; 
                                 
                              
                                   6  –
                                 Kalkhydrat;
                                 
                              
                                   6  –
                                 Wasser.
                                 
                              
                           Wenn man das Chloruͤr von 66° aufloͤst, sondern sich 18 At. Kalk
                              ab;
                           
                              
                                   5 At.
                                 Chlorcalcium,
                                 
                              
                                   1  –
                                 chlorsaurer Kalk, 
                                 
                              
                                 12  –
                                 neutraler Chlorkalk,
                                 
                              
                           bleiben in der Fluͤssigkeit. Wird diese gehoͤrig
                              abgedampft, so verwandelt sie sich in
                           
                              
                                   1 At.
                                 chlorsauren Kalk; 
                                 
                              
                                 17  –
                                 Chlorcalcium.
                                 
                              
                           Diese Theorie erklaͤrt alle beobachteten Erscheinungen; sie stimmt jedoch eben
                              so wenig wie die Thatsachen, welche ihre Grundlage bilden, mit den von Dr. Ure erhaltenen Resultaten uͤberein. Einige
                              Versuche, welche ich in der Absicht anstellte, zu erfahren, wieviel Chlor in dem in
                              Wasser unaufloͤslichen Theil des Chloruͤrs zuruͤkbleibt, gaben
                              mir als Resultat 1/77 von dem ganzen Chlorgehalte. Ich uͤbergoß
                              naͤmlich nach Dr. Ure's Vorschrift den
                              Ruͤkstand mit verduͤnnter Salzsaͤure, um das Chlor zu
                              entbinden. Diese Quantitaͤt kann keinesweges in Betracht kommen und wenn Ure keine betraͤchtlichere erhielt, kann sie die
                              von Welter angegebene Zusammensezung nicht im geringsten
                              in Zweifel sezen.
                           
                        
                           Ueber die Wirkung der Luft auf den Chlorkalk.
                           Der Chlorkalk kann entweder in fester Gestalt, oder in Wasser aufgeloͤst, der
                              Luft ausgesezt werden. Wenn man eine Aufloͤsung von Chlorkalk, sie mag
                              filtrirt seyn oder nicht, der Luft aussezt, bildet sich auf ihrer Oberflaͤche
                              ein Haͤutchen von einfachkohlensaurem Kalk und sie verbreitet einen schwachen Chlorgeruch.
                              Zerbricht man diese Kruste, so wird sie durch eine neue ersezt und es verbreitet
                              sich wieder Chlorgeruch. Dieses Verfahren kann oͤfters mit gleichem Erfolg
                              wiederholt werden. Man kann also annehmen, daß die Kohlensaͤure der Luft in
                              diesem Falle das Chloruͤr auf die Art zersezt, daß sie sich des Kalks
                              bemaͤchtigt und das Chlor austreibt. Ueberlaͤßt man hingegen die
                              Aufloͤsung sich selbst, nachdem sie einmahl mit einem Hautchen von
                              einfachkohlensaurem Kalk bedekt ist, so wird sie dadurch gegen die Beruͤhrung
                              der Luft geschuͤzt. Gasblasen sammeln sich dann bald unter der Kruste,
                              erheben sie an den Stellen, wo sich mehrere vereinigt haben, zerreißen sie und
                              entweichen in die Luft. Diese Zersezung des Chlorkalks scheint in der
                              Fluͤssigkeit selbst unabhaͤngig von der Luft vor sich zu gehen. Um
                              mich dessen zu versichern, habe ich einen mit einem Apparate zum Aufsammeln der
                              Gasarten verbundenen Kolben mit Chlorkalkaufloͤsung gefuͤllt und sich
                              selbst uͤberlassen. Die Gasentbindung dauerte mehrere Wochen und wurde
                              waͤhrend der heißen Tage etwas beschleunigt. Das Gas wurde nach mehreren
                              Versuchen fuͤr reines Sauerstoffgas erkannt. Es tritt also hier dieselbe
                              Erscheinung, wie bei Anwendung der Wanne, nur viel langsamer ein.
                           Andererseits verloren filtrirte Aufloͤsungen, nachdem sie mehrere Monate sich
                              selbst uͤberlassen worden waren, alle ihre bleichende Kraft, ohne daß sich
                              ein Niederschlag bildete. Die einzige bemerkbare feste Substanz war eine Kruste von
                              einfachkohlensaurem Kalk, welche durch das Gas in die Hoͤhe getrieben worden
                              war und in einiger Entfernung von der Fluͤssigkeit stehen blieb. Dieselbe
                              Erscheinung stellte sich sowohl am Licht, als in der Dunkelheit ein, was ganz mit
                              den schon beschriebenen Wirkungen uͤbereinstimmt.
                           Wenn man troknes Chloruͤr von 100° der Luft aussezt, bleibt es mehrere
                              Stunden lang pulverig, bald aber faͤrbt sich seine Oberflaͤche und
                              wird feucht. Das Chloruͤr von 66° wird in wenigen Augenbliken feucht.
                              Die Schnelligkeit, womit diese Wirkung Statt hat, erklaͤrt sich
                              genuͤgend durch die Gegenwart des Chlorcalciums. Chloruͤr von
                              100°, welches in einer schlecht verschlossenen Buͤchse aus Tannenholz
                              vier Monate lang aufbewahrt worden war, verdoppelte dadurch sein Gewicht, zerstoß
                              und wurde vollstaͤndig in Chlorcalcium verwandelt, so daß es auf die
                              Fluͤssigkeit im Chlorometer nicht mehr wirkte. Der trokne und
                              aufgeloͤste Chlorkalk scheinen also auf gleiche Weise zersezt zu werden, wenn
                              man sie mit der Luft in Beruͤhrung laͤßt. Der Gang der Zersezung,
                              welchen Herr Gay-Lussac angibt, findet also nur
                              bei dem aufgeloͤsten Chloruͤr Statt, dessen Oberflaͤche man
                              immer wieder erneuert. Nur in diesem Falle wird die Aufloͤsung des Chloruͤrs durch die
                              Kohlensaͤure der Luft in kohlensauren Kalk und gasfoͤrmiges Chlor,
                              welches sich in die Luft verbreitet, zersezt. Durch die Beruͤhrung des
                              Chlorkalks von 100° mit der Luft scheint also bei der gewoͤhnlichen
                              Temperatur der Atmosphaͤre und waͤhrend einer hinreichend langen Zeit,
                              alles Chloruͤr geradezu in Chlorcalcium umgeaͤndert zu werden, ohne
                              daß ein Drittel sich in chlorsauren Kalk und Chlorcalcium verwandelt, wie dieses bei
                              Anwendung von Waͤrme Statt findet. Man erhaͤlt
                           
                              
                                 1
                                 Atom
                                 Chlorcalcium auf
                                 
                              
                                 1
                                    –
                                 Chlorkalk.
                                 
                              
                           Durch die Zersezung des Chlorkalks von 66° an der Luft muͤssen
                              dieselben Producte entstehen, wie bei der Zersezung durch die Waͤrme,
                              naͤmlich:
                           
                              
                                   1 Atom
                                 chlorsaurer Kalk; 
                                 
                              
                                 17    –
                                 Chlorcalcium.
                                 
                              
                           
                        
                           Ueber das Chlorkali.
                           Die Aufloͤsung des Chlorkalks und die des Chlorkalis wirken auf
                              aͤhnliche Weise auf die organischen Faͤrbestoffe. Es war mir
                              wahrscheinlich, daß ich durch die vergleichende Untersuchung dieser Koͤrper
                              Aufklaͤrung uͤber verschiedene mir noch nicht klare Puncte erhalten
                              wuͤrde. Um nicht unnuͤzer Weise meine Versuche verwikelt zu machen,
                              wandte ich zu den Versuchen, wovon ich jezt die Resultate anfuͤhren will,
                              reines kaustisches Kali anstatt des einfachkohlensauren an.
                           Wenn man einen Strom Chlor in eine concentrirte Aufloͤsung von
                              einfachkohlensaurem oder reinem Kali leitet, erhizt sich bekanntlich die
                              Fluͤssigkeit und es entsteht chlorsaures Kali. Ebenso weiß man auch, wie ich
                              bereits fruͤher bemerkt habe, daß man desto mehr chlorsaures Salz
                              erhaͤlt, je concentrirter die Fluͤssigkeit ist. Da ich zu erfahren
                              wuͤnschte, ob diese Behauptung gegruͤndet ist, und also die
                              Quantitaͤten des chlorsauren Kalis dem verschiedenen Zustande der
                              Concentration entsprechen, bereitete ich Aufloͤsungen von Kali in folgenden
                              Verhaͤltnissen:
                           
                              
                                 1
                                 Theil
                                 Kali
                                 und
                                   2 Wasser. 
                                 
                              
                                 1
                                    –
                                   –
                                   –
                                   4
                                       –
                                 
                              
                                 1
                                    –
                                   –
                                   –
                                 16    –
                                 
                              
                           Alle drei absorbirten, als ich sie mit Chlor saͤttigte, eine gleiche Menge
                              davon, hoͤchstens etwa so viel mehr, als das Wasser aufloͤsen konnte,
                              welches das Kali in Aufloͤsung erhielt. Die beiden ersteren erhizten sich
                              stark. Sie hatten Krystalle von chlorsaurem Kali abgesezt, welche mit ein wenig
                              pulverigem kohlensaurem Mangan vermengt waren, welches von der Zersezung des von dem
                              Chlor mitgerissenen
                              salzsauren Mangans herruͤhrten. Das chlorsaure Salz wurde durch
                              Aufloͤsen in Wasser davon getrennt, und mit der uͤbrigen
                              Fluͤssigkeit abgeraucht. Waͤhrend des Abdampfens bildete sich
                              Chlorkalium, und Sauerstoff entband sich mit dem Chlor, welches die
                              Fluͤssigkeit aufgenommen hatte. Das chlorsaure Kali und das Chlorkalium waren
                              nach ihrer Trennung in folgendem Verhaͤltnisse:
                           1 Aequivalent chlorsaures Kali und ein wenig mehr als 18 Aequivalente
                              Chlorkalium.
                           Eine Aufloͤsung von Kali in 16 Theilen Wasser, erhizte sich nicht; sie sezte
                              kein chlorsaures Kali ab; dieses mußte man auch erwarten, weil sie noch viel mehr
                              verduͤnnt war, als diejenige, welche Herr Gay-Lussac als geeignet empfiehlt, um die Bildung von chlorsaurem
                              Kali und Chlorkalium zu vermeiden. Wie die vorhergehenden abgedampft, gab sie jedoch
                              diese beiden Koͤrper in dem Verhaͤltniß von 1 Aequivalent chlorsaurem
                              Kali und etwas weniger als 18 Aequivalenten Chlorkalium. Das Mittel der drei
                              Versuche ist 1 gegen 18. Daraus geht hervor:
                           Daß es gleichguͤltig ist, ob man zur Bereitung des chlorsauren Kalis eine mehr
                              oder weniger concentrirte Aufloͤsung nimmt; daß das Chlorkali durch die
                              Waͤrme in chlorsaures Kali und Chlorkalium verwandelt wird, gerade so wie
                              dieses mit der Chlorkalkaufloͤsung der Fall ist und daß jede
                              Erwaͤrmung bei der Bereitung des Chlorkalks daher sorgfaͤltig
                              vermieden werden muß; daß diese Koͤrper in gleichem stoͤchiometrischen
                              Verhaͤltnisse gegen einander stehen, wie die durch Zersezung des
                              fluͤssigen Chlorkalks entstehenden Producte. Es werden folglich:
                           18 Atome Chloruͤr, welche 18 Chlor enthalten, beim Abdampfen zersezt, in
                           
                              
                                   1 Atom
                                 chlorsaures Kali
                                 =
                                   1 Atom Chlor,
                                 
                              
                                 17    –
                                 Chlorkalium
                                 =
                                 17    –
                                          –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Im Ganzen
                                 
                                 18 Atome.
                                 
                              
                           Es findet also die vollkommenste Analogie zwischen dem Kalk- und
                              Kalkchloruͤr Statt. Wahrscheinlich ist dasselbe auch bei dem
                              Natronchloruͤr der Fall. Ungeachtet dieser uͤbereinstimmenden
                              Resultate, glaube ich dennoch, daß man bei irgend einem Umstande, den ich nicht
                              treffen konnte, eine groͤßere Menge chlorsaures Salz erhaͤlt, denn Chenevix erhielt von diesem Salze
                           
                              
                                 
                                 16 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 auf
                                 84 Theile Chlorkalium, also ungefaͤhr zweimahl
                                    soviel als ich.
                                 
                              
                           
                        
                           Allgemeine Folgerungen.
                           Die erste, worauf ich bestehe, bezieht sich auf die Fluͤssigkeit des
                              Chlorometers selbst. Als ich ihren Gebrauch vorschlug, schien sie keine hinreichend
                              große Genauigkeit darzubieten, um zu Versuchen angewandt werden zu koͤnnen, ohne daß zuvor ihre
                              Unvollkommenheiten, welche verschiedene Resultate herbeifuͤhrten, beseitigt
                              worden waͤren. Ich fand in der That sehr große Unterschiede im Chlorgehalt
                              von solchen Praͤparaten, bei deren Bereitung alle zu ihrer Saͤttigung
                              noͤthigen Bedingungen erfuͤllt worden zu seyn schienen. Die
                              Pruͤfung mit Indigaufloͤsung schien sehr merkliche Verschiedenheiten
                              in der Zusammensezung anzuzeigen; aber die Fluͤssigkeit konnte selbst bei dem
                              Versuche zu große und offenbar von ihr abhaͤngende Unterschiede anzeigen, als
                              daß man einzig und allein auf diesem Wege einen richtigen Begriff von diesen
                              Unterschieden haͤtte erhalten koͤnnen. Durch einen Versuch des Herrn
                              Clement, wobei er fand, daß die waͤhrend der
                              Vereinigung entbundene Waͤrme, den Werth (oder Chlorgehalt) des Chlorkalks
                              vermindern kann, wurde ich veranlaßt, die beschriebenen Untersuchungen
                              anzustellen.
                           Ein Umstand bei dem Versuch mit der Manganfluͤssigkeit brachte mich auf die
                              Meinung, daß die Verschiedenheiten nicht von der Fluͤssigkeit selbst
                              herruͤhren; sie zeigte naͤmlich immer 100 Grad mit der
                              Probefluͤssigkeit von Welter, naͤmlich mit
                              einer Chloraufloͤsung, die ein gleiches Vol. Gas enthaͤlt. Die
                              Versuche, wovon ich die Resultate vorgelegt habe, zeigen genuͤgend, daß die
                              zuvor bei der Anwendung der Manganfluͤssigkeit beobachteten
                              Verschiedenheiten, ein Beweis ihrer (der Fluͤssigkeit) Genauigkeit sind. Der
                              haͤufige Gebrauch, welchen ich davon machte, zeigte mir, daß sie mehrere
                              Monate lang aufbewahrt werden kann, ohne daß sie sich zersezt. Nach dieser Zeit
                              bildet sich jedoch darin ein kleiner brauner Niederschlag; um die Entstehung des
                              Niederschlages zu verhindern, muß man das Liter der Fluͤssigkeit mit 10
                              Tropfen reiner Salzsaͤure versezen. Dieser Zusaz schadet bei dem Versuche
                              nicht und schien mir den beabsichtigten Zwek zu erreichen. Wenn sie aber sich
                              fuͤr immer erhalten sollte, was ein laͤngerer Gebrauch zeigen wird, so
                              muß man beruͤksichtigen, daß eine Verminderung ihrer Staͤrke bei
                              weitem keine solchen wichtigen Folgen hat, als die Moͤglichkeit eines
                              verschiedenen Resultates bei Versuchen, die zu gleicher Zeit angestellt werden.
                              Dieses gilt von allen Probefluͤssigkeiten, die man jemals entdeken wird: denn
                              in einer Chlorkalkfabrik kann man sich sehr leicht die zur Norm dienende
                              Chloraufloͤsung verschaffen. Wenn die Probefluͤssigkeit von ihrer
                              Staͤrke verloren und man nicht Zeit haͤtte, sie wieder auf den
                              gehoͤrigen Grad zu bringen, so wuͤrde eine einfache Rechnung nach der
                              Regel de Tri hinreichen, um den wirklichen Grad des Chloruͤrs zu
                              erfahren.
                           Die bis jezt in Vorschlag gebrachten Verfahrungsweisen, den Chlorgehalt der
                              Chloruͤre zu bestimmen, sind zweifacher Art; die einen beziehen sich auf das
                              schaͤzbare Instrument des Herrn Gay-Lussac,
                              die anderen aber nicht. Diese lezteren Verfahrungsweisen haben den Nachtheil, daß
                              sie den Gegenstand verwikeln, und obgleich sie aus der besten Absicht, der Industrie
                              nuͤzlich zu seyn, hervorgingen, so werden ihr doch nur die ersteren wahrhaft
                              nuͤzlich seyn koͤnnen.
                           Fabrikation des Chlorkalks. Die Waͤrme ist die Hauptursache des Verlustes bei der Bereitung des
                              Chlorkalks und muß also von den Fabrikanten moͤglichst vermieden werden. Die
                              beste Art, dieses zu bewirken, ist fuͤr den Fall, daß der Chlorkalk an Ort
                              und Stelle verbraucht wird, diese, ihn in fluͤssigem Zustande zu bereiten.
                              Selbst in diesem Falle sind aber Vorsichtsmaßregeln noͤthig, um diesen
                              Verlust gaͤnzlich zu vermeiden. Der Apparat des Herrn Clement, welcher in allen seinen Theilen mit großem Scharfsinn ausgedehnt
                              ist, beseitigt alle nachtheiligen Umstaͤnde, wenn man sich anders desselben
                              mit Verstand bedient.
                           Will man Chlor versenden, so muß es troken seyn. Bei einer niedrigen Temperatur ist
                              es sehr schwer, eine rasche Absorbtion des Gases zu bewirken. Es ist wesentlich
                              noͤthig, daß man alle Umstaͤnde, welche hierzu beitragen,
                              benuͤzt. Der erste ist, daß die anfaͤngliche Temperatur des Kalks sehr
                              niedrig ist. Im Sommer ist es fast unmoͤglich, ein Chloruͤr zu
                              erhalten, ohne daß selbst bei sehr langsamer Chlorentbindung Waͤrme frei
                              wird. Im Winter ist dieses nicht so schwierig. Man muß also einen kuͤhlen Ort
                              waͤhlen, und wenn man dieses nicht kann, waͤhrend des Sommers in einem
                              Keller arbeiten. – Wenn der Fabrikant außer der Waͤrme noch andere
                              Umstaͤnde, die einen Verlust verursachen koͤnnen, nicht
                              beruͤksichtigt, wie z.B. einen Ueberschuß an Wasser oder gar an Kalkhydrat,
                              so wird er ein Chloruͤr von sehr geringem Chlorgehalt, oft unter 50°,
                              wie man es oft in den Handel bringt, erhalten. Der Chlorkalk muß immer an einem
                              kuͤhlen Orte und in gut verschlossenen Gefaͤßen aufbewahrt werden,
                              damit die freiwillige Zersezung, wodurch er in Chlorcalcium uͤbergeht, und
                              die Beruͤhrung mit der Luft, welche ihm Feuchtigkeit verschafft,
                              moͤglichst vermieden werden.
                           Ueber den Chlorkalk als desinficirendes Mittel. In
                              Aufloͤsung auf die Oberflaͤche eines Koͤrpers gebracht, wirkt
                              der Chlorkalk energisch auf die anstekenden Stoffe desselben. Er hat vor dem
                              gasfoͤrmigen oder fluͤssigen Chlor den großen Vortheil, in demselben
                              Raume ein viel groͤßeres Gewicht von Chlor zu vereinigen. Man hat ihm auch
                              eine desinficirende Wirkung auf die Luft zugeschrieben, welche aber nicht nur weit
                              unter denjenigen des gasfoͤrmigen Chlors ist, die aber zufolge des
                              Vorhergehenden, nur dann Statt zu finden scheint, wenn man die Fluͤssigkeit
                              so bewegt, daß man die Wirkung der Luft auf ihre Oberflaͤche erneuert. Diese Methode, der
                              Fluͤssigkeit eine desinficirende Wirkung auf die Luft zu verschaffen, ist
                              viel zu wenig wirksam und zu unbequem, als daß ihr die Entbindung
                              gasfoͤrmigen Chlors nach der Methode von Guyton-Morveau nicht bei weitem vorzuziehen seyn sollte.
                           Ueber den Chlorkalk als Heilmittel. Fuͤr den
                              medicinischen Gebrauch ist es wichtig, daß die Praͤparate immer auf gleiche
                              Art zusammengesezt sind. Dieses laͤßt sich hier sehr leicht erhalten, wenn
                              man sich nur eines in der Waͤrme bereiteten Chloruͤrs bedient. Sonst
                              laͤuft man Gefahr, auf den Kranken eine Wirkung anszuuͤben, die um ein
                              Drittel staͤrker oder schwaͤcher seyn kann. Man braucht nur zu
                              erwaͤgen, daß vier Theile Chloruͤr von 66° eben so viel gelten,
                              als 3 von 100° und man kann, wenn man ersteres
                              verschreibt, sich darauf verlassen, daß die Unregelmaͤßigkeiten in der
                              Wirkung nicht von dem Chloruͤr herruͤhren.
                           
                        
                           Zusaz.
                           In dieser Abhandlung des Hrn. Morin werden viele
                              Thatsachen angefuͤhrt, welche schon seit laͤngerer Zeit vollkommen
                              erwiesen und bereits allgemein bekannt sind. Die unrichtigen Behauptungen des Herrn
                              Dr. Ure uͤber mehrere den Chlorkalk
                              betreffende Puncte, habe ich vor Hrn. Morin bereits in
                              meiner Abhandlung uͤber den Chlorkalk (in diesem Journal Bd. XXVI., S. 223)
                              auf eine mehr evidente Weise widerlegt und berichtigt. – Herr Morin schlaͤgt den Gebrauch des salzsauren
                              Manganoxyduls als Fluͤssigkeit im Chlorometer vor. Sein Verfahren ist aber
                              sehr unvollstaͤndig und undeutlich beschrieben; er gibt gar nicht an, wie er
                              sein salzsaures Manganoxydul bereitet, ob dieses freie Saͤure
                              enthaͤlt, oder neutral ist, u.s.w.; daß es kein reines Praͤparat war,
                              erhellt aus der Bemerkung, daß die chlorometrische Fluͤssigkeit mit der Zeit
                              einen braunen Niederschlag (Eisenoxyd?) absezt (welches bekanntlich bei dem reinen
                              Salze nie der Fall ist) und daher mit Salzsaͤure geschaͤrft werden
                              muß, um keine Veraͤnderung der Staͤrke zu erleiden. Den Prozeß,
                              welcher bei der Reaction des Chlorkalks auf salzsaures Manganoxydul Statt findet,
                              kennt er offenbar nicht genau; Ich habe ihn S. 236 und 239 in der citirten
                              Abhandlung beschrieben. Auf der Genauigkeit, welche sein Chlorometer
                              gewaͤhrt, beruht aber einzig und allein die Richtigkeit eines großen Theiles
                              seiner Angaben. – Herr Morin fuͤhrt
                              verschiedene Versuche an, welche die Angabe des Herrn Welter bestaͤtigen sollen, daß 2 Aeq. Kalkhydrat (welche 2 Aeq.
                              Kalk auf 2 Aeq. Wasser enthalten) nur 1 Aeq. Chlor absorbiren und sich mir Hinterlassung der
                              Haͤlfte der Kalkerde, als neutraler Chlorkalk in Wasser aufloͤsen. Er
                              sagt aber nicht ob er den
                              Chlorgehalt des bei seinen Versuchen erhaltenen Chloruͤrs mittelst seines
                              Chlorometers oder durch directe Bestimmung der Gewichtszunahme des Kalkhydrats
                              ausgemittelt hat. Bekanntlich hat aber Herr Houton-Labillardiére (dessen Versuche ich vollkommen
                              bestaͤtigt gefunden habe) im Journal de Chimie
                                 medicale I. p. 501 gezeigt, daß dieß Verhalten des Chlors zum Kalkhydrat
                              unrichtig beurtheilt sey, daß bei dem gewoͤhnlichen Kalkloͤschen nicht
                              Alles in Kalkhydrat verwandelt werde, sondern ein Theil Kalk unveraͤndert
                              bleibe, auf welchen dann das Chlorgas nicht wirkt. Loͤscht man aber Kalk mit
                              Wasser in Ueberschuß, den man dann durch richtige Waͤrme verjagt, und leitet
                              Chlor uͤber dieses Hydrat, so erhaͤlt man ein in Wasser sich
                              aufloͤsendes Chloruͤr, welches 47 p. C. Kalkerde und 53 p. C. Chlor
                              enthaͤlt. – Herr Morin hat die Beobachtung
                              gemacht, daß aufgeloͤster Chlorkalk beim Sieden unter Entbindung von
                              Sauerstoffgas sich in Chlorcalcium und chlorsauren Kalk zersezt. Um das
                              Verhaͤltniß des ersteren zum lezteren auszumitteln, hat er die
                              Fluͤssigkeit mit kohlensaurem Kali gefuͤllt und sodann das chlorsaure
                              Kali von dem Chlorkalium durch Krystallisation getrennt. Dieses Verfahren kann aber
                              gar keine Genauigkeit gewaͤhren. Das Verhaͤltniß der
                              Chlorsaͤure zur Chlorwasserstoffsaͤure in der durch Sieden zersezten
                              Chlorkalkaufloͤsung haͤtte mittelst salpetersauren Silbers
                              ausgemittelt werden sollen. – Herr Morin bemerkt,
                              daß, als er Chlor durch Kaliaufloͤsung leitete, die entstandenen Krystalle
                              von chlorsaurem Kali mit kohlensaurem Manganoxydul
                              vermengt waren, weil das Chlor etwas salzsaures Manganoxydul mit sich in die
                              Kaliaufloͤsung hineingezogen hatte. Dieß muß jedoch ein Irrthum seyn, weil
                              das Mangansalz sich zufolge meiner Versuche in Beruͤhrung mit feuchtem
                              Chlorgas oder Chlorkali in Manganhyperoxydul und Mangansaͤure verwandelt.
                              Uebrigens haͤtte das Chlorgas bei diesem Versuche, ehe es in die
                              Kaliloͤsung kam, durch Wasser geleitet werden sollen. – Die Entbindung
                              gasfoͤrmigen Chlors nach der Methode von Guyton-Morveau kann dem Verfahren des Herrn Labarraque, welches sich auf die Wirkung der Luft auf die Chloralkalien
                              gruͤndet, nicht vorgezogen werden, weil lezteres fuͤr ganz andere
                              Umstaͤnde berechnet ist. – Ich behalte mir vor, Versuche uͤber
                              die Angaben des Herrn Morin, welche auf der Genauigkeit
                              seines Chlorometers beruhen, anzustellen und die Resultate in der Folge
                              mitzutheilen.
                           Emil Dingler.