| Titel: | Ueber die Schwefelsäurefabrikation von Hrn. Kuhlmann. | 
| Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XIII., S. 56 | 
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                        XIII.
                        Ueber die Schwefelsaͤurefabrikation von
                           Hrn. Kuhlmann.
                        Aus den travaux de la Soc. des Scienc. etc. de Lille im Auszuge im Journal de
                                 Pharmacie, Juni 1828. S. 299.
                        Kuhlmann, uͤber die
                           Schwefelsaͤurefabrikation.
                        
                     
                        
                           Die Erklaͤrung der chemischen Reactionen, welche bei
                              dem Verbrennen des Schwefels in den Bleikammern der
                              Schwefelsaͤure-Fabriken Statt finden, verdankt man bekanntlich den
                              Herrn Clement und Desormes.
                           Ueber die Fabrikation der Schwefelsaͤure haben die technischen Chemiker,
                              welchen sie meistentheils anvertraut ist, so viele Beobachtungen gemacht, daß es
                              heute zu Tage wenige Industriezweige gibt, welche so studirt und folglich so sehr
                              vervollkommnet worden sind.
                           Dessenungeachtet erhaͤlt man aus 100 Theilen Schwefel, welche nach der Theorie
                              durch ihre Vereinigung mit Sauerstoff 249 Theile wasserfreie Schwefelsaure und
                              folglich 328 Theile Saͤure von 66° Beaumé oder 1,840 spec. Gew.
                              geben muͤssen, im Verlauf der Fabrikation nur 260 oder hoͤchstens 290
                              Theile concentrirte Saͤure. Der Unterschied in der Quantitaͤt der
                              Saͤure, welche verschiedene Fabriken erhalten, ist sehr groß, und in
                              derselben Fabrik erhaͤlt man oft bei gleichem Fabrikationsverfahren aus
                              derselben Quantitaͤt Schwefel eine sehr verschiedene Menge Saͤure,
                              ohne daß sich in den meisten Faͤllen der Fabrikant diesen Unterschied zu
                              erklaͤren vermoͤchte.
                           Es gibt bei der Fabrikation der Schwefelsaͤure zwei Methoden, welche sich
                              dadurch unterscheiden, daß bei der ersteren, welche man die Fabrikation mir
                              fortwaͤhrender Verbrennung nennt, der Schwefel außen durch einen kleinen
                              Luftzug verbrennt, welcher die schwefliche Saͤure in die Bleikammer treibt,
                              wo sich diese Saͤure dann durch Huͤlfe der salpetrichen Saͤure
                              in Schwefelsaͤure verwandelt. Die gebildete Schwefelsaͤure wird durch
                              eine Schichte Wasser absorbirt, welche den Boden der Kammer bedekt und sich
                              allmaͤhlich mit Saͤure schwaͤngert, bis Schwefelsaͤure
                              von 40 oder 45 Graden entstanden ist; die Saͤure wird nachher nicht mehr so
                              leicht absorbirt, daher man genoͤthigt ist, die Fluͤssigkeit auf dem
                              Boden der Kammer immer durch allmaͤhlichen Wasserzusaz auf einer sehr
                              geringen Dichtigkeit zu erhalten. Dieses Verfahren hat den Vortheil, daß die Arbeit
                              ununterbrochen und regelmaͤßig fortgeht, ist aber fuͤr den Fabrikanten
                              mit Verlust verbunden, weil der Luftstrom, welchen man herstellen muß, eine große
                              Menge schwefliche Saͤure und nicht verdichtete Schwefelsaͤure mir sich
                              fortnimmt. Dessenungeachtet zieht der Fabrikant oft diese Verfahrungsart vor, weil
                              man eine groͤßere Menge Schwefel waͤhrend einer bestimmten Zeit
                              verbrennen kann, und dieser Vortheil wiegt zum Theil den einer nuzbareren Verbrennung
                              auf. Die Saͤure, welche man aus den Kammern abzieht, ist viel mehr
                              gefaͤrbt, als die, welche bei der zweiten Fabrikationsweise erhalten
                              wird.Man vergleiche auch polyt. Journ. Bd. IX.
                                       S. 187 und Bd. XII. S.
                                       89.A. d. R.
                              
                           Diese zweite Methode nennt man die Fabrikation mit unterbrochener Verbrennung.
                              Kessel, welche man Schalen nennt, werden auf eine Erhoͤhung im Innern der
                              Kammer aufgesezt und mit einer dem Rauminhalt der Kammer angemessenen Menge Schwefel
                              beschikt. Dieser Schwefel wird angezuͤndet und dann allmaͤhlich
                              salpetriche Saͤure entwikelt. Die Kammer ist geschlossen und fuͤllt
                              sich allmaͤhlich mit salpetrichen und schweflichen Daͤmpfen. Wenn
                              aller Schwefel in schwefliche Saͤure verwandelt ist, wird eine große Menge
                              Wasserdampf in die Kammer mit einer Geschwindigkeit, welche groß genug ist um darin
                              eine Bewegung der Gasarten hervorzubringen, getrieben. Dieser verdichtet sich mit
                              der Schwefelsaͤure und es entsteht ein leerer Raum, welchen man durch die
                              aͤußere Luft wieder ausfuͤllt. Nach einigen Stunden, wenn die
                              Schwefelsaͤure verdichtet ist, jagt man die innere Luft aus der Kammer,
                              welche hauptsaͤchlich aus Stikstoff und Stikstoffoxyd besteht; man
                              faͤngt sodann wieder eine neue Operation an. Die so erhaltene Saͤure
                              hat in den meisten Fabriken 45 bis 50 Grade und ist weniger gefaͤrbt als die
                              nach der ersten Methode dargestellte.
                           Wenn man nach einer Operation die Kammer ausgeleert und ihre Luft erneuert hat,
                              pflegt man, ehe eine neue Operation angefangen wird, den Boden der Kammer einen oder
                              zwei Zoll hoch mit Wasser zu bedeken, um das Blei zu schuͤzen. In diesem
                              Falle gibt jedoch der Schwefel, welcher zuerst verbrannt wird, eine stark
                              gefaͤrbte Fluͤssigkeit, welche viel auffallender nach schweflicher
                              Saͤure riecht als das gewoͤhnliche Product der Fabrikation. Dieses ist
                              ein Gemenge von schweflicher Saͤure und Schwefelsaͤure. Die Menge der
                              Schwefelsaͤure, welche man aus einem bestimmten Gewichte Schwefel
                              erhaͤlt, haͤngt auch sehr von der Staͤrke der in der Kammer
                              eingeschlossenen Saͤure ab. Wenn leztere schwach ist, werden die
                              Daͤmpfe schnell verschlukt, indem die schwefliche Saͤure
                              groͤßtentheils als solche von der Fluͤssigkeit aufgenommen wird und so
                              (bei der Concentration der Schwefelsaͤure) fuͤr den Fabrikanten rein
                              verloren geht. Die gefaͤrbte Saͤure verliert gegen 10 Procent bei
                              ihrer Concentration, waͤhrend man mit reineren Producten nur 2 1/2 bis 3
                              Procent verliert. Bei der Fabrikation mit fortwaͤhrender Verbrennung wird
                              durch diese Absorbtion ein großer Verlust verursacht, denn die Fluͤssigkeit kann nie sehr
                              concentrirt seyn und muß sich folglich leicht faͤrben. Als Herr Kuhlmann die Concentration der Fluͤssigkeiten auf
                              54 und sogar auf 56° trieb, erhielt er mehr Product und dieses fast farblose.
                              Product wurde bei der Concentration leichter weiß. Es gibt jedoch eine
                              Graͤnze, bei welcher man stehen bleiben muß; wenn naͤmlich die
                              Saͤure so concentrirt ist, daß sie das Blei und die Loͤthung angreifen
                              kann.
                           Man kann sich durch einen directen Versuch uͤberzeugen, daß die
                              Faͤrbung der Saͤure in den Bleikammern von der Absorbtion schweflicher
                              Saͤure herruͤhrt. Wenn man schwefliche Saͤure in vollkommen
                              farblose Schwefelsaͤure streichen laͤßt, faͤrbt sich diese
                              Fluͤssigkeit braun und die Absorbtion und Faͤrbung werden um so
                              großer, je weniger concentrirt die Schwefelsaͤure ist. Man bemerkt, daß, bei
                              dem Erhizen der Schwefelsaͤure mit Quecksilber, die uͤberstehende
                              Fluͤssigkeit sich dunkelbraun faͤrbt, wie wenn organische Substanzen
                              in die Saͤure gebracht worden waͤren. Diese Faͤrbung
                              ruͤhrt offenbar von der Aufloͤsung einer gewissen Menge schweflicher
                              Saͤure in der Fluͤssigkeit her; denn laͤngeres Sieden
                              entfaͤrbt die Fluͤssigkeit ebenso, wie Zusaz von Salpeter oder
                              Salpetersaͤure. Dasselbe ist der Fall bei der concentrirten
                              Schwefelsaͤure, welche geradezu durch schwefliche Saͤure
                              gefaͤrbt wurde.Diese Meinung des Herrn Kuhlmann uͤber die
                                    schwarze Faͤrbung der Schwefelsaͤure durch die schwefliche
                                    Saͤure, scheint uns nicht richtig: erstens macht sie die Natur der
                                    beiden in Beruͤhrung kommenden Koͤrper nicht wahrscheinlich,
                                    weil sie beide farblos sind; und dann scheint uns der directe Versuch nicht
                                    entscheidend, weil man die Resultate dieses Versuches sehr gut
                                    erklaͤren kann, wenn man annimmt, daß die Faͤrbung der
                                    Schwefelsaͤure von organischen Substanzen herruͤhrt, was um so
                                    wahrscheinlicher ist, weil es sehr schwierig ist zu verhindern, daß einige
                                    Theilchen dieser organischen Substanzen bei der Zusammensezung des
                                    Apparates, oder auch waͤhrend der Beruͤhrung der Saͤure
                                    mit der Luft, die immer mehr oder weniger von ihnen als Staub
                                    enthaͤlt, in die Schwefelsaͤure kommen; endlich haben wir
                                    selbst den Versuch, welcher darin besteht, schwefliche Saͤure in die
                                    Schwefelsaͤure zu leiten, im Jahre 1824 angestellt und noch
                                    neuerdings mit aller uns moͤglichen Genauigkeit wiederholt, und dabei
                                    beide Koͤrper im reinsten Zustande angewandt, aber keine
                                    Faͤrbung beobachtet; wir haben Schwefelsaͤure mit
                                    fluͤssiger und wasserfreier schweflicher Saͤure vermengt,
                                    beide in vollkommen farblosem Zustande, und es fand keine Faͤrbung
                                    Statt. – A. B. – (A. d. O.)
                              
                           Ein nicht weniger nachtheiliger Umstand als die Absorbtion der schweflichen
                              Saͤure bei der Fabrikation der Schwefelsaͤure, ist die Entstehung der
                              Schwefelblumen. Dieser Uebelstand kommt daher, daß die Schalen, welche den Schwefel
                              enthalten, zu stark erhizt wurden, und daß der Sauerstoff der Luft nicht Zutritt
                              genug hatte, um allen Schwefel zu verbrennen. Schwefelblumen bilden sich und werden
                              in die Kammer gejagt. Dieser Schwefel bleibt in der Fluͤssigkeit in so fein zertheiltem Zustande,
                              daß man anfangs glauben koͤnnte, er loͤse sich auf. Waͤhrend
                              der Concentration geht ein Theil Schwefelsaͤure verloren, indem er diesen
                              Schwefel in schwefliche Saͤure umaͤndert. Bisweilen entweicht auch
                              etwas davon in Dampfgestalt und krystallisirt in den Destillirgefaͤßen. Der
                              Fabrikant verliert durch diesen Fehler viel bei der Fabrikation, denn der Schwefel
                              wird nicht nur nicht benuzt, sondern es wird noch zweimahl soviel reine
                              Saͤure zerstoͤrt, um diesen Schwefel zu verjagen; denn um 100 Theile
                              Schwefel in schwefliche Saͤure umzuaͤndern, sind 99,40 Theile
                              Sauerstoff noͤthig, welche, wenn sie der Schwefelsaͤure entzogen
                              werden, 200 Theile dieser trokenen Saͤure in schwefliche Saͤure
                              verwandeln. Dieser Verlust ist also bei einer Saͤure von 1,840 spec. Gewicht
                              noch betraͤchtlicher; dazu kommt noch, daß sich das schweflichsaure Gas mit
                              Schwefelsaͤuredaͤmpfen saͤttigt, die es mit sich reißt. Durch
                              diese Beobachtungen konnte sich Hr. Kuhlmann eine
                              Thatsache erklaͤren, deren Erklaͤrung ihn anfangs in Verlegenheit
                              gesezt hatte. Ein Bleicher, welcher schwache Schwefelsaͤure, sogenanntes
                              Kammerwasser, gekauft hatte, um die Abdampfungskosten zu ersparen, und sich
                              desselben zur Bereitung des Chlors bediente, fand in den Roͤhren und Kufen so
                              viel Schwefel, daß dieser die Operationen verhindern konnte. Dieses Resultat wird
                              ganz erklaͤrt, wenn man die Moͤglichkeit annimmt, daß in der schlecht
                              bereiteten Saͤure eine große Menge Schwefel enthalten seyn kann; denn das
                              Chlor kann ihn, indem es Chlorschwefel bildete, mit sich genommen und bald in
                              Beruͤhrung mit dem Wasser wieder abgesezt haben.