| Titel: | Etwas über Rettungs-Anstalten bei Feuersgefahr. | 
| Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XXVI., S. 103 | 
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                        XXVI.
                        Etwas uͤber Rettungs-Anstalten bei
                           Feuersgefahr.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Etwas uͤber Rettungsanstalten bei Feuersgefahr.
                        
                     
                        
                           Die englischen Journale, vorzuͤglich das Mechanics' Magazine, sind seit dem lezten Brande, bei
                              welchem mehrere Menschen durch die musterhaft schlechten Polizei-Anstalten zu
                              London verbrannten, voll von Vorschlaͤgen, Maschinen und Vorrichtungen, Menschen aus den Fenstern
                              mit Sicherheit herabzulassen, die wir unsern Lesern nur aus dem Grunde nicht alle
                              mittheilten, weil wir die meisten beinahe fuͤr gleich gefaͤhrlich mit
                              dem Feuer selbst halten. Es gehoͤrt wahrlich die Geschiklichkeit eines
                              Matrosen dazu, um mittelst der Strik- und Drahtleitern, Mastkoͤrbe,
                              einzelnen Seile etc., die jezt in England empfohlen werden, sich aus dem zweiten,
                              dritten oder vierten Stokwerke eines Hauses herabzulassen. Die Englaͤnder,
                              noch mehr die Franzosen, selbst die umsichtigen Hollaͤnder, und
                              uͤberhaupt alle seefahrenden Voͤlker, haben eine gewisse Leichtigkeit
                              im Klettern auf Strik- und anderen Leitern, die man bei
                              binnenlaͤndischen Voͤlkern, die keine Turnschulen haben, nicht findet.
                              Die Anstalten in den meisten Haͤfen Frankreichs, Englands, Hollands, um vom
                              Kay in ein Both, und vom Bothe in das Schiff zu gelangen, sind fuͤr einen
                              Bewohner des festen Landes und uͤberhaupt fuͤr Individuen, die nicht
                              oft zu Schiffe waren, so halsbrecherisch, daß, wenn sie sich derselben mit
                              Sicherheit bedienen wollen, sie durch ihr ungeschiktes aͤngstliches Benehmen
                              dem Seemanne laͤcherlich werden, und, wenn sie so leicht sich auf denselben
                              bewegen wollen, wie der Seemann, sehr oft straucheln, in's Wasser fallen und
                              ertrinken. Es vergeht kein Jahr ohne Todesopfer der Leichtfertigkeit, mit welcher in
                              Seestaͤdten die Anstalten zum Aus- und Einsteigen in die Schiffe
                              getroffen sind: der Seedewohner traut jedem so viel Gewandtheit zu, als er selbst
                              besizt, und scheint das Leben eines Ungeschikteren gar nicht zu achten.
                           Eine aͤhnliche Leichtfertigkeit findet sich, aus denselben Gruͤnden,
                              auch bei den Rettungs-Apparaten aus Feuersgefahr, vorzuͤglich bei den
                              Englaͤndern, deren Haͤuser in ihrem Inneren manche Reminiscenz an das
                              Innere eines Schiffes gewaͤhren. Die elende Bau-Polizei in London
                              gestattet nicht bloß allgemein den Gebrauch hoͤlzerner Treppen, sondern auch
                              den Gebrauch von Rettungs-Anstalten, die eigentlich nur die Wahl zwischen
                              Erfallen und Verbrennen lassen.
                           Auch in vielen Staͤdten, selbst in vielen Hauptstaͤdten Deutschlands,
                              ist die Polizei noch nicht auf jener Stufe von Soliditaͤt, daß sie die
                              furchtbare Quelle aller Ungluͤcksfaͤlle an Menschenleben bei
                              Feuersgefahr, die unseligen hoͤlzernen Treppen oder Stiegen, selbst bei
                              neugebauten Haͤusern, verboͤthe; nur sind die
                              Rettungs-Anstalten in Deutschland etwas besser, als in England, und eine
                              deutsche Feuerleiter ist ein besseres Rettungsmittel bei Feuersgefahr, als eine
                              Draht- und Strikleiter und all das englische Takelwerk.
                           Indessen ist es auch bei diesen Feuerleitern noch immer eine Aufgabe fuͤr
                              halberwachsene Kinder, die zu schwer zum Tragen und zum Leiternsteigen noch zu
                              ungeschikt sind, fuͤr Frauenzimmer, fuͤr kraͤnkliche und
                              uͤberhaupt fuͤr unbehuͤlfliche Individuen, sich auf einer
                              Feuerleiter mit aller Sicherheit zu retten, und die traurigen Faͤlle, in
                              welchen manche, die sich aus den Flammen retten wollten, den Tod auf dem Pflaster
                              fanden, auf welches sie von der Leiter hinabstuͤrzten, wiederholen sich alle
                              Jahre.
                           Es ist nun die Frage: koͤnnte man nicht einer Feuerleiter, ohne sie zu schwer
                              und zu unbehuͤlflich zu machen, ohne sie zu sehr zu compliciren, eine solche
                              Einrichtung geben, daß man sich derselben mit groͤßerer Sicherheit, und
                              gleichsam wie einer, freilich immer etwas steilen, Treppe bedienen koͤnnte?
                              Dieß scheint uns moͤglich, wenn man bedenkt, worin eigentlich das Unsichere
                              bei dem Niedersteigen auf einer Leiter besteht. Wir finden es, fuͤr
                              Ungeuͤbte, 1) in dem Hinausschwingen des Koͤrpers auf die Leiter von
                              dem Fenster aus; 2) in der wenig festen und sicheren Stuͤze, die die Fußsohle
                              auf dem Sprießel einer Leiter findet, welcher noch uͤberdieß erst durch
                              Tappen mit dem Fuße gesucht werden muß, und oft verfehlt wird; 3) in der
                              Unbequemlichkeit und Unsicherheit, mit welcher die Hand sich hier festhalten muß; 4)
                              in der Unsicherheit, in welcher der ganze Koͤrper sich befindet, nicht bloß
                              die Leiter entlang, sondern auch an den Seiten derselben hinabfallen zu
                              koͤnnen: daher der Schwindel, das Zittern, wovon Ungeuͤbte befallen
                              werden, wenn sie sich hoch oben auf einer Leiter befinden; 5) in dem Schwingen der
                              Leiter selbst, wenn man auf derselben steigt.
                           Es scheint, daß es moͤglich ist, diesen Ursachen der Unsicherheit und
                              Gefaͤhrlichkeit einer Leiter, als Rettungs-Apparat fuͤr
                              Ungeuͤbte abzuhelfen, wenn es moͤglich ist:
                           ad 1., oben an der Leiter eine kleine
                              Antrittsbuͤhne, nur von 15 Zoll im Gevierte, anzubringen, welche zu beiden
                              Seiten ein leichtes, aber festes Gelaͤnder von Dreiviertel Mannshoͤhe
                              hat, damit man mit Sicherheit auf die Leiter treten kann. Fig. 12 zeigt die Form
                              eines solchen Gelaͤnders, an welchem, ab,
                              bc, fingerdike Eisenstangen, ac, bd,
                              fingerbreite leichte Blechstreifen sind. Ae, ist
                              eine WeinrebeEine Weinrebe ist, wie unsere Spazierstoͤke zeigen, nicht bloß das
                                    leichteste, sondern auch das festeste, dauerhafteste Holz. Eine dritthalb
                                    Schuh lange und Daumen starke Weinrebe wiegt nicht viel uͤber
                                    18–19 Loth und kostet hoͤchstens 6 kr. Aus solchen Reben
                                    koͤnnte das Gelaͤnder an der Leiter am besten Verfertigt
                                    werden. von Daumenbreite, die bei, a, und e, nach innen etwas absteht, so daß man sich derselben
                              als Handgelaͤnder bedienen, und sich mit den Haͤnden fest halten kann,
                              waͤhrend man auf die Buͤhne tritt, und sich umkehrt, um
                              ruͤklings uͤber die Leiter hinabzusteigen.
                           ad 2. In die Seitenbaͤume der Leiter, statt der
                              Sprießel, Stufen einzuzapfen, welche aus einer leichten Schindel bestehen, die aber in der Mitte
                              entzwei geschnitten werden muß, damit sie sich nicht werfen kann, und mit sehr
                              duͤnnem Eisenbleche unten bekleidet wird, damit sie bei ihrer, der
                              Leichtigkeit wegen nothwendigen, Duͤnne fest genug wird. Die Schindel braucht
                              nicht mehr als 3 Zoll breit, und hoͤchstens einen halben Fuß von der
                              daruͤber und darunter befindlichen Schindel entfernt zu seyn. Sie kann an den
                              beiden Seitenbaͤumen der Leiter (wie die Fachbretter in einer
                              Buͤcherstelle) mittelst an denselben aufgeschraubter Seitenleistchen, auf
                              welchen sie wieder aufgeschraubt wird, befestigt seyn. Auf diese Weise ist die
                              Fußsohle immer gehoͤrig gestuͤzt, und eine solche Stufe kann nicht
                              verfehlt werden.
                           ad 3. An den Seitenbaͤumen uͤber und
                              parallel mit denselben ein Gelaͤnder, e, f,
                              anzubringen, welches nur eine Fortsezung des Handgelaͤnders an der
                              Buͤhne, a, e, ist, gleichfalls aus einer Weinrebe
                              besteht, und so den beiden Haͤnden einen festen Anhaltpunct gewaͤhrt,
                              so daß, wenn uͤber oder unter demselben an den verlaͤngerten
                              Stuͤzen dieses Gelaͤnders, f, g, noch eine
                              Repschnur gespannt ist, (die hier durch punctirte Linien angedeutet wurde) auch
                           ad 4. der Koͤrper vor dem Abfallen an den Seiten
                              vollkommen geschuͤzt, und alle Furcht, aller Schwindel von Seite des
                              Hinabsteigenden vollkommen beseitigt ist.
                           ad 5. Das Schwingen dieser Leiterstiege wird durch zwei
                              oder drei Paare Seitenstuͤzen (je nachdem naͤmlich die Leiter hoch
                              ist), welche an den Seitenbaͤumen durch zwei Ringe angebracht sind, Fig. 13, wovon
                              der eine an einem eisernen Bande der Leiter, x, der
                              andere an dem oberen Ende der Stuͤze, y,
                              befestigt ist, und die in einander laufen, hinlaͤnglich vermieden.
                           Die Leiter wird durch diese Vorrichtung allerdings um ein Drittel schwerer werden,
                              als eine gewoͤhnliche Feuerleiter, sie wird aber eben dadurch auch um so
                              vieles sicherer; und da es bei einer Feuersbrunst nie an Leuten fehlt, so findet
                              sich jedes Mahl Kraft genug, um eine solche Leiter aufzurichten, zu deren
                              Aufrichtung die oben erwaͤhnten Stuͤzen zugleich als die besten und
                              zwekmaͤßigsten Hebel dienen.
                           Die so oft vorgeschlagenen Schub- oder Verlaͤngerungsleitern, mag die
                              Vorrichtung in einem Bajonett-Gefuͤge, in Falzen oder in Scharnieren
                              bestehen, taugen, wie mich Erfahrung gelehrt hat, nichts. Das Eisen an den
                              Gefuͤgen oder Scharnieren verrostet leicht, und springt nur zu oft, wo man
                              die Leiter am noͤthigsten hat, und das Holz in den Falzen schwillt an von der
                              Naͤsse, welcher die Leiter oft ausgesezt ist, vermodert schnell, und die Leiter wird
                              dadurch theils unbrauchbar, theils gefaͤhrlich.
                           Ich zweifle nicht, daß ein verstaͤndiger practischer Zimmermann eine Leiter,
                              oder vielmehr eine Stiegenleiter, mit obigen
                              Vorrichtungen auf eine noch zwekmaͤßigere Art verfertigen und Leichtigkeit,
                              Festigkeit und Sicherheit noch besser zu vereinigen wissen wird; nur empfehlen wir
                              ihm bei Verfertigung einer solchen Leiter keine Kuͤnsteleien, keine Federn
                              und Gewinde anzubringen, und nie zu vergessen, daß der vor Angst Zitternde,
                              uͤber dessen Kopf oder unter dessen Fuͤßen das Haus in Flammen steht,
                              aus welchen er sich retten will, nicht mit jener Leichtigkeit und Sicherheit auf
                              einer Leiter niedersteigt, wie ein geuͤbter Zimmermann; daß jeder sichere
                              Rettungs-Apparat ganz und leicht handzuhaben seyn muß, und daß keine
                              Haͤkeleien bei der Anwendung desselben Statt haben duͤrfen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
