| Titel: | Einige nuzbare Anwendungen des Chlorkalkes von Dr. C. G. Kaiser, Professor an dem königl. Lyceum zu Landshut. | 
| Autor: | Prof. Cajetan Georg Kaiser [GND] | 
| Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. XLII., S. 121 | 
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                        XLII.
                        Einige nuzbare Anwendungen
                           des Chlorkalkes von Dr. C. G. Kaiser, Professor an dem
                           koͤnigl. Lyceum zu Landshut.
                        Kaiser, einige nuzbare Anwendungen des
                           Chlorkalkes.
                        
                     
                        
                           Seit einiger Zeit beschaͤftigte ich mich mit einer
                              deutschen Bearbeitung des vortrefflichen Werkes uͤber die
                              Chloruͤre von Prof. Stratingh
                              in Groͤningen, welche mit dem
                              naͤchsten Monate im Druke erscheinen wird, und wodurch
                              ich veranlaßt wurde, einige meiner fruͤheren Versuche
                              naͤher zu beachten, und mehrere neue Versuche mit diesen
                              nuzbaren Verbindungen anzustellen, wovon ich hier Einiges
                              mittheilen will.
                           
                        
                           1. Ueber die
                                 Aufbewahrung der Eier im fluͤssigen
                                 Chlorkalke.
                           Am Anfange des vorigen Jahres brachte mein hochverehrter Lehrer,
                              Hr. Hofr. Dr. Schultes mich auf den
                              Gedanken zu versuchen, welchen Einfluß eine
                              Chlorkalkaufloͤsung auf die Eier ruͤksichtlich
                              ihrer Aufbewahrung habe.
                           Ich ließ mir daher 6 Eier von einem Fragner kommen, die gegen das
                              Licht gehalten noch keine Zersezung in ihrem Innern zeigten. Von
                              diesen Eiern legte ich am 8ten Januar
                              1828 drei Stuͤke in ein Zukerglas, uͤbergoß sie
                              mit einer Chlorkalkaufloͤsung aus 1 Unze Chlorkalk in 1
                              bayer. Maß Wassers, verschloß das Glas mit Blase auf's
                              Genaueste, und stellte es so in einen Keller. Die
                              uͤbrigen drei Eier legte ich frei neben hin. Eine geraume
                              Zeit nachher beobachtete ich diese Eier wieder, und fand, als
                              ich sie gegen das Licht hielt, daß die in Kalkchloruͤr
                              befindlichen noch frisch, die im Freien hingegen schon merklich
                              zersezt schienen.
                           Vor Kurzem endlich zwang mich der Schluß meines
                              angefuͤhrten Werkes, jene aufbewahrten Eier zu
                              untersuchen. Es war der 18te Mai
                              1829, als ich sie aus dem Keller holte. Die Blase an dem Glase
                              war schimmelig und ganz morsch in der feuchten Kellerluft
                              geworden; der Bindfaden war schon daran abgefault; und die
                              Chlorkalkaufloͤsung haͤtte nur einen schwachen
                              Chlorgeruch mehr. Die eingelegten Eier waren an ihrer Schale
                              unveraͤndert, und zeigten sich gegen das Licht gehalten
                              noch brauchbar, was ich aus den uͤbrigen
                              Umstaͤnden fast haͤtte bezweifeln moͤgen.
                              Jedoch als ich das Eine oͤffnete, fand ich zu meinem
                              Erstaunen es ganz frisch und so auch das zweite und das dritte.
                              Eiweiß und Dotter waren im gehoͤrigen Zusammenhange und
                              konnten leicht von einander getrennt werden. Ersteres war
                              vollkommen klar geruch- und geschmaklos und lezteres
                              intensiv gelb und ebenfalls ohne Nebengeschmak mit
                              allen Zeichen der Frische ausgestattet; – nur bei einem
                              Dotter war die Farbe etwas blaß, was ihm wahrscheinlich von
                              Natur aus zukam, da es bekannt ist, daß die Intensitaͤt
                              der Farbe nicht bei allen Eierdottern gleich ist, und da auch im
                              Uebrigen kein Merkmal vorhanden war, woraus man die blassere
                              Farbe einer anderen Ursache haͤtte zuschreiben
                              koͤnnen. Eines davon wurde hart gesotten und mit Salz von
                              Einem meiner jungen Freunde mit Appetit gegessen; die anderen
                              zwei wurden in meiner Kuͤche verkocht. Die frei
                              aufbewahrten Eier waren hingegen ganz faul und voͤllig
                              unbrauchbar.
                           Wenn wir nun bedenken, daß diese Eier, welche von einem Fragner
                              gekauft nicht mehr als frisch gelegte Eier zu betrachten waren,
                              in einer Chlorkalkaufloͤsung mehr als 16 Monate lang
                              brauchbar erhalten werden konnten, und daß sie uͤberdieß
                              in einem dumpfen Keller sich so lange hielten, waͤhrend
                              jede Hauswirthin weiß, daß in Kellern die Eier sonst nicht
                              aufbewahrt werden koͤnnen; so wird es einleuchtend seyn,
                              daß man von diesem Mittel groͤßeren Nuzen ziehen, und die
                              Eier noch laͤnger aufbewahren kann, wenn man mehr
                              Sorgfalt darauf verwendet.
                           Es wird daher nicht bloß den Oekonomen dieses Verfahren sehr
                              dienlich seyn, um die Eier uͤber Winter aufzubewahren,
                              sondern es wird auch bei Belagerungen, in Festungen, und auf der
                              See von hohem Werthe seyn.
                           Zur Aufbewahrung derselben kann man sich eines konischen gut zu
                              schließenden Fasses bedienen, in welches man die Eier in
                              durchloͤcherten Zwischenboͤden schichtenweise
                              uͤber einander einhaͤngt, und mit
                              Chlorkalkaufloͤsung uͤbergießt; denn wenn man
                              mehrere Eier auf einander in einem Topfe einlegen wuͤrde,
                              so waͤre zu befuͤrchten, daß die unteren durch die
                              Schwere der oberen Schaden leiden koͤnnten. In trokenem
                              Chlorkalke kann man sie nicht aufbewahren, weil die Schalen
                              davon angegriffen werden, und in der Zeit mit demselben
                              erhaͤrten, so wie die Chlorsoda dazu gaͤnzlich
                              untauglich ist, was ein Englaͤnder durch Versuche schon
                              fruͤher zeigteA-Chevallier l'art de
                                       préparer les Chlorures..
                           
                        
                           2. Ueber das
                                 Bleichen des Schellakes.
                           Das Schellak (Lacca in tabulis)
                              laͤßt sich, wie ich durch Versuche gefunden habe, ganz
                              weiß darstellen. Es koͤmmt nur darauf an, daß man es eine
                              laͤngere Zeit in einem erweichten Zustaͤnde
                              erhaͤlt, und dann Chlor darauf einwirken laͤßt,
                              was ich auf folgende Weise bewerkstelligte.
                           Eine geistige Schellakaufloͤsung, wie sie die Tischler zur
                              Politur gebrauchen, wird in siedendes Wasser
                              gegossen, und zugleich auf der anderen Seite eine concentrirte
                              Chlorkalkaufloͤsung zugesezt, so daß in dem Augenblike,
                              wo das Harz im Wasser sich ausscheidet und vermoͤge der
                              Hize derselben weich erhalten wird, das in der Waͤrme
                              entbundene Chlorgas auf das sich ausscheidende und schmelzende
                              Harz einwirken kann. – Auf diese Weise ist die
                              Entfaͤrbung des Schellakes in einem Augenblike vollendet.
                              Man darf nur in einer Hand die Schellakaufloͤsung und in
                              der anderen eine Flasche voll klarer Chlorkalkaufloͤsung
                              haben und beide mit einander in siedendes Wasser gießen, das
                              Ganze schnell durch einander ruͤhren, und die Bleichung
                              ist geschehen. Das gebleichte Harz bleibt in dieser Temperatur
                              lange weich und kann mit den Fingern zu Manchen gedruͤkt
                              werden, die die Form haben wie jene des ungebleichten
                              Schellakes.
                           Mit Weingeist gibt dieses Schellak eine farblose
                              Aufloͤsung, die so truͤbe und wolkicht in der
                              Kaͤlte ist, wie die des ungebleichten, die aber in der
                              Waͤrme voͤllig klar wird, und als Firniß gebraucht
                              werden kann.
                           Ich glaube damit den Instrumentenmachern und Mechanikern zum
                              Ueberziehen der physikalischen und chirurgischen Instrumente ein
                              vortreffliches Mittel zu geben. Ich habe auch solchen farblosen
                              Firniß auf getuschte und schwarze Kreidenzeichnungen
                              aufgetragen, die ich dann nach dem gehoͤrigen Vertroknen
                              des Firnisses abwaschen koͤnnte, ohne daß sie Schaden
                              litten.
                           
                        
                           3. Ueber das
                                 Bleichen der Badeschwaͤmme.
                           Nach Stratingh koͤnnen die
                              Badeschwaͤmme durch Chlor gebleicht werden, was meine
                              Versuche bestaͤtigten, jedoch mit einer gewissen
                              Vorsicht.
                           Die Schwaͤmme muͤssen vor dem Bleichen
                              sorgfaͤltig gereinigt werden, und zwar am besten auf
                              diese Weise, wie Hr. Hofr. Vogel in
                              Muͤnchen vor mehreren Jahren zum Bleichen derselben in
                              schwefeligter Saͤure vorgeschlagen hatPolytechnisches Journal Bd. XIII. S. 202.: naͤmlich zuerst durch Behandlung in mit
                              Salzsaͤure gesaͤuertem Wasser, dann durch
                              Auskochen in Wasser, um alle Kalktheilchen und die
                              hydrojodsauren Salze wegzubringen.
                           Wenn sie so vorbereitet im feuchten Zustande dem Chlorgase
                              ausgesezt werden, so werden sie in kuͤrzester Zeit
                              sichtlich ausgebleicht. Das anzuwendende Chlorgas muß
                              saͤurefrei, – so rein wie
                                 moͤglich seyn; in dem sonst die Schwaͤmme
                              von der Saͤure angegriffen und wenn man Waͤrme
                              einwirken ließe, sogar zerfressen wuͤrden. Daher habe ich
                              am besten im Kleinen den Chlorkalk zur Entwikelung des Gases
                              angewendet, weil dieser mit maͤßig verduͤnnter
                              Schwefelsaͤure das reinste Chlorgas entbindet. Als
                              ich einmal das Chlorgas aus Braunstein und Salzsaͤure auf
                              einer Tasse unter einer Gloke entwikelte und nach der
                              freiwilligen Entwikelung des Gases auf jenes Gemisch
                              Waͤrme einwirken ließ, litt der in der Glasgloke
                              befindliche Probeschwamm sehr, was aber nicht Statt fand, wenn
                              ich das Gas auf die oben besagte Weise darstellte. Dieses
                              Bleichen ließe sich auch im Großen leicht veranstalten, wenn man
                              naͤmlich in einem metallfreien hoͤlzernen Kasten
                              die befeuchteten Schwaͤmme in Schnuͤren
                              aufhaͤngen, und von außen Chlorgas in den Kasten leiten
                              wuͤrde, das man in einer angebrachten Mittelstasche
                              gehoͤrig gereinigt und von der anhangenden
                              Salzsaͤure befreit hat.
                           ––––––––
                           Schließlich kann ich hier auch noch anfuͤhren, daß ich
                              mich des Chlorkalkes zur Vertilgung der Insekten in zoologischen
                              Sammlungen mit großem Vortheile bediene. In dem
                              Naturalienkabinette des hiesigen Lyceums befinden sich mehrere
                              Arten ausgestopfter Voͤgel, die troz aller angewandten
                              Gegenmittel jaͤhrlich vom Insektenfraße sehr gelitten
                              hatten, und nun voͤllig davon befreit sind, seitdem ich
                              woͤchentlich mehrmals Chlorkalkaufloͤsung in dem
                              Kabinette mit Huͤlfe einer Gießkanne aufsprizen lasse.
                              Der sonstige uͤble Geruch solcher Thiere wird dadurch
                              zerstoͤrt und zugleich verschwinden auch die
                              Insekten.