| Titel: | Ueber Anwendung des Reißbleies (Graphites) Statt des Oehles bei Chronometern. Von Hrn. L. Herbert. | 
| Fundstelle: | Band 33, Jahrgang 1829, Nr. LXXII., S. 307 | 
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                        LXXII.
                        Ueber Anwendung des
                           Reißbleies (Graphites) Statt des Oehles bei Chronometern. Von Hrn.
                           L.
                              Herbert.
                        Aus den Transactions of the Society for the
                                 Encouragement of Arts. XLVI. Bd. In Gill's technological
                                 and microscopic Repository. Junius S.
                              373.
                        (Im
                              Auszuge.)Hr. Herbert hat fuͤr diese
                                 Mittheilung die goldene Medaille erhalten. A. d. O. So viel
                                 wir wissen, wurde Graphit schon vor 30 Jahren zur
                                 Verminderung der Reibung in ungrischen Bergwerken bei
                                 Maschinen angewendet. Man wendete ihn zeither auch an
                                 mehreren anderen Maschinen mit Vortheil an.A. d. Ue.
                           
                        Herbert, uͤber Anwendung des
                           Reißbleies.
                        
                     
                        
                           Folgende Bemerkungen uͤber Anwendung des Graphites Statt
                              des Oehles zur Verminderung der Reibung an Chronometern sind das
                              Resultat fuͤnfzehnjaͤhriger Erfahrung.
                           Wir uͤbergehen die Bemerkung uͤber den Nuzen und
                              uͤber die Unentbehrlichkeit der Chronometer auf
                              Seereisen, vorzuͤglich zur Bestimmung der Laͤnge,
                              mit welcher Hr. Herbert diesen Aufsaz
                              beginnt, und fuͤgen hier bloß sein Gestaͤndniß
                              desselben bei, welches auch wir aus Erfahrung unterschreiben,
                              daß naͤmlich „mag auch die Geschiklichkeit des
                                 Kuͤnstlers und seine Sorgfalt, um ein Werk der
                                 Vollendung zu liefern, noch so groß gewesen seyn, der
                                 Beobachter doch nimmermehr auf Untruͤglichkeit
                                 desselben rechnen darf; wenn das Chronometer Anfangs auch
                                 noch so regelmaͤßig ging, so wird es nicht immer
                                 unwandelbar bei diesem Gange bleiben. Die Temperatur der
                                 Atmosphaͤre wird den Gang desselben beschleunigen,
                                 oder langsamer machen, indem alle Metalle dadurch mehr oder
                                 minder ausgedehnt oder zusammengezogen werden, und zwar auf
                                 eine unregelmaͤßige Weise, wodurch nothwendig eine
                                 Veraͤnderung in der Bewegung erfolgen muß. Obschon
                                 man zahllose Versuche anstellte, Chronometer durch
                                 Compensations-Pendel oder Balken gegen
                                 atmosphaͤrische Einfluͤsse zu sichern, hat
                                 doch keiner diesem Wunsche bisher noch entsprochen, indem es
                                 durch Versuche erwiesen ist, daß Metalle, wenn Waͤrme
                                 und Kaͤlte mehrere Male auf sie gewirkt hat,
                                 nimmermehr bei derselben Temperatur in ihren vorigen Zustand
                                 zuruͤkkehren.“
                              
                           
                              „Dieß ist jedoch nicht die einzige Schwierigkeit, mit
                                 welcher der Verfertiger eines Chronometers zu
                                 kaͤmpfen hat; es ist noch ein anderer Feind
                                 vorhanden, der ihm den Sieg streitig macht: das Oehl. Die verschiedenen Grade
                                 von Feinheit und Fluͤssigkeit desselben bringen große
                                 Veraͤnderungen im Gange einer Uhr hervor. In heißen
                                 Klimaten verfluͤchtigt es sich, im kalten Wetter
                                 stokt es; in beiden Faͤllen hindert es die freie
                                 Bewegung. Diese Nachtheile lassen sich durch ein
                                 Surrogat beseitigen, welches ich vor 15 Jahren gefunden
                                 habe, und hier zum Vortheile derjenigen bekannt machen will,
                                 die keine Muͤhe scheuen und Geduld genug besizen, den
                                 ganzen Proceß durchzumachen. Dieses Surrogat ist Reißblei
                                 oder Graphit, welches, sorgfaͤltig angewendet, lange
                                 Zeit uͤber dauert, ohne daß es erneuert werden darf.
                                 Es haͤngt aber sehr viel von der Guͤte
                                 desselben ab. Es muß von der besten Art, und frei von allem
                                 Sande seyn: je zaͤrter, desto besser. Schlechtes
                                 Reißblei wuͤrde die Loͤcher und die Zapfen in
                                 Gefahr sezen, und Unheil erzeugen. Statt verhuͤten.
                                 Das feinste, das ich erhalten konnte, war von Hrn. Langdon, dem ersten
                                 Bleistift-Fabrikanten zu London (Great Russell
                                 Street, Bloomsbury) und vielleicht auf der ganzen Erde. Er
                                 gab mir von dem besten im Jahre 1816. Seit dieser Zeit habe
                                 ich mein Chronometer drei Mal gepuzt, ohne daß das Reißblei
                                 erneuert wurde. Die Stellen, an welchen Reibung Statt hatte,
                                 wurden nur etwas mit feinem Mußlin uͤberrieben, und
                                 noch jezt geht dieses Chronometer so gut, wie
                                 damals.“
                              
                           
                              „Ich hatte damals unendliche Schwierigkeit gefunden,
                                 die demantnen Palleten der Hemmung mit Reißblei zu belegen;
                                 ich trug dieses aber auf die Reibungs-Flaͤchen
                                 der Zaͤhne des Schwungrades auf, und so ist die Uhr
                                 zeither immer ohne Oehl gegangen.“
                              
                           
                              „Das Reißblei wird auf folgende Weise zubereitet und
                                 aufgetragen. Man nimmt ungefaͤhr ein Viertel Pfund
                                 des reinsten Reißbleies: je glaͤnzender, desto
                                 besser; puͤlvert es sehr fein in einem metallnen
                                 Moͤrser und versucht dann an einer Prise desselben
                                 zwischen den Fingern, ob es fein genug ist. Wenn man,
                                 nachdem man es einige Sekunden lang zwischen den Fingern
                                 gerieben hat, weder ein Kluͤmpchen noch ein
                                 Sandkoͤrnchen fuͤhlt; wenn es sich glatt und
                                 fettig fuͤhlen laͤßt; dann ist es gut und fein
                                 genug gepuͤlvert. Man fuͤllt hierauf ein Glas
                                 mit destillirtem Wasser, faßt etwas von diesem Reißblei auf
                                 die blanke Klinge eines Messers, streut es mittelst
                                 desselben in das Wasser, ruͤhrt es um, bedekt das
                                 Glas, und laͤßt es zwei oder drei Stunden lang
                                 stehen. Auf der Oberflaͤche des Wassers wird eine Art
                                 von Fetthaut schwimmen. Man nimmt diese mit einem
                                 Karten-Blatte ab, und bringt sie auf ein Blatt
                                 Papier. Nachdem sie auf lezterem troken geworden ist, bringt
                                 man sie in eine geschlossene Buͤchse, damit kein
                                 Staub hineinfaͤllt. Den Bodensaz im Glase stellt man
                                 bei Seite, und wiederholt dieselbe Operation mit dem
                                 uͤbrigen gepuͤlverten Reißbleie so lang, bis
                                 man endlich so viel feines Pulver abgeschaͤumt hat,
                                 als man braucht. Wenn das ganze Pulver troken geworden ist,
                                 reibt man es wieder in dem Moͤrser oder zerreibt es
                                 bloß mit dem Ruͤken des Mundtheiles eines
                                 Silberloͤffels auf einem reinen Blatte Papier. Dieses
                                 Verfahren wird zwei bis drei Mal
                                 wiederholt. Wenn das Reißblei rein war, wird sich dann kein
                                 Bodensaz bilden. Wenn sich ein solcher bildet,
                                 waͤscht und troknet man denselben neuerdings ein oder
                                 zwei Mal. Sobald sich kein Bodensaz mehr bildet, kann man
                                 sicher seyn, daß das Reißblei rein ist, und keinen Schaden
                                 verursachen wird. Man gießt hierauf etwas Alkohol (den
                                 staͤrksten Weingeist) in ein kleines Glas, und
                                 nachdem man die Zapfen der Raͤder vorher vollkommen
                                 rein abgewischt, und die Loͤcher in den Platten rein
                                 ausgewischt hat, taucht man erstere in den Alkohol, und
                                 gleich darauf in den gepuͤlverten Graphit. Sie werden
                                 sich mit demselben bedeken. Man nimmt hierauf einen feinen
                                 Haarpinsel, wie ihn die Miniatur-Maler haben, taucht
                                 denselben in den Alkohol, und fuͤllt die
                                 Loͤcher mit demselben, in welche man mit dem Finger
                                 etwas Graphit einfuͤhrt, und die Platten uͤber
                                 die Loͤcher so lang reibt, bis das
                                 Graphit-Pulver dieselben bis zur Hoͤhe der
                                 Oberflaͤche angefuͤllt hat. Nun fuͤhrt
                                 man die Zapfen ein, und laͤßt sie in der Drehebank
                                 fuͤnf bis sechs Minuten lang in den Loͤchern
                                 herumlaufen. Dieß muß mit jedem Zapfen eines jeden Rades
                                 geschehen, und zwei oder drei Mal wiederholt werden. Auf
                                 diese Weise werden die Loͤcher, wie die Zapfen, mit
                                 einer duͤnnen Lage Graphit belegt werden, welche
                                 glatter seyn wird, als irgend eine Politur, die die Kunst
                                 hervorzubringen vermag. Das Chronometer wird auf diese Weise
                                 zwei Mal laͤnger gehen, ohne ausgepuzt werden zu
                                 duͤrfen, als wenn man Oehl braucht, und, wenn es gut
                                 gegen allen Staub geschuͤzt ist, wird das Auspuzen
                                 vor zwoͤlf Jahren kaum noͤthig seyn. Nach
                                 dieser Zeit muß das Reißblei neuerdings aufgetragen
                                 werden.“
                              
                           Hr. Herbert beschreibt nun sein von
                              ihm selbst verfertigtes Chronometer (Sidereal time-piece, Stern-Uhr),
                              welches, so oft es nur immer der Zustand der Atmosphaͤre
                              erlaubte, 8 bis 10 Mal des Tages durch Beobachtung der Gestirne
                              gepruͤft wurde, und vom 19. Juli bis zum 24. Februar nur
                              um ein Sechsunddreißig-Hundertel einer Sekunde im Gange
                              abwich. Die gegebene Beschreibung dieses Chronometers ohne
                              Abbildung ist zu undeutlich, als daß sie von Nuzen seyn
                              koͤnnte.
                           Er glaubt diesen regelmaͤßigen Gang, nebst seiner
                              Compensations-Vorrichtung, vorzuͤglich dem
                              Graphite zuschreiben zu muͤssen. „Wer
                                 Muͤhe und Arbeit scheut,“ sagt er,
                              „dem wird obiges Verfahren zu umstaͤndlich
                                 scheinen: was liegt aber an einem Tage, wenn eine Uhr zehn
                                 Jahre lang dadurch in gutem Gange erhalten werden kann. Wer
                                 Verbesserung und Ehre liebt, der wird dieses Verfahren
                                 versuchen, und der Versuch wird, ich bin dessen gewiß, mit
                                 Erfolg gekroͤnt werden.“