| Titel: | Ueber die schleimige (gummige) Gährung und über die Mittel ihren Eintritt zu verhindern; von Hrn. Desfosses, Apotheker zu Besançon. | 
| Fundstelle: | Band 34, Jahrgang 1829, Nr. CI., S. 432 | 
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                        CI.
                        Ueber die schleimige (gummige) Gaͤhrung
                           und uͤber die Mittel ihren Eintritt zu verhindern; von Hrn. Desfosses, Apotheker zu
                           Besançon.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1829, S.
                              602.
                        Desfosses, uͤber die schleimige Gaͤhrung.
                        
                     
                        
                           Nach den Hauptprodukten, welche sich waͤhrend der freiwilligen Zersezung der
                              organischen Koͤrper bilden, wenn dieselben unter guͤnstigen Umstaͤnden sich
                              selbst uͤberlassen werden, glaubten die Chemiker bisher viererlei Arten von
                              Gaͤhrungen annehmen zu muͤssen, naͤmlich die zukerige, die weingeistige, die essigsaure und die faule;
                              wahrscheinlich wuͤrde man deren noch mehrere kennen lernen, wenn man alle
                              neuen Verbindungen, welche waͤhrend der freiwilligen Veraͤnderung
                              organischer Substanzen entstehen, sorgfaͤltig untersuchen wuͤrde. Eine
                              solche zeigt sich z.B. bei mehreren technischen Operationen zu oft, als daß man ihre
                              Existenz laͤugnen konnte, naͤmlich bei der Bearbeitung der
                              Zukerstoffe, welche sie in eine schleimartige Substanz umaͤndert. Derselben
                              Art von Gaͤhrung muß man ohne Zweifel die Krankheit der Weine zuschreiben,
                              welche man sehr uneigentlich das Umschlagen derselben
                              genannt hat und die Veraͤnderung gewisser zukerhaltigen Gemenge, die zum
                              aͤrztlichen Gebrauche vorgeschrieben sind. Diese Veraͤnderung ist wohl
                              bekannt, denn einige Chemiker haben schon vorgeschlagen, sie klebrige
                              Gaͤhrung (fermentation
                              visquese) zu nennen; ich glaube die Benennung
                              schleimige Gaͤhrung (fermentation
                              muquese) waͤre passender. Da man bis auf
                              den heutigen Tag weder die Umstaͤnde kennt, welche diese Gaͤhrung
                              veranlassen, noch die Produkte, welche sich dabei bilden, so stellte ich einige
                              Versuche in dieser Hinsicht an, deren Resultate ich nun der Société de Pharmacie zur Beurtheilung uͤbergebe.
                           Ich habe zu meinen Versuchen den Rohrzuker gewaͤhlt, weil man bei ihm die
                              gummige Gaͤhrung am haͤufigsten zu beobachten Gelegenheit hat und er
                              einer derjenigen naͤheren Bestandtheile des Pflanzenreichs ist, welche man
                              sich am leichtesten in sehr reinem Zustande verschaffen kann.
                           Vor Allem glaubte ich mich versichern zu muͤssen, ob sehr reiner Zuker sich
                              veraͤndern kann, wenn man ihn in sehr verduͤnnter waͤsseriger
                              Aufloͤsung aufbewahrt, und ich kann es gegen die allgemein angenommene
                              Meinung bestaͤtigen, daß dieses Aufbewahrungsmittel thierischer und
                              vegetabilischer Substanzen sich volle zwei Jahre lang erhalten kann, ohne seine
                              Natur zu veraͤndern, selbst wenn es in einer sehr großen Menge Wasser
                              aufgeloͤst worden ist. In der That behalten Aufloͤsungen des weißesten
                              Kandis- und Hutzukers in seinem acht- oder zehnfachen Gewicht Wasser,
                              wenn sie achtzehn Monate und sogar zwei Jahre lang sich selbst uͤberlassen
                              werden, ihre Durchsichtigkeit, ihren zukerigen Geschmak und die Eigenschaft zu
                              krystallisiren, nach diesem langen Zeitraͤume noch bei.
                           Wenn eine Aufloͤsung von sehr reinem Zukerstoff unveraͤnderlich ist, so
                              verhaͤlt es sich hingegen ganz anders mit einem nicht hinreichend
                              gereinigten. Wenn sich daher der Zukerstoff im Aussuͤßwasser von der
                              Laͤuterung bei den Zukerbaͤkern und Raffinirern so schnell
                              veraͤndert, so muß man dieses den beigemengten fremdartigen Substanzen
                              zuschreiben. Ich glaubte Anfangs daß die Zersezung des Rohrzukers einem Ruͤkhalt von Eiweiß
                              zugeschrieben werden muß, das er entweder von Natur aus enthaͤlt, oder
                              welches ihm bei dem Raffiniren beigebracht wird; allein durch Aufweichen von Eiweiß
                              in Zukerwasser konnte ich die gummige Gaͤhrung nicht hervorbringen und ich
                              glaubte nun, daß die Veranlassung derselben in einigen Spuren von Ferment zu suchen
                              sey, welches immer den Zukerstoff in den Pflanzensaͤften begleitet und wovon
                              eine geringe Menge dem rohen oder unvollkommen raffinirten Zuker beigemengt bliebe.
                              Wenn auch diese Substanz nicht einzig und allein die Zersezung des Zukers
                              veranlassen kann, so ist es doch nach dem folgenden Versuche nicht mehr zu
                              bezweifeln, daß sie dabei eine Hauptrolle spielen.
                           Wenn man Bierhefe, welche zuvor durch reichliches Auswaschen mit kaltem Wasser
                              gereinigt wurde, mit Wasser auskocht und sodann in dem filtrirten Decoct eine
                              gewisse Quantitaͤt Zuker aufloͤst, so daß die Aufloͤsung
                              ungefaͤhr 6 bis 8 Grade am Syruparaͤometer zeigt, so wird man finden,
                              daß, wenn die Temperatur der Atmosphaͤre hoch genug ist, die
                              Fluͤssigkeit sich in wenigen Tagen truͤbt und bisweilen so
                              fadenziehend wird, wie ein Leinsamendecoct.
                           Wenn man ein solches Gemenge in einer Gloke auf die Queksilberwanne, oder in eine
                              Flasche bringt, welche mit einer Roͤhre versehen ist, wodurch man die
                              Gasarten aufsammeln kann, so wird man finden, daß diese Gaͤhrung, welche
                              stille vor sich zu gehen scheint, eine mehr oder weniger betraͤchtliche
                              Quantitaͤt Gas entwikelt, welches bestaͤndig ein Gemenge von
                              Kohlensaͤure mit reinem Wasserstoffgas ist; seine Menge so wie das
                              Volumverhaͤltniß der beiden Gasarten ist wandelbar, wie man dieses aus
                              folgenden Versuchen ersieht.
                           Am 12. September 1829 brachte ich vier Grammen sehr reinen Kandiszuckers mit 80
                              Grammen Wasser, welche uͤber gereinigter Bierhefe gekocht worden waren, unter
                              eine Gloke auf die Queksilberwanne; ich erhielt daraus 95 Kubikcentimeter Gas,
                              welche aus 37 Kubikcentimeter Wasserstoff und 58 Kubikcentimeter Kohlensaͤure
                              bestanden; die Gasarten wurden bei einer Temperatur von 15° C. und bei einem
                              Barometerstand von 0,752 Meter gemessen.
                           Den 22. Maͤrz 1829 gaben 4 Grammen Kandiszuker, welche in 80 Grammen mit Hefe
                              gesaͤttigten Wassers aufgeloͤst worden waren, 40 Kubikcentimeter Gas,
                              welche 30 Theile Kohlensaͤure und 10 Theile Wasserstoff enthielten.
                           Bei anderen Versuchen war das Volum und die Zusammensezung des Gases immer wandelbar,
                              je nachdem das Wasser mehr oder weniger Hefenstoff aufgeloͤst enthielt, oder
                              je nachdem die Hefe mehr oder weniger ausgewaschen worden war, oder je nach der
                              Temperatur der Atmosphaͤre. Gleiche Quantitaͤten Zuker, in gleichen
                              Raumtheilen desselben
                              mit Hefe gesaͤttigten Wassers aufgeloͤst, geben jedoch
                              gewoͤhnlich identische gasartige Produkte.
                           Ich habe sehr haͤufig bemerkt, daß diese Gaͤhrung zwoͤlf Tage
                              lang dauert, denn nach Verlauf dieser Zeit entwikelt sich kein Gas mehr. Bei einer
                              Temperaturerhoͤhung von 25 bis 30 Graden erfolgt sie schleuniger und
                              vollstaͤndiger; sie findet gleichmaͤßig mit oder ohne Luftzutritt
                              Statt. Es scheint auch, daß so wie bei der geistigen Gaͤhrung, nur eine sehr
                              geringe Menge Hefenextract noͤthig ist, um den Zuker in die schleimige
                              Gaͤhrung uͤberzufuͤhren; ich habe oͤfters eine
                              Quantitaͤt des angewandten Hefenextracts abgedampft und aus einem Hectogramm
                              immer nur einige Centigrammen Ruͤkstand erhalten. Die Hefe selbst, welche mit
                              kaltem und siedendem Wasser ausgewaschen worden ist, kann ebenfalls die gummige
                              Gaͤhrung erregen, aber sie schien mir immer langsamer zu wirken als das
                              Extract.
                           Die Bierhefe und ihr Extract sind nicht die einzigen Substanzen, welche sich zur
                              Erregung dieser Gaͤhrung des Zukers eignen; der Kleber liefert bei Behandlung
                              mit siedendem Wasser eine Fluͤssigkeit, welche eine der wirksamsten ist. Ich
                              beobachtete oͤfters, daß eine Aufloͤsung von Zuker in dem Decoct des
                              Klebers bei einer Temperatur von 25° C. von einem Tage bis zum anderen eine
                              schleimige Consistenz annahm. Hinsichtlich der Einwirkung des mit Kleber gekochten
                              Wassers auf Zuker gaben meine Versuche das merkwuͤrdige Resultat, daß man
                              immer weniger Gas als mit dem Hefenwasser erhaͤlt und daß dieses Gas mehr
                              Wasserstoff enthaͤlt und gleichfoͤrmiger in seiner Zusammensezung ist.
                              Folgende Beobachtungen sezen dieses außer Zweifel.
                           4 Grammen Kandiszuker wurden in 80 Grammen vorlaͤufig mit Kleber gekochten und
                              filtrirten Wassers aufgeloͤst; ich erhielt 14 Kubikcentimeter Gas, welches
                              aus 10 Theilen Wasserstoff und 4 Theilen Kohlensaͤure bestand.
                           Bei einem zweiten Versuche erhielt ich mit denselben Quantitaͤten 12,50
                              Kubikcentimeter Gas, welche aus 9,20 Theilen Wasserstoff und 3,30 Theilen
                              Kohlensaͤure bestanden. (Ich verstehe unter diesem Gasvolum dasjenige,
                              welches sich freiwillig entwikelt, nebst der Kohlensaͤure, welche die
                              Fluͤssigkeit aufgeloͤst zuruͤkhaͤlt und die ich daraus
                              durch Sieden verjagte.)
                           Es ist also hiernach klar, daß das Gas, welches die zukerhaltige
                              Kleberaufloͤsung nach einigen Tagen liefert, bestaͤndig aus zwei
                              Raumtheilen Wasserstoff und weniger als Einem Raumtheile Kohlensaͤure
                              besteht. Ich habe diesen Versuch sehr oft wiederholt und immer aͤhnliche
                              Resultate erhalten. Sollte der Unterschied in der Menge und Zusammensezung des Gases
                              bei Anwendung von Kleber- und Hefenaufloͤsung nicht daher ruͤhren, daß
                              leztere etwas Alkohol erzeugt? Ich habe dieses nicht im Großen versucht.
                           Wenn man die zukerhaltige Fluͤssigkeit nach der schleimigen Gaͤhrung
                              untersucht, so findet man, daß sie noch einen sehr suͤßen Geschmak hat, was
                              anzeigt, daß ein Theil des Zukers der Veraͤnderung entging; sie ist aber
                              klebrig und bisweilen so dik geworden, daß sie beim Abgießen in langen Faͤden
                              ausfließt. Durch Schuͤtteln scheint ihre Klebrigkeit vermindert zu werden;
                              dieß bemerkt man auch bei den umgeschlagenen weißen Weinen, und es scheint mir daher
                              zu ruh? reu, daß der durch die Gaͤhrung erzeugte Schleim, so zu sagen ein
                              organisches Nez bildet, dessen Atome im Augenblik ihrer Bildung sich verbinden und
                              durch die Bewegung sich trennen. Durch, dieses Schuͤtteln wird der Schleim
                              nicht zerstoͤrt, er wird bloß zertheilt und dadurch weniger fuͤhlbar.
                              Die schleimig-zukerige Aufloͤsung, auch sehr stark abgedampft,
                              krystallisirt nicht und rectificirter Alkohol scheidet daraus eine gummige,
                              elastische Substanz aus, welche auch nach haͤufigem Auswaschen mit Alkohol
                              noch etwas Zuker zuruͤkhaͤlt.
                           Um dieses Gummi nach seiner Abscheidung durch Alkohol rein zu erhalten, muß man es in
                              Wasser wieder aufloͤsen und mit Bierhefe (welche vorlaͤufig mit kaltem
                              Wasser gereinigt worden ist) in Beruͤhrung bringen, um seinen Zuker zu
                              zerstoͤren. Wenn man sodann die Fluͤssigkeit nach dieser
                              Gaͤhrung filtrirt und bei einer gelinden Waͤrme abdampft, so
                              erhaͤlt man eine gelbliche Substanz, welche zu halbdurchsichtigen
                              Stuͤken von fadem Geschmak austroknet, sich in Wasser viel weniger leicht als
                              arabisches Gummi aufloͤst, und einen dikeren Schleim als dieses gibt. Bei
                              Behandlung mit Salpetersaͤure gibt es keine oder fast keine
                              Schleimsaͤure, sondern im Gegentheil Kleesaͤure; in dieser Hinsicht
                              verhielt sie sich also wie das Gummi, welches sich bei Einwirkung der
                              Schwefelsaͤure auf Staͤrke bildet.
                           Durch folgenden Versuch suchte ich das Verhaͤltniß zwischen dem zersezten
                              Zuker und dem waͤhrend dieser Gaͤhrung entstandenen Gummi
                              auszumitteln; ich wandte dabei Kleberaufloͤsung an Statt
                              Hefenaufloͤsung an, weil erstere gleichfoͤrmigere gasartige Producte
                              gibt und man dabei weniger zu befuͤrchten hat, daß sich waͤhrend der
                              schleimigen Waͤhrung etwas Alkohol bildet.
                           4 Grammen des reinsten Kandiszukers wurden unter eine Gloke gebracht, welche auf der
                              Queksilberwanne stand und 80 Grammen mit Kleber gekochten Wassers enthielt. Ich
                              hatte vorlaͤufig ausgemittelt, daß dieses Quantum Wasser 0,05 Grammen
                              Extractivstoff enthielt. Nach Verlauf von zwanzig Tagen bestand das Gas aus 9,20
                              Kubikcentimeter Wasserstoff, und 3,30 Kubikcentimeter Kohlensaͤure, im Ganzen
                              13,50
                              Kubikcentimeter. Die Fluͤssigkeit wurde theilweise in Untersuchung genommen,
                              wobei man folgende Resultate erhielt.
                           Ich dampfte den vierten Theil davon ab, und erhielt 1,04 Grammen gehoͤrig
                              getrokneten Ruͤkstand; dieß ergibt fuͤr die ganze Fluͤssigkeit
                              4,16 Grammen, welche sich nach Abzug von 0,05 Gr. fuͤr das Kleberextract, auf
                              4,11 Gr. reduciren.
                           Eine andere Portion, der Haͤlfte dieser Fluͤssigkeit entsprechend, ließ
                              ich mit Bierhefe gaͤhren, um den dem Gummi beigemengten Zuker zu
                              zerstoͤren. Als die Gaͤhrung vollstaͤndig beendigt war, dampfte
                              ich die Fluͤssigkeit ab und erhielt 0,66 Grammen Ruͤkstand nach Abzug
                              der zugesezten Hefe. Die ganze Fluͤssigkeit enthielt folglich zwei Mal so
                              viel oder 1,32 Grammen Gummi. Davon muͤssen 0,05 Gr. fuͤr den in der
                              Fluͤssigkeit gebliebenen Extractivstoff des Klebers abgezogen werden, so daß
                              also bei der schleimigen Gaͤhrung in der That nur 1,27 Gr. Gummi
                              entstanden.
                           Wir sehen also, daß die 4 Grammen Zuker nach der schleimigen Gaͤhrung 4,11
                              Grammen sowohl Zuker als Gummi gaben. Diese 4,11 Grammen hatten sich durch die
                              geistige Gaͤhrung auf 1,27 Grammen Gummi reducirt und mußten folglich noch
                              2,84 Grammen unveraͤnderten Zuker enthalten. Da nun von 4 Grammen 2,84
                              Grammen in ihrem natuͤrlichen Zustande zuruͤkblieben, so wurden nur 4
                              weniger 2,84 Grammen oder 1,10 Grammen davon zersezt; hieraus folgt, daß man aus
                              1,16 Grammen Zuker 1,2 7 Grammen oder aus 100 Theilen Zuker 109,48 Theile schleimige
                              Substanz erhaͤlt.
                           Waͤhrend der Umaͤnderung des Zukers in Gummi findet also eine große
                              Gewichtsvermehrung Statt, welche man der Aufnahme einer gewissen Quantitaͤt
                              Wasser unter die Elemente des Zukers zuschreiben kann; dieß machen wenigstens die
                              bisher angestellten vergleichenden Analysen des Gummis und des Zukers sehr
                              wahrscheinlich.
                           Die Entbindung von Wasserstoff und Kohlensaͤure laͤßt sich am
                              wahrscheinlichsten so erklaͤren, daß eine gewisse Quantitaͤt Wasser
                              zersezt wird, dessen Sauerstoff zum Theil von dem Ferment zuruͤkgehalten
                              wird, und zum Theil mit etwas Kohlenstoff von demselben Kohlensaͤure bildet,
                              waͤhrend der Wasserstoff frei wird. Die Hefe wuͤrde also durch ihre
                              Oxydation die Eigenschaft erhalten, die Umaͤnderung des Zukers in Gummi zu
                              veranlassen. Die Kohlensaͤure koͤnnte auch dadurch entstehen, daß der
                              Zuker eine geringe Menge Kohlenstoff verliert.
                           Wenn wir die vorhergehenden Thatsachen auf die freiwillige Zersezung von
                              Farinzuker-Aufloͤsungen anwenden, so finden wir, daß sie vielmehr
                              durch Spuren von Ferment als durch solche voll Kleber veranlaßt wird, weil die dabei
                              sich entwikelnden Gasarten sich hinsichtlich ihrer Menge und Zusammensezung demjenigen naͤhern,
                              welche zukerhaltige Hefenaufloͤsung gibt. Sie bestehen wie diejenigen, welche
                              man bei Versuchen mit Kleber und Hefen erhaͤlt, bloß aus Kohlensaͤure
                              und Wasserstoff.
                           Die Zukerbaͤker erleiden durch die gummige Gaͤhrung oft
                              betraͤchtlichen Verlust an dem Aussuͤßwasser von der Klaͤrung;
                              ich habe gefunden, daß man ihr durch Zusaz einiger Tropfen Schwefelsaͤure,
                              Salzsaͤure oder schweflicher Saͤure leicht begegnen kann; da die
                              Saͤuren aber der Krystallisation des Rohrzukers hinderlich sind, so suchte
                              ich sie durch Alaun zu ersezen; und ich habe mich durch Versuche mit
                              betraͤchtlichen Quantitaͤten Zukerwasser uͤberzeugt, daß man es
                              bloß mit einigen Grammen dieses sauren Salzes zu versezen braucht, um es Monate lang
                              aufbewahren zu koͤnnen. Wenn auch diese Substanz wegen ihres
                              Saͤurenuͤberschusses die Eigenschaft hat, den Zuker schmierig zu
                              machen, so braucht man davon eine so geringe Menge im Verhaͤltniß zu der
                              Quantitaͤt des im Wasser aufgeloͤsten Zukers, daß man von ihr im
                              Großen kaum eine Wirkung verspuͤren wird, besonders wenn diese
                              Fluͤssigkeiten sodann zum Klaͤren des Zukers vermittelst thierischer
                              Kohle verwandt werden, deren kohlensaurer Kalk bald die
                              uͤberschuͤssige Saͤure des Salzes absorbiren wird.
                           Ich glaube, daß die schwefliche Saͤure, der Alaun und die Saͤuren,
                              welche man gewoͤhnlich anwendet, um die Gaͤhrung zu hemmen, auf eine
                              andere Art wirken, als man allgemein annimmt. Man glaubte bisher, daß die
                              schwefliche Saͤure, welche am haͤufigsten angewendet wird, um die
                              Gaͤhrung aufzuhalten, dadurch wirkt, daß sie den Sauerstoff der Luft, welchen
                              die Fluͤssigkeit aufgeloͤst enthaͤlt, oder womit sie in
                              Beruͤhrung kommen kann, absorbirt und daß sodann das Ferment, der
                              Beruͤhrung mit Sauerstoff beraubt, die Gaͤhrung nicht mehr bedingen
                              kann. Wenn diese Hypothese aber haltbar seyn sollte, so muͤßte man vorerst
                              beweisen, daß die schwefliche Saͤure, in Beruͤhrung mit Sauerstoff und
                              Wasser, sich schnell in Schwefelsaͤure umaͤndert; dieß geschieht aber
                              nur sehr langsam und nach einigen Chemikern ganz und gar nicht. Auch mochte es
                              scheinen, daß die Koͤrper, welche unter denselben Umstaͤnden den
                              Sauerstoff staͤrker anziehen, als die schwefliche Saͤure, auch die
                              Eigenschaft besizen muͤßten die Gaͤhrung zu verhindern; wenn man aber
                              ein mit Schwefelwasserstoff gesaͤttigtes Zukerwasser mit Bierhefe versezt, so
                              tritt die Gaͤhrung sehr rasch ein. Ich glaube, daß die schwefliche
                              Saͤure weniger durch ihre Verwandtschaft zum Sauerstoff als durch ihre sauren
                              Eigenschaften wirkt; denn wenn man ein ganz klares Decoct von Bierhefe oder Kleber,
                              mit etwas schweflicher Saͤure, Schwefelsaͤure, Salpetersaͤure,
                              Salzsaͤure oder Alaunaufloͤsung versezt, so truͤbt sie die
                              Fluͤssigkeit und sezt bald darauf weiße Floken ab, die aus der Saͤure und einer
                              animalisirten Substanz bestehen; filtrirt man sodann die Fluͤssigkeit und
                              saͤttigt ihre Saͤuren mit einem Alkali, so kann sie reinen Zuker nicht
                              mehr in Gaͤhrung versezen. Was noch mehr zu beweisen scheint, daß die
                              schwefliche Saͤure bloß durch ihre sauren Eigenschaften wirkt, ist dieses,
                              daß der schweflichsaure Kalk und die anderen schweflichsauren Salze, wenn sie ganz
                              neutral sind, die Gaͤhrung eines Gemenges von Wasser Zuker und Hefe gar nicht
                              verhindern. Wenn diese Salze so gute Dienste leisten, um die geistige
                              Gaͤhrung des Runkelruͤbensaftes zu verhindern, so ist die Ursache
                              davon diese, daß diese Frucht freie Weinsteinsaͤure enthaͤlt, welche
                              das schweflichsaure Salz zersezt und die schwefliche Saͤure zum Theil frei
                              macht; auch gaͤhrt der Traubensaft, wenn man seine freie Saͤure mit
                              Kreide gesaͤttigt hat, in Beruͤhrung mit schweflichsaurem Kalk.
                              Hieraus schloß ich der Analogie nach, daß die schwefliche Saͤure durch
                              Schwefelsaͤure mußte ersezt werden koͤnnen, um die Gaͤhrung
                              aufzuhalten; allein wegen der leichten Zersezbarkeit der weinsteinsauren Salze durch
                              Schwefelsaͤure, wird diese Saͤure sodann neutralisirt und es bleibt
                              nur Weinsteinsaͤure in freiem Zustande vorhanden, welche nicht aber so auf
                              das Ferment wirkt. Daher haͤlt auch die Schwefelsaͤure, welche die
                              Gaͤhrung eines Gemenges von Wasser, Zuker und Hefe verhindert, sie nicht mehr
                              auf, wenn man sie vorher mit etwas Weinstein versezt hat. Man hat also mit Recht der
                              schweflichen Saͤure in der Praxis den Vorzug gegeben.
                           Da die starken Mineralsaͤuren die Hefe aus ihrer waͤsserigen
                              Aufloͤsung faͤllen, so ist es mir sehr wahrscheinlich, daß sie die
                              Gaͤhrung dadurch hemmen, daß sie sich mit dem Gaͤhrungsstoff
                              vereinigen (gerade so wie mit dem Eiweiß, welches sie gerinnen machen) und daß sie
                              mit ihm eine weniger aufloͤsliche Verbindung bilden, deren Cohaͤsion
                              ihre Wirksamkeit auf den Zuker verhindert. Das Ferment verliert auch wahrscheinlich
                              in Folge einer VermehrungVermehrrung seiner Cohaͤsion an Kraft, wenn man es in siedendes Wasser taucht.
                              Diese Erklaͤrungsart hat den Vortheil, daß sie ganz allgemein anwendbar ist;
                              man kann sich hiernach auch von der Wirkungsart des Senfes Rechenschaft geben,
                              welcher an einigen Orten angewandt wird, um weißen Weinen den suͤßen Geschmak
                              zu erhalten. Seine Wirkung wird dadurch bedingt, daß er eine freie Saͤure
                              enthaͤlt, welche in Wasser aufloͤslich ist und deren Aufloͤsung
                              das Hefendecoct nach Art der Mineralsaͤuren faͤllt. Hiernach sieht man
                              auch leicht ein, welche Dienste der Alaun leistet, den einige Weinhaͤndler
                              anwenden, um das Umschlagen des Weines zu verhindern: dieses Salz dient nicht nur,
                              um die Farbe zu beleben, sondern auch um die Fluͤssigkeit zu klaͤren
                              und gegen
                              Gaͤhrung zu schuͤzen, indem es die Hefentheile, welche sie
                              truͤben oder darin noch aufgeloͤst seyn koͤnnen, faͤllt.
                              Hieraus folgt auch, daß eines der besten Mittel die Waͤhrung zu verhindern,
                              dieses ist, die Fluͤssigkeiten, welche derselben faͤhig sind, mit
                              sauren Substanzen, hauptsachlich aus dem Mineralreiche, zu vermischen; es scheint
                              jedoch, daß auch einige Pflanzensubstanzen ein Mittel gegen diese freiwillige
                              Veraͤnderung abgeben koͤnnten, wenigstens nach der Wirkung des Senfes
                              zu urtheilen.