| Titel: | Notiz über den Welland-Canal, in Upper-Canada; von W. Hamilton Merritt. | 
| Fundstelle: | Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XV., S. 81 | 
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                        XV.
                        Notiz uͤber den Welland-Canal, in
                           Upper-Canada; von W.
                              Hamilton Merritt.
                        Nach Silliman's American Journal.XIV. B. S.
                              159.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II. Fig. 5.
                        Merritt, uͤber den Welland-Canal, in
                           Upper-Canada.
                        
                     
                        
                           Was soll man an den Nordamerikanern mehr bewundern: die Groͤße der Ideen, mit
                              welchen sie die Plaͤne zur Verbesserung ihres Landes entwerfen, die
                              wahrhaftig an das Riesenartige graͤnzen; den bienenartigen Fleiß, mit welchem
                              sie die zur Ausfuͤhrung ihrer Plane noͤthigen Materialien von allen
                              Seiten zu sammeln und zu ordnen wissen; oder die Einfachheit und schoͤne
                              Ordnung, mit welcher sie dieselbe ausfuͤhren? Die Loͤsung dieser Frage
                              waͤre vielleicht eines Preises nicht unwerth. Fuͤr jeden Fall
                              wuͤrde sie beweisen, daß ein Volk nur so lang etwas vermag, als
                              militaͤrischer Geist in ihm lebendig bleibt, nicht Eroberungsgeist, sondern
                              der Geist der Ordnung und der Disciplin; der Geist der Mathematik und der Geradheit,
                              der die Erde in ihren Tiefen durchgraͤbt, wenn sie ihm Berge
                              entgegenhaͤlt, die ihn in Verfolgung seines Zwekes hindern. So lang der Geist
                              Washington's und Franklin's uͤber Amerika wehen wird, wird es Wunder thun, so wie es
                              Preußen that durch Friedrich's Geist, und Frankreich
                              durch Napoleon's.
                           Wir finden in Silliman's Journal a. a. O. ein vier Fuß
                              vier Zoll langes herrlich gestochenes geologisches Profil eines Theiles von
                              Nordamerika vom atlantischen Meere bis zum Erie-See unter dem 43° N.
                              Br. uͤber eine Streke von 9 Laͤngen-Graden. Fuͤr jeden
                              Ort auf dieser Laͤnge von 9 Graden ist nicht bloß die Hoͤhe
                              uͤber dem Meere, sondern auch die geologische Beschaffenheit des Bodens
                              angegeben. Wie viel Laͤnder in Europa haben ein solches Profil, wie Hr. Amos
                              Eaton
                              Der achtbare Herr Stephen van Rensselaer, der
                                    Stifter der Rensselaer Schule, der
                                    verstaͤndigsten vielleicht auf Erden, unterstuͤzte Hrn. Eaton u.a. mit einem Aufwande von 18,000 Dollars
                                    in den lezten 7 Jahren bloß zur Aufnahme der
                                       Naturgeschichte. hier uͤber 9 Grade lieferte, auch nur uͤber 9 Minuten? Wo wir
                              in Europa die Hoͤhen haben, fehlt es an der Tiefe, d.h., an dem geologischen
                              Verhalten, und wo man dieses bergmaͤnnisch genau kennt in Europa, fehlt nur
                              zu oft die Seehoͤhe. Dieses im Jahr 1822 und 23 entworfene Profil wurde im J.
                              1828 neuerdings durchgegangen und verbessert. Solche Arbeiten sind nur in einem
                              Lande moͤglich, wo Mathematik und Naturgeschichte, Gewerbe, Industrie, Handel
                              der Athem des Volkes sind und seyn duͤrfen.
                           Der Welland-Canal hat keinen anderen Zwek, als die
                              Verbindung des Erie-See mit dem Ontario-See, und die Umgehung der
                              beruͤhmten Niagara-Faͤlle. Mit
                              Ausnahme des Durchschnittes der Chesapeake-Bay
                              nach der Delaware-Bay wird dieser Canal der
                              Groͤße nach der erste in Nordamerika seyn, und in Hinsicht auf die
                              Oberflaͤche seiner Waͤsser der erste in Europa.
                           Es mußte auf einer Streke von mehr denn Einer Meile ein Huͤgel von 30 bis 56
                              Hoͤhe durchgegraben werden, und dieser Durchschnitt, der tiefe Schnitt, (the deep cut), gab allein
                              1,477,700 Kubik-Yards Erde (1 Yard = 3 Fuß) aus einer Durchschnittstiefe von
                              44 Fuß wegzuschaffen.
                           Die Weise, wie die Erde aus dieser Tiefe heraufgefoͤrdert wird, ist eben so
                              einfach als sinnreich. Hr. Oliver Phelps ließ, so wie man
                              einmal in eine etwas bedeutende Tiefe eingegraben hatte, an der Wand des Canales
                              eine Bahn, ab, vorrichten, die von der Sohle desselben unter einem Winkel von
                              15° aufwaͤrts steigt. An dem oberen Ende derselben stekt ein
                              gewoͤhnliches Wagenrad, R, Fig. 5., auf einer
                              aufrechten Achse, welche so geneigt ist, daß das Seil, SS, bequem und sicher uͤber den Umfang desselben laufen kann,
                              welcher, in dieser Hinsicht, noch mit einem Rande versehen ist. Die Achse
                              laͤuft unten in einem in der Erde eingegrabenen, gehoͤrig befestigten,
                              Pfosten, P, und oben in einem von zwei starken
                              hoͤlzernen Pfosten, GG, gestammten Lager.
                              Zwei Leiter, zu jeder Seite Einer, leiten das Seil, SS, uͤber das Rad. Ein Ende dieses Seiles ist nun an dem
                              Vordertheile des Wagens, W, befestigt, welcher mit der
                              Erde uͤber die Bahn, ab, mittelst zweier Ochsen heraufgezogen wird; das
                              andere Ende dieses Seiles ist an dem Hintertheile des Wagens, V, festgemacht, der leer hinabfaͤhrt, waͤhrend der andere
                              herauffaͤhrt. Da nun das an diesen Wagen auf die angegebene Weise befestigte
                              Grit uͤber das sich drehende Rad, R,
                              laͤuft, so ist es offenbar, daß, waͤhrend der leere Wagen, V, die Bahn ba
                              hinabfaͤhrt, er dem Wagen W als Vorspann dient,
                              und diesen in der Richtung ab aufwaͤrts ziehen
                              hilft, und zwar mir einer solchen Gewalt, daß die Ochsen am Wagen, W, denselben so leicht uͤber die schiefe
                              Flaͤche ab hinaufziehen, als ob sie auf
                              ebenem Wege zoͤgen. Das Rad, R, ist so fest, daß
                              sechs Karren auf ein Mal heraufgezogen werden koͤnnen, waͤhrend sechs
                              andere leer hinunter laufen. Wagen durch andere, die man uͤber eine schiefe
                              Flaͤche hinabrollen laͤßt, uͤber diese heraufzuziehen, haben
                              wir auch in Europa hier
                              und da in Gebirgen gelernt; indessen verdient diese Art von Foͤrderung eine
                              groͤßere Ausdehnung, als man ihr bisher gegeben hat, und kann, wie man sieht,
                              haͤufiger angewendet werden, als man glaubt. Der Wagen wird, da die Truhe auf
                              einer Laͤngenachse ruht, und diese leicht aus dem Gleichgewichte gebracht
                              wird, in wenigen Secunden ausgeleert, und waͤhrend er ausgeleert wird, wird
                              das Seil anders eingehaͤkelt, so daß in einigen Augenbliken der Wagen, der so
                              eben heraufgezogen wurde, wieder auf seiner Reise nach der Tiefe
                              hinabfaͤhrt.
                           Welche Schwierigkeiten man hier, noch außer diesem tiefen
                                 Schnitte, beseitigen mußte, erhellt allein schon aus dem Umstaͤnde,
                              daß auf einer Streke von ungefaͤhr vier englischen Meilen nicht weniger als
                              32 Schleusten mit einem Gesammtfalle von 322 Fuß vorkommen. Jede Schleuße ist 100
                              Fuß lang, 22 Fuß breit, und kann Schiffe von 125 Tonnen Last aufnehmen.
                           Eine Gesellschaft schoß 800,000 Dollars Capital zu diesem Canale vor;
                              Ober-Canada gab noch 200,000 Dollars dazu, und strekte 100,000 Dollars vor.
                              Unter-Canada unterzeichnete 100,000 Dollars, und selbst die englische
                              Regierung erklaͤrte sich 1/9 der Kosten zu tragen.
                           Der Canal ist 8 Fuß tief, am Boden 26 Fuß und oben 58 breit. Er kann von einem Lande
                              von 206,000 englischen Quadratmeilen Oberflaͤche benuͤzt werden: so
                              weit reicht naͤmlich die Wasserverbindung der drei großen Nordamerikanischen
                              Seen oder vielmehr Binnen-Meere mittelst der schiffbaren Fluͤsse, die
                              sich in diese Seen ergießen, und jezt ihre Schiffe bis an die Mauern von
                              New-York tragen koͤnnen.