| Titel: | Bemerkungen über das gewöhnliche kohlensaure Ammoniak; von Hrn. Oscar Figuier, Pharmaceut zu Montpellier. | 
| Fundstelle: | Band 40, Jahrgang 1831, Nr. LXXXI., S. 431 | 
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                        LXXXI.
                        Bemerkungen uͤber das gewoͤhnliche
                           kohlensaure Ammoniak; von Hrn. Oscar Figuier, Pharmaceut zu Montpellier.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Mai 1831, S.
                              237.
                        Figuier, Bemerkungen uͤber das gewoͤhnliche
                           kohlensaure Ammoniak.
                        
                     
                        
                           Man hat die Kohlensaͤure mit dem Ammoniak in drei verschiedenen
                              Verhaͤltnissen verbunden. Es gibt ein neutrales, ein zweifachkohlensaures und
                              ein anderthalb-kohlensaures Ammoniak. Ersteres besteht aus:
                           
                              
                                 Ammoniak, einem Aequivalent
                                   43,90
                                 
                              
                                 Kohlensaͤure, einem
                                    Aequivalent
                                   56,10
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Man kann dieses Salz bloß dadurch erhalten, daß man ein halbes Volumen Ammoniak mit
                              einem Volumen Kohlensaͤure, nachdem beide Koͤrper gut ausgetroknet
                              wurden, mit einander vermischt.
                           Das zweifach-kohlensaure Ammoniak besteht aus:
                           
                              
                                 Ammoniak, einem Aequivalent
                                   24,50
                                 
                              
                                 Kohlensaͤure, zwei
                                    Aequivalenten
                                   62,62
                                 
                              
                                 Wasser, einem Aequivalent
                                   12,88
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Man bereitet dieses Salz, indem man durch eine Aufloͤsung von aͤzendem
                              oder nicht mit Kohlensaͤure gesaͤttigtem Ammoniak einen Strom
                              Kohlensaͤure leitet; oder auch indem man das gewoͤhnliche kohlensaure
                              Ammoniak der Luft aussezt.
                           Das anderthalb-kohlensaure Ammoniak besteht aus:
                           
                              
                                 Ammoniak, anderthalb Aequivalenten
                                   31,38
                                 
                              
                                 Kohlensaͤure, einem
                                    Aequivalent
                                   60,40
                                 
                              
                                 Wasser, einem halben Aequivalent
                                     8,22
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Dieses Salz unterscheidet sich von den beiden anderen durch folgende Eigenschaften.
                              Es faͤllt die Kalksalze mit Aufbrausen, so wie das
                              zweifach-kohlensaure; laͤßt sich aber von demselben leicht durch
                              seinen starken Ammoniakgeruch und seine starke Reaction auf die blauen
                              Pflanzenfarben unterscheiden. Das neutrale kohlensaure Ammoniak hingegen
                              faͤllt aus den Kalksalzen neutralen kohlensauren Kalk ohne Aufbrausen.
                           
                           Das anderthalb-kohlensaure Ammoniak ist noch durch seine Veraͤnderung
                              an der Luft merkwuͤrdig; es verliert ein Viertel seiner Basis, absorbirt halb
                              so viel Wasserdampf als es urspruͤnglich enthielt und aͤndert sich in
                              das zweifach-kohlensaure Salz um. Vier Aequivalente
                              anderthalb-kohlensaures Salz verlieren also ein Aequivalent Ammoniak und
                              aͤndern sich dadurch in drei Aequivalente zweifach-kohlensaures Salz
                              um.Hr. Gay-Lussac nimmt ein Aequivalent Wasser in diesem Salze an. Es wuͤrde sich
                                    dann durch bloße Ammoniakentbindung in das zweifach-kohlensaure Salz
                                    umaͤndern. Man sieht uͤbrigens wohl ein, daß es zu
                                    verschiedenen Zeiten eine verschiedene Zusammensezung haben muß, bis es sich
                                    endlich ganz in das Bicarbonat umgeaͤndert hat. A. d. O. Das anderthalb-kohlensaure Ammoniak wird gewoͤhnlich mit der
                              falschen Benennung basisch kohlensaures Ammoniak bezeichnet, waͤhrend es in
                              der That ein saures Salz ist.
                           Man bereitet es, indem man ein Gemenge von Salmiak und neutralem kohlensaurem Kalk
                              erhizt. Durch Austausch der Saͤuren und Basen beider Salze muͤßte man
                              ein ebenfalls neutrales kohlen saures Ammoniak erhalten; das Product ist aber ein
                              saures Salz. Die chemischen Lehrbuͤcher erwaͤhnen dieses
                              merkwuͤrdigen Umstandes nicht; es ist jedoch klar, daß weil das Product
                              uͤberschuͤssige Saͤure enthaͤlt, in dem
                              Ruͤkstande die entsprechende Basis enthalten seyn muß. Ich kenne von dieser
                              Erscheinung zwei verschiedene Erklaͤrungen; die eine gab Hr. Dulong in seinen Vorlesungen uͤber Chemie, die
                              andere findet sich in der Pharmpacopée
                                 raisonnée der HHrn. Henry und Guibourt. Hr. Dulong nimmt an,
                              daß sich verhaͤltnißmaͤßig mehr kohlensaurer Kalk als salzsaures
                              Ammoniak zersezt und daher das verfluͤchtigte kohlensaure Ammoniak freie
                              Saͤure enthaͤlt; man muß aber dann auch annehmen, daß der
                              Ruͤkstand in dem Destillationsgefaͤße uͤberschuͤssigen
                              Kalk enthaͤlt, es sey nun in freiem Zustande oder mit Chlorcalcium zu einem
                              basischen Salze verbunden. Nach den HHrn. Henry und Guibourt wuͤrden das salzsaure Ammoniak und der
                              kohlensaure Kalk die Basis und Saͤure bloß gegen einander austauschen und der
                              Ruͤkstand in der Retorte waͤre nichts als Chlorcalcium, ein Theil des
                              Ammoniaks wuͤrde sich aber entbinden, so daß also das Product freie
                              Saͤure enthielte.
                           Ich stellte einige Versuche au, um zu erfahren, welche von beiden
                              Erklaͤrungsarten angenommen werden muͤsse. Ein Theil Kreide wurde mit
                              drei Theilen Salmiak vermengt; beide Koͤrper waren vorlaͤufig fein
                              gepulvert worden. Man nahm absichtlich den Salmiak in Ueberschuß, um den
                              kohlensauren Kalk ganz zu zersezen. Ich erhizte maͤßig und lange genug, um
                              allen Salmiak zu verfluͤchtigen. Bei der Untersuchung des Ruͤkstandes
                              ergab es sich, daß er aus neutralem Chlorcalcium bestand. Es ließ sich jedoch annehmen, daß
                              wenn der Ruͤkstand kein basisches Chlorcalcium enthielt, dieses von dem in
                              Ueberschuß angewandten Salmiak herruͤhre, indem der frei gewordene Kalk auf
                              das uͤberschuͤssige salzsaure Ammoniak wirken, das Ammoniak entbinden
                              und eine neue Quantitaͤt Chlorcalcium erzeugen konnte. Um daruͤber
                              Aufklaͤrung zu erhalten, machte ich ein neues Gemenge in umgekehrtem
                              Verhaͤltnisse und erhizte. Der Ruͤkstand entwikelte mit Kali kein
                              Ammoniak; das Wasser loͤste ihn nur unvollstaͤndig auf und die
                              Aufloͤsung reagirte nicht auf Curcumaͤpapier und Veilchensaft. Ein
                              Tropfen Salpetersaͤure reichte hin, um sie das Lakmuspapier roͤthen zu
                              machen; dieses waͤre nicht geschehen, wenn das Chlorcalcium mit Kalk zu einer
                              aufloͤslichen Verbindung vereinigt gewesen waͤre. Der
                              unaufloͤsliche Theil war nach oͤfterem Aussuͤßen ganz
                              geschmaklos, loͤste sich in den Saͤuren mit Aufbrausen auf und nachdem
                              die Aufloͤsung mit reiner Salpetersaͤure behandelt und mit Wasser
                              verduͤnnt worden war, faͤllte sie das salpetersaure Silber nicht; es
                              war folglich kein basisches Chlorcalcium vorhanden.
                           Da ich mich hiedurch uͤberzeugt hatte, daß erstere Theorie mangelhaft ist, so
                              suchte ich auszumitteln, ob sich waͤhrend der Bereitung des kohlensauren
                              Ammoniaks kein Ammoniakgas entbindet. Der Apparat, dessen ich mich bediente, bestand
                              aus einer kleinen glaͤsernen Retorte, welche eine Unze von dem Gemenge faßte,
                              einem Ballon um das kohlensaure Ammoniak zu sammeln, welcher waͤhrend der
                              Operation immer mit Eis umgeben war und aus einer Roͤhre, um das Gas
                              aufzusammeln. Nachdem die Retorte gehoͤrig erhizt worden war, sammelte man
                              die Luft des Apparates so wie das Gas, welches waͤhrend der Operation erzeugt
                              worden seyn konnte, uͤber Queksilber: diese Luft enthielt aber nur sehr wenig
                              Ammoniakgas, was der Behauptung der HH. Henry und Guibourt zu widersprechen scheint; ich entdekte jedoch
                              bald die Ursache, welche die wahre Reaction verstekte. Es ist keine andere, als daß
                              sich in Folge der Zersezung der beiden Salze eine gewisse Quantitaͤt Wasser
                              bildet. Dieses Wasser befeuchtet das entstandene kohlensaure Ammoniak und
                              haͤlt den groͤßeren Theil des gebildeten Ammoniakgases in
                              Aufloͤsung zuruͤk. Die Reaction findet zwischen drei Aequivalenten
                              salzsaurem Ammoniak und drei Aequivalenten kohlensaurem Kalk Statt; es entstehen
                              dadurch zwei Aequivalente anderthalb-kohlensaures Salz, ein Aequivalent
                              Ammoniak und zwei Aequivalente Wasser. Hiedurch sind alle Erscheinungen, welche man
                              waͤhrend der Bereitung des gewoͤhnlichen kohlensauren Ammoniaks
                              beobachten kann, vollkommen erklaͤrt.
                           Der kohlensaure Kalk und das salzsaure Ammoniak, beides neutrale Salze, zersezen sich
                              und geben einerseits. Chlorcalcium, welches ebenfalls neutral ist und in dem
                              Destillationsgefaͤße bleibt; die anderen Producte sind Kohlensaͤure
                              und Ammoniak, in solchem Verhaͤltniß, daß sie sich neutralisiren, das heißt
                              ein den neutralen kohlensauren Alkalien entsprechendes Salz bilden koͤnnen,
                              welches die Kalksalze ohne Aufbrausen zersezen wuͤrde; zu gleicher Zeit
                              scheidet sich auch Wasserdampf aus, indem sich der Sauerstoff des Kalks mit dem
                              Wasserstoff der Salzsaͤure verbindet; diese drei Koͤrper
                              koͤnnen sich aber nicht in den Verhaͤltnissen, worin sie zu einander
                              stehen, verbinden. Bekanntlich erhaͤlt man bloß dann direct neutrales
                              kohlensaures Ammoniak, wenn man die Bestandtheile desselben im gasfoͤrmigen
                              Zustande und vollkommen ausgetroknet, mit einander in Beruͤhrung bringt,
                              indem sich bei Gegenwart von Wasser unvermeidlich anderthalb-kohlensaures
                              Ammoniak bilden und ein Theil des Ammoniaks abscheiden wuͤrde; dieß geschieht
                              nun bei der untersuchten Operation, wo Ammoniak, Kohlensaͤure und Wasserdampf
                              zu gleicher Zeit mit einander in Beruͤhrung kommen.
                           Durch meine Versuche ist also erwiesen, daß wenn man kohlen, saures Ammoniak durch
                              Zersezung des Salmiaks mit kohlensaurem Kalk bereitet, das Product ein saures Salz
                              ist, nicht weil sich ein Theil des Kalks, sondern im Gegentheil etwas Ammoniak
                              abscheidet und daß diese Zersezungsart durch die noch unbekannte Ursache veranlaßt
                              wird, welche das Ammoniakgas und die Kohlensaͤure verhindert, sich zu einem
                              neutralen Salze zu verbinden, wenn sie bei Gegenwart von Wasser zusammentreffen.