| Titel: | Ueber verschiedene Eigenschaften der Kohlen bei ihrer Anwendung zur Bearbeitung des Zukers, von Hrn. Dubrunfaut. | 
| Fundstelle: | Band 40, Jahrgang 1831, Nr. LXXXII., S. 434 | 
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                        LXXXII.
                        Ueber verschiedene Eigenschaften der Kohlen bei
                           ihrer Anwendung zur Bearbeitung des Zukers, von Hrn. Dubrunfaut.
                        (Aus dem Agriculteur-Manufacturier. 1831. Bd. II. S. 206.)
                        Dubrunfaut, uͤber die Eigenschaften der Kohlen bei ihrer
                           Anwendung zur Bearbeitung des Zukers.
                        
                     
                        
                           Die entfaͤrbende Eigenschaft der Kohle, welche von Lowitz entdekt wurde, schien bisher ausschließlich alle Chemiker zu
                              beschaͤftigen, welche Versuche uͤber die Anwendung derselben zur
                              Bearbeitung des Zukers anstellten. Die anderen Eigenschaften dieser
                              nuͤzlichen Substanz wurden nicht gehoͤrig gewuͤrdigt und auf
                              diese wollen wir nun die Aufmerksamkeit der Fabrikanten lenken.
                           Die Gesellschaft der Pharmacie zu Paris schrieb einen Preis auf die beste Abhandlung
                              uͤber die entfaͤrbende Eigenschaft der Kohle aus, woruͤber die
                              HHrn. Bussy
                              Die Abhandlung des Hrn. Bussy findet sich im
                                    polytechn. Journal Bd. IX. s. 212.
                                    A. d. R. und Payen die beste Arbeit lieferten.
                           
                           Aus derselben ging unter anderen wichtigen Thatsachen hervor: 1) Daß die
                              entfaͤrbende Eigenschaft der Kohlen hauptsaͤchlich von dem Kohlenstoff
                              abhaͤngt. 2) Daß die Lage der Kohlen-Molecule und die Gegenwart
                              fremdartiger Substanzen einen wesentlichen Einfluß darauf haben. So entfaͤrbt
                              die matte Kohle am meisten und die glaͤnzendste am wenigsten und die
                              Gegenwart der Kalksalze erhoͤht die Entfaͤrbungskraft des Kohlenstoffs
                              der Knochenkohle. 3) Daß der Kohlenstoff sich mit den Faͤrbestoffen
                              vereinigt, ohne sie zu zersezen und mit ihnen unaufloͤsliche Verbindungen
                              bildet. Hr. Bussy hat außerdem bewiesen, daß die Kohlen,
                              welche zur Entfaͤrbung dienten, an Gewicht zunahmen und um so mehr, je
                              staͤrker sie entfaͤrbten. Er nahm 5 Grammen von jeder der folgenden
                              Kohlen und beobachtete die beigesezte Gewichtszunahme:
                           
                              
                                 Mit Potasche calcinirte Blutkohle
                                 1,56
                                 
                              
                                 Mit Salzsaͤure gereinigte
                                    Knochenkohle
                                 0,54
                                 
                              
                                 Rohe Knochenkohle
                                 0,30
                                 
                              
                           Hr. Bussy schrieb diese ungeheure Gewichtszunahme dem
                              Faͤrbestoff in der Kohle zu. Wir wollen sogleich bemerken, daß er seine
                              Versuche mit Melasse vom Zukerrohrsafte anstellte und daß sie die Einwirkung der
                              Kohle auf den Schleim beweisen.
                           Hr. Payen zeigte, daß die thierische Kohle dem Kalkwasser
                              den Kalk entzieht und daß sie daher beim Raffiniren nuͤzlich seyn muß. Hr.
                              Derosne hatte diese Eigenschaft schon fruͤher
                              bemerkt. Da man in den Raffinerien die Beobachtung gemacht hat, daß die thierische
                              Kohle die Krystallisation des Zukers beim Raffiniren sehr beguͤnstigt, so
                              schloß Hr. Payen daraus, daß sie auch auf die
                              Extractivstoffe wirken muß. (Ohne Zweifel verstand der Verfasser darunter die
                              Substanz, welche wir Schleim nennen.) Er erfand ferner ein vortreffliches
                              Instrument, welches er Decolorimeter nannte, womit man die entfaͤrbende Kraft
                              der Kohlen bestimmen kann. (Wir beschreiben es unten.)
                           Indessen beobachtete man in den Raffinerien noch eine andere Wirkung der Kohle, daß
                              sie naͤmlich dem Syrup die Eigenschaft ertheilt zu sieden, ohne daß er
                              schaͤumt oder steigt; die Raffinirer nennen dieß die Trokniß im Syrup. Sie
                              sagen daher, daß die Kohle ihren Zuker entschmeert. Sie haben außerdem gefunden, daß
                              sie durch Anwendung der Kohle wenigstens 10 Procent Raffinade mehr erhalten. Diese
                              fruͤher unbekannte Eigenschaft der Kohle ist ohne Zweifel eine der
                              wichtigsten.
                           Im Jahre 1823 vermuthete ich, wie man dieß aus einer Note in meinem Werke
                              uͤber die Runkelruͤbenzukerfabrication ersieht,Man vergleiche polyt. Journal Bd. XXVIII.
                                       S. 302. A. d. R. daß die
                              thierische Kohle das Kali und Ammoniak saͤttigt; im Jahre 1827, wo ich
                              uͤber diesen Gegenstand directe Versuche anstellte, fand ich, daß die Kohle
                              alle Alkalien saͤttigt.
                           Man wußte schon seit langer Zeit, daß die Pflanzenkohle das Wasser desinficirt und
                              reinigt und hat diese Eigenschaft in der Haushaltung und den Fabriken benuzt. Ich
                              zweifle nicht, daß man mit großem Vortheil die Pflanzenkohle durch thierische Kohle
                              zum Reinigen des Wassers wird ersezen koͤnnen, besonders wenn dasselbe durch
                              gaͤhrende organische Substanzen veraͤndert ist oder Salze in
                              Aufloͤsung enthaͤlt. Vor ungefaͤhr 18 Monaten fand ich, daß die
                              thierische Kohle den Zukeraufloͤsungen die schleimige Substanz entzieht,
                              welche sich der Annaͤherung der Krystalle widersezt und daß sie auch mehrere
                              Salze mit alkalischer Basis, wie Kochsalz, schwefelsaures Kali, kohlensaure Alkalien
                              u.s.w. zersezt. Ungefaͤhr um dieselbe Zeit machte Hr. Graham in den Annalen von Brewster eine
                              Abhandlung uͤber die Wirkung der Kohle auf die Salzaufloͤsungen
                              bekannt, welche wir unten mittheilen.
                           Die Reactionen der Kohle, welche bei Behandlung des Zukers hauptsaͤchlich
                              Beruͤksichtigung verdienen, sind folgende:
                           1) Ihre Wirkung auf die Faͤrbestoffe.
                           2) Ihre Wirkung auf den Schleim (mucilage) des
                              Zukers.
                           3) Ihre Wirkung auf die Alkalien und Salze.
                           
                              1. Wirkung der Kohle auf die
                                    Faͤrbestoffe.
                              Diese Wirkung scheint wie die anderen auf die Oberflaͤche der
                                 Kohlen-Molecule beschraͤnkt zu seyn, weil sie je nach der
                                 groͤßeren oder geringeren Zertheilung derselben verschieden ist. Obgleich
                                 sie zwischen zwei Koͤrpern Statt findet, deren verschiedene
                                 Zustaͤnde einer chemischen Vereinigung wenig guͤnstig sind, so ist
                                 sie doch wahrscheinlich das Resultat einer Verbindung dieser Art. Der
                                 Faͤrbestoff saͤttigt in der That die Kohle, er wird nicht zersezt
                                 und kann aus seiner Verbindung mit derselben durch Koͤrper, welche eine
                                 groͤßere Verwandtschaft zum Kohlenstoff haben, getrennt werden; unter
                                 leztere gehoͤren nach den Versuchen des Hrn. Bussy die Alkalien.
                              Die Zahlen, wodurch verschiedene Schriftsteller die entfaͤrbende Kraft der
                                 Kohlen ausdruͤkten, variiren weil sie dieselben durch wesentlich
                                 verschiedene Methoden bestimmten. So waͤhlte Hr. Bussy den neutralen schwefelsauren Indigo als gefaͤrbte
                                 Probefluͤssigkeit, und untersucht welches Volumen seiner
                                 Fluͤssigkeit die zu pruͤfenden Kohlenmuster vollstaͤndig
                                 entfaͤrben. Er versteht daher unter Entfaͤrbungskraft die
                                 Eigenschaft eine gefaͤrbte Fluͤssigkeit vollkommen zu bleichen.
                                 Bedenkt man aber, daß eine Kohle in dem Augenblik wo sie aufhoͤrt eine
                                 Fluͤssigkeit vollstaͤndig zu entfaͤrben, einer neuen
                                 Portion dieser Fluͤssigkeit noch einen Theil ihres Faͤrbestoffes entziehen
                                 kann, so wird man die Pruͤfungsart des Hrn. Payen vorziehen. Lezterer Chemiker laͤßt gleiche Gewichte
                                 verschiedener Kohlen auf gleiche Raumtheile Probefluͤssigkeit (braunen
                                 Zuker) wirken und mißt dann mit seinem Decolorimeter die Farbe dieser
                                 entfaͤrbten Fluͤssigkeiten im Vergleich mit derjenigen der
                                 Probefluͤssigkeit; daraus leitet er Zahlen ab, welche die
                                 entfaͤrbende Kraft der Kohlen ausdruͤken und von der Wahrheit
                                 nicht sehr entfernt sind. Wenn man aber so verfaͤhrt, so hat man offenbar
                                 nicht die absolute Entfaͤrbungskraft der Kohlen gemessen, weil diese
                                 Kohlen nach den Versuchen, welchen sie Hr. Payen
                                 unterzieht, noch eine merkliche Entfaͤrbungskraft haben. Dasselbe ist der
                                 Fall bei den Kohlen, welche die Raffinirer wegwerfen, deren
                                 Entfaͤrbungskraft nicht erschoͤpft ist, und in dieser Hinsicht ist
                                 die Pruͤfungsart des Hrn. Payen identisch mit
                                 der Anwendung des Kohlenpulvers beim Raffiniren, und die Raffinirer erfahren
                                 also dadurch den Werth, welchen die Kohle als Entfaͤrbungsmittel bei dem
                                 Verfahren, welches sie befolgen, hat.
                              Um die absolute Entfaͤrbungskraft einer Kohle zu erfahren, muß man sie auf
                                 eine gefaͤrbte Probefluͤssigkeit wirken lassen, bis sie
                                 aufhoͤrt Farbestoff aus derselben anzuziehen. Um diese Bedingung bequem
                                 zu erfuͤllen, vermenge ich die Kohle in Pulverform mit ihrem 5 bis
                                 6fachen Gewichte feinen Sandes, bringe das Gemenge in eine Glasroͤhre von
                                 0,02 Meter Durchmesser, welche an ihrem unteren Ende durch ein Stuͤk Zeug
                                 geschlossen ist und gieße dann von der zu entfaͤrbenden
                                 Fluͤssigkeit so lange zu, bis dieselbe in demselben Zustande austritt, in
                                 welchem sie hineinkam. Nur dann bin ich sicher die Kohle erschoͤpft zu
                                 haben. Man sieht, daß hier die Entfaͤrbungskraft nicht nur mit dem
                                 Volumen der angewandten Fluͤssigkeit, sondern auch mit der Abnahme ihrer
                                 Farbe, welche durch den Decolorimeter bestimmt wird, in Verhaͤltniß
                                 steht. Will man diesen Versuch vergleichungsweise mit mehreren Kohlen anstellen,
                                 so muß man, um die Resultate zu vereinfachen, das heißt um das Volumen der
                                 Fluͤssigkeit bei der Berechnung der Entfaͤrbung nicht
                                 beruͤksichtigen zu duͤrfen, fuͤr alle Kohlen ein
                                 groͤßeres Volumen Fluͤssigkeit anwenden, als zur
                                 Erschoͤpfung von der wirksamsten Kohle erfordert wird, und dieß kann man
                                 durch vorlaͤufige Versuche bestimmen.
                              Folgender Versuch wurde mit 5 Grammen Kohle angestellt, die mit 20 Grammen Sand
                                 gemengt war. Die thierische Kohle, welche als Typus diente, war von auserlesenen
                                 Knochen bereitet. Die Kohle in Koͤrnern war kaͤufliche, wie sie
                                 fuͤr das Filter des Hrn. Dumont angewandt
                                 wird; die gepuͤlverte Kohle war die vorhergehende, aber gepulvert und
                                 durch ein Seidensieb gebeutelt. Die Pflanzenkohle war gewoͤhnliche gut
                                 gebrannte Kohle, zerrieben und durch ein Seidensieb gebeutelt. Die Schieferkohle war von
                                 Menat. Als Probefluͤssigkeit diente eine Aufloͤsung von braunem
                                 Zukercandis. Die erste Spalte der Tabelle enthaͤlt die Grade von Payen's Decolorimeter, naͤmlich Millimeter von
                                 gefaͤrbten Schichten; die zweite die Entfaͤrbungskraft in gemeinen
                                 Bruͤchen berechnet und die dritte dieselben Bruͤche in
                                 Decimalbruͤche verwandelt.
                              
                                 
                                    
                                    Decolorimeter.
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 
                                    1) Thierische Kohle, Typus
                                    630
                                    Millimet.
                                    53/63
                                    0,841
                                    
                                 
                                    2) Pflanzenkohle
                                    103
                                         –
                                      3/103
                                    0,029
                                    
                                 
                                    3) Dieselbe in Koͤrnern
                                    135
                                         –
                                    35/135
                                    0,259
                                    
                                 
                                    4) Gekoͤrnte Kohle nach dem
                                       Pulvern
                                    410
                                         –
                                    31/41
                                    0,756
                                    
                                 
                                    5) Schieferkohle
                                    330
                                         –
                                    23/33
                                    0,696
                                    
                                 
                              Bei einem anderen Versuche, welcher mit einer anderen Aufloͤsung von
                                 braunem Zukercandis angestellt wurde und wobei man die Entfaͤrbungskraft
                                 der Kohle nicht erschoͤpfte, erhielt man folgende Resultate.
                              
                                 
                                    
                                    Decolorimeter.
                                    
                                    
                                    
                                 
                                    1) Kohle als Typus
                                    280°
                                    270/280
                                    0,964
                                    
                                 
                                    2) Dieselbe in Koͤrnern
                                      19°
                                        9/19
                                    0,473
                                    
                                 
                                    3) Dieselbe gepulvert
                                    200°
                                    190/200
                                    0,950
                                    
                                 
                              Wenn man die Kohle in Pulverform beim Raffiniren anwendet, so erschoͤpft
                                 man sie nicht und zieht bloß von einer Wirkung Nuzen, welche wir anfaͤngliche Entfaͤrbungskraft nennen
                                 wollen, um sie von der Gesammtwirkung zu unterscheiden, welche wir absolute Entfaͤrbungskraft nennen werden. Aus
                                 obigen Versuchen geht hervor, daß die anfaͤnglichen
                                 Entfaͤrbungskraͤfte unter sich nicht in demselben
                                 Verhaͤltniß stehen wie die absoluten. So verhaͤlt sich in der
                                 anfaͤnglichen Entfaͤrbungskraft das Pulver zum Korn wie 964 : 473;
                                 bei der absoluten Entfaͤrbungskraft wird dieses Verhaͤltniß 756 :
                                 259.
                              Man sieht, daß es kein geringer Vortheil waͤre, wenn man in den
                                 Raffinerien die absolute Entfaͤrbungskraft einer gepulverten Kohle
                                 erschoͤpfen koͤnnte. Bei den folgenden Versuchen, welche wie die
                                 obigen mit fuͤnf Kohlensorten angestellt wurden, habe ich zwei Wirkungen
                                 der Kohle bestimmt und in Decimalbruͤchen ausgedruͤkt. Die dritte
                                 Spalte gibt die Summe der beiden Wirkungen ebenfalls in Decimalbruͤchen
                                 an. Ich gebrauchte als Probefluͤssigkeit eine neutrale Aufloͤsung
                                 von schwefelsaurem Indigo und erschoͤpfte die Kohle nicht.
                              
                                 
                                    
                                    1ste Wirkung.
                                    2te Wirkung.
                                    Gesammtwirkung.
                                    
                                 
                                    1) Thierische Kohle
                                    0,85
                                    0,375
                                    0,473
                                    
                                 
                                    2) Pflanzenkohle
                                    0,71
                                    0,166
                                    0,287
                                    
                                 
                                    3) Thierische Kohle in
                                       Koͤrnern
                                    0,77
                                    0,047
                                    0,287
                                    
                                 
                                    4) Thierische Kohle, gepulvert
                                    0,83
                                    0,230
                                    0,375
                                    
                                 
                                    5) Schieferkohle
                                    0,68
                                    0,090
                                    0,230
                                    
                                 
                              
                              Diese Versuche zeigen, daß die Zahlen, welche die
                                 Entfaͤrbungskraͤfte der Kohle fuͤr den braunen Zukercandis
                                 ausdruͤken, unter einander nicht in demselben Verhaͤltniß stehen,
                                 wie die fuͤr den Indigo, und man thut daher gut sich nach dem Vorschlag
                                 des Hrn. Payen einer Aufloͤsung von braunem
                                 Zukercandis zur Pruͤfung der Kohlen, welche bei Bearbeitung des Zukers
                                 angewandt werden sollen, zu bedienen. Man pruͤft so den Werth des Agens
                                 mit einer Substanz, welche derjenigen analog ist, auf welche es bei der
                                 Fabrication selbst wirken soll. Diese verschiedenen Versuche beweisen außerdem,
                                 1) daß reine Knochenkohle die entfaͤrbende Kraft im hoͤchsten
                                 Grade besizt und 2) daß die Schieferkohle nur den zweiten Rang behauptet; 3) daß
                                 der Verlust, welchen man erleidet, wenn man die Kohle nicht erschoͤpft,
                                 bei der mit der groͤßten Entfaͤrbungskraft begabten Kohle auch am
                                 groͤßten ist.
                              Wir wollen nun sehen, was aus diesen Thatsachen hinsichtlich der Anwendung der
                                 Kohle in Koͤrnern und in Pulverform folgt. Die gepulverte Kohle gibt so
                                 wie man sie in den Raffinerien anwendet, nur eine anfaͤngliche Wirkung,
                                 welche in Bezug auf ihre absolute Kraft um so geringer ist, je mehr man davon
                                 anwendet. Die gekoͤrnte Kohle, welche der Syrup leicht durchdringen kann,
                                 vermag der Fabrikant zu erschoͤpfen und so ihre absolute
                                 entfaͤrbende Wirkung sich zu Nuzen zu machen. Einige Raffinirer stellten
                                 vergleichende Versuche mit gleichen Gewichten gekoͤrnter und gepulverter
                                 Kohle an, da sie aber nach ihrer Gewohnheit von der gepulverten Kohle nur die
                                 anfaͤngliche Entfaͤrbungskraft benuzten und die gekoͤrnte
                                 Kohle nach dem Verfahren des Hrn. Dumont
                                 erschoͤpften,Man vergleiche daruͤber polytechn. Journal Bd. XXXVIII. S. 443. A. d. R. so fanden einige, daß sie beide gleich entfaͤrben und andere, daß
                                 die gekoͤrnte Kohle etwas weniger entfaͤrbt. Nimmt man diese
                                 Versuche als genau an, was sie wie ich glaube sind, so geht aus ihnen mit
                                 Beruͤksichtigung der oben von mir angegebenen hervor: daß man beim
                                 Raffiniren nur den dritten Theil der absoluten Entfaͤrbungskraft der
                                 gepulverten thierischen Kohle benuzt, waͤhrend man mit der
                                 gekoͤrnten Kohle so viel Faͤrbestoff abscheidet, als der Zustand
                                 ihrer Zertheilung moͤglich macht. Leute, welche diese Frage nur
                                 oberflaͤchlich untersuchten, schlossen aus solchen Versuchen, daß die
                                 gekoͤrnte Kohle keinen besonderen Vortheil darbietet und taͤuschen
                                 sich hierin sehr. In der That ist der Vortheil der gekoͤrnten Kohle nicht
                                 der, daß sie bei einem gleichen Gewichte mehr entfaͤrbt, sondern der, daß
                                 das Filtriren immer leicht und regelmaͤßig vor sich geht, so daß man im
                                 Stande ist die thierische Kohle in starker Dosis anzuwenden und so aus diesem
                                 Agens allen Nuzen zu ziehen, welchen man von seinen merkwuͤrdigen
                                 Eigenschaften erwarten darf.
                              
                              Die Alkalien haben einen großen Einfluß auf die entfaͤrbende Wirkung der
                                 Kohlen. Ich stellte folgende Versuche mit Aufloͤsungen von braunem
                                 Zukercandis an, welche die unten angegebenen Alkalien enthielten; ein gleiches
                                 Volumen derselben wurde mit einem gleichen Gewicht thierischer Kohle behandelt;
                                 die decolorimetrischen Versuche ergaben die beigesezten Zahlen als Ausdruk ihrer
                                 Entfaͤrbung.
                              
                                 
                                    Brauner Zukercandis fuͤr sich
                                       allein
                                    0,600
                                    
                                 
                                    Brauner Zukercandis und Aezkali
                                    0,280
                                    
                                 
                                        ders.
                                       und Ammoniak
                                    0,056
                                    
                                 
                                        ders.
                                       und Natron
                                    0,280
                                    
                                 
                                        ders.
                                       und kohlensaures Ammoniak
                                    0,470
                                    
                                 
                                        ders.
                                       und Kalk
                                    0,940
                                    
                                 
                              Man sieht, daß außer dem Kalk alle Alkalien die entfaͤrbende Kraft der
                                 Kohle schwaͤchten. Nur der Kalk erhoͤhte sie merklich.
                              Wenn man sich des Indigos vortheilhaft zur Untersuchung der
                                 Entfaͤrbungskraft der Kohlen bedienen koͤnnte, so ließe sich dazu
                                 vielleicht ein aͤhnliches Instrument wie der Chlorometer anwenden.
                                 Nachdem man Aufloͤsungen von neutralem schwefelsaurem Indigo von
                                 bekanntem chlorometrischen Gehalt mit Kohlen erschoͤpft haͤtte,
                                 koͤnnte man nach diesem Versuche die Quantitaͤt eines
                                 gepruͤften Chloruͤrs, welche diese Aufloͤsungen zu ihrer
                                 vollstaͤndigen Entfaͤrbung erfordern wuͤrden, bestimmen und
                                 so in Raumtheilen von Chlor die Entfaͤrbungskraft der Kohlen
                                 ausdruͤken.
                              Wenn die Kohle im Allgemeinen weniger auf gefaͤrbte alkalische
                                 Fluͤssigkeiten wirkt, als auf neutrale, so bemerkt man im Gegentheil, daß
                                 die Saͤuren und die sauren Salze ihre Entfaͤrbungskraft
                                 erhoͤhen. Einige Raffinirer und
                                 Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten wollten aus diesem Umstande Nuzen
                                 ziehen und wandten zugleich mit der Kohle auch Saͤuren und saure Salze
                                 an, erhielten aber dann einen Zuker von geringerer Qualitaͤt. Einige
                                 Personen erhielten mit Schieferkohle eine staͤrkere Entfaͤrbung
                                 als mit thierischer Kohle; dieß ruͤhrt von dem darin enthaltenen
                                 schwefelsauren Eisen her, welches durch Zersezung des Schwefelkieses entstand.
                                 Hr. Payen fand außerdem, daß Syrup, welcher mit
                                 Schieferkohle entfaͤrbt wird, die Schwefeleisen enthaͤlt, lezteres
                                 aufloͤst und sich beim Erhizen wieder stark faͤrbt.
                              
                           
                              2) Wirkung der Kohle auf den
                                    Schleim.
                              Hr. Bussy fand, wie ich oben bemerkte, daß die Kohle,
                                 wenn man damit eine Aufloͤsung von Melasse entfaͤrbt, sie dann
                                 aussuͤßt und sorgfaͤltig troknet, eine Gewichtszunahme zeigt,
                                 welche er dem aufgenommenen Faͤrbestoff zuschrieb. Ich habe den Versuch
                                 wiederholt und bestaͤtigt gefunden; man erhaͤlt aber dasselbe
                                 Resultat, wenn man
                                 die Kohle auf eine Aufloͤsung von Melasse wirken laͤßt, die zuvor
                                 durch eine große Dosis von Kohle entfaͤrbt wurde, woraus man schließen
                                 muß, daß die Kohle nicht nur Faͤrbestoff, sondern auch noch eine andere
                                 Substanz aufnimmt. Als ich Kohle, womit Melasse behandelt worden war,
                                 sorgfaͤltig mit kaltem und heißem Wasser aussuͤßte, gab sie mit
                                 Kali, Natron und Ammoniak eine braune Fluͤssigkeit von schleimiger
                                 Consistenz. Die ammoniakalische Aufloͤsung hinterlaͤßt nach dem
                                 Abdampfen einen schleimigen Ruͤkstand, welcher ohne Zweifel
                                 Humussaͤure enthaͤlt. Beim Calciniren gibt diese Kohle die
                                 Producte der Pflanzenstoffe.
                              Um die Wirkung der Kohle auf den Schleim kennen zu lernen, brachte man 100
                                 Grammen gekoͤrnte, ausgesuͤßte und getroknete Kohle in einer
                                 langen Roͤhre unter eine 2 Fuß tiefe Schichte, so daß man ein Filter
                                 unter diker Schichte hatte. Es wurde ein Syrup von Rohrzuker-Melasse
                                 bereitet, welcher viel Schleim enthaͤlt. Dieser Syrup wog 24°,4
                                 Beaumé bei 14° C. Ein halbes Liter von demselben wurde in 10
                                 Theile getheilt, wovon also jeder 1/20 Liter entsprach. Der Syrup wurde nun auf
                                 das Filter gebracht und nach 20stel Litern gesammelt, um ihn mit dem
                                 Araͤometer zu waͤgen, wobei man folgende Resultate erhielt:
                              
                                 
                                      1stes 20stel
                                       Liter
                                    20°,4
                                    
                                 
                                      2tes
                                      23,6
                                    
                                 
                                      3tes
                                      23,8
                                    
                                 
                                      4tes
                                      23,9
                                    
                                 
                                      5tes
                                      24,0
                                    
                                 
                                      6tes
                                      24,1
                                    
                                 
                                      7tes
                                      24,2
                                    
                                 
                                      8tes
                                      24,2
                                    
                                 
                                      9tes
                                      24,3
                                    
                                 
                                    10tes
                                      24,3
                                    
                                 
                              Diese Verminderung der Dichtigkeit muß nothwendig dem Schleim zugeschrieben
                                 werden und die Kohle hatte, wie man sieht, noch eine Wirkung, als man den
                                 Versuch beendigte. Diese Wirkung, welche gewoͤhnlich nebst der
                                 Entfaͤrbung Statt zu finden scheint, aber das von sehr verschieden ist,
                                 ist eine der wichtigsten Eigenschaften der Kohle bei Bearbeitung des Zukers. Die
                                 Raffinirer kennen sie seit der Zeit, daß sie von der Kohle Gebrauch machen und
                                 pflegen zu sagen, daß sie ihren Zuker entschmeert, indem sie in ihrer Sprache
                                 Schmeer (graisse) nennen, was wir mit Schleim
                                 bezeichnen. Sie fanden auch, daß sie durch Kohle mehr Zuker erhalten konnten und
                                 erklaͤrten sich dieses dadurch, daß die Kohle, indem sie den Zuker
                                 entschmeert, das Koͤrnen erleichtere. Diese Erklaͤrung ist auch
                                 wirklich nicht ganz grundlos, aber keineswegs streng richtig. Meine
                                 fruͤheren Beobachtungen uͤber die Zusammensezung des
                                 Syrups der Raffinerien,Man vergleiche daruͤber polytechnisches Journal Bd. XXXVII. S. 194 und Bd. XXXVIII. S. 443. a. d. R. uͤber das Vorkommen von Schleim im Rohrzuker und die Einwirkung
                                 der Kohle auf diesen Schleim, erklaͤren ganz gut, wie man durch Kohle
                                 mehr Zuker beim Raffiniren erhalten kann. Ich fand naͤmlich, daß die
                                 Melasse der Raffinerien, welche sich in solchem Zustande befindet, daß sie nicht
                                 mehr verkocht werden kann, aus gleichen Theilen krystallisirbarem Zuker und
                                 Schleim besteht; hieraus muß man schließen, daß wenn diese beiden Koͤrper
                                 in diesem Verhaͤltniß verbunden sind, der Zuker sich nicht mehr
                                 abscheiden kann. Man sieht also, daß der Zukerverlust beim Raffiniren mit dem in
                                 dem Syrup zuruͤkbleibenden Schleim in Verhaͤltniß steht; da nun
                                 die thierische Kohle Schleim entzieht, so erhaͤlt man
                                 verhaͤltnißmaͤßig mehr Ausbeute an Zuker. Unter allen bekannten
                                 und in dieser Hinsicht gepruͤften Substanzen besizt die Kohle allein
                                 diese Eigenschaft, welche bisher immer vernachlaͤssigt wurde, indem man
                                 nur ihre Entfaͤrbungskraft beruͤksichtigte. Die Pflanzenkohle
                                 wirkt nicht so stark auf den Schleim, daß man einen Unterschied am
                                 Araͤometer bemerken koͤnnte. Die Schieferkohle steht in dieser
                                 Hinsicht der thierischen Kohle ebenfalls nach; schon Hr. Say zu Nantes hat gefunden, daß sie den Syrup nicht entschmeert, das
                                 heißt, daß derselbe durch diese Substanz nicht die Eigenschaft erhaͤlt,
                                 ohne Schaum zu kochen und einen leicht zu reinigenden Zuker zu geben.
                              
                           
                              3. Wirkung der Kohle auf die
                                    Alkalien und Salze.
                              Die thierische Kohle eignet sich die Alkalien an, indem sie dieselben
                                 saͤttigt. Sie zieht außerdem die Salze und besonders die Kalksalze an,
                                 welche sich in dem Saft der Runkelruͤben nach der Laͤuterung
                                 befinden. Diese Eigenschaften der Kohle sind sehr vortheilhaft bei der
                                 Fabrication von Runkelruͤbenzuker; wenn man sie naͤmlich nach der
                                 Laͤuterung anwendet, reinigt sie den Saft so weit, daß man ihn leichter
                                 concentriren kann. Der Saft siedet alsdann ohne zu steigen, zum Beweis, daß der
                                 Syrup weniger Schleim enthaͤlt. Indem sie die Alkalien saͤttigt,
                                 erspart sie die Anwendung der Schwefelsaͤure und indem sie die Kalksalze
                                 saͤttigt, verhindert sie das Ankleben an die Kessel, welches bei
                                 concentrirten Syrupen nach der Faͤllung dieser Salze Statt findet; man
                                 kann also die Apparate leicht rein halten und schneller arbeiten. Aehnliche
                                 Wirkungen aͤußert die thierische Kohle auch bei dem Verkochen in den
                                 Raffinerien. Sie saͤttigt hier die Salze, welche entweder in dem Zuker
                                 enthalten sind oder
                                 in dem Wasser, worin man sie zergehen laͤßt. Außerdem erlaubt sie dem
                                 Raffineur zu seiner Klaͤrung den Kalk als Milch zuzusezen, welche zur
                                 Laͤuterung so wirksam ist und deren Ueberschuß sie alsdann beseitigt.