| Titel: | Ueber das Temperiren von Metalldrähten und Federn für Chronometer, Uhren, musikalische Instrumente etc. | 
| Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. V., S. 25 | 
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                        V.
                        Ueber das Temperiren von Metalldraͤhten
                           und Federn fuͤr Chronometer, Uhren, musikalische Instrumente etc.
                        Aus dem London Journal of Arts. Mai 1831, S.
                              313.
                        Ueber das Temperiren von Metalldraͤhten.
                        
                     
                        
                           Ich verdanke einen guten Theil der hier folgenden Notizen einer alten
                              franzoͤsischen Abhandlung, welche Hr. Le Roy, der
                              beruͤhmte Uhrmacher Ludwig's XV. im Jahre 1774
                              schrieb. Gewisse akustische Versuche haben mir Beweise fuͤr ihre Genauigkeit und außerdem
                              Gelegenheit zu einigen allgemein nuͤzlichen Bemerkungen gegeben.
                           Wird eine Stahl- oder Eisenstange hinreichend gehaͤmmert oder der
                              Einwirkung des Feuers ausgesezt, so wird sie allmaͤhlich gelb, violett, blau,
                              grau und weiß; die Intensitaͤt dieser Farben haͤngt zum Theil von der
                              Qualitaͤt des bearbeiteten Metalles ab. Obgleich die Gelehrten darin
                              uͤbereinstimmen, daß alle harten Koͤrper elastisch sind, so gibt doch
                              die Haͤrte keineswegs das Maß fuͤr die Elasticitaͤt ab, denn
                              eine Glaskugel ist viel elastischer als eine gleich große Kugel von Gußeisen,
                              waͤhrend ihre Haͤrte keineswegs so verschieden wie ihre
                              Elasticitaͤt ist. Eine Damascener Klinge ist viel elastischer als eine
                              andere, welche dessen ungeachtet auf die Schneide der ersteren Eindruͤke
                              machen wird. Dieser Unterschied nun beruht auf der Art des Temperirens der
                              respectiven Klingen. Hr. Le Roy nahm drei Draͤhte
                              von gewoͤhnlichem Stahl, hing Gewichte an sie und versezte sie in eine
                              Pendelbewegung; sie blieben nicht laͤnger als sieben Minuten in Schwingung.
                              Er temperirte sie dann bis zu dem vierten oder grauen Zustande, wo sodann dieselben
                              Draͤhte 50 Minuten lang ihre Schwingungen fortsezten. Ein Draht von Gußstahl,
                              welcher mit dem angehaͤngten Gewichte 10 Minuten lang schwang, sezte seine
                              Schwingungen, nachdem er dunkelblau temperirt worden war, eine Stunde laͤnger
                              fort. Nach Dr. Thompson's Cohaͤsionstabellen
                              verhaͤlt sich die Cohaͤsionskraft des Schmiedeeisens zu derjenigen des
                              Gußeisens ziemlich nahe wie 75: 50; denn wenn man von jeder Eisensorte Stangen von
                              einem Quadratzoll Basis nimmt, so sind 74,500 Pfund Avoirdupois erforderlich, um die
                              Cohaͤsion der Theilchen des Schmiedeeisens aufzuheben und 50,100 Pfund, um
                              die Gußeisenstange zu brechen. Die Elasticitaͤt der temperirten Stahlfedern
                              scheint daher im umgekehrten Verhaͤltniß ihrer Cohaͤsionskraft zu
                              stehen. Ein nicht temperirter Clavierdraht sezte seine Schwingungen 14 Minuten lang
                              fort, als man ihn aber grauweiß temperirte, erhielt er das ihm angehaͤngte
                              Gewicht beinahe eine Stunde lang in Bewegung. Man ersieht hieraus, welche
                              verschiedene Grade von Elasticitaͤt die Kuͤnstler ihren Federn zu
                              ertheilen im Stande sind, wenn sie dieselben gehoͤrig zu temperiren
                              verstehen. Herr Le Roy scheint seine deßfallsigen
                              Erfahrungen zur Erzielung der besten Chronometer seiner Zeit benuzt zu haben, in
                              welcher Kunst er einen großen Ruf erlangte.
                           Metallene Draͤhte und Federn, welche nur weich und gar nicht temperirt sind,
                              schwingen nicht gut und erhalten ein angehaͤngtes Gewicht nicht sehr lange in
                              Bewegung. Ein Kupferdraht eignet sich nicht zu diesen Zweken; hie Brauchbarkeit des
                              Messingdrahtes in dieser Hinsicht haͤngt von seinem Zinkgehalte ab, welcher nicht uͤber die
                              Haͤlfte seines Gewichtes betragen darf; das gewoͤhnliche
                              Verhaͤltniß ist vier Theile Kupfer auf einen Theil Zink. Ungefaͤhr
                              zwei Jahre spaͤter als Hrn. Le Roy's Versuche
                              bekannt wurden, erhielten Graf Bruͤhl,
                              saͤchsischer Gesandter am Londoner Hofe und Hr. Phillidor mehrere Pianoforte's, deren Saiten dunkelblau temperirt waren;
                              die Kenner versicherten, daß ihr Ton alle Instrumente uͤbertraf, deren Saiten
                              aus gewoͤhnlichem Stahldraht bestanden. Ich zweifle nicht, daß unsere
                              Kuͤnstler von den Beobachtungen des Hrn. Le Roy,
                              welche ich hiemit in Erinnerung gebracht habe, sehr nuͤzliche Anwendungen
                              machen werden.Hr. Aeolus und jene Kenner, auf die er sich
                                    beruft, scheinen uns sehr in Irrthum gewesen zu seyn, wenn sie dem
                                    Temperiren der Saiten der Pianoforte's einen bedeutenden Einfluß auf die
                                    Verbesserung des Tons zuschreiben. Wir stuͤzen unsere Meinung auf
                                    folgende Gruͤnde. 1) Trifft bei Weitem der geringere Antheil am Tone
                                    der Fortepiano's auf die Saiten, sondern es bedingt sich derselbe mehr aus
                                    der Bearbeitung des Kastens und des Resonnanzbodens, des Anschlags der
                                    Haͤmmer, ihrer Schwere und hauptsaͤchlich ihrer Belederung,
                                    der Mensur, das heißt der Laͤnge, in welcher jede Saite gespannt ist.
                                    Wir haben schon Gelegenheit gehabt viele Instrumente von verschiedenen
                                    Verfertigern zu spielen, die mit Saiten aus einer und derselben Fabrik, also
                                    in gleicher Weise aus gleichem Metalle verfertigt, bespannt waren, deren Ton
                                    aber in jeder Hinsicht gaͤnzlich verschieden war. Allerdings ist es
                                    nur ein gewisser Grad von Haͤrte, in welchem alle Metalle ihre
                                    groͤßte Elasticitaͤt, ihre zahlreichsten Schwingungen und
                                    ihren schoͤnsten Klang haben. Bei einigen ist dieser Grad ihrem
                                    weichsten Zustande am naͤchsten, bei anderen naͤher ihrem
                                    haͤrtesten. Zu ersteren gehoͤren die von Natur aus
                                    haͤrteren, wie Eisen und Messing; zu den anderen die weichen Silber,
                                    Gold. (Platinna nimmt fast nie einen eigentlich hellen Klang an.) Eisen,
                                    woraus Klavierdraht verfertigt wird, erhaͤlt diesen Haͤrtegrad
                                    durch Haͤmmern oder durch das Ziehen durch die Loͤcher des
                                    Zieheisens, welches gleiche, jedoch regelmaͤßigere Wirkung als das
                                    Haͤmmern hat, und deßwegen wird Eisendraht, der zu Klavierdraht
                                    bestimmt ist – halbhart – gezogen, denn glasharter Stahl gibt
                                    so wenig Klang als ganz weiches Eisen. Jedoch muß dieser Klavierdraht noch
                                    weich genug seyn, um Kontorsionen erleiden zu koͤnnen, weil er an
                                    einem Ende einen Henkel angedreht erhaͤlt und am andern uͤber
                                    den Wirbel aufgewikelt wird. Auf dem Instrumente selbst nimmt er erst den
                                    besten Grad der Haͤrte an, durch die durch Spannung bewirkte
                                    Ausdehnung, welche ihn verlaͤngert und verdichtet, indem sich die
                                    Metalltheilchen fester an einander schließen. Dieses geschieht nur nach und
                                    nach durch das Stimmen. Das Temperiren eines weichen Eisens hat
                                    uͤbrigens unserer Meinung nach nicht den geringsten Einfluß auf die
                                    Haͤrte desselben, sondern oxydirt und faͤrbt nur dessen
                                    Oberflaͤche. Nur ganz gehaͤrteter Stahl nimmt durch das
                                    Temperiren mit der Farbe auch eine andere minder hohe Haͤrtungsstufe
                                    an, daher der Ausdruk „temperiren, maͤßigen.“
                                    Keinem Menschen wird es aber gelingen, gehaͤrteten und wenn auch blau
                                    temperirten Stahldraht auf Fortepiano's zu spannen, welcher immer noch viel
                                    zu sproͤde waͤre, und nirgends werden Klaviersaiten wirklich aus Stahl verfertigt, sondern nur aus
                                    Eisen und fuͤr die besten haͤlt man nun die Berliner, welche
                                    fuͤhlbar weicher sind als die Nuͤrnberger und Wiener. Sie
                                    werden aus rohem Eisendrahte vom Fichtelgebirge gezogen. Das
                                    Blauanlaufenlassen derselben wuͤrde daher nie eine andere Wirkung
                                    haben, als sie etwas gegen den Rost zu schuͤzen; hat der Verfertiger
                                    jener Instrumente diese Sorgfalt gehabt, so ist auch vorauszusezen, daß er
                                    ebenfalls auf die uͤbrigen Theile jede Sorge verwandte, woraus sich
                                    die gute Qualitaͤt der Instrumente herleiten laͤßt. Uebrigens
                                    sind uns seit 24 Jahren noch nie Instrumente mit blauen Saiten vorgekommen,
                                    obschon
                                    wir deren viele in Deutschland, Frankreich und England sahen. –
                                    Sonderbar ist es, daß man in dem industriereichen England bis zur Stunde
                                    noch keinen brauchbaren Klavierdraht verfertigen kann, wie die Leser in der
                                    Anmerkung der folgenden Abhandlung ersehen. Jedes Land hat seine eigenen
                                    Industriefertigkeiten, und keines kommt daher bei Mauthvercinen zu kurz,
                                    weil sich Alles nach den gegenseitigen Beduͤrfnissen balde
                                    ausgleicht; bei Vertraͤgen wird aber immer der eine Theil, und zwar
                                    derjenige, dessen Industrie nicht auf gleicher Hoͤhe steht,
                                    verkuͤmmert.
                              
                           Aeolus.