| Titel: | Ueber den Floßenwebestuhl, welchen Hr. Tainturier der jüngere erfand, um den Betrug in den Seidenfärbereien zu verhindern. | 
| Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. XXVII., S. 107 | 
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                        XXVII.
                        Ueber den Floßenwebestuhl, welchen Hr. Tainturier der
                           juͤngere erfand, um den Betrug in den Seidenfaͤrbereien zu
                           verhindern.
                        Aus dem Bulletin des sciences technologique. 1831.
                              Janvier S. 58.
                        Tainturier, uͤber den Floßenwebestuhl etc.
                        
                     
                        
                           Da man mit der Wage nicht ausreicht, um den Betrug zu entdeken, welcher in den
                              Seidenfaͤrbereien so leicht und so oft veruͤbt wird, um das Gewicht
                              der Seide zu vermehren, so glaubte man, daß man die Quantitaͤt der Seide, die
                              man vom Seidenfaͤrber zuruͤkerhaͤlt, einiger Maßen genau
                              bemessen koͤnne, wenn man Seidenzwirner haͤtte, welche die Floßen alle
                              von gleicher Lange machen, wie dieß auch die Baumwollspinner thun. Der Fabrikant
                              brauchte dann bloß die Floßen zu zahlen, um zu wissen, ob er alle Seide vom
                              Faͤrber zuruͤkerhalten hat, welche er ihm anvertraute. – Allein
                              alle Aufforderungen an die Mechaniker, alle ausgeschriebenen Preise waren vergebens.
                              Vaucanson's Muͤhle, die eben so sinnreich
                              erdacht, als wegen ihrer Regelmaͤßigkeit bewundernswuͤrdig ist, sollte
                              zwar gleiche Floßen liefern, und doch sichert sie keine vollkommene Gleichheit
                              derselben. Der Seidenfaden ist zu bruͤchig; ein Faden, welcher reißt,
                              haͤlt den Gang der Spule, auf welche er sich aufhaspelte, so lang auf, bis er
                              wieder zusammengeknuͤpft ist. Die anderen Spulen folgen indessen der Bewegung
                              der Muͤhle, und fahren fort sich mit Seide zu bedeken, da nur eine Arbeiterin
                              die Aufsicht uͤber eine bestimmte Zahl von Floßen fuͤhrt;
                              waͤhrend sie einen Faden zusammengeknuͤpft, bricht ein anderer, oder
                              mehrere zugleich, waͤhrend sie nur einen nach dem anderen knuͤpfen
                              kann; ja, wenn sie eben an einem entfernteren Orte mit dem Knuͤpfen
                              beschaͤftigt ist, so kann sie es nicht ein Mal sogleich bemerken, wenn an
                              einem anderen Orte ein Faden bricht. Wie groß daher auch ihre Aufmerksamkeit und
                              Emsigkeit seyn mag, so wird es doch Fehler geben; einige Spulen werden still stehen,
                              waͤhrend die anderen laufen, und dadurch wird die Laͤnge der Floßen
                              ungleich werden. Allein sezen wir, daß es moͤglich waͤre, vollkommen
                              gleiche Floßen zu erhalten, so waͤre erst noch zu bezweifeln, daß man auf
                              diese Weise die Betruͤgereien der Faͤrber aufdeken koͤnne. Wie
                              kann man dem Faͤrber diese Gleichheit der Floßen beweisen, wenn man sie ihm
                              uͤbergibt, und wie erkennt man sie, wenn man dieselben zuruͤkbekommt?
                              Wie kann man ohne diese Beweise den Faͤrber verantwortlich machen? Man
                              entsagte daher diesem Mittel, welches Anfangs so einfach schien, und nahm seine
                              Zuflucht zu neuen Nachforschungen, die jedoch nicht alle den gewuͤnschten
                              Erfolg hatten. Man plombirte die Enden der Floͤßen, indem man, wie auf der
                              Mauth, das Blei mit einem deutlichen Staͤmpel staͤmpelte; da aber die
                              Seide im Farbbade oben schwamm, so wurde das Blei durch sein Gewicht in das Herz der
                              Floßen gezogen; es sprang dann beim ersten Ausringen, und man hatte kein Mittel mehr
                              um die Richtigkeit zu erkennen. – Man wollte die Floßen mit einem doppelten
                              Faden durchkreuzen, der dieselben getheilt und gezaͤhlt gehalten
                              haͤtte; dieß schadete aber der Gleichheit der Farbe und hinderte das Troknen,
                              auch war dieses Mittel zu leicht nachzumachen. – Man schlug vor, jeden Gebund
                              Seide mir einem Bande zu umgeben, dessen Enden, die mit einer durchwirkten Zeichnung
                              versehen sind, durch zwei oder drei enge Knoten vereinigt wuͤrden. Dieses
                              Verfahren wurde haͤufig angewendet und fand Beifall; allein es fand sich, daß
                              diese Baͤnder durch Eintauchen in Seifenwasser leicht aufzuknuͤpfen
                              und dann wieder anzubringen sind; daß sie eine Ausgabe von 20–30 Franken auf
                              den Pak Seide verursachen, und daß diese Zurichtung den Fabrikanten mehr Zeit
                              wegnimmt, als sie gewoͤhnlich uͤbrig haben. – Endlich wendete
                              man auch das Band ohne Knoten oder geeignete Strike an; dieses undurchdringliche und
                              enge, aus einer gewissen Zahl von Umschlagen bestehende. Band bildete einen festen
                              Koͤrper, welcher waͤhrend des Siedens wie eine Feile auf die Seide wirkte, und
                              verursachte beim Abhaspeln einen Verlust, der beinahe eben so groß war, als die
                              Betruͤgereien des Faͤrbers ihn nur immer hatten bewirken
                              koͤnnen. Wegen der Dike des Bandes troknete uͤberdieß die von
                              demselben bedekte Seide langsamer, so daß hellere Fleken entstanden. Auch war dieses
                              Verfahren, so wie das vorhergehende, zu langsam und zu kostspielig.
                           Nach allen diesen vergebenen Versuchen, bei welchen man die Sicherheit mit der
                              Schnelligkeit und Ersparniß zu verbinden trachtete, erschien Hr. Tainturier der juͤngere mit
                              seinem geknuͤpften Bande, als mit einer Frucht langen Nachforschend Der
                              Eifer, mit welchem fein Verfahren von einer großen Zahl der vorzuͤglichsten
                              Fabrikanten zu St. Etienne, St. Chamond und Avignon angenommen wurde, die
                              Gluͤkwuͤnschungs-Schreiben, welche der Entdeker von der
                              Handelskammer zu Lyon und von den Maires von Lyon und St. Etienne erhielt, beweisen,
                              daß Hr. Tainturier seine
                              Aufgabe auf gehoͤrige Weise gelost habe.
                           Das Band des Hrn. Tainturier
                              dient dazu, um eine bestimmte Anzahl von Seidenfloßen zu vereinigen, und das daraus
                              zu bilden, was man in der Kunstsprache einen Buͤndel (pantine) nennt. Es laͤuft mitten durch jede dieser Floßen, so daß
                              man, ohne es aufzumachen, nicht das Geringste von irgend einer derselben wegnehmen
                              kann. Es ist sehr lang, schnuͤrt die Floͤße nicht zusammen, und kann
                              weder beim Faͤrben noch beim Troknen der Seide schaden. Dieses Band besteht
                              aus zwei Faden von verschiedener Art und von verschiedener Farbe, die mit einander
                              verschlungen sind. Der Fabrikant kann dieselben nach Belieben abaͤndern; er
                              kann bald Schafwolle und Seide, bald Baumwolle und Zwirn, bald Tibetanisches Haar
                              und Floretseide etc. anwenden.
                           Das Faͤrben oder das Schiniren der rohen Substanzen zu diesen Baͤndern,
                              das Abhaspeln, das lose Zwirnen und das Flechten derselben, welches bald nach engen,
                              bald nach weiten Mustern geschieht, erfordert zwar eine ziemlich langwierige Arbeit;
                              allein eben diese wird auch vor den Versuchen einer Betruͤgerei
                              schuͤzen. Ueberdieß kann sich der Fabrikant einen Vorrath von Baͤndern
                              machen, so daß, wenn es nothwendig ist, eine Arbeiterin in einigen Stunden einen Pak
                              so herrichtet, daß er dem Faͤrber uͤbergeben werden kann.
                           Der Mechanismus, dessen sich Hr. Tainturier zu dieser Operation bedient, und worauf er ein Patent
                              nahm, besteht aus einer Art von Weberstuhl, den die Arbeiterin mittelst einer Kurbel
                              und mittelst eines Tretschaͤmels, den sie mit dem Fuße in Bewegung sezt,
                              arbeiten macht. Das Laͤngenmaß des Bandes, welches man nach Belieben
                              abaͤndern kann, ist auf dem Haspel bestimmt, und bleibt genau dasselbe, so lange man es nicht
                              veraͤndern will. Die Achse des Haspels ist mit einem Zahnrade versehen,
                              welches man durch einen Haken bei diesem oder jenem Zahne stellen kann, so daß man
                              auf diese Weise im Stande ist, nach Belieben die Zwischenraͤume der mehr oder
                              weniger zahlreichen Knoten zu regeln, mit welchen das Band geschlossen und geendigt
                              wird.
                           Der Fabrikant findet in den verschiedenen Stoffen, aus denen er die Baͤnder
                              bereitet, in der Mischung und Faͤrbung derselben, in der verschiedenen
                              Laͤnge des Bandes, in der Zahl der Knoten, welche dasselbe schließen, und in
                              den Zwischenraͤumen zwischen diesen. Tausende von Combinationen, um die Seide
                              mit einem Siegel zu versehen, welches um so schwerer nachzumachen ist, als Hr.
                              Tainturier an allen
                              Maschinen, die er verkauft, sowohl den Durchmesser der Raͤder, als die Zahl
                              der Zahne an dem Umfange derselben, aͤndert; so daß der Eigenthuͤmer
                              eines solchen Stuhles, der die Absicht haͤtte die Arbeit eines anderen
                              nachzumachen, auch bei ganz gleicher Zurichtung der Stoffe zu den Baͤndern
                              doch seinen Zwek nicht erreichen wuͤrde, indem er bei der Verschiedenheit des
                              Raͤderwerkes weder genau die Laͤnge des Bandes, noch die Entfernung
                              der Knoten von einander treffen koͤnnte.
                           Dieses Verfahren gibt den Fabrikanten nicht bloß eine sichere Garantie gegen alle
                              Entwendung ihrer kostbaren Stoffe, sondern es schuͤzt sie auch gegen
                              Austausch oder Verwechslung der Seide, welche bei den Faͤrbern manch Mal
                              unwillkuͤrlich geschieht; es kann keine Verwechslung mehr Statt finden, indem
                              jede Seide ein anderes Siegel traͤgt. Vermoͤge der verschiedenen
                              Modificationen, welche sich so leicht an diesen Baͤndern anbringen lassen,
                              kann man auch die Seide von verschiedenen Diken in einem und demselben Pake von
                              einander unterscheiden, und das haͤufige Vermengen derselben vermeiden, durch
                              welches oft die Sorgfalt der Arbeiterin, die die Seide in Gebuͤnde brachte,
                              zu nichts gemacht wird, welches die Berechnungen der Fabrikanten stoͤrt, und
                              der Qualitaͤt ihrer Gewebe schadet. Kurz, der Floßenwebstuhl des Hrn.
                              Tainturier verschaffte
                              alle die Vortheile, welche man seit so langer Zeit vergebens zu erreichen strebte;
                              er gewaͤhrt Alles, was man verlangen kann. Hr. Gentelet, ein geschikter Mechaniker, welchem Hr.
                              Tainturier die
                              Ausfuͤhrung seines Planes anvertraut hat, fuͤhrte seine Idee mit
                              seltenem Talente aus, bereicherte sie mit einigen Verbesserungen, und machte auf
                              diese Weise diese kleine Maschine zu einem leicht transportablen und fuͤr das
                              Auge gefaͤlligen Geraͤthe. Hr. Tainturier erhielt fuͤr dasselbe in der
                              Sizung vom 26. April 1830 den Preis, welchen der Herzog von Piacenza an der
                              koͤnigl. Akademie zu Lyon gegruͤndet hat.