| Titel: | Ueber die Bereitung einer Schlichte für baumwollene und leinene Stoffe, welche von Hrn. Morin, Pharmaceuten zu Rouen, erfunden wurde. | 
| Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. XXX., S. 114 | 
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                        XXX.
                        Ueber die Bereitung einer Schlichte fuͤr
                           baumwollene und leinene Stoffe, welche von Hrn. Morin, Pharmaceuten zu Rouen, erfunden
                           wurde.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. April 1831. S. 219.
                        Morin, uͤber Bereitung einer Schlichte.
                        
                     
                        
                           Um das ungesunde Weben in den Kellern zu vermeiden, schlug man vor, die Schlichte mit
                              einer hygrometrischen Substanz, salzsaurem Kalk, zu Versezen, weil die Ketten dann
                              die Feuchtigkeit anziehen koͤnnen und in Zimmern zu ebener Erde oder in den
                              oberen Stokwerken ihre Geschmeidigkeit beibehalten. Ein aͤhnliches Verfahren
                              befolgten die Weber auch schon in fruͤheren Zeiten; sie versezten
                              naͤmlich ihre Schlichte mit Meerwasser (welches salzsaure Bittererde
                              enthaͤlt) oder mit Urin. Die Erfahrung hat jedoch gelehrt, daß bei Anwendung
                              dieser und aͤhnlicher hygrometrischen Substanzen zur Schlichte die Gewebe in
                              den Magazinen mit der Zeit kleine Locher erhalten; diese Stoffe haben außerdem, wie
                              Hr. Morin fand, den Nachtheil,
                              daß sie bei feuchter Witterung die Kaͤmme schmuzig machen, und es scheint,
                              daß mehrere Weber sie deßhalb aufgaben. Es gelang Hrn. Morin eine Schlichte zu bereiten, welche von
                              diesen Nachtheilen frei ist. Sein Verfahren besteht in Folgendem:
                           Man kocht eine halbe Stunde lang acht Pfund islaͤndisches Moos in acht und
                              vierzig Pfund Wasser. Beim Erkalten erhaͤlt das Decoct ein gallertartiges
                              Ansehen. Andererseits weicht man ein Pfund Weizen- oder Reißmehl in sechs
                              Pfund Wasser ein, welches man unter bestaͤndigem Umruͤhren so lange
                              erhizt, bis es die Consistenz eines diken Breies erhaͤlt; sodann vermischt
                              man diese Masse noch heiß mit dem Decoct des islaͤndischen Mooses und
                              ruͤhrt beide gut unter einander. Mit obigen Quantitaͤten
                              erhaͤlt man ungefaͤhr 45 Pfund Schlichte von der zum Gebrauch
                              geeigneten Consistenz, welche mit dem Brennmaterial auf 2 Fr. 50 Cent, zu stehen
                              kommen, daher das Pfund ungefaͤhr 6 Centimes kostet. Hr. Morin nennt diese Schlichte Grundschlichte, weil man ihre hygrometrischen
                              Eigenschaften, je nachdem die Atmosphaͤre mehr oder weniger feucht ist, durch
                              Zusaz von gewoͤhnlicher, bloß mit Mehl bereiteter Schlichte abaͤndern
                              kann. Einige Tage nach
                              ihrer Bereitung scheidet sich von dieser Schlichte eine waͤsserige
                              Fluͤssigkeit ab, welche aber ihrer Anwendung nicht hinderlich ist; man
                              braucht sie bloß umzuruͤhren, um ihr wieder ihr anfaͤngliches Ansehen
                              zu ertheilen.
                           Soll die Schlichte aber keine graue Farbe erhalten, so muß man das Moos auf folgende
                              Art zubereiten: man weicht es 36 Stunden lang in Wasser ein und knetet es von Zeit
                              zu Zeit durch, hierauf wascht man das Moos drei oder vier Mal mit Wasser aus und
                              kocht es in einer neuen Quantitaͤt desselben eine halbe Stunde lang,
                              druͤkt die Masse durch Leinwand und beendigt die Bereitung der Schlichte auf
                              oben angegebene Weise; auf diese Art erhaͤlt man eine viel weniger
                              gefaͤrbte Schlichte.
                           Diese Schlichte ist jedoch fuͤr leinene Ketten, welche viel schwerer zu
                              schlichten sind, als die baumwollenen, nicht stark genug; sie eignet sich aber
                              fuͤr dieselben vollkommen, wenn man sie mit einem Drittel ihres Volumens
                              gewoͤhnlicher, aus Weizenmehl bereiteter Schlichte versezt; die Weber
                              brauchen sich bei Anwendung derselben nicht mehr in unterirdischen
                              Werkstaͤtten aufzuhalten, sondern koͤnnen ihre Stuͤhle in eine
                              beliebige Localitaͤt bringen.
                           Eine andere sehr schaͤzbare Eigenschaft der Grundschlichte ist diese, daß der
                              Weber nicht fuͤrchten darf, seine Kette zu sehr zu schlichten; bekanntlich
                              verstehen es aber nur wellige, die Schlichte in gehoͤriger Menge anzuwenden,
                              waͤhrend doch wegen schlechten Schlichtens sehr viele Faͤden reißen.
                              Bei der gewoͤhnlichen Schlichte ist man genoͤthigt sogleich nach dem
                              Schlichten zu weben, weil man sonst eine große Anzahl von Faͤden brechen
                              wuͤrde; bei Anwendung der neuen Schlichte aber kann man das Weben leicht bis
                              zum naͤchsten Tage verschieben.
                           Bei großer Kaͤlte bietet das Weben viele Schwierigkeiten dar, weil die
                              gewoͤhnliche Schlichte so schnell austroknet; die Moosschlichte aber troknet
                              gleichmaͤßig aus und bewahrt dem Faden die zum Weben geeignete
                              Elasticitaͤt und Geschmeidigkeit.
                           Aus den von Hrn. Morin
                              angestellten Versuchen geht hervor: 1) Daß die Weber mittelst der Moosschlichte die
                              Operation des Webens in luftigen und hohen Raͤumen, und zwar bei jeder
                              Temperatur der Luft vornehmen koͤnnen. 2) Daß sie den Zeugen gar nicht
                              schaͤdlich ist und sie nicht durchsticht, was stets bei Schlichte der Fall
                              ist, die man durch zerfließende Salze hygrometrisch gemacht hat. 3) Daß man diese
                              Schlichte nicht nur Zu Baumwollenzeugen, sondern auch zu den sogenannten Cretonnes
                              wegen ihres maͤßigen Preises und des sammetartigen Ansehens, das sie ersteren
                              ertheilt anwenden kann. 4) Daß man die geschlichtete Kette am anderen Tage weben, kann, ohne daß deßwegen
                              mehr Faͤden brechen, was ein sehr großer Vortheil ist.
                           
                        
                           Auszug aus den Zeugnissen, welche mehrere Fabrikanten zu Rouen
                                 Hrn. Morin ausstellten.
                           Hr. Louis Cottais, Fabrikant zu
                              Rouen, bezeugt, daß die Moosschlichte des Hrn. Morin die Eigenschaft hat, der Baumwolle die zum
                              Weben erforderliche Feuchtigkeit zu erhalten, so daß der Weber bei jedweder
                              Temperatur arbeiten kann; ferner daß diese Schlichte die Zeuge nicht durchsticht und
                              ihre Farben nicht veraͤndert. – Hr. Cottais d. aͤ. bezeugt, daß die
                              Moosschlichte ihre Feuchtigkeit so leicht beibehaͤlt, daß man in sehr troknen
                              Zimmern weben kann, ohne die Faͤden der Kette zu brechen und daß die Farben
                              ihre Lebhaftigkeit nicht im Geringsten verlieren. – Dasselbe bezeugten Hr.
                              Coquatrix, ferner die
                              HHrn. Lecarpier und Briquet, Josset und zwoͤlf andere Fabrikanten zu
                              Rouen. – Hr. Pierre
                                 Theret erklaͤrt, daß die neue Schlichte den Leinenzeugen ein
                              seidenartiges Ansehen ertheilt und daß sie den Farben durchaus nicht nachtheilig
                              ist. – Hr. Delasalle,
                              Weber in Bois-Guillaume erklaͤrt, daß man mit der Schlichte des Hrn.
                              Morin in hochliegenden
                              Gemaͤchern bei jedweder Temperatur weben kann, ohne mehr Faden zu brechen;
                              daß sie die Stoffe markig macht, ihre Farben nicht schwaͤcht, und sie nicht
                              durchsticht.