| Titel: | Aber die Benuzung der in den Zukerraffinerien gebrauchten thierischen Kohle als Dünger; von Hrn. Girardin. | 
| Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXIV., S. 296 | 
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                        LXXIV.
                        Aber die Benuzung der in den Zukerraffinerien
                           gebrauchten thierischen Kohle als Duͤnger; von Hrn. Girardin.
                        Aus dem Agriculteur-Manufacturier, April 1831,
                              S. 34.
                        Girardin, uͤber Benuzung der thierischen Kohle als
                           Duͤnger.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren haben die Oekonomen angefangen, die in den Raffinerien gebrauchte
                              thierische Kohle als Duͤnger zu benuzen. Einige priesen ihre Wirksamkeit
                              außerordentlich, waͤhrend andere sie fuͤr ganz unbrauchbar
                              erklaͤrten; die einen wie die anderen stuͤzten sich auf Versuche, und
                              beide hatten im Grunde Recht. Die thierische Kohle ist wie alle Duͤngersorten
                              bei manchem Boden außerordentlich nuͤzlich und bei anderem schaͤdlich
                              oder wenigstens unwirksam; sie beguͤnstigt das Wachsthum gewisser Pflanzen
                              und wirkt bei anderen gerade entgegengesezt. Darauf nahmen aber die Oekonomen
                              Anfangs keine Ruͤksicht, sondern sie wollten sich derselben in allen
                              moͤglichen Faͤllen bedienen.
                           Spaͤter hat die Erfahrung gelehrt, daß die thierische Kohle vorzuͤglich
                              bei einem kalten oder thonhaltigen Boden nuͤzlich ist, und daß sie besonders
                              auf die Pflanzen, welche Stikstoff enthalten, wie die Repsgattungen und andere
                              Kreuzpflanzen eine sehr vortheilhafte Wirkung aͤußert. Die thierische Kohle
                              befoͤrdert außerordentlich die erste Entwikelung dieser Pflanzen, daher sie
                              nicht so leicht den Insecten zur Beute werden koͤnnen. Diese
                              Thaͤtigkeit wirkt waͤhrend des ganzen Verlaufs der Vegetation fort,
                              und man erhaͤlt viel schoͤnere und reichlichere Producte, als wenn man
                              dieses kraͤftige Reizmittel nicht anwendet.
                           Die thierische Kohle wirkt jedoch nicht immer gleich, selbst wenn man sie auf
                              demselben Boden und unter den naͤmlichen Umstaͤnden anwendet. Bei
                              anderen Duͤngersorten findet uͤbrigens dieselbe Anomalie Statt; die
                              Ursache davon ist die wandelbare Zusammensezung des Duͤngers. So zeigt z. V.
                              die thierische Kohle sehr verschiedene Eigenschaften vor und nach ihrer Anwendung
                              zur Entfaͤrbung des Zukers. Nachdem man sie zum Bearbeiten des Zukers
                              gebraucht hat, besizt sie in hohem Grade die Eigenschaft den Boden fruchtbar zu
                              machen; vorher aber wirkt sie hoͤchstens als ein mechanisches
                              Verbesserungs- oder Zeitheilungsmittel. In der That ist auch ihre
                              Zusammensezung hiernah sehr verschieden: im lezteren Falle enthaͤlt sie fast
                              bloß Kohlenstoff und phosphorsauren Kalk; im ersteren aber auch das Eiweiß vom
                              Ochsenblut, welches zur Klaͤrung des Zukers angewandt wurde, ferner die
                              Unreinigkeiten des Zukers und eine gewisse Menge Zuker, welcher beim Auswaschen nie
                              vollstaͤndig ausgezogen wird. Diesen verschiedenen fremdartigen Substanzen
                              verdankt die Kohle ihre befruchtend Kraft.
                           Man bemerkt aber auch eine große Verschiedenheit in der Wirkung der naͤmlichen
                              Kohle, je nachdem man sie unmittelbar nach ihrer Anwendung in den Zukerraffinerien
                              gebraucht oder sie vorher eine gewisse Zeit uͤber der Luft, dem Wasser und
                              anderen Agentien aussezte, durch welche sie die fremdartigen, in ihren
                              Zwischenraͤumen enthaltenen Substanzen mehr oder weniger verliert. Hr.
                              Hectot, Pharmaceut zu
                              Nantes, uͤberzeugte sich durch mehrere Versuche, daß thierische Kohle, wenn
                              man sie sechs Monate lang an freier Luft liegen laͤßt, die fremdartigen
                              Substanzen, welche sie beim Raffiniren aufnahm, ganz verliert. Hieraus folgt, daß
                              die Oekonomen nur solche thierische Kohle anwenden duͤrfen, die sie frisch
                              aus den Raffinerien erhalten: da es aber nicht immer leicht ist, diese Bedingungen zu beobachten,
                              so suchte Hr. Hectot ein
                              Mittel ausfindig zu machen, wodurch man dieser Kohle alle ihre Eigenschaften mehr
                              oder weniger lange erhalten kann. Er fand, daß verwitterter Kalk, wenn man ihn mit
                              Kohle, aus welcher man einen Teig gebildet hat, in dem Verhaͤltniß von einem
                              Maßtheil auf drei vermischt, diesen Zwek erfuͤllt. Ein solches Gemenge,
                              welches an der Luft leicht austroknet, gab nach sechs Monaten einen Duͤnger,
                              welcher nichts von seinen Eigenschaften verloren hatte. Dieses Gemenge verbreitet
                              keinen unangenehmen Geruch und riecht bloß die ersten Tage nach seiner Bereitung
                              nach verbranntem Zuker. Der Kalk kann nicht schaden, sondern ist im Gegentheil
                              solchem Boden, worin die Kohle Wunder thut, sehr zutraͤglich.
                           Die Eigenschaften der thierischen Kohle koͤnnen aber noch durch einen anderen
                              Umstand modificirt werden, wenn man sie naͤmlich mit unwirksamen Substanzen,
                              wie Hammerschlag, Torfstaub, Kaminruß u.s.w. verfaͤlscht, was bisweilen im
                              Handel geschieht. Es ist daher wichtig, diese Verfaͤlschung erkennen zu
                              koͤnnen; dieß wird durch folgendes Verfahren moͤglich seyn, welches
                              sich darauf gruͤndet, daß jene Substanzen, die man der Kohle zusezt, keine
                              Kalksalze (Phosphorsauren und kohlensauren Kalk) enthalten, welche lezterer eigen
                              sind.
                           Will man also untersuchen, ob die thierische Kohle verfaͤlscht ist, so nimmt
                              man eine Unze von dieser und eine Unze von einer anderen Kohle, von deren
                              Guͤte man uͤberzeugt ist, ruͤhrt jede mit etwas Wasser an und
                              sezt nach und nach gewoͤhnliche Salzsaͤure zu. Nachdem das durch
                              Zersezung des kohlensauren Kalks verursachte Aufbrausen aufgehoͤrt hat, sezt
                              man noch uͤberschuͤssige Saͤure zu und laͤßt das Gemenge
                              zwoͤlf Stunden lang digeriren. Hierauf verduͤnnt man mit Wasser, und
                              filtrirt durch Leinewand und suͤßt die Kohle mit siedendheißem Wasser aus,
                              welches mit 1/10 seines Gewichts Salzsaͤure versezt ist. Das Aussaͤßen
                              sezt man so lange fort, bis das saͤuerliche Wasser durch einige Tropfen
                              Ammoniak nicht mehr weiß gefallt wird. Man gießt dann alle Aussuͤßwasser
                              zusammen und versezt jede der beiden Fluͤssigleiten mit so viel Ammoniak, daß
                              die freie Saͤure ganz gesaͤttigt wird. Die weißen
                              Niederschlaͤge werden auf Filter von weißem Papier gesammelt und bei gelinder
                              Waͤrme getroknet. Ihr respectives Gewicht nach dem Troknen zeigt die Menge
                              der Kalksalze an, welche jede Kohlensorte enthielt, und aus der Differenz
                              laͤßt sich auf die Menge der fremdartigen Substanzen, welche der
                              verdaͤchtigen Kohle zugesezt wurden, schließen. Diese Pruͤfungsweise
                              ist, wie man sieht, sehr leicht und moͤglichst genau; je weniger weißen
                              Niederschlag man mit Ammoniak erhaͤlt, desto mehr fremdartige Substanzen
                              enthaͤlt die Kohle und umgekehrt.Wir sind weit entfernt zu glauben, daß die Landwirthe selbst diese Versuche anstehen
                                    koͤnnen, denn so einfach sie sind, so erfordern sie doch chemische
                                    Kenntnisse und Uebung in chemischen Manipulationen; da aber fast in allen
                                    Doͤrfern Apotheken vorhanden sind, so koͤnnen sich die
                                    Landleute von den Pharmaceuten die Kohlen, welche sie fuͤr
                                    verfaͤlscht halten, untersuchen lassen. A. d. O.
                              
                           
                           In dem Dpt. de Maine et Loire der Loire Inférieure und der Vendée wird bei Weitem am meisten
                              thierische Kohle in der Landwirthschaft verbraucht; die Raffinerien in Paris und
                              Orleans schiken auf der Loire fast alle Kohle, welche zum Entfaͤrben des
                              Zukers gebraucht wurde, in jene Gegenden. Nantes erhaͤlt außerdem noch große
                              Quantitaͤten von Bordeaux, Hâvre, Rouen, Marseille, aus Rußland,
                              England und Italien. Die Wirksamkeit dieser Substanz ist in obigen drei Departements
                              so allgemein anerkannt, daß die groͤßten Sendungen bei der starken Nachfrage
                              kaum ausreichen; auch stieg der Preis des Hectoliters thierischer Kohle schnell von
                              1 Fr. auf 5 und 7 Fr.