| Titel: | Bericht des Hrn. Robiquet über ein Verfahren des Hrn. Capplet, um das Alkali in den alten warmen Indigoküpen wieder nuzbar zu machen. | 
| Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXXII., S. 355 | 
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                        LXXXII.
                        Bericht des Hrn. Robiquet uͤber ein Verfahren des Hrn.
                           Capplet, um das
                           Alkali in den alten warmen Indigokuͤpen wieder nuzbar zu machen.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. Junius 1831.
                        Capplet, uͤber die warmen Indigokuͤpen.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich besteht das geeignetste Verfahren mit Indigo zu faͤrben darin, daß
                              man ihn in den Alkalien aufloͤslich macht, indem man ihm einen Theil seines
                              Sauerstoffs durch desoxydirende Substanzen entzieht. Kalk oder Kali sind die
                              Alkalien, welche man gewoͤhnlich zu dieser Aufloͤsung anwendet, daher
                              die in den Faͤrbereien gebraͤuchlichen Benennungen Kalkkuͤpen und Potaschekuͤpen. Seit einigen Jahren zieht man diese jenen bei
                              Weitem vor, und sie verdienen hinsichtlich der hieraus Hervorgehenden ungeheuren
                              Consumtion von Potasche Beruͤksichtigung.
                           Auf den ersten Blik koͤnnte es scheinen, daß das Alkali hiebei bloß als
                              Aufloͤsungsmittel dient, und daß es, um die Kuͤpe lange gebrauchen zu
                              koͤnnen, hinreichend seyn muͤßte ihr von Zeit zu Zeit den Indigo
                              wieder zu ersezen, welchen ihr das Gewebe entzog; dem ist aber nicht so, und man muß
                              ihr zugleich Indigo und Alkali zusezen, weil das Alkali nach einem gewissen
                              Zeitraume von den fetten Koͤrpern, womit die Wolle entweder von Natur
                              uͤberzogen ist, oder welche durch ihre Zersezung entstehen, gleichsam
                              gesaͤttigt ist. Diese Zusaze, welche man Speisungen (regreffes) nennt, duͤrfen sogar nicht uͤber vier bis
                              fuͤnf gehen, weil ein Zeitpunkt eintritt, wo das Bad so fettig ist, daß man
                              damit nur Farben ohne Glanz erhaͤlt; um aus den lezten Portionen Indigo,
                              welche in der Kuͤpe enthalten sind, Nuzen zu ziehen, ist man
                              genoͤthigt eine lezte Speisung vorzunehmen, wobei man kein Alkali anwendet.
                              Wenn das Bad anfaͤnglich besteht aus:
                           
                              
                                 Potasche
                                 45 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                 15   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                 15   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                   3 Kannen.Eine Kanne (seau) betraͤgt in den
                                          meisten Gegenden Frankreichs 12 Liter; es ist zu bedauern, daß Hr.
                                          Robiquet
                                          so wenig consequent ist und altes und neues Maß zugleich
                                          gebraucht.
                                    
                                 
                              
                           so nimmt man zu der
                           
                           1sten Speisung.
                           
                              
                                 Potasche
                                 30 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                 10   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                 10   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                   3 Kannen.
                                 
                              
                           2ten Speisung.
                           
                              
                                 Potasche
                                 27 1/2 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                        9   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                      10   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                  2 1/2 Kannen.
                                 
                              
                           3ten Speisung.
                           
                              
                                 Potasche
                                 25 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                   8   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                 10   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                   2 Kannen.
                                 
                              
                           4ten Speisung.
                           
                              
                                 Potasche
                                 22 1/2 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                   7
                                    1/2   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                       10   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                         2   –
                                 
                              
                           5ten Speisung.
                           
                              
                                 Potasche
                                 7 1/2 Kilogr.
                                 
                              
                                 Krapp
                                 2 1/2   –
                                 
                              
                                 Indigo
                                      0   –
                                 
                              
                                 Kleie
                                      1 Kanne.
                                 
                              
                           Man sieht also, daß man auf 125 Kilogr. Indigo 175 1/2 Kil. Potasche anwendet, welche
                              bisher ganz verloren gingen, weil man das Bad in den Bach zu schuͤtten
                              pflegte.
                           Hr. Capplet, Kaufmann zu Elbeuf
                              und ehemals Faͤrber, kam vor einigen Jahren auf die gluͤkliche Idee
                              aus dem alten Bade alle Substanzen zu entfernen, welche sich der Aufloͤsung
                              des Indigos widersezen und es gelang ihm nach vielen Versuchen, das
                              erschoͤpfte Bad so sehr zu reinigen, daß man es zum Ansezen neuer
                              Kuͤpen verwenden oder vielmehr, daß man es in einem gewissen
                              Verhaͤltnisse den neuen Baͤdern zusezen und eine dem Gehalt des
                              angewandten regenerirten Bades entsprechende Menge Alkali weglassen konnte. Dieß
                              wurde wenigstens als Thatsache im I. 1827 von Hrn. Capplet der Société d'encouragement mitgetheilt, wobei er sich erbot,
                              sein Verfahren einer von der Gesellschaft erwaͤhlten Person im Vertrauen
                              mitzutheilen, und das Publicum von der Wahrheit seiner Behauptung zu
                              uͤberzeugen. Die Gesellschaft beauftragte mich mit dieser Untersuchung; um
                              ihr aber die gehoͤrige Aufmerksamkeit widmen zu koͤnnen, wollte ich
                              die Sache so lange aufschieben bis mir meine Gesundheitsumstaͤnde gestatten wuͤrden die
                              Werkstaͤtten, wo diese Operationen ausgefuͤhrt werden, selbst zu
                              besuchen; da dieses bisher noch immer nicht geschehen koͤnnte, so will ich
                              die Langmuth des Hrn. Capplet
                              nicht mehr laͤnger mißbrauchen und theile meine Meinung uͤber diese
                              nuͤzliche Neuerung nach den Nachrichten, die ich mir daruͤber
                              verschaffen konnte, jezt mit.
                           Hr. Capplet kannte die
                              Ursachen, warum das Kuͤpenbad nach laͤngerem Gebrauch keiner Speisung
                              mehr faͤhig ist, nicht genau und betrachtete dieses erschoͤpfte Bad
                              als eine mit fremdartigen Stoffen gemengte Potaschenaufloͤsung; diese suchte
                              er durch oͤfteres Filtriren uͤber verschiedene Koͤrper zu
                              reinigen. Ich darf jedoch die mir vom Erfinder mitgetheilten Verfahrungsarten nicht
                              bekannt machen und bemerke bloß, daß sie den beabsichtigten Zwek vollkommen
                              erfuͤllen.
                           Hr. Capplet betrachtete sein
                              regenerirtes Bad (wie er es nennt) als eine bloße Aufloͤsung von
                              gewoͤhnlicher Potasche, wovon die Kanne 4 Pfd. Potasche enthaͤlt und
                              glaubte Anfangs dieses regenerirte Bad, so wie es war, zum Ansezen neuer
                              Kuͤpen anwenden zu koͤnnen; der Erfolg seines ersten Versuches
                              bestaͤrkte ihn auch vollkommen in seiner Ansicht; ungluͤklicher Weise
                              wurde aber diese Hoffnung bald vernichtet und wenige Tage reichten hin, um zu
                              beweisen, daß diese Kuͤpe, welche Anfangs vortreffliche Resultate lieferte,
                              außerordentlich schnell entartet und sich daher nicht zu einem bestaͤndigen
                              und regelmaͤßigen Gebrauch eignet. Hr. Capplet konnte sich daher nicht mehr
                              ausschließlich des regenerirten Bades zum Ansezen der neuen Kuͤpen bedienen
                              und mußte sich begnuͤgen durch dasselbe einen Theil der Potasche zu ersezen,
                              welche man gewoͤhnlich anwendet. Er betrachtete dieses Bad noch immer als
                              eine bloße Potaschenaufloͤsung, welche 4 Pfund Potasche in der Kanne
                              enthaͤlt, nahm beim Ansezen der neuen Kuͤpen nur die Haͤlfte
                              von der gewoͤhnlichen Quantitaͤt Potasche und ersezte sie durch eine
                              verhaͤltnißmaͤßige Quantitaͤt regenerirtes Bad. Diese ersten
                              Versuche hatten einen vollstaͤndigen Erfolg und seit dieser Zeit
                              bestaͤtigten die guten Resultate, welche man in mehreren Werkstaͤtten
                              bei der Methode des Hrn. Capplet erhielt, vollkommen seine Ansicht, so daß es nun erwiesen
                              ist, daß das regenerirte Bad zum Theil die Potasche beim Ansezen neuer Kuͤpen
                              ersezen kann; Hr. Capplet
                              leistete somit der Industrie einen wahren Dienst, indem durch sein Verfahren eine
                              betraͤchtliche Quantitaͤt Potasche, welche fruͤher ganz
                              verloren ging, erspart wird.
                           Man muß aber diese Frage noch aus einem anderen Gesichtspunkte betrachten, denn wenn
                              jene Neuerung vortheilhaft seyn soll, so ist es nicht hinreichend, daß eine gewisse
                              Quantitaͤt Potasche in Circulation bleibt, sondern dieses muß auch mit
                              Ersparung an Kosten verbunden seyn, was wirklich bei Hrn. Capplet's Verfahren der Fall ist. Wie bereits bemerkt wurde,
                              entspricht nach Hrn. Capplet
                              jede Kanne regenerirten Bades 4 Pfund Potasche; hundert Kannen ersezen also 400
                              Pfund Potasche, welche 200 Fr. kosten (50 Fr. der Ctr.); nach einer Berechnung, die
                              mir Hr. Capplet, welcher alles
                              Zutrauen verdient, mittheilte, betragen aber die Kosten, um diese Quantitaͤt
                              zu reinigen, nur 42 Fr. 50 Cent., so daß man also bei hundert Kannen 157 Fr. 50
                              Cent, ersparen wuͤrde. Hr. Capplet liefert das regenerirte Bad, welches er selbst bereitet, den
                              Consumenten fuͤr 100 Hr. die hundert Kannen, wobei man also schon die
                              Haͤlfte der Kosten erspart. Wenn aber auch hundert Kannen dieses Bades, der
                              Kuͤpe zugesezt, dasselbe bewirken wie 400 Pfund Potasche, so fragt es sich
                              noch, ob diese hundert Kannen wirklich 400 Pfund Potasche enthalten? Es war mir, wie
                              gesagt, unmoͤglich mich in die Werkstaͤtten zu begeben, um
                              daruͤber Gewißheit zu erhalten, aber nach einigen Proben zu urtheilen, die
                              mir uͤberschikt wurden, enthaͤlt das regenerirte Bad weniger Alkali,
                              als Hr. Capplet nach den
                              Leistungen desselben annehmen zu duͤrfen glaubt. Indessen hat die
                              taͤgliche Erfahrung seit langer Zeit gelehrt, daß man bei dem Ansezen der
                              gewoͤhnlichen Indigokuͤpe die Haͤlfte der Potasche weglassen
                              und sie durch eine entsprechende Menge regenerirtes Bad ersezen kann, indem man die
                              Kanne fuͤr 4 Pfund Potasche rechnet; waͤre es aber nicht
                              moͤglich, wie ich auch einen geschikten Faͤrber behaupten
                              hoͤrte, daß die Quantitaͤt Potasche, welche man gewoͤhnlich
                              anwendet, zu stark ist, und daß man, indem man sich des regenerirten Bades des Hrn.
                              Capplet in dem angegebenen
                              Verhaͤltnisse bedient, dasselbe bewirkt, wie wenn man die Quantitaͤt
                              des Alkali vermindert? Um hieruͤber Gewißheit zu erhalten, haͤtte man
                              Kuͤpen mit weniger Potasche, als man gewoͤhnlich anwendet, ansezen
                              muͤssen, aber kein Fabrikant wird diesen Versuch wegen des großen Schadens,
                              welcher daraus hervorgehen koͤnnte, auf seine Gefahr anstellen wollen. Sollte
                              diese Meinung gegruͤndet seyn, so hat dennoch Hr. Capplet der Industrie einen Dienst erwiesen,
                              indem er sie, obgleich ohne sein Wissen, durch einen indirecten Versuch
                              bestaͤtigte.
                           Ich muß jedoch gestehen, daß ich nicht begreife, wie eine so allgemein durch die
                              Gewohnheit geheiligte Sache auf einem Irrthum beruhen sollte, und obgleich ich
                              uͤberzeugt bin, daß das regenerirte Bad des Hrn. Capplet nicht so viel Potasche enthaͤlt,
                              als er annimmt, so glaube ich doch, daß man nicht ohne Nachtheil die
                              gewoͤhnliche Quantitaͤt Alkali verringern duͤrfte; diesen
                              scheinbaren Widerspruch erklaͤre ich mir folgender Maßen.
                           In unendlich vielen Faͤllen wirkt die kaͤufliche Potasche nicht wie ein basisches Salz,
                              sondern als wenn sie ans zweifach-kohlensaurem Kali und Aezkali
                              bestuͤnde. Nun entspricht aber die Aufloͤsungskraft der Potasche
                              hinsichtlich des Indigos ihrem Gehalt an aͤzendem Alkali und diese
                              Aufloͤsungskraft wird durch ihren Gehalt an kohlensaurem Salze vermindert, so
                              daß man sie verstaͤrken oder schwaͤchen kann, je nachdem man mehr
                              aͤzendes oder kohlensaures Alkali anwendet und von diesem Verhaͤltniß
                              zwischen dem aͤzenden und kohlensauren Alkali haͤngt großen Theils der
                              Gang der Kuͤpe ab. Er wird zu rasch seyn, wenn das aͤzende Alkali
                              vorwaltet und zu langsam im entgegengesezten Falle. Ich glaube daher, daß man bei
                              Anwendung der kaͤuflichen Potasche nicht das zwekmaͤßigste
                              Verhaͤltniß zwischen kohlensaurem und aͤzendem Kali trifft und daß man
                              die absolute Menge von Kali vermindern koͤnnte, wenn man
                              verhaͤltnißmaͤßig mehr aͤzendes Alkali nehmen wuͤrde;
                              gerade dieses thut meiner Meinung nach auch Hr. Capplet, aber ohne es zu wissen.
                           In der That kann man die erschoͤpfte Kuͤpe als eine Aufloͤsung
                              von Alkali betrachten, welches großen Theils durch fette Saͤuren oder
                              Kohlensaͤure gesaͤttigt ist, und um dieses Alkali wieder nuzbar zu
                              machen, filtrirt Hr. Capplet
                              das Bad durch gewisse Koͤrper, wovon einige mechanisch die fremdartigen darin
                              schwebenden Substanzen zuruͤkhalten und die anderen sich der mit dem Alkali
                              verbundenen Saͤuren bemaͤchtigen. Wenn ich mich nicht sehr tausche,
                              enthaͤlt das regenerirte Bad verhaͤltnißmaͤßig wehr
                              aͤzendes Alkali als die kaͤufliche Potasche, und dieß ist meiner
                              Meinung nach die Ursache, daß dieses Bad eine groͤßere Menge Potasche ersezen
                              kann, als es wirklich enthaͤlt: daher kommt es auch, daß man keine neuen
                              Kuͤpen bloß mit regenerirtem Bade ansezen kann, weil das Alkali darin zu
                              aͤzend und daher, wie Hr. Capplet sagt, die Kuͤpe im Anfange sehr kraͤftig (fougeuse) ist; sie liefert in den ersten zwei Tagen
                              herrliche Resultate, wegen ihres groͤßeren Gehalts an Faͤrbestoff,
                              laͤßt aber schnell nach, aus dem einzigen Grunde, weil sie eine geringere
                              Quantitaͤt reelles Alkali enthaͤlt, welches bald durch die fetten
                              Saͤuren oder Kohlensaͤure gesaͤttigt und daher schnell
                              unwirksam wird.
                           Aus dieser Ansicht wuͤrde folgen, daß man die Kuͤpen viel
                              laͤnger als gewoͤhnlich gebrauchen koͤnnte, wenn man bei jeder
                              Speisung eine geringe Menge gebrannten Kalk zusezt, welcher eine entsprechende Menge
                              Alkali wieder herstellen wuͤrde, indem er sich der Saͤuren, von
                              welchen es gesaͤttigt ist, bemaͤchtigt; daruͤber muͤßten
                              nun Versuche angestellt werden.