| Titel: | Verbesserung des Fallschirms; von L. Hengler. | 
| Autor: | Lorenz Hengler | 
| Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XVIII., S. 102 | 
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                        XVIII.
                        Verbesserung des Fallschirms; von L. Hengler.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Hengler, Verbesserung des Fallschirms.
                        
                     
                        
                           Da in der neuesten Zeit der Aeronautik wieder einige Aufmerksamkeit geschenkt wird,
                              so glaube ich, daß jede Verbesserung an irgend einem Theile derselben, besonders
                              wenn sie sich als solche schon praktisch bewaͤhrt hat, hier einen Ort finden
                              duͤrfte. Daß die Fallschirme, eine dem Luftschiffer so wichtige Vorrichtung,
                              nach bisheriger Construction ihrem Zweke nicht entsprechen, ist bekannt; ihr
                              fuͤrchterliches Hin- und Herschaukeln, so daß sie oͤfters
                              beinahe ganz zuschlagen, und ihre gaͤnzliche Unlenkbarkeit, so daß auch nicht
                              der kleinste Gegenstand beim Herunterlassen vermieden werden kann, machen sie bei
                              ihrem Gebrauche noch immer sehr gefaͤhrlich. –
                           Diese zwei Unvollkommenheilen lassen sich auf folgende Art gaͤnzlich aufheben:
                              Man lasse die Construction wie bisher, nur mache man die Woͤlbung nach Unten
                              anstatt nach Oben. Daß in diesem Falle gar kein Schankeln Statt finden
                              koͤnne, geht aus der Theorie eben so gut hervor, als im anderen Falle das
                              Gegentheil; denn es sey acb
                              Fig. 21 die
                              krumme Flache eines Fallschirms, c sein Mittelpunkt, so
                              wird er schaukeln, wenn er in der Richtung nach M bewegt
                              wird; denn da der Widerstand der Luft gerade auf der Seite, welche zuruͤk
                              bleibt, immer groͤßer wird, so wird diese Seite immer mehr streben
                              zuruͤkzubleiben, und zwar mit zunehmender Schnelligkeit, bis die den
                              Fallschirm bewegende Kraft dieses besiegt, wo er dann schnell auf die andere Seite
                              sich wendet, und man hat hier gleichsam eine auf die Spize gestellte Nadel. Dieß
                              sieht man sogleich, wenn man sich den Fallschirm z.B. in die Lage αcβ denkt, wo dann der Widerstand
                              auf βc > bc, und auf ac > αc, also um so mehr auf βc > αc ist. – Aus dem naͤmlichen Grunde aber erhellet,
                              daß der Fallschirm, wenn er in der Richtung nach N
                              bewegt wird, nicht schaukeln kann, denn gesezt der Fallschirm haͤtte durch
                              eine Kraft die Lage αβ angenommen,
                              so wird er sogleich wieder in die Lage acb
                              zuruͤkkehren, weil der Widerstand auf βc > αc ist.
                           Es ist hier gleichguͤltig, welche Kruͤmmung der Fallschirm habe, oder
                              ob er ein Kegel sey.
                           Mit Fallschirmen dieser Art habe ich im Kleinen und Großen viele Versuche angestellt,
                              und diese Theorie ganz genau bestaͤtigt gefunden.
                           Um den Fallschirm leiten zu koͤnnen, so laͤßt sich dieses zwar auf
                              mehrere Arten bewerkstelligen, doch habe ich folgende fuͤr die
                              zwekmaͤßigste und bequemste gefunden. Man verbindet mit dem Fallschirm einen
                              etwas weiten (doch leichten) Korb, in welchem sich der den Fallschirm Gebrauchende
                              befindet. Steht nun dieser im Mittelpunkt des Korbes (also auch im Mittelpunkt des
                              Fallschirmes), so wird der Fallschirm ganz senkrecht herunter fallen; wendet er sich
                              aber auf eine Seite, so wird auch der Fallschirm nach dieser Seite hin von der
                              senkrechten Richtung abweichen, welche Abweichung um so groͤßer wird, je
                              groͤßer der Abstand des sich im Korbe Befindenden vom Mittelpunkte ist. Auf
                              diese Art kann man sich in einer Richtung, welche selbst 45 und noch weniger Grade
                              gegen den Horizont geneigt ist, herablassen.
                           Man koͤnnte vielleicht die Einwendung machen, daß ein Fallschirm, der unten
                              gebogen sey, nicht so viel Widerstand leiste, und deßwegen schneller falle etc. Dieß
                              ist zwar allerdings wahr, allein es betraͤgt so wenig, daß der Radius des
                              Fallschirms allenfalls nur um den 10ten Theil groͤßer gemacht werden darf, um
                              den naͤmlichen Widerstand zu erreichen.
                           Um aber endlich die eigentliche Groͤße eines Fallschirms selbst anzugeben, so
                              ist diese von den besten Theoretikern schon hinreichend bestimmt worden, und ich
                              will nur noch ganz kurz die Resultate meiner vielfaͤltigen Versuche
                              hieruͤber angeben.
                           Mit einem Fallschirme, der nicht weit von der Form eines sehr stumpfen Kegels, dessen
                              Spize ungefaͤhr 120°–130° betraͤgt, abweicht, und
                              einen Durchmesser von 22 Pariser Fuß hat, kann man sich ohne alle Gefahr, selbst
                              ohne irgend eine Unannehmlichkeit zu erfahren, nenn ein Quadratfuß des Fallschirms
                              nicht mehr als 3 Loth Gewicht hat, herunterlassen, zumal wenn der in demselben Befindende auf einem
                              weichen oder sogar auf einem mit Stahlfedern gestuͤzten Boden steht.
                           Ich habe einen Fallschirm von dieser Groͤße aus Leinewand verfertigt, und mich
                              von verschiedenen Hoͤhen, von 100, 200, 300 bis 400 Fuß, sehr oft herunter
                              gelassen, ohne die geringste Unannehmlichkeit zu erfahren.
                           Eben so gut uͤberzeugte ich mich von der leichten Lenkbarkeit eines solchen
                              Fallschirms. Der Korb hatte 3 Fuß Durchmesser und 4 Fuß Hoͤhe, wenn ich mich
                              auf eine Seite stellte, oder mich an sie anlehnte, so konnte ich mich auf einen vom
                              senkrechten Abstandspunkte sehr weit entfernten Ort niederlassen, so daß ich auf
                              diese Art jeden Gegenstand, den ich vermeiden wollte, auch sehr leicht vermeiden
                              konnte; und es entspricht somit ein solcher Fallschirm allen Forderungen, die man an
                              ihn machen kann.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
