| Titel: | Ueber Dampffuhrwerke. | 
| Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XIX., S. 104 | 
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                        XIX.
                        Ueber Dampffuhrwerke.
                        Aus dem Bulletin des Sciences technologiques. Nro. 1.
                              1831.
                        Ueber Dampffuhrwerke.
                        
                     
                        
                           Das Resultat von allen uͤber diesen wichtigen Gegenstand (Dampffuhrwerke auf
                              gewoͤhnlichen Landstraßen) bisher gemachten Versuchen trifft sehr wenig mit
                              den allgemein uͤber die ungeheuere Kraft des Wasserdampfes verbreiteren Ideen
                              uͤberein, und es scheint, auf den ersten Anblik, sonderbar, daß Wagen, welche
                              von einer so maͤchtigen Kraft betrieben, auf einer ganz wagerechten (glatten)
                              Straße mit großer Geschwindigkeit fortrollen, sich nur mit der groͤßten
                              Muͤhe uͤber einen maͤßig ansteigenden Huͤgel hinauf
                              arbeiten koͤnnen. Die Sache verhaͤlt sich aber so: Bei Fuhrwerken,
                              welche von Pferden auf gewoͤhnlichen Straßen gezogen werden, muß die Ladung
                              so beschaffen seyn, daß unter den gewoͤhnlichen Umstaͤnden nur ein
                              sehr kleiner Theil von den Kraͤften der Thiere in Anspruch genommen wird,
                              damit dieselben eine lange Zeit arbeiten koͤnnen, ohne sich stark zu
                              ermuͤden. Wenn dann auf dem Wege eine Anhoͤhe vorkommt, so bringen die
                              Pferde, indem sie auf einige Augenblike ihre ganze vereinte Kraft anstrengen, den
                              Wagen auf den Gipfel der Anhoͤhe, worauf sie sodann ihren
                              gewoͤhnlichen Zug wieder annehmen. So kann die Zugkraft eines Pferdes bei
                              einer den ganzen Tag fortgesezten Arbeit auf 150 Pfund geschaͤzt werden,Im Original steht: 150 quintaux, was offenbar ein
                                    Druk- oder Schreib-Fehler ist. Aeltere mechanische Schriftsteller haben
                                    diese Kraft im gewoͤhnlichen Schritte zu 175 Pfd. angenommen, die
                                    neuesten englischen Schriftsteller nur zu 125 Pfd. Es versteht sich, daß
                                    hiebei aus die Groͤße und Starke der Pferde Vieles ankommt. A. d.
                                    Ue. aber dasselbe Pferd kann noͤthigen Falles eine Kraft von 500 oder
                              600 Pfund ausuͤben. Ein Mann kann den ganzen Tag (d.h. mehrere Stunden) lang
                              mit einer Kraft von 28 oder 30 Pfund arbeiten; wir wissen aber, daß er, wenn es die
                              Noth erfordert, augenbliklich eine fuͤnf- bis zehnfache Kraft
                              entwikeln kann. Bei den Dampfmaschinen verhaͤlt sich diese Sache ganz anders;
                              denn wenn man diese so einrichten wollte, daß sie bestaͤndig einen
                              bedeutenden Ueberschuß von Kraft (fuͤr außerordentliche Faͤlle)
                              vorraͤthig (en réserve) haͤtten, so
                              muͤßte man große Maschinen bauen, um kleine Wirkungen hervorzubringen; und um
                              einer solchen Maschine eine hinreichende Kraft zu geben, um (ohne alle andere
                              aͤußere Huͤlfe) mit ihrer Ladung steile Anhoͤhen zu ersteigen,
                              muͤßte ihr Bau so complicirt und kostbar werden, daß der Hauptzwek aller
                              Erfindungen, die Oekonomie, ganz bei Seite gesezt wuͤrde.
                           Eine andere Schwierigkeit in der Anwendung von Dampfwagen auf gewoͤhnlichen
                              Straßen liegt in den Erschuͤtterungen, welchen sie auf denselben ausgesezt
                              sind, wodurch diese kuͤnstlichen Maschinen schnell abgenuͤzt, und alle
                              ihre Theile mit jedem Augenblike der Zerstoͤrung ausgesezt werden.
                           Wir sind uͤberzeugt, daß man vermittelst des Hochdrukes (und andere als
                              Hochdruk-Maschinen sind bei Dampfwagen nicht anwendbar) diesen Maschinen
                              einen Zuschuß von Kraft (une force additionnelle) durch
                              Erhoͤhung der Elasticitaͤt des Dampfes geben kann; allein, obwohl man
                              schon verschiedene Mittel erfunden hat, um die gefaͤhrlichen Wirkungen einer
                              Explosion zu verhuͤten, indem man die Masse der Kessel in mehrere
                              Abtheilungen oder Roͤhren vertheilt, so koͤnnen wir uns doch nicht
                              uͤberreden zu glauben, daß mit irgend einer bedeutenden Vermehrung dieser
                              Elasticitaͤt, wie solche bei den fortschaffenden Maschinen, dem Principe
                              nach, noͤthig waͤre, eine vollkommene und dauernde Sicherheit zu
                              verbinden sey.
                           Nach allen bisher angestellten Versuchen scheint es, daß die Dampfwagen nur auf ganz
                              glatten und ebenen Flaͤchen mit Vortheil zu gebrauchen sind, naͤmlich
                              auf Eisenbahnen, auf welchen hoͤchstens nur sehr unbedeutende Steigungen
                              vorkommen. Man kann indessen nicht vorhersehen, welche Verbesserungen an den
                              Dampfmaschinen noch gemacht werden koͤnnen; die Geschichte der
                              Dampfschifffahrt zeigt auf eine auffallende Art, welche weite Luke oft zwischen
                              einer bloßen Erfindung und der praktischen Verwirklichung derselben durch ihre Anwendung (im Großen)
                              bestehet. Ein Patent fuͤr die Erfindung eines Dampfbothes ward im Jahre 1736
                              ertheilt, und erst im Jahre 1805 ging das erste Dampfschiff in die See.
                           
                        
                           Bemerkungen des Uebersezers.
                           Wir sind mit diesen gruͤndlichen Bemerkungen ganz einverstanden, und beharren,
                              troz der unlaͤngst bekannt gewordenen Nachricht von einem guͤnstigen
                              Berichte, welchen eine vom englischen Parlament ernannte Commission uͤber das
                              Dampffuhrwesen auf gewoͤhnlichen Landstraßen erstattet hat, noch immer auf
                              unserer unlaͤngst ausgesprochenen Behauptung, daß es mit demselben nie zu
                              einer vortheilhaften Anwendung auf bedeutenden Streken kommen werde. Sollte dieses
                              geschehen, so muͤßten alle Chausseen durchaus eben gemacht, und ihren
                              Bedekungen eine idealische, in der Ausfuͤhrung unerreichbare, Vollkommenheit
                              von Glaͤtte, Harte, Festigkeit und Unzerstoͤrbarkeit gegeben werden.
                              Die in dieser Absicht zu verwendenden Anlag- und Unterhaltungs-Kosten,
                              und der dabei noch immer acht bis zehn Mal groͤßere Aufwand an Maschinenwerk
                              und Brennmaterial wuͤrden aber den Aufwand der kostbarsten Eisenbahnen weit
                              uͤberwiegen. Die Gefahren des Umwerfens, des Hinabschleuderns in die Graben,
                              und des Anstoßens an andere Wagen blieben dabei, besonders bei einer sehr schnellen
                              Bewegung, unvermeidlich; an eine Vertheilung der Lasten auf mehrere hinter einander
                              folgende Wagen (worin eben einer der groͤßten Vortheile der Dampfwagen auf
                              Eisenbahnen besteht) waͤre gar nicht zu denken, weil eine solche Reihe von an
                              einander gehaͤngten Wagen nie dieselbe Spur des vorangehenden Maschinenwagens
                              halten, und bald von ihrem Wege abkommen wuͤrde. Man muͤßte daher an
                              jedem einzelnen Wagen eine Dampfmaschine anbringen, wobei die Hize des Kessels den
                              Reisenden hoͤchst beschwerlich, und fuͤr manche Guͤter sehr
                              nachtheilig werden duͤrfte. Auch wuͤrde das ungeheuere Gewicht eines
                              solchen Wagens mit dem erforderlichen Maschinenwerke, Wasser und Brennmaterial, und
                              einer noch darauf anzubringenden Ladung die besten Straßen sehr schnell zu Grunde
                              richten.