| Titel: | Schreiben des Hrn. Blanquet an Hrn. Pelouze, Repetitor der Chemie an der École polytechnique über die Fabrikation des Runkelrübenzukers. | 
| Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XXXIII., S. 142 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXXIII.
                        Schreiben des Hrn. Blanquet an Hrn. Pelouze, Repetitor der Chemie an der École polytechnique uͤber die Fabrikation des
                           Runkelruͤbenzukers.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. Sptbr. 1831,
                              S. 100.
                        Blanquet's Schreiben uͤber die Fabrikation des
                           Runkelruͤbenzukers.
                        
                     
                        
                           Mein Herr!
                           Ich habe mit vielem Interesse Ihre Abhandlung uͤber die
                              RunkelruͤbeWir haben sie in diesem Bande des polytechnischen Journals S. 53 mitgetheilt. A. d. R. gelesen, welche Sie die Gefaͤlligkeit hatten mir vor dem Druk zu uͤberschiken. Die
                              chemischen Versuche, welche Sie mit dieser Wurzel angestellt haben, sind fuͤr
                              die Runkelruͤben-Zukerfabrikanten von der hoͤchsten
                              Wichtigkeit; dieselben beduͤrfen ganz besonders des Beistandes der
                              Wissenschaft als Leitstern bei den Versuchen, die sie anstellen, um
                              Aufklaͤrung uͤber die sonderbaren Anomalien, auf welche sie stoßen, zu
                              erhalten und um ihren Arbeiten eine Regelmaͤßigkeit zu ertheilen, welche sie
                              ohnedieß bei den ausdauerndsten Anstrengungen ihnen zu geben nicht im Stande
                              waͤren. Sie haben bei ihren Versuchen gefunden, daß die Runkelruͤbe im
                              unveraͤnderten Zustande gewoͤhnlich ungefaͤhr 10 Procent Zuker
                              enthaͤlt, also beinahe zwei Mal so viel, als man daraus in den Fabriken nach
                              den besten bekannten Verfahrungsarten erhaͤlt. Dadurch werden die Resultate
                              bestaͤtigt, welche mehrere geschikte Chemiker bei ihren Versuchen erhielten;
                              Sie bemerken ferner, daß die unveraͤnderte Runkelruͤbe keinen
                              unkrystallisirbaren Zuker enthaͤlt. Leztere Behauptung ist, wenigstens meines
                              Wissens, neu und beweist, daß unser Industriezweig noch sehr großer Verbesserungen
                              faͤhig ist.
                           Ihre Versuche fuͤhrten Sie auf eine merkwuͤrdige Thatsache, daß
                              naͤmlich die Dichtigkeit des Runkelruͤben-Saftes nicht immer im
                              bestimmten Verhaͤltniß mit ihrem Zukergehalt steht, und zwar nicht nur bei
                              Ruͤben von verschiedenen Feldern, sondern auch bei solchen, die neben
                              einander und zu derselben Stunde aus dem naͤmlichen Felde genommen wurden.
                              Dieß erklaͤrt, wie es mir scheint, schon zum Theil die verschiedenen
                              Resultate, welche man nicht nur von einem Tage zum anderen, und mit verschiedenen
                              Varietaͤten von Runkelruͤben, sondern manch Mal sogar von einer Stunde
                              zur anderen bei einer regelmaͤßigen Behandlungsart der Ruͤben
                              erhaͤlt, von welchen man annimmt, daß sie von gleicher Beschaffenheit sind,
                              weil sie unter vermeintlich identischen Bedingungen zur Reife gelangen.
                           Sie geben eine andere wichtige Thatsache an, worin Sie mit Hrn. Dubrunfaut uͤbereinstimmen, daß naͤmlich die Ruͤben,
                              welche man auf stark geduͤngten Feldern erntet, nicht weniger Zuker
                              enthalten, als diejenigen, welche auf einem Felde wuchsen, bei dem der
                              Duͤnger mehr gespart wurde. Hieraus sollte man natuͤrlich schließen,
                              daß es sehr vortheilhaft seyn muß, den Duͤnger nicht zu sparen, weil man
                              durch denselben eine viel groͤßere Menge Runkelruͤben erhaͤlt,
                              deren Zukergehalt nicht geringer ist. Da man aber die Runkelruͤben nicht
                              immer bald nach der Ernte verarbeiten kann und man bisher noch kein Verfahren kennt
                              die Veraͤnderungen, welche sie bei dem Aufbewahren in Magazinen oder Silos
                              erleiden, zu verhindern, so muß man erst ermitteln, ob Runkelruͤben von stark geduͤngten
                              Feldern sich nicht schneller und betraͤchtlicher veraͤndern
                              (verderben), als solche von weniger geduͤngtem Boden. Es ist nur bei meiner
                              sehr langen Praxis hoͤchst wahrscheinlich geworden, daß Ruͤben von
                              stark geduͤngtem Boden viel schwieriger aufzubewahren und auf Zuker zu
                              verarbeiten sind, besonders wenn der Duͤnger sogleich nach dem Ernten von
                              Runkelruͤben angewandt wurde. Ein Versuch, welchen ich in diesem Jahre
                              anstellte, bestaͤrkt mich in dieser Meinung.
                           Wir bauten Runkelruͤben nach dem Verfahren des Hrn. Matthieu de Dombasles in einem Felde von ungefaͤhr 12 Aren an,
                              worauf seit zwei Jahren der Absaz von Pferdemist ausgebreitet worden war. Wir
                              erhielten eine reichliche Menge von Runkelruͤben; aber der Saft zeigte nur
                              5° an Baumé's Araͤometer und nach der Laͤuterung zeigte
                              der aus dem Kessel kommende Saft kaum mehr als 0.
                           Der Saft wurde filtrirt, abgedampft und besonders geklaͤrt, wobei wir genau
                              unser gewoͤhnliches Verfahren befolgten; wir erhielten aber nur zwei Drittel
                              der gewoͤhnlichen Quantitaͤt Syrup von 27° und dieser Syrup
                              konnte in dem Kessel zum Verkochen durchaus nicht auf die Probe gebracht werden. Als
                              er beinahe 36° am Araͤometer zeigte, hoͤrte das Kochen
                              ploͤzlich auf, gerade so, als wenn der Hahn der Dampfroͤhre abgesperrt
                              worden waͤre. Er verdampfte nicht mehr weiter und wir sahen uns
                              genoͤthigt, ihn neuerdings zu klaͤren. Nachdem wir dieses Mittel
                              angewandt hatten, was wir gewoͤhnlich thun, wenn sich diese sonderbare
                              Erscheinung einstellt, ging das Verkochen ganz gut von Statten.
                           Was wuͤrde aber bei solchen Runkelruͤben geschehen, wenn man sie in
                              Silos aufbewahren muͤßte, anstatt sie sogleich zu verarbeiten? Wahrscheinlich
                              erhielte man daraus nur sehr wenig krystallisirten Zuker.
                           Sie fuͤhren in Ihrer Abhandlung eine andere, nicht weniger wichtige Thatsache
                              an, worin Sie mit anderen Schriftstellern nicht uͤbereinstimmen; ich meine
                              naͤmlich das Vorkommen von Kalk im Runkelruͤbensaft.
                           Der Kalk ist das einzige bekannte Mittel, wodurch man die Laͤuterung des
                              Runkelruͤbensaftes im Großen gehoͤrig bewerkstelligen kann (denn die
                              Schwefelsaͤure muß, wie ich glaube, bei der Zukerfabrikation aufgegeben
                              werden, wenigstens bei dem Verfahren des Verkochens), und wenn dieser Kalk in dem
                              Saft einen Theil des Zukers in unkrystallisirbaren Zuker umaͤndert, so folgt
                              daraus, daß man bei der gegenwaͤrtigen Fabrikationsweise nothwendig einen
                              Theil des Runkelruͤbenzukers opfern muß, um den anderen zu erhalten.
                           Die 10 Procent Zuker, welche, wie Sie fanden, gesunde und gut aufbewahrte
                              Runkelruͤben im Durchschnitt enthalten, vertheilen sich folgender Maßen: 5 Procent
                              erhaͤlt der Fabrikant als krystallisirten Zuker, 2 1/2 Procent
                              ungefaͤhr bilden Melasse, und 2 1/2 Procent bleiben in dem Mark
                              zuruͤk, was zusammen 10 Procent macht. Die Praxis bestaͤtigt also Ihre
                              Versuche vollkommen.
                           Was Ihre Ansicht uͤber das Vorkommen von Kalk im Runkelruͤbensaft
                              betrifft, wovon nach Ihnen ein Liter 1 bis 1,5 Gramme enthaͤlt, so zweifle
                              ich nicht an ihrer Richtigkeit. Ich habe mich selbst von dem Vorkommen des Kalks in
                              Gegenwart des Hrn. Baudrimont, eines geschikten Chemikers
                              uͤberzeugt. Als wir in eine geringe Menge Runkelruͤbensaft nach der
                              Laͤuterung desselben kleesaures Ammoniak gossen, erhielten wir einen sehr
                              reichlichen Niederschlag. Nachdem wir denselben Saft durch eine Schichte thierischer
                              Kohle in Koͤrnern filtrirt hatten, zeigte dasselbe Reagens noch die Gegenwart
                              von Kalk an; es faͤllte auch Kalk aus Saft, der auf 15° Baumé
                              eingedampft war, vor und nach einem neuen Filtriren durch eine neue Schichte
                              thierischer Kohle in Koͤrnern; dieselbe Erscheinung zeigte sich endlich auch
                              bei Syrup von 26° vor und nach der Klaͤrung mit feinem Beinschwarz,
                              aber der Niederschlag war bei allen diesen Versuchen zusehends immer weniger
                              betraͤchtlich; endlich nach einem lezten Filtriren, ehe man den Syrup zum
                              Verkochen brachte, verursachte das kleesaure Ammoniak keinen merklichen Niederschlag
                              mehr. Hieraus schlossen wir, daß keine von unseren Operationen des Filtrirens und
                              Klaͤrens uͤberfluͤssig ist und daß wir durch dieselben einen
                              von Kalk gereinigten Syrup zum Verkochen erhalten; freilich werden dabei die
                              nachtheiligen Wirkungen, welche der Kalk beim Abdampfen aͤußern kann, nicht
                              beseitigt.
                           Wir wollen in Kuͤrze unsere Fabrikationsweise auseinandersezen und die
                              Verbesserungen andeuten, auf welche wir unsere Aufmerksamkeit und Bestrebungen zu
                              richten haben.
                           Wir pressen die zerriebenen Runkelruͤben mittelst einer starken hydraulischen
                              Presse aus und erhalten 68 bis 72 Procent Saft. Dieses Verfahren ist noch sehr zu
                              verbessern, da 100 Gramme stark ausgepreßtes Mark nach oͤfterem Auswaschen
                              und Troknen im Marienbade nur 2,5 Gr. zuruͤklassen.
                           Wir laͤutern mit Kalk. Wenn die Ruͤben ganz gesund sind und diese
                              Substanz in geeignetem Verhaͤltnisse angewandt wird, geht die
                              Laͤuterung gut von Statten; der vollkommen entfaͤrbte und klare Saft
                              scheidet sich leicht von dem Sa; und Schaum ab und die thierische Kohle in
                              Koͤrnern und in Pulver entfaͤrbt den Syrup auffallend; das Verdampfen
                              und Verkochen geht gut vor sich, deßgleichen die Klaͤrung, und wir erhalten
                              endlich, wenn alle noͤthigen Bedingungen bei den Details der Operationen
                              genau erfuͤllt werden, ungefaͤhr 5 Procent schoͤnen und guten Zuker
                              und 2 1/2 Procent Melasse. Sind aber die Runkelruͤben mehr oder weniger
                              veraͤndert und in einem zu stark geduͤngten Felde zur Reife gelangt,
                              dann ist der Erfolg bei obigen Operationen sehr unsicher. Wenn einmal die
                              Laͤuterung schlecht vor sich ging, so kann man nicht mehr darauf rechnen, daß
                              irgend sine der folgenden Operationen gelingt und, was merkwuͤrdig ist, die
                              thierische Kohle wirkt fast gar nicht mehr entfaͤrbend. Die Hauptbedingungen
                              des guten Erfolges bei der Fabrikation des Runkelruͤbenzukers sind daher die
                              Erhaltung der Ruͤben in unverdorbenem Zustande bei
                                 ihrer Aufbewahrung und das Gelingen der Laͤuterung;
                              ungluͤklicher Weise sind aber diese Bedingungen noch Probleme, auf welche
                              wissenschaftlich gebildete Maͤnner ihre Aufmerksamkeit richten
                              muͤssen, wenn Frankreich alle Wohlthaten genießen soll, die ihm dieser
                              schaͤzbare Industriezweig in so vielen Hinsichten verspricht.
                           Ich bin etc.