| Titel: | Ueber die Heilung der Hydatiden in den Schädeln des Rindviehes. | 
| Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XXXV., S. 149 | 
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                        XXXV.
                        Ueber die Heilung der Hydatiden in den
                           Schaͤdeln des Rindviehes.
                        Aus dem Quarterly Journal of Agriculture N. 14.
                              August, im Repertory of Patent-Inventions. Septbr. 1831, S.
                              169.
                        Ueber die Heilung der Hydatiden in den Schaͤdeln des
                           Rindviehes.
                        
                     
                        
                           Die Hydatiden, oder die Kopfwassersucht, wie sie auch genannt werden, sind eine
                              Krankheit, die unter jungen Schafen sehr haͤufig vorkommt, und die man
                              zuweilen, jedoch selten, auch unter dem Rindviehe antrifft. Die Hydatide ist ein
                              Thier von sehr unvollkommener Organisation, indem dasselbe fluͤssig ist, und
                              wie Wasser aussieht, welches in einem runden Blaͤschen eingeschlossen
                              ist.Wir haͤtten nicht geglaubt, daß ein englischer Landwirth heut zu Tage
                                    noch so wenig naturhistorische Kenntnisse besizen koͤnnte, daß er so
                                    etwas in den Tag hinein schreiben kann! Die Hydatide ist kein
                                    fluͤssiges Thier (!), sondern sie ist eine Art von Blasenbandwurn,
                                    die, wie alle Blasenbandwuͤrmer an dem einen Ende ihres
                                    Koͤrpers in ein, mit einer waͤsserigen Feuchtigkeit
                                    gefuͤlltes Blaͤschen uͤbergeht. Der Blasenbandwurm,
                                    welcher im Gehirne der Schafe haͤufig vorkommt, und dem
                                    vorzuͤglich die Drehsucht der Schafe zugeschrieben wird, ist die
                                    sogenannte Taenia hydatigena cerebralis der
                                    Zoologen. Die Blaͤschen, die man im Gehirne von Schafen fand, die an
                                    der Drehsucht litten, sollen jedoch auch noch von mehreren anderen Thieren
                                    herruͤhren; so entdekte man in diesen Blaͤschen die Maden der
                                    Schafbremse (Oestrus ovis), und die der
                                    Spinnfliege, auch jene des Oestrus nasalis, der
                                    jedoch gewoͤhnlich nur die Pferde plagt, will man darin gefunden
                                    haben. Die Maden kriechen theils durch die Nase hinauf bis in die
                                    Stirnhoͤhlen und in die Schadelhoͤhle selbst; theils soll die
                                    Spinnstiege an einer weichen Stelle den Schaͤdel der Schafe
                                    durchstechen und ihre Eier hineinlegen, die dann in Folge des mechanischen
                                    Reizes, welchen sie verursachen, mit einer blasenartigen Haut umgeben
                                    werden, die entweder mit waͤsseriger oder etwas blutiger
                                    Fluͤssigkeit gefuͤllt ist. Uebrigens will man zuweilen auch
                                    durchaus nichts von Hydatiden oder anderen Thieren in dem Gehirne drehender
                                    Schafe gefunden haben. A. d. Ue. Wenn nun solche Hydatiden im Gehirne der Schafe entstanden sind, so haben
                              die Schaͤfer und Landwirthe verschiedene Mittel zur Heilung derselben;In N. 9 des Quarterly
                                       Journal ist S. 406 eine Erzaͤhlung einer Heilung eines
                                    jungen Schafes von dieser Krankheit durch Trepanation gegeben. Die Methode,
                                    welche von den Schaͤfern allgemein befolgt wird, und welche am
                                    einfachsten und schnellsten, und in den meisten Faͤllen auch von
                                    guͤnstigem Erfolge begleitet ist, besteht darin, daß man einen Draht
                                    durch das Nasenloch hinauf in die Hydatide im Gehirne einstoͤßt, und
                                    dadurch der in derselben enthaltenen Fluͤssigkeit Ausfluß verschafft.
                                    Diese Methode zeigte sich auch neuerlich in der Nachbarschaft von Edinburgh,
                                    wo sie haͤufig angewendet wurde, sehr vortheilhaft. A. d. O. zeigen sie sich aber am Rindviehe, so wurden bisher fast nie Versuche einer
                              Operation angestellt, und die Thiere ihrem unausbleiblichen Schiksale
                              uͤberlassen.
                           Es waͤre in jeder Hinsicht zu wuͤnschen, daß in diesen Faͤllen
                              von den Paͤchtern und anderen Viehzuͤchtern mehrere Versuche
                              angestellt wuͤrden, die, wenn sie auch ungluͤklich ausfallen, da wo
                              das Thier schon fuͤr verloren gegeben wird, den Schaden doch nicht
                              vergroͤßern wuͤrden. Viele Thiere duͤrften, wie es uns scheint, dadurch noch
                              gerettet werden.
                           Hr. Ritchie, Paͤchter zu Castlelaw bei Pennycuick
                              in Mid-Lothian, machte vor drei Jahren an einem 1 1/2 Jahre alten Stiere eine
                              Operation, die mit dem besten Erfolge belohnt wurde, wie aus dem seither
                              beobachteten Zustande der Thiere hervorgeht.
                           Der Stier weidete mit anderem Viehe, als man ungefaͤhr am Anfange des Monates
                              August zuerst merkte, daß derselbe krank sey. Die ersten Symptome, welche er darbot,
                              waren folgende: er hatte ein dummes und stupides Aussehen, und konnte dem anderen
                              Viehe auf der Weide nicht folgen; spaͤter ließ er den Kopf
                              herabhaͤngen, drehte ihn auf die eine Seite, und zeigte bald darauf
                              aͤhnliche Erscheinungen und Symptome wie man sie an den, mit derselben
                              Krankheit behafteten, Schafen beobachtet. Er wurde nach und nach immer schlechter,
                              konnte das noͤthige Futter weder suchen, noch zu sich nehmen, so daß er bis
                              zur Mitte Octobers vollkommen abgemagert war. Der Schaͤdel zeigte sich an
                              einem Theile erweicht; daraus und aus allen uͤbrigen Erscheinungen schloß Hr.
                              Ritchie, daß das Thier an Hydatiden leide, und daß
                              keine Hoffnung zu seiner Rettung vorhanden sey.
                           Da es gar keinen Vortheil gewaͤhrt haben wuͤrde, wenn man das Thier in
                              diesem abgemagerten und kranken Zustande geschlagen haͤtte, indem nur die
                              Haut desselben brauchbar gewesen waͤre, so entschloß sich Hr. Ritchie einen Versuch mit demselben anzustellen. Er hatte
                              vorher unter diesen Umstaͤnden noch nie eine Operation an dem Rindviehe
                              machen sehen; allein nach dem, was er bei Schafen, die an einer aͤhnlichen
                              Krankheit litten, thun sah, beschloß er auch an dem Stiere einen Versuch zu wagen,
                              und ein Eisen durch den erweichten Theil des Schaͤdels in den Herd des Nebels
                              einzustoßen, und dann den Inhalt der Hydatide ausfließen zu lassen. Das Instrument,
                              welches er hierzu nahm, bestand aus einem kleinen Eisenstabe von der Form und
                              Groͤße eines Gaͤnsekieles, welchen er an dem einen Ende zuspizte. Er
                              brachte dann das Thier in die gehoͤrige Stellung, befestigte dessen Kopf auf
                              eine sichere Weise, und stieß die Spize des Eisens, die er rothgluͤhend
                              gemacht hatte, 1 1/2 Zoll tief in den Schaͤdel. Unmittelbar nachdem das
                              Instrument zuruͤkgezogen worden, floß eine wasseraͤhnliche
                              Fluͤssigkeit aus der Oeffnung, und dieß dauerte so lange, bis
                              ungefaͤhr eine Pinte entleert war. Als das Wasser auszufließen
                              aufhoͤrte, erschien eine weißliche Substanz an der Oeffnung, die einige der
                              Umstehenden fuͤr Hirn erklaͤrten, so daß sie ausriefen, daß das Thier
                              verloren sey. Hr. Ritchie, der diese Operation schon
                              oͤfter an Schafen vornehmen sah, erkannte jedoch sogleich, daß diese Substanz nicht das
                              Gehirn, sondern der Balg sey, der die Hydatide enthielt; er zog sie daher heraus,
                              und bedekte die Wunde mit einem, mit etwas Theer bestrichenen Fleke, um dadurch den
                              Zutritt der Luft abzuhalten, und die Heilung zu erleichtern, Damit war die ganze
                              Operation beendigt. Kaum war das Thier nach der Operation in Freiheit gesezt, so
                              zeigte sich sowohl in seiner Stellung, als in seinen Verrichtungen ein bedeutender
                              Unterschied. Vor der Operation ließ es naͤmlich, wie schon gesagt worden, den
                              Kopf nach Abwaͤrts, und auf eine Seite gekehrt haͤngen, als
                              befaͤnde sich eine schwere Last auf demselben; dieß ruͤhrte von dem
                              Druke her, den die große Menge des, im Schaͤdel enthaltenen, Wassers auf das
                              Gehirn ausuͤbte; sobald hingegen dieser Druk durch den Abfluß des Wassers
                              entfernt worden, hielt das Thier seinen Kopf wieder in die Hoͤhe, und sogar
                              hoͤher, als das Rindvieh sonst zu thun pflegt. Kurz es zeigte eine große
                              Leichtigkeit des Kopfes, fraß unmittelbar nach der Operation sein Futter, wie sonst
                              fruͤher, und fuhr damit bis zu voller Genesung fort, welche rasch erfolgte.
                              Es nahm so zu, daß es nach Einem Jahre und neun Monaten unter allen uͤbrigen,
                              die mit ihm aufgezogen wurden und gleich alt waren, ungeachtet der
                              uͤberstandenen Operation, das Staͤrkste war, und bei der
                              spaͤteren Mastung mit Ruͤben auch das Staͤrkste blieb.