| Titel: | Versuche über die desinficirende Kraft erhöhter Temperaturen, mit Rüksicht auf ein Ersazmittel für Quarantänanstalten. Von William Henry M. D. F. R. S. zu Manchester. | 
| Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. LXII., S. 273 | 
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                        LXII.
                        Versuche uͤber die desinficirende Kraft
                           erhoͤhter Temperaturen, mit Ruͤksicht auf ein Ersazmittel fuͤr
                           Quarantaͤnanstalten. Von William Henry
                           M. D. F. R. S. zu Manchester.
                        Aus dem Philos. Magazine and Annals of Philosophy.
                              Novbr. 1831, S. 363.
                        Henry, uͤber die desinficirende Kraft erhoͤhter
                           Temperaturen.
                        
                     
                        
                           Ich wurde vor mehreren Jahren von einem der ersten KaufleuteHrn. William Garnett
                                    Esq. A. d. O. dieser Stadt, die bei der Einfuhr der aͤgyptischen Baumwolle so sehr
                              betheiligt ist, aufgefordert daruͤber nachzudenken, ob sich eine wirksame
                              Methode ausfindig machen lasse, wodurch das Land gegen die Einfuhr der Pest durch
                              dieses rohe Material vollkommen geschuͤzt werden koͤnnte, ohne daß der
                              Kaufmann die betraͤchtlichen Opfer bringen muͤßte, zu denen er wegen
                              der Strenge der Quarantaͤnegeseze bei großen Ladungen dieses Artikels
                              gezwungen ist. Man wuͤrde vielleicht die Chlorine zu diesem Behufe
                              vorgeschlagen haben; allein diese war offenbar nicht anwendbar: theils wegen ihrer
                              chemischen Einwirkung auf die vegetabilischen Substanzen, theils wegen der
                              Nothwendigkeit die Baumwolle zu waschen und zu troknen, um sie von allen
                              anhaͤngenden Theilen dieses eingreifenden Mittels zu befreien, indem selbst
                              die geringste zuruͤkgebliebene Menge desselben den Spinnmaschinen bedeutenden
                              Nachtheil bringen wuͤrde. Eine wesentliche Bedingung bei der Auffindung einer
                              neuen Desinfectionsmethode war es, daß die Zaͤhigkeit der Faser dadurch nicht
                              im Geringsten leiden duͤrfe, damit das rohe Material nicht zu den Operationen
                              untauglich oder unfaͤhig wird, denen es spaͤter unterzogen werden
                              soll.
                           Durch diese Bedingung wurde das Feld zu Versuchen außerordentlich beschraͤnkt,
                              so daß mir nach vielem Hin- und Hersinnen kein anderes Mittel geeignet
                              schien, als die Anwendung eines solchen Grades von Hize auf die rohe Baumwolle,
                              durch welchen die Waare und die Niederlage nicht leiden, das Anstekungsgift, welches
                              sie eingesogen haben koͤnnte, hingegen zerstoͤrt werden
                              wuͤrde.
                           Daß das Contagium der Pest, vorausgesezt, daß es in festem Zustande, als Zunder oder
                              Anstekungsstoff (fomites),Fomites, der Pluralis von fomes Zunder bezeichnet den Anstekungsstoff, welcher in
                                    absorbirenden Substanzen, wie Wolle, Kleidern etc. existirt. In diesem
                                    Zustande scheint derselbe naͤmlich eine erhoͤhte Giftigkeit
                                    und Kraft zu erhalten. A. d. O. Wir haͤtten doch gern die Beweise
                                    fuͤr diese leztere Behauptung hoͤren moͤgen, da sie uns
                                    nach den Folgen, welche der Verkauf der Kleider von Pestkranken in der
                                    Tuͤrkei gewoͤhnlich hat, nicht ganz richtig scheint. A. d.
                                    Ueb. vorhanden ist, durch eine, unter dem Siedepunkte des Wassers stehende
                              Temperatur unschaͤdlich gemacht werden koͤnne, schien mir schon daraus
                              nicht unwahrscheinlich, weil mehrere Schriftsteller als notorische Thatsache
                              aufstellen, daß die Pest in jenen Gegenden, in welchen sie herrscht,
                              aufhoͤrt, sobald das Wetter sehr heiß zu werden beginnt.Hr. Henry haͤtte
                                    hier einen Unterschied zwischen trokener und feuchter Hize machen sollen;
                                    denn es ist unumstoͤßlich nachgewiesen, daß feuchte Hize die meisten
                                    pestartigen, epidemischen und endemischen Fieber in weit hoͤherem
                                    Grade beguͤnstigt, als trokene Hize dieselben zu unterdruͤken
                                    vermag. A. d. Ueb.
                              „Sehr starke Hize,“ sagt Dr. Russell in seiner Naturgeschichte von Aleppo II. S. 339,
                              „scheint die Fortschritte der Krankheit zu hemmen; denn obschon die
                                 Anstekungsfaͤhigkeit und die Sterblichkeit in den ersten heißen Tagen, am
                                 Anfange des Sommers zunimmt, so wird die Zahl neuer Angestekter doch immer viel
                                 geringer, wenn die Hize einige Zeit uͤber andauert. Der Julius ist heißer
                                 als der Junius, und zur Zeit der groͤßten Hize hoͤrt die Pest in
                                 Aleppo jedes Mal auf.“ An einer anderen Stelle sagt Dr. Russell, daß im Junius
                              die groͤßte Hize zu Aleppo im Schatten 96° F. (+ 28,44° R.), im
                              Julius hingegen 101° F. (+ 30,67° R.) betrug.
                           Auch chemische Gruͤnde schienen mir die Wahrscheinlichkeit zu
                              bestaͤrken, daß eine nicht sehr bedeutend erhoͤhte Temperatur zur
                              Zersezung der
                              anstekenden oder contagioͤsen Materie hinreichen wuͤrde.Ich gebrauche die Ausdruͤke Infection und Contagium als Synonyme, weil
                                    kein hinreichender Unterschied zwischen denselben besteht. Hier in einen
                                    Wortstreit einzugehen, waͤre nicht am rechten Orte; wer
                                    daruͤber ein Mehreres lesen will, wird im Dictionnaire de Médecine unter dem Artikel Contagion einen vortrefflichen Aufsaz finden. A.
                                    d. O. Wir sind zwar uͤber die Natur des Contagiums noch in
                              gaͤnzlicher Unwissenheit;Das kann nur so ein materialistischer Philosoph sagen, wie es die
                                    Englaͤnder und Franzosen groͤßten Theils sind; die deutschen
                                    Aerzte einer gewissen mystisch-philosophischen Schule, sie
                                    moͤgen Allopathen oder Homoͤopathen seyn, wissen auf ein Haar,
                                    wie ein jedes Contagium aussieht, wie es sich entwikelt, wie es sich
                                    verbreitet, wie lange es seine Wirksamkeit beibehaͤlt, auf welchem
                                    Wege es auf den noch gesunden Organismus wirkt, und welcher Boden zur
                                    Aufnahme desselben noͤthig ist. Dazu bedarf es keiner Beobachtungen;
                                    das gibt alles die reine Theorie. Das Theorieenmachen ist, nach dem
                                    Ausspruche mancher dieser Herren, dem Menschen so nothwendig als das Athmen!
                                    A. d. Ueb. allein so viel duͤrfen wir mit Fug und Recht schließen, daß dasselbe
                              mit keinem der einfachen oder zusammengesezten Gase, welche wir durch die Chemie
                              bisher kennen lernten, und welche bei einer Temperatur von 212° (+ 80°
                              R.) unveraͤndert bleiben, identisch ist. Dieser Schluß ergibt sich daraus,
                              daß alle diese lezteren Gase bereits haͤufig eingeathmet werden, ohne daß man
                              dadurch je eine specifische Krankheit haͤtte entstehen sehen. Die feinen
                              Gifte, welche die contagioͤsen Krankheiten verbreiten, sind Producte des
                              organischen Lebens und der krankhaften Zustaͤnde des thierischen
                              Koͤrpers; sie sind daher wahrscheinlich zusammengesezter Natur, und verdanken
                              ihre Existenz chemischen Verwandtschaften, die sehr genau gegen einander abgewogen,
                              und sehr leicht, ja noch leichter aufloͤsbar sind, als jene, durch welche
                              mehrere Producte des Pflanzenlebens gebildet werden. Viele von diesen lezteren
                              verlieren naͤmlich ihre urspruͤnglichen Eigenschaften, und nehmen
                              deren neue an, wenn sie unbedeutend erhoͤhten Temperaturen ausgesezt werden;
                              so wird die Staͤrke schon bei einer maͤßigen Hize in eine Substanz
                              verwandelt, welche dem Gummi aͤhnlich ist, und durch schwache chemische
                              Reagentien in Zuker. Unter den unorganischen Zusammensezungen haben wir ein
                              merkwuͤrdiges Beispiel der Wirkung einer vermehrten Hize (die jedoch in
                              diesem Falle etwas hoͤher seyn muß) in der Veraͤnderung der
                              Phosphorsaͤure in Pyrophosphorsaͤure. In allen diesen Faͤllen
                              ist es wahrscheinlich, daß die gesteigerte Hize keine Veraͤnderung in der Zahl oder in den Verhaͤltnissen der Atome der Substanzen, sondern auf eine, durch
                              die Chemie bisher noch unerklaͤrliche, Weise bloß eine neue Anordnung der Atome hervorbringt, und dadurch
                              Koͤrper mit neuen Eigenschaften erzeugt.
                           Bei den Versuchen, welche ich hieruͤber anstellte, schienen mit
                              vorzuͤglich zwei Bedingungen unerlaͤßlich:
                           1) Daß die rohe Baumwolle und anderen Substanzen, welche das Contagium in sich aufgenommen
                              haben, durch die Temperatur, welche zur Desinfection noͤthig ist, keinen
                              Nachtheil erleiden.
                           2) Daß es durch wirkliche Versuche erwiesen wird, daß eine contagioͤse oder
                              anstekende Materie unbezweifelbar bei dieser Temperatur zerstoͤrt wird.
                           I. Um uͤber den ersten Punkt ins Reine zu kommen, unterwarf ich im J. 1824
                              eine Quantitaͤt roher Baumwolle einer trokenen Temperatur von 190° F.
                              (+ 70,22° R.), welche 2 Stunden lang in dem inneren Raume eines doppelten,
                              mit Dampf geheizten Gefaͤßes unterhalten wurde. Als nun Hr. Garnett diese Baumwolle nach dem
                              Versuche untersuchte, erklaͤrte er, daß dieselbe so gelitten habe, daß diese
                              Reinigungsmethode nicht weiter in Vorschlag gebracht werden koͤnne. Dasselbe
                              wenig versprechende Aussehen zeigte auch Baumwollgarn, welches zwei Stunden lang auf
                              190° F. erhizt worden war. Um der Sache gewiß zu seyn, wurde dieses erhizte
                              Garn, nachdem man es eine Viertelstunde lang hatte abkuͤhlen lassen, mit
                              einem Garne von derselben Feinheit, welches aber nicht erhizt worden war,
                              verglichen; und dabei ergaben sich folgende Resultate:
                           
                              
                                 
                                 Pfd. Avoirdup.
                                 
                              
                                 Eine Straͤhne Mulegarn (wovon 40 auf
                                    das Pfund gehen),   welche nicht erhizt worden war,
                                    erforderte, bis sie abriß,   ein Gewicht von
                                     246 1/4
                                 
                              
                                 Eine Straͤhne desgleichen, welche
                                    auf 190° erhizt worden,   brauchte unmittelbar
                                    nach dem Abkuͤhlen nur
                                     166 2/3
                                 
                              
                           Die Staͤrke des Garnes, die durch ihre Kraft Gewichte zu tragen bemessen
                              wurde, hatte mithin durch das Erhizen beinahe um den dritten Theil abgenommen. Der
                              Ruͤkstand des Garnes, welches auf diese Weise erhizt worden, wurde in einen
                              Keller gebracht, und nach vier Tagen zufaͤllig wieder untersucht; da es
                              hiebei offenbar einige Veraͤnderung zeigte, so wurde eine neue
                              Pruͤfung seiner Staͤrke vorgenommen, wobei sich ergab, daß eine
                              gleiche Straͤhne desselben erhizten Garnes nun 241 1/4 Pfd. trug, und mithin
                              beinahe seine urspruͤngliche Zaͤhigkeit wieder erreicht hatte.
                           Ich wurde damals durch unabwendbare Umstaͤnde an der Fortsezung meiner
                              Untersuchungen gehindert, und ließ sie auch ausgesezt, bis ich durch die
                              Verheerungen der Cholera und durch die allgemeine Furcht vor dieser Krankheit,
                              welche wahrscheinlich auch contagioͤser Natur ist, und so wie andere
                              contagioͤse Krankheiten durch einen Anstekungsstoff (fomites) verbreitet wird, zur Wiederaufnahme derselben veranlaßt wurde. Es
                              ist naͤmlich von groͤßter Wichtigkeit, wirksame und leicht anwendbare
                              Mittel ausfindig zu machen, durch welche die ersten Spuren dieser Krankheit bei uns
                              vertilgt, und unser Land auf eine Weise vor dieser Seuche bewahrt werden koͤnnte, welche
                              weder mit den individuellen Interessen, noch mit der allgemeinen Wohlfahrt des
                              Handels in so offenbarem Widerspruche steht, wie die Quarantaͤnegeseze.
                           Der erste Punkt, welchen ich mir bei der Wiederaufnahme meiner Versuche
                              unbezweifelbar herzustellen vornahm, war: ob rohe Materialien, sowohl als Fabrikate
                              und Kleidungsstuͤke, ohne Nachtheil einer trokenen Hize von nahe an
                              212° F. (+ 80° R.) ausgesezt werden koͤnnen. Unter den rohen
                              Materialien waͤhlte ich die Baumwolle zu meinen Versuchen, da ich diese am
                              leichtesten denselben unterwerfen konnte, und bei diesen Versuchen auch von meinem
                              eifrigen Freunde., Hrn. Peter
                                 Ewart
                              jun. Esq., welcher bei einer Baumwollspinnerei
                              betheiligt ist, unterstuͤzt wurde. Wir sezten daher rohe Baumwolle von
                              gewoͤhnlicher Trokenheit, so wie sie aus dem Sake kam, zwei bis drei Stunden
                              lang in einem mit Dampf von gewoͤhnlicher Dichtheit geheizten Gefaͤße
                              einer gleichmaͤßig anhaltenden Temperatur von 180° F. (+ 65,78°
                              R.) aus. Sie verlor hiebei beim Pfunde 2 bis 3 Unzen, und gewann dadurch ein solches
                              Aussehen, daß Sachverstaͤndige erklaͤrten, man koͤnne dieselbe
                              nicht wohl mit Vortheil weiter verarbeiten. Man hielt sie fuͤr verfault, oder
                              fuzzy, wie im technischen Ausdruke gesagt wird, und
                              glaubte, daß sie nicht ein Mal zu jenen Operationen tauge, welche dem
                              Baumwollspinnen vorangehen. Nachdem diese Wolle jedoch zwei bis drei Tage lang in
                              einem ungeheizten Zimmer gehalten worden, hatte sich ihr Aussehen wieder ganz
                              geaͤndert, so daß bei der Untersuchung durch Sachverstaͤndige
                              erklaͤrt wurde, sie koͤnne ganz wie gewoͤhnliche Baumwolle zu
                              vollkommenem Garne versponnen werden. Bei einer genauen Untersuchung des daraus
                              gesponnenen Garnes trug auch eine aus derselben verfertigte Straͤhne ein eben
                              so großes Gewicht, als eine Straͤhne Garn von gleicher Feinheit trug, die aus
                              nicht erhizter Baumwolle gesponnen worden war. Diese Thatsache wurde durch
                              wiederholte Versuche bestaͤtigt, und beweist daher, daß die erhizte
                              Baumwolle, so wie sie ihre hygrometrische Feuchtigkeit wieder erhalten, auch wieder
                              ihre fruͤhere Zaͤhigkeit bekommt, und eben so gut wie die rohe, nicht
                              erhizte Baumwolle zu allen Zweken verwendet werden kann.
                           Hierauf wurden nun Baumwoll-, Seiden- und Wollenfabrikate sowohl
                              einzeln, als unter einander, in Stuͤken und in kleineren Theilen derselben
                              Behandlung unterworfen. Absichtlich wurden hiezu auch einige Fabrikate mit den
                              fluͤchtigsten Farben und zartestem Gewebe gewaͤhlt; und doch wurden
                              sie, nachdem sie drei Stunden lang einer Temperatur von 180° F. ausgesezt,
                              und dann einige Stunden lang in einem ungeheizten Zimmer belassen worden waren, von
                              einem Kenner in jeder Hinsicht fuͤr vollkommen unbeschaͤdigt
                              erklaͤrt. Pelzwerk und Federn erlitten, auf gleiche Weise erhizt, ebenfalls keine
                              Veraͤnderung. Ich bezweifle nicht, daß wenn ich den Apparat durch Dampf von
                              groͤßerer Dichtheit bis auf 212° F. (+ 80° R.) haͤtte
                              erhizen koͤnnen, auch diese Temperatur den erwaͤhnten zarten und
                              kostbaren Waaren keinen Nachthell gebracht haben wuͤrde.
                           II. Der wichtigste Punkt aber, und jener, von dem eigentlich der Nuzen und der Zwek
                              der ganzen Untersuchung abhing, war, auszumitteln, ob eine Temperatur von weniger
                              als 212° F. die Anstekungskraft des Anstekungsstoffes zu zerstoͤren
                              vermag. Die Erforschung dieses Punktes war ein Gegenstand von sehr großer Zartheit,
                              und auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Es liegt ganz außer aller
                              Moͤglichkeit den Anstekungsstoff, durch welchen die Cholera, die Pest, der
                              Scharlach, der Typhus etc. verbreitet werden, zu untersuchen; der einzige Weg, auf
                              welchem ich wenigstens zu einem Schlusse nach Analogie kommen konnte, blieb daher
                              nur, daß ich die Wirkung der Hize auf solche Anstekungsstoffe erforschte, die sich
                              in festem Zustande herstellen, und daher auch nach dem Versuche an gesunden Personen
                              erproben lassen. Nichts schien mir zu diesen Versuchen mehr geeignet, als der Stoff
                              der Vaccine, oder der Kuhpoken. Hr. Roberton, einer der Aerzte am Gebaͤrhause zu Manchester,
                              hatte die Guͤte mich zu diesem Behufe mit Vaccinelymphe zu versehen, die aus
                              Pusteln von ganz unzweideutigem Charakter genommen worden war; er uͤbernahm
                              es auch, die Vaccine, welche ich der hoͤheren Temperatur ausgesezt hatte,
                              gesunden Kindern einzuimpfen, und die Folgen davon zu beobachten. Hr. Gee, Hausapotheker des Spitales,
                              fuͤhrte das Register uͤber diese Versuche.
                           1) Vaccinelymphe, die auf kleinen Stuͤken Fensterglas an der Luft getroknet
                              worden, wurde vier Stunden lang einer Hize von 180° F. (65,78° R.)
                              ausgesezt. An drei gesunden Kindern, welche dann mit dieser Lymphe geimpft worden,
                              hatte kein Erfolg Statt; alle diese drei Kinder bekamen jedoch Pusteln, als sie mit
                              frischem Stoffe geimpft wurden.
                           2) Lymphe, welche eine gleiche Zeit uͤber einer Temperatur von 120° bis
                              140°, meistens 130° (+ 43,56° R.) ausgesezt worden, wurde ohne
                              Erfolg zwei gesunden Kindern eingeimpft, die spaͤter mit Erfolg mit frischem
                              Stoffe geimpft worden.
                           3) Vier Stuͤke Fensterglas, auf welche frische Vaccinelymphe gebracht worden,
                              wurden zwei bis drei Stunden lang auf eine Temperatur erhizt, die weder unter
                              160° F. (56,89° R.) noch uͤber 165° F. (+ 59,11°
                              R.) betrug. Von dieser getrokneten Lymphe brachte nun Hr. Gee auf den einen Arm je
                              eines gesunden Kindes, waͤhrend er auf dem anderen Arme desselben Kindes
                              frische Vaccine einimpfte.  In allen diesen Faͤllen blieb der erhizte Stoff
                              unwirksam, waͤhrend der, an der Luft allein getroknete, Stoff eine
                              gehoͤrige Pustel hervorbrachte.
                           4) Um die Versuche und Beobachtungen gehoͤrig zu vervielfaͤltigen,
                              ersuchte ich Hrn. Marsden,
                              Hausarzt des koͤnigl. Krankenhauses zu Manchester, Versuche mit Lymphe
                              anzustellen, die ich von ihm erhalten, und dann der Hize ausgesezt hatte. Ein
                              Exemplar wurde zwei Stunden, und ein zweites vier Stunden lang einer
                              gleichmaͤßig anhaltenden Temperatur von 150° F. (+ 52,44° R.);
                              ein drittes zwei und ein viertes vier Stunden lang einer Temperatur von 172°
                              F. (+ 62,22° R.) ausgesezt: und in keinem dieser Faͤlle entstand durch
                              Einimpfung der Lymphe eine Pustel.
                           5) Eine andere Quantitaͤt Lymphe wurde bloß durch drei Stunden auf
                              120°F. (39,11°R.) erhizt, und dann von Hrn. Gee zweien Kindern eingeimpft, die dadurch beide
                              sehr schoͤne, deutlich ausgesprochene Pusteln erhielten. Von diesen beiden
                              Kindern wurden uͤber 40 andere Kinder abgeimpft, welche saͤmmtlich den
                              Lauf der Krankheit auf die genuͤgendste Weise durchmachten.
                           Aus den eben angefuͤhrten Versuchen scheint sich mithin zu ergeben:
                           1) daß der Vaccinestoff bei einer Temperatur von 120° F. (+ 39,11° R.)
                              nicht zersezt wird, und wahrscheinlich auch eine, um einige Grade hoͤhere,
                              Temperatur ohne Nachtheil vertraͤgt; und 2) daß derselbe durch eine
                              Temperatur von 140° F. (+ 60° R.) ganz unwirksam gemacht werden kann.
                              Laͤßt sich nun hieraus nicht schließen, daß jene feinen animalischen Gifte,
                              welche in dem Anstekungsstoffe schlummernd liegen, auf dieselbe einfache Weise ihrer
                              furchtbaren Eigenschaften beraubt werden koͤnnen? Dieser Schluß beruht zwar
                              gaͤnzlich auf Analogie; allein diese Analogie scheint mir stark genug zu
                              seyn, um wenigstens Versuche auf diesem Wege zu veranstalten. In dieser Absicht
                              allein, theile ich auch bloß meine Erfahrungen und Versuche den Aerzten aller
                              Laͤnder mit, welche Gelegenheit haben werden, dieselben an leichter
                              verbreitbaren und kraͤftigeren Contagien zu bewaͤhren oder zu
                              widerlegen. Denn, bevor die Richtigkeit der Analogie nicht durch eine hinreichende
                              Menge von Thatsachen in Betreff der lezteren Contagien hergestellt ist,
                              koͤnnen natuͤrlich leine groͤßeren praktischen Maßregeln auf
                              dieselbe gegruͤndet werden.
                           Sollte sich nun ein guͤnstiges Resultat aus diesen Vorschlaͤgen
                              ergeben, so gibt es nichts Leichteres und weniger Kostspieliges, als die Herstellung
                              eines bequemen Apparates, in welchem Artikel, sie moͤgen in was immer
                              fuͤr einer Menge aus verdaͤchtigen Orten eingefuͤhrt werden,
                              der desinficirenden Wirkung der troknen Hize ausgesezt werden koͤnnten, ohne daß
                              sie dabei im Geringsten beschaͤdigt wuͤrden. Der wesentliche Theil der
                              Vorrichtung koͤnnte aus einem doppelten Gefaͤße aus Kupfer, verzinntem
                              Eisen oder Gußeisen von zwekmaͤßiger Form bestehen; zwischen die beiden
                              Gefaͤße wuͤrde der Dampf eingelassen, und in das Innere des
                              Behaͤlters kaͤmen die zu desinficirenden Waaren. Um zu verhindern, daß
                              kein unzerseztes und daher noch wirksames Gift entweichen koͤnne,
                              koͤnnte eine an beiden Enden offene Roͤhre von dem Inneren des
                              Behaͤlters in den Flammenzug des Rauchfanges, oder noch besser unter den
                              Feuerheerd des Dampfkessels fuͤhren, wo dann gewiß alle contagioͤsen
                              Stoffe zerstoͤrt werden wuͤrden. Die Waaren muͤßten aber nicht
                              dicht gepakt, sondern so geoͤffnet in den Behaͤlter gebracht werden,
                              daß jeder Theil derselben der gehoͤrigen Temperatur ausgesezt werden kann.
                              Befuͤrchtet man, daß eine Substanz uͤberhizt werden koͤnnte, so
                              soll man eine geringe Menge Dampf aus dem Kessel durch eine Roͤhre in den
                              Behaͤlter einlassen. In jedem Seehafen, in welchen Schiffe mit unreinen
                              Waaren gewiesen werden, sollte sich ein Apparat dieser Art befinden, dessen
                              Groͤßen dem commerciellen Interesse angemessen seyn muͤßte. Auf dem
                              festen Lande sollte an jedem Contumazhause an der Graͤnze gleichfalls ein
                              solcher Apparat angeschafft werden.
                           Diese Vorsichtsmaßregeln werden zwar die Gefahr der Verbreitung einer anstekenden
                              Krankheit durch eine Person, welche der Anstekung ausgesezt gewesen, bei welcher die
                              Krankheit aber erst spaͤter ausbricht, nicht abwenden. Die Gefahren dieser
                              Art sind jedoch im Verhaͤltnisse zu jenen, die von Anstekungsstoffen, welche
                              von verschiedenen Gegenstaͤnden aufgenommen wurden, herruͤhren, nur
                              sehr unbedeutend; es ist ihnen auch leicht dadurch abzuhelfen, daß man die Person,
                              welche man fuͤr angestekt haͤlt, so lange Zeit abgesondert
                              haͤlt, als man sich durch Erfahrung uͤberzeugt hat, daß der
                              Anstekungsstoff schlummernd im Menschen liegen koͤnne. Mein Vorschlag
                              schließt uͤbrigens auch die Anwendung chemischer Mittel, wie z.B. der
                              Chlorine in Krankensaͤlen, oder bei Waaren, die nicht dadurch leiden,
                              keineswegs aus.Wir haben uns bisher von allen Choleraartikeln, die eben so ihren Weg in alle
                                    Journale jeder Art und Farbe zu finden wußten, wie die Cholera selbst noch
                                    durch alle Cordone drang, rein erhalten, und geben auch diesen bloß, weil er
                                    Versuche und Thatsachen enthaͤlt, die nicht bloß fuͤr Aerzte
                                    von großem Interesse sind, sondern die einst auch noch in manchen
                                    Faͤllen von allgemeinem Nuzen werden duͤrften. – Wir
                                    sind der Meinung, daß die Cholera durchaus nicht durch ein Contagium
                                    verbreitet werde, und daß daher auch die trokene Hize nichts zur
                                    Unterdruͤkung derselben beitragen wird. Nehmen wir aber an, daß es
                                    ein Cholera-Contagium gibt, so wird die Anwendung der trokenen Hize
                                    gewiß dem Durchraͤuchern vorzuziehen seyn, und weniger Schaden
                                    bringen, als das unsinnige Durchbohren, welches, man wird es kaum glauben,
                                    von unseren Sanitaͤtsbehoͤrden sogar an Buͤchern und
                                    Kupferstichen in Anwendung gebracht wurde! Ueberhaupt haben unsere
                                    Choleramaßregeln ein Licht auf uns geworfen, welches gewiß nichts weniger
                                    als guͤnstig ist. Nachdem unsere Nachbarstaaten sich
                                    uͤberzeugt hatten, daß ihre starken und strengen Cordone die
                                    Krankheit auch um keinen Tag aufhielten, umgab man unser Land mit einem
                                    Cordon, der zu nichts gut war, als zur Hemmung alles Verkehres und zur
                                    Beeintraͤchtigung der gewoͤhnlichen Lebensverhaͤltnisse
                                    der Graͤnzbewohner. Waͤhrend andere Staaten, durch Erfahrung
                                    jeder Art uͤberzeugt und belehrt, alle Zwangsmaßregeln aufhoben,
                                    erließ man bei uns ein Gesez, welches in neueren Zeiten unter solchen
                                    Umstaͤnden unerhoͤrt ist, und von dem man gleich Anfangs zum
                                    Gluͤke des Volkes und des Staates, und zum Spotte der
                                    Behoͤrden allgemein gewiß war, daß es nicht ausgefuͤhrt werden
                                    koͤnne. Zum Gluͤke scheiterten alle diese Versuche die Unruhe,
                                    Aufregung und Angst zu vermehren, an unserem bayer'schen Langmuthe so daß
                                    wir nichts zu bedauern haben, als die Verluste, die unserem, ohnedieß mehr
                                    passiven als activen, Verkehre daraus erwuchsen, und die Verschwendung an
                                    Geld, durch welches bei zwekmaͤßiger Verwendung auf Verbesserung der
                                    Umstaͤnde der Armen und Rothleidenden gewiß mehr zur Abhaltung der
                                    Cholera haͤtte geleistet werden koͤnnen, als die Aufstellung
                                    der Cordons dazu nuzte. A. d. Ueb.