| Titel: | Bericht des Hrn. Mérimée über die Niellen der HH. Wagner und Mention zu Paris, passage du Saumon, rue Montmartre. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XXI., S. 108 | 
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                        XXI.
                        Bericht des Hrn. Mérimée uͤber die Niellen der
                           HH. Wagner und Mention zu
                           Paris, passage du Saumon, rue
                              Montmartre.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. October 1831, S. 456.
                        Mérimée, Bericht uͤber die
                           Niellen.
                        
                     
                        
                           Niellen (nielles) nannte man
                              Zeichnungen, welche auf Silberblaͤtter gestochen wurden, und deren Striche
                              man mit einer schwarzen Masse ausfuͤllte, mit welcher man selbst die
                              zartesten Zuͤge erhaͤlt. Diese Masse besteht aus Schwefel, Silber,
                              Kupfer und Blei: sie ist mithin ein Schwefelmetall; sie schmilzt bei einem niedrigen
                              Waͤrmegrade, behaͤlt eine gewisse Geschmeidigkeit bei, und
                              haͤngt so fest an, daß sie sich nicht abloͤst, wenn das Metallblatt,
                              auf welches sie gebracht wird, durch irgend einen Zufall gebogen wird.
                           Die Kunst zu nielliren reicht bis in ein sehr spaͤtes Alter zuruͤk; sie
                              kam aus dem Oriente, wahrscheinlich nach der Eroberung von Constantinopel, nach
                              Italien, und wurde bis gegen das Ende des 15ten Jahrhunderts von den Goldarbeitern
                              zu Florenz mit sehr großem Erfolge betrieben.
                           Um Copien ihrer gravirten Zeichnungen aufzubehalten, fuͤllten die
                              Goldarbeiter, ehe sie noch die Nielle anbrachten, die Zuͤge dieser
                              Zeichnungen mit Schwaͤrze und Oehl und machten damit Abdruͤke auf
                              feuchtes Papier. Sie verfertigten auf diese Weise die ersten Kupferstiche, die auch
                              so guͤnstige Aufnahme unter dem Publicum fanden, daß die Kuͤnstler,
                              welche die Niellen gravirten, in dem Verschleiße mehrerer Tausende von
                              Abdruͤken, noch einen weit groͤßeren Vortheil fanden, als sie ihn bei
                              dem schoͤnsten niellirten Stuͤke hatten. Auf diese Weise entstand die
                              wahrhaft wundervolle Kupferstecherkunst. So wie aber diese emporbluͤhte,
                              verlor sich das Nielliren, so daß sich die Verfahrungsarten bei demselben nur mehr bei dessen
                              Erfindern, den Orientalen, erhielt.
                           Der Nuzen, den die Goldarbeiter und Juweliere aus der Kunst zu nielliren ziehen
                              konnten, zog vor einigen Jahren die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich, so daß
                              dieselbe, um diese Kunst wieder emporzubringen, die Methoden, die uns Theophilus und Heraclius
                              hinterließen, und die Benvenuto Cellini bis zu den
                              kleinsten Details beschrieb, neuerdings bekannt machen wollte. Da jedoch die
                              Gesellschaft erfuhr, daß man zu Petersburg niellirte Arbeiten verfertigt, so
                              verschob sie jede Bekanntmachung, bis ihr genaue Mittheilungen uͤber das
                              russische Verfahren mitgetheilt seyn wurden.
                           Die Gesellschaft hat bisher noch keine Aufklaͤrungen uͤber den
                              fraglichen Gegenstand aus jenen Laͤndern erhalten; sie bedarf deren aber auch
                              nicht weiter, indem alle ihre Wuͤnsche bereits erfuͤllt sind. Die alte
                              Kunst hat mit allen Verbesserungen, deren sie faͤhig ist, in Frankreich
                              wieder Fuß gefaßt: die HH. Wagner und Mention haben seit mehreren Monaten eine Fabrik
                              niellirter Goldarbeiterwaaren errichtet, deren reißende Zunahme uns einen schnellen
                              und dauerhaften Erfolg verspricht.
                           Das vorzuͤglichste Hinderniß, welches der Anwendung des Niellirens im Wege
                              stand, war der hohe Preis der Handarbeit, der allerdings sehr groß gewesen
                              waͤre, wenn die Gegenstaͤnde, die man auf diese Weise verzieren
                              wollte, mit der Hand haͤtten gravirt werden muͤssen, wie dieß ehemals
                              zu Florenz geschah, und noch heut zu Tage in Rußland geschieht. Durch Anwendung
                              eines mechanischen Drukes laͤßt sich jedoch dieser Theil der Arbeit auf sehr
                              maͤßige Kosten zuruͤkfuͤhren. Hr. Wagner gravirt daher die Verzierungen, die fuͤr niellirte
                              Gegenstaͤnde bestimmt sind, zuerst auf Stahl, und haͤrtet dann diese
                              Matrize, mit welcher er mittelst einer eigenen, von ihm erfundenen, in einem
                              Strekwerke gleichenden Presse, augenbliklich den schoͤnsten Abdruk seiner
                              Zeichnung auf einer Silberplatte erhaͤlt. Hat hierauf diese geschmeidige
                              Platte die Form bekommen, die man derselben geben will, so uͤberdekt sie Hr.
                              Wagner mit seiner Niellir-Substanz,
                              laͤßt diese dann schmelzen, und zulezt mit dem Krazeisen und Polirstahle
                              behandeln.
                           Der Abdruk auf der Platte ist erhaben, und wenn das Stuͤk niellirt ist, so
                              werden die Zuͤge der Zeichnung von dem weißen Metalle auf schwarzem Grunde
                              gebildet. Da man den Zuͤgen der Zeichnung nicht durchaus gleiche Tiefe geben
                              kann, so geschieht es nothwendig, daß, wenn diese Zuͤge durch das Poliren auf
                              gleiches Niveau gebracht wurden, die Zeichnung nicht ganz die Reinheit und
                              Genauigkeit des urspruͤnglichen Stiches besizt. Dieser Unterschied ist zwar
                              sehr unmerklich; und
                              doch wollte Hr. Wagner auch den kleinsten
                              Unvollkommenheiten abhelfen. Dieß gelang ihm wirklich auch dadurch, daß er die
                              Matrize auf einer Platte weichen Stahles abzieht, wodurch er einen erhabenen Abdruk
                              erhaͤlt, der auf dem Silber die Zuͤge im Hohlen hervorbringt. Bei
                              dieser Methode besizt das niellirte Stuͤk die ganze Reinheit des
                              urspruͤnglichen Stiches.
                           Mehrere der Verzierungen, welche Hr. Wagner gravirte, sind
                              zusammengesezt, so daß er durch verschiedene Verbindung derselben verschiedene
                              Verzierungen erhalten kann.
                           Die herrliche Saͤbelscheide, welche der Gesellschaft vor einiger Zeit
                              vorgelegt wurde, zeigt von der Kunst, mit welcher sich die Vergoldung mit dem
                              Nielliren verbinden laͤßt, und wie die Vergoldung in den Vertiefungen
                              angebracht ist, in welchen sie durch die hervorspringenden Theile gegen das Abwezen
                              geschuͤzt ist. Wir haben an niellirten Arbeiten noch nichts so Großes und
                              Reiches gesehen.
                           Bisher haben die HH. Wagner und Mention das Nielliren bloß auf Goldarbeiten und Juwelierarbeiten
                              angewendet; sie verfertigen Tabatieren, Uhrgehaͤuse, Luxusgefaͤße
                              fuͤr Waffen, und (was fuͤr unseren Handel sehr wichtig ist)
                              fuͤr die orientalischen Maͤrkte verschiedene, mit Steinen und
                              Niellirungen im orientalischen Geschmake verzierte Gegenstaͤnde. Die
                              Orientalen selbst besizen im Nielliren eine seltene Geschiklichkeit, die jedoch
                              durch die Wohlfeilheit der Arbeiten der HH. Wagner und
                              Mention bedeutenden Eintrag erleidet.
                           Es bleibt uns nur mehr zu wuͤnschen uͤbrig, daß die Kunst zu nielliren
                              auch auf die Verzierung von Silberarbeiten angewendet werden moͤchte. Der
                              Gegensaz zwischen dem Matten und dem Polirten bringt gewiß eine sehr gute und
                              angenehme Wirkung hervor; allein es ist sehr schwer und unmoͤglich,
                              Gegenstaͤnde, die auf diese Weise verziert wurden, laͤngere Zeit in
                              ihrem ersten Glanze zu erhalten. Die niellirten Silberarbeiten hingegen ließen sich
                              ohne Muͤhe und eine unbestimmte Zeit hindurch in einem und demselben Zustande
                              erhalten; man brauchte sie naͤmlich nur mit Leder, worauf sich etwas
                              Polirroth befindet, zu reiben. Wir sind uͤberzeugt, daß das Publicum diese
                              Art von Verzierungen mit großem Gefallen aufnehmen wuͤrde.
                           Wir schlagen daher vor, den HH. Wagner und Mention die Zufriedenheit der Gesellschaft mit ihren
                              Arbeiten zu bezeugen, ihnen fuͤr die Einfuͤhrung dieser Kunst in
                              Frankreich zu danken, und ihnen zu dem guten Geschmake ihrer Fabrikate, dem sie
                              vorzuͤglich das Gelingen ihrer Unternehmung zu verdanken haben, Gluͤk
                              zu wuͤnschen.