| Titel: | Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man sich von der Verfälschung der Acten, Schriften etc. überzeugen kann; von Hrn. A. Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XXVI., S. 132 | 
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                        XXVI.
                        Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man sich von
                           der Verfaͤlschung der Acten, Schriften etc. uͤberzeugen kann; von Hrn.
                           A.
                              Chevallier.
                        Aus dem Journal de Chimie médicale im
                           Bulletin des Sciences
                                 technologiques. August 1831, S. 202.Wir erhielten dieses Heft des Bull.
                                    des Scienc. technol. mit directer Post erst am 12. Maͤrz l.
                                 J.A. d. R.
                           
                        Chevallier, uͤber Verfaͤlschung der Acten, Schriften
                           etc.
                        
                     
                        
                           Seitdem man das Chlor zum Bleichen anwendete und fand, daß es die Eigenschaft hat,
                              die Tinte zu zerstoͤren, wurden sehr viele Acten mit Huͤlfe desselben
                              verfaͤlscht. Die Gerichte verlangen von den Chemikern bisweilen
                              Aufklaͤrung uͤber dergleichen Verfaͤlschungen und diese
                              muͤssen schwierige Untersuchungen anstellen, um sich uͤber den Betrug
                              mit Bestimmtheit aussprechen zu koͤnnen.
                           Hr. Chevallier, welcher sehr haͤufig mit
                              Untersuchungen dieser Art beauftragt wurde, macht alle Verfahrungsarten bekannt,
                              durch welche man auf die Entdekung der Wahrheit geleitet werden kann. Er untersucht
                              die Acten, bei welchen man eine Verfaͤlschung vermuthet, 1) vermittelst
                              vergroͤßernder Instrumente und behandelt sie dann 2) mit destillirtem Wasser
                              und 3) mit Alkohol; er untersucht sie endlich 4) mit blauem und rothem Lakmuspapier
                              und 5) mit verschiedenen Reagentien.
                           Er ermittelt zuerst durch das Vergroͤßerungsglas, ob einige Theile des Papiers
                              zerrissen, zerkrazt oder duͤnner geworden sind, ob einige schluͤpfrig oder flekig
                              sind, ob die Farbe der Tinte und die Schrift uͤberall gleich ist, ob das
                              Papier auf dem ganzen Bogen die naͤmliche Farbe hat, oder ob sich darauf
                              Fleken befinden, welche dem Alter zugeschrieben werden koͤnnen, in welchem
                              Falle sie dann mit der Art und Weise, wie das Papier zusammengelegt war,
                              uͤbereinstimmen muͤssen.
                           Die Untersuchung der Fleken entscheidet uͤber den Grund oder Ungrund einer
                              Verfaͤlschung. Es findet ein Unterschied Statt zwischen einem alten und
                              raͤucherigen Papier und einem solchen, welches in Folge des Abwaschens
                              beschmuzt wurde. In lezterem Falle bestehen die Fleken aus mehr oder weniger weiten
                              Ringen, deren verschiedene Kreise ungleich gefaͤrbt sind. Bisweilen ist das
                              Papier, anstatt flekig, stellenweise entfaͤrbt.
                           Man muß das Papier zwischen das Auge und das Licht halten, um zu erfahren, ob es
                              nicht an einigen Stellen duͤnner ist und sich auch versichern, ob es die
                              gesezliche Groͤße hat.
                           Man breitet sodann das Papier auf einem Bogen weißen Papiers aus und befeuchtet es
                              mit einem Pinsel, indem man untersucht, wie die Fluͤssigkeit auf den
                              verschiedenen Theilen wirkt. Zahlreiche Versuche haben ergeben, daß das durch
                              Radiren oder Abwaschen duͤnner gewordene Papier das Wasser schneller
                              verschlukt, selbst dann wenn es geleimt wurde; nach der Verfaͤlschung
                              desselben kann sich naͤmlich der Leim nicht mehr so dem Zeug einverleiben,
                              wie beim Leimen in der Buͤtte: man kann sogar bisweilen ganze Worte, die halb
                              durchscheinend geworden sind, wieder zum Vorschein bringen. Das Anfeuchten muß
                              oͤfters wiederholt werden.
                           Hr. Tarry empfahl den Alkohol, um harzige Substanzen zu
                              entdeken, welche man nach dem Radiren auf dem Papier aufgetragen haben
                              koͤnnte. Die Schrift, welche auf der radirten Stelle angebracht wurde,
                              breitet sich aus und dringt tiefer in das Papier. Das mit Alkohol getraͤnkte
                              Papier muß man zwischen zwei Bogen weißes Papier legen, damit es nicht zu schnell
                              troknet.
                           Geschikte Verfaͤlscher wenden Harz und Leim zugleich an; man muß alsdann das
                              Papier mit lauwarmem Wasser traͤnken und hierauf, nachdem es wieder troken
                              geworden ist, mit Alkohol.
                           Gewoͤhnlich waͤscht man das Papier Behufs einer Verfaͤlschung
                              der Schrift mit Substanzen ab, welche das Lakmus entweder an und fuͤr sich
                              roͤthen, oder diese Eigenschaft waͤhrend oder nach ihrer Einwirkung
                              erhalten, und es ist fast unmoͤglich, das Papier wieder so rein auszuwaschen,
                              daß diese Substanzen gaͤnzlich beseitigt werden. Man breitet folglich den
                              befeuchteten Act auf einem Bogen ebenfalls schwach befeuchteten Lakmuspapiers aus
                              und legt ihn zwischen zwei Buch Papier, bringt eine Platte darauf und beschwert sie
                              mit Gewichten oder bringt das Ganze in eine Presse. Man untersucht sodann
                              sorgfaͤltig, ob das Lakmuspapier uͤberall gleichfoͤrmig
                              geroͤthet wurde: man findet so bisweilen daß Fleken, die man dem Alter
                              zugeschrieben haͤtte, durch eine Saͤure verursacht sind, die zum Theil
                              von einer Basis gesaͤttigt ist, welche Ammoniak zu seyn scheint.
                           Man bedient sich des durch eine Saͤure geroͤtheten Lakmuspapiers, um
                              die Gegenwart eines Alkalis zu entdeken, welches angewendet worden seyn koͤnnte, um die
                              uͤberschuͤssige Saͤure zu beseitigen, und man kann die Natur
                              desselben ausmitteln, wenn man den Act mit ein wenig destillirtem Wasser
                              abwaͤscht, und dieses abdampft, wobei das Salz zuruͤkbleibt, welches
                              nun untersucht werden muß. Die HH. Gay-Lussac,
                                 Chevreul und Chevallier erhielten bei einer
                              solchen Untersuchung Chlorkalium und keine Spur weder von Kalk, noch von
                              Salpetersaͤure, die man haͤtte finden muͤssen, wenn die Fleken
                              von Mauersalpeter, wie man behauptet hatte, verursacht worden waͤren.
                           Die Reagentien, welche Hr. Chevallier vorzugsweise
                              anwendet, sind die Gallussaͤure, das eisenblausaure Kali, die
                              Schwefelalkalien und der Schwefelwasserstoff.
                           Bei den drei ersteren bringt man den Act auf einen Bogen weißes Papier,
                              traͤnkt ihn schwach mittelst eines Pinsels, ohne ihn zu reiben, mit dem
                              Reagens, laͤßt ihn dann eine Stunde lang liegen und untersucht ihn
                              sorgfaͤltig; nach 24 Stunden traͤnkt man ihn nochmals mit dem Reagens
                              und untersucht ihn nochmals sorgfaͤltig.
                           Bisweilen erscheinen die Schriftzuͤge nach einigen Augenbliken wieder;
                              manchmal ist dieß aber erst des anderen Tages der Fall; oft kommen sie erst nach
                              sehr haͤufigem Traͤnken des Papiers mit dem Reagens und nach sehr
                              langer Zeit (zehn bis dreißig Tagen) zum Vorschein.
                           Bei einem Act, welcher mit Gallussaͤure, die oͤfters aufgetragen wurde,
                              nichts gab, erschienen die Schriftzuͤge wieder, als man
                              Salzsaͤuredaͤmpfe auf ihn einwirken ließ.
                           Wendet man Schwefelwasserstoff an, so legt man den Act auf die Oeffnung eines
                              Trinkglases, das eine Aufloͤsung von Schwefels Wasserstoff
                              enthaͤlt.
                           Wenn ein Act als Beweismittel dienen soll, so muß man mit einem Theile desselben
                              einen vorlaͤufigen Versuch anstellen, und wenn man befuͤrchtet, daß er
                              dadurch unleserlich wird, so muß vorher eine Abschrift davon gemacht werden.
                           Die Angaben des Hrn. Chevallier sind gewiß fuͤr
                              viele Personen schaͤzbar; wir glauben auch noch folgende Bemerkung unseren
                              Lesern mittheilen zu muͤssen, weil sie von großer Wichtigkeit werden
                              kann.
                           Die HH. Gay-Lussac und Chevreul wurden einmal mit der Untersuchung eines fuͤr
                              verfaͤlscht gehaltenen Actes beauftragt und fanden in dem Wasser, womit sie
                              ihn abwuschen, Chlorkali aufgeloͤst, dessen Vorkommen sie so
                              erklaͤrten: daß das Chlor, womit die Schrift verloͤscht wurde, sodann
                              von dem Verfaͤlscher des Actes durch Kali gesaͤttigt worden sey.
                              Dieser Schluß ist gewiß nicht in allen Faͤllen richtig, und man muß sich
                              versichern, zu welcher Zeit das zu dem Act benuzte Papier fabricirt wurde, ehe man sich in
                              dieser Hinsicht mit Gewißheit aussprechen kann. Zuerst bleichte man die zur
                              Papierfabrikation bestimmten Lumpen durch Chlor; spaͤter wandte man die
                              Chloralkalien hiezu an. Gegenwaͤrtig bedient man sich des Chlorkalks; oft
                              wandte man aber auch Chlorkali an und es waͤre nicht unmoͤglich, daß
                              eine Quantitaͤt davon in dem Papiere zuruͤkbliebe, wenn es zur
                              Bereitung des Zeuges benuzt wurde. Diese Bemerkung kann in verschiedenen
                              Faͤllen von Nuzen seyn.