| Titel: | Ueber die Kleesäure; von Dr. Turner, Professor der Chemie an der Universität zu London. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XXVIII., S. 140 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber die Kleesaͤure; von Dr. Turner, Professor der Chemie an
                           der Universitaͤt zu London.
                        Aus the Philosophical Magazine and Annals of
                                 Philosophy. Nov. 1831, S. 348.
                        Turner, uͤber die Kleesaͤure.
                        
                     
                        
                           In einem fruͤheren Hefte dieses JournalsPolytechnisches Journal Bd. XL. S.
                                       204.A. d. R. theilte ich einige Bemerkungen uͤber die Fluͤchtigkeit der
                              Kleesaure mit und ungefaͤhr um die naͤmliche Zeit machte Hr. Gay-Lussac in den Annales
                                 de Chimie et de Physique
                              Polytechnisches Journal Bd. XLI. S.
                                       222.A. d. R. eine kurze Abhandlung uͤber die leichte Zersezbarkeit der
                              Kleesaͤure durch die Hize bekannt. In meinem Aufsaze wird von der sublimirtem
                              Saͤure behauptet, daß sie eine Temperatur von 330° F. aushalte, ohne
                              sich im Geringsten zu zersezen; waͤhrend Hr. Gay-Lussac von den Krystallen in ihrem gewoͤhnlichen
                              Zustande sagt, daß sie schon bei 230° F. zersezt werden. Wegen dieser
                              scheinbar widersprechenden Angaben, besonders aber weil eine genaue Kenntniß dieser
                              Thatsachen noͤthig ist, um die in theoretischer Hinsicht hoͤchst
                              interessante Wirkung der Schwefelsaͤure auf die Kleesaͤure zu
                              verstehen, nahm ich diesen Gegenstand neuerdings vor.
                           
                           Ich theilte der Kleesaure bei diesen Versuchen die Waͤrme durch ein kleines
                              Queksilberbad mit, welches ich uͤber der Lampe erhizte: die zu zersezende
                              Saͤure befand sich in einer kleinen Glasroͤhre, deren verschlossenes
                              Ende in das Metallbad getaucht war, waͤhrend das andere auf
                              gewoͤhnliche Weise mit einem Queksilbertrog in Verbindung stand. Um die
                              Temperatur zu erfahren, befestigte ich die Kugel eines Thermometers waͤhrend
                              des ganzen Verlaufes der Versuche in dem Metallbade. Die Resultate stimmten mit
                              meinen fruͤheren Angaben genau uͤberein. Kleesaͤure, die nur
                              Ein Aequivalent Wasser enthaͤlt, sie mag uͤbrigens durch bloßes
                              Erhizen der gewoͤhnlichen Krystalle, oder durch Sublimation derselben
                              bereitet worden seyn, hielt eine Temperatur von 330° aus, ohne weder Wasser
                              noch Gas abzugeben. Als aber das Thermometer von 330° auf 340° stieg,
                              erschien allmaͤhlich Gas und bei 370° fing es an sich frei zu
                              entbinden. Hieraus folgt, daß die geeignetste Temperatur zum Sublimiren der
                              Kleesaͤure 330° ist: sie sublimirt sich dann rasch, ohne daß sie
                              theilweise zersezt wuͤrde; ehe man aber die Saͤure diesem Hizgrade
                              aussezt, sollte sie zuvor bei einer niedrigeren Temperatur so gut als
                              moͤglich ausgetroknet worden seyn.
                           Aus der Genauigkeit meiner Angabe folgt aber nicht, daß jene des Hrn. Gay-Lussac irrig ist. Im Gegentheil, obgleich wir
                              uͤber den Hizgrad, wobei die Zersezung Statt findet, verschiedener Meinung
                              sind, so finde ich doch, daß krystallisirte Kleesaͤure, die Ein Aequivalent
                              wasserfreie Saͤure und drei Aeq. Wasser enthaͤlt, bei einer
                              niedrigeren Temperatur zersezt wird, als die Saͤure, welche bereits zwei
                              Aequivalente Wasser verloren hat. Als ich mit vollkommen hydratischer Saͤure
                              den Versuch gerade so anstellte, wie mit derjenigen, die auf dem Sandbade vollkommen
                              efflorescirt hatte, fand die Schmelzung bei 209° Statt, wie es auch Hr. Gay-Lussac angibt und nicht bei 220°, wie
                              ich beim Erhizen einiger Krystalle, die ohne Zweifel bereits etwas von ihrem
                              Krystallwasser verloren hatten, gefunden habe. Als die Temperatur des Metallbades
                              auf 230° stieg, blieb die geschmolzene Masse ganz ruhig und gab ein wenig
                              Wasser aus, aber keine Spur von Gas. Auch bei 240° erschien kaum etwas Gas
                              und sehr wenig bei 250° oder 270°. Selbst bei 290°, wo die
                              Masse wegen rascher Entweichung von Wasserdaͤmpfen heftig kochte, entwikelte
                              sich noch nicht viel Gas: es wurde bei 310° frei und entband sich rasch bei
                              320°. Ein zweiter sehr sorgfaͤltig angestellter Versuch lieferte genau
                              dieselben Resultate. Es ist daher ausgemacht, daß Kleesaͤure, so wie sie aus
                              ihren Aufloͤsungen krystallisirt, bei einer viel niedrigeren Temperatur
                              zersezt wird, als wem, sie nur Ein Aequivalent Wasser enthaͤlt.
                           
                           Nach meinen Beobachtungen uͤber die Zersezung der Kleesaͤure durch
                              Schwefelsaͤure, kann ich mit der Erklaͤrung, welche Hr. Gay-Lussac davon gab, nicht einverstanden seyn.
                              Sublimirte Kleesaͤure, die ich mit einer betraͤchtlichen Menge starker
                              Schwefelsaͤure in Beruͤhrung brachte, fing an aufzubrausen, als das
                              Gemisch einige Minuten lang in siedendes Wasser getaucht wurde. Die Einwirkung der
                              Schwefelsaͤure auf die Kleesaͤure war zwar langsam, aber stetig und
                              das entbundene Gas bestand wie gewoͤhnlich aus gleichen Raumtheilen
                              Kohlenoxyd und Kohlensaͤure. Bei 220° war das Aufbrausen viel
                              lebhafter und bei 230° noch weit mehr; haͤtte man hingegen dieselbe
                              Saͤure fuͤr sich allein erhizt, so wuͤrde sie selbst bei einer
                              Temperatur von 330° noch keine Spur von Gas ausgegeben haben. Vermischt man
                              Kleesaͤure in ihrem vollkommen hydratischen Zustande mit einem großen
                              Ueberschuß von Schwefelsaͤure, so wird sie ziemlich nahe bei derselben
                              Temperatur zersezt, wie die Saͤure, welche zwei Drittel ihres Wassers
                              verloren hat und entwikelt bei 220° ziemlich viel Gas; waͤhrend sie
                              fuͤr sich allein auf 230° erhizt werden kann, ohne daß eine Zersezung
                              erfolgt. Da ich mich zu den Temperatur-Bestimmungen bei allen diesen
                              Versuchen des naͤmlichen Thermometers bediente, so kann ein Fehler in der
                              Graduirung desselben nur einen geringen Einfluß auf die Resultate gehabt haben,
                              waͤhrend sich die Abweichungen zwischen den Resultaten des Hrn. Gay-Lussac und den meinigen zum Theil dadurch
                              erklaͤren lassen, daß unsere Thermometer nicht uͤbereinstimmen. Es ist
                              also ausgemacht, daß die Zersezung der Kleesaͤure, wenn sie mit
                              Schwefelsaͤure erhizt wird, nicht dem Einfluß der Hize allein zugeschrieben
                              werden kann.
                           Ich stimme ganz mit Hrn. Gay-Lussac hinsichtlich
                              der Zusammensezung des Gases uͤberein, welches sich entbindet, wenn
                              vollkommen hydratische Kleesaͤure durch die Einwirkung der Hize zersezt wird.
                              Nach meiner Beobachtung steht das Kohlenoxyd zu der Kohlensaͤure immer
                              ziemlich nahe in dem Verhaͤltniß von fuͤnf zu sechs. Ein
                              aͤhnliches Gasgemisch erhaͤlt man aus der Saͤure, welcher zwei
                              Drittel ihres Wassers entzogen wurde, vorausgesezt daß sie langsam erhizt wird; wenn
                              die Zersezung sehr schnell Statt fand, erhielt ich hingegen immer weniger
                              Kohlensaͤure im Verhaͤltniß zum Kohlenoxyd. Bei einem Versuche betrug
                              das kohlensaure Gas nicht uͤber 31 Procent. Die Angabe des Hrn. Gay-Lussac uͤber die Erscheinung von
                              Ameisensaͤure und die Erklaͤrung, welche er von ihrer Entstehung gibt,
                              scheinen mir vollkommen genau.