| Titel: | Bemerkungen über die von C. F. St. in M.....n im 1sten Märzhefte des Polytechnischen Journals von 1832, S. 339–341 vorgeschlagene „Einfache Methode, um Waaren auf Eisenbahnen durch Dampfwagen über schiefe Flächen zu bringen, wodurch die Eisenbahnen auf gewöhnlichen Straßen mit unregelmäßigen Nivellirungen anwendbar werden“ – sollen. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XXXV., S. 167 | 
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                        XXXV.
                        Bemerkungen uͤber die von C. F. St. in M.....n im 1sten Maͤrzhefte des Polytechnischen Journals
                              von 1832, S. 339–341 vorgeschlagene „Einfache Methode, um
                              Waaren auf Eisenbahnen durch Dampfwagen uͤber schiefe Flaͤchen zu
                              bringen, wodurch die Eisenbahnen auf gewoͤhnlichen Straßen mit
                              unregelmaͤßigen Nivellirungen anwendbar werden“ –
                           sollen.
                        Bemerkungen uͤber den Transport der Waaren auf Eisenbahnen
                           durch Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Dieser Vorschlag besteht darin, daß man die Dampfwagen mit Doppelraͤdern
                              versehen soll, deren einer (und zwar der groͤßere) Theil an seinem Umfange
                              glatt, der andere (kleinere) Theil wie ein Stirnrad gezahnt waͤre. Der glatte
                              Theil soll, wie gewoͤhnlich, auf den glatten Schienen laufen, wo diese
                              horizontal liegen, oder nur unmerklich ansteigen; der gezahnte Theil hingegen soll,
                              wo es etwas steiler bergan geht, in eine 6 1/2 Zoll hoͤher an jeder solchen
                              Stelle befestigte gezahnte Schiene eingreifen, so daß auf der Ebene die glatten
                              Raͤder allein durch ihre Reibung oder Adhaͤsion an den Schienen das
                              Fortwaͤlzen des Fuhrwerkes bewirkten, auf steilern schiefen Flaͤchen
                              aber die gezahnten Raͤder in Function traͤten, waͤhrend die
                              ersteren zugleich mit diesen, jedoch frei, und ohne eine Schiene oder den Boden zu
                              beruͤhren, sich umdrehten.
                           Wenn Hr. C. F. St. hiemit ein neues Princip aufgestellt zu haben glaubt, so irrt er
                              sich. Auf die sehr einfache Idee, Dampfwagen auf Eisenbahnen mittelst gezahnter
                              Raͤder an Windenstangen fortzutreiben, hat ein englischer Ingenieur, Blenkinsop von Leeds, schon im Jahre 1811 ein
                              Erfindungs-Patent genommen, und nach diesem in der dortigen Gegend einige
                              solche Eisenbahnen und Dampfwagen mit ziemlich gutem Erfolge wirklich hergestellt.Man sehe: A practical Treatise on Rail-Roads
                                       etc. by Nicholas
                                    Wood. London, 1825.
                                       p. 128–130 und Plate 4. Fig. 1.
                                     Seine Art, diese Idee auszufuͤhren, war jedoch weit vortheilhafter
                              und praktischer als die, welche Hr. C. F. St. angibt. Bei dieser lezteren
                              muͤßten die, mit den groͤßeren (glatten) Raͤdern an derselben
                              Achse befestigten. Zahnraͤder an den Stellen, wo es bergan geht, nicht nur
                              den Wagen fortwaͤlzen, sondern auch die ganze Last desselben tragen; bei der
                              Blenkinsop'schen Anordnung hingegen bleiben die vier
                              glatten Raͤder, welche sich, ganz unabhaͤngig von der Maschine und von
                              den gezahnten Raͤdern, um ihre eigenen Achsen drehen, bestaͤndig in
                              ihrer Function als die eigentlichen, das Fuhrwerk tragenden, Wagenraͤder,
                              d.h. sie laufen auf ihren glatten Schienen fort, waͤhrend die gezahnten
                              Raͤder, welche ohne alle directe Verbindung mit jenen sind, nur das
                              Fortwaͤlzen der Wagen zu bewirken haben, indem sie in eine neben den Schienen
                              liegende gezahnte Windenstange eingreifen, ohne auf diese
                              zu druͤken. Jeder Maschinenverstaͤndige begreift nun leicht, daß der
                              vorgesezte Zwek nur auf diese lezte Art, nicht aber durch die Vorrichtung des
                              Ungenannten, gehoͤrig erreicht werden, und daß ein gezahntes Rad (Stirnrad)
                              nicht zugleich als tragendes Wagenrad dienen kann, ohne die außerordentlichste
                              Reibung, das staͤrkste Zwaͤngen zu verursachen, und der
                              immerwaͤhrenden Gefahr des Zerbrechens ausgesezt zu seyn.
                           So befriedigend indessen die Resultate der Blenkinsop'schen Vorrichtung hinsichtlich ihres Princips ausfielen, so ist in
                              der Folge, selbst nach dem Erloͤschen seines Patentes, kein weiterer Gebrauch
                              von derselben mehr gemacht worden, weil die Erfahrung zeigte, daß die
                              Zwischenraͤume der aufrechtstehenden Zaͤhne der Windenstangen
                              haͤufig durch Sand, Koth und Steine ausgefuͤllt und verstopft wurden,
                              was dann oͤftere Stokungen, auch Bruͤche, verursachte, und eine
                              beschwerliche Aufsicht und kostbare Unterhaltung noͤthig machte.
                           Ueber ein Paar andere im Aufsaze des Hrn. C. F. St. hingeworfene Ideen glaube ich
                              noch Folgendes bemerken zu muͤssen.
                           Die Vorrichtung mit einem Haspel und sich auf- und abwikelnden Seile zum
                              Nachziehen einzelner Lastwagen auf schiefen Flaͤchen moͤchte in der
                              Anwendung mit bedeutenden Schwierigkeiten, Verzoͤgerungen und unangenehmen
                              Zufaͤllen verbunden seyn. Ich habe etwas Aehnliches schon vor sechs Jahren an
                              meiner Probebahn im koͤniglichen Garten zu Nymphenburg versucht, mich aber
                              seither uͤberzeugt, daß fuͤr solche Faͤlle der eigentliche Zwek
                              durch eine dem vermehrten Widerstande angemessene Verstaͤrkung der bewegenden
                              Kraft besser zu
                              erreichen sey, als durch eine Verminderung der Last; und ich bin nach vielem
                              Nachdenken so gluͤklich gewesen, diese bis jezt fuͤr unmoͤglich
                              gehaltene Aufgabe durch eine besondere neue Erfindung zu loͤsen, mittelst
                              welcher der auf der fortschaffenden Maschine befindliche Waͤrter oder
                              Maschinist (Engineer) es in seiner Gewalt hat, die Kraft
                              derselben von einem Augenblike zum andern so zu potenziren (z.B. von einer Kraft von
                              4 bis zur Kraft von 24 Pferden), daß der ganze Train von
                              angehaͤngten Lastwagen mit einer nur wenig verminderten Geschwindigkeit
                              uͤber die steilsten Anhoͤhen hinauf gezogen werden kann.Man sehe im Polytechnischen Journale XLI. Bd. 1sten Heft meine Anzeige einer neu erfundenen Bauart von Eisenbahnen,
                                       Wagen und fortschaffenden Maschinen
                                    u.s.w.
                              
                           Gegen das freie Hinabrollenlassen eines Dampfwagens mit seinen abgehaͤngten
                              Lastwagen uͤber eine schiefe Flaͤche, waͤre diese auch nicht
                              besonders steil, glaube ich, als gegen ein hoͤchst gefaͤhrliches
                              Wagestuͤk, auf jeden Fall warnen zu muͤssen. Bei dem ungeheuren
                              Beschleunigungsmomente von so bedeutenden, uͤber eine schiefe Flaͤche
                              von einiger Laͤnge mit solcher Leichtigkeit abwaͤrts rollenden Massen
                              muͤßte jedes kleinste, zufaͤlliger Weise in den Weg gerathene,
                              Hinderniß, vorzuͤglich der durch eine so außerordentliche Schnelligkeit
                              leicht verursachte ploͤzliche Bruch eines Rades oder einer Achse, die
                              allerschreklichsten Folgen haben! –
                           Zum Schlusse erlaube ich mir noch zu bemerken, daß die von Hrn. C. F. St.
                              vorgeschlagene Ausfuͤhrung seines Princips ganz dieselbe ist, welche vor zwei
                              Jahren ein Hr. Bennet und die HH. W. und J. Hopkinson in dem zu London erscheinenden Mechanics Magazine vorgeschlagen haben,Blenkinsop's Patent scheint selbst in England
                                    nicht sehr bekannt geworden zu seyn, weil das Mechan.
                                       Mag. bei dieser Gelegenheit desselben nicht erwaͤhnt.A. d. R. wovon man im ersten Januarhefte des Polytechnischen Journals von 1831 eine
                              deutliche Beschreibung nebst Abbildung findet, und daß also die von dem Ungenannten
                              angegebene einfache Methode weder im Princip, noch in der
                              Ausfuͤhrung etwas Neues enthaͤlt.
                           Muͤnchen, den 28. Maͤrz 1832.
                           Joseph Ritter von Baader.