| Titel: | Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man die Verfälschungen des Weizenmehls mit fremdartigen Substanzen entdeken kann. Von Hrn. Gaultier de Claubry. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XLV., S. 202 | 
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                        XLV.
                        Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man die
                           Verfaͤlschungen des Weizenmehls mit fremdartigen Substanzen entdeken kann. Von
                           Hrn. Gaultier de
                              Claubry.
                        Im Auszuge aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. Januar 1832, S. 21.
                        Gaultier de Claubry, uͤber die Verfahrungsarten der
                           Verfaͤlschungen des Weizenmehls.
                        
                     
                        
                           Das Syndikat des Baͤkerhandwerks in Paris hat einen Preis von 2400 Fr.
                              fuͤr denjenigen ausgesezt, welcher ein einfaches und von den Baͤkern
                              selbst leicht anwendbares Verfahren mittheilen wuͤrde, wodurch man die
                              Vermengung des Weizenmehls mit Sazmehl oder anderen Substanzen entdeken kann, und
                              der Société d'Encouragement die
                              Pruͤfung der eingegangenen Abhandlungen und die Zuerkennung des Preises
                              uͤbertragen.
                           Es waͤre zu weitlaͤuftig, wenn wir alle Verfahrungsarten, welche von
                              den Preisbewerbern vorgeschlagen wurden, genauer durchgehen wollten, und wir
                              begnuͤgen uns die Principien mitzutheilen, auf welche sie sich
                              gruͤnden.
                           Nur zwei Preisbewerber schlugen hiezu die Bestimmung des Klebergehaltes vor, wodurch
                              man aber uͤber die Beimengung fremdartiger Substanzen keinen bestimmten
                              Aufschluß erhalten kann.
                           Fuͤnf stellten Versuche an, um die Beimengung von Sazmehl oder anderen
                              Mehlarten aus dem Gewicht eines Volumens des verdaͤchtigen Mehles zu
                              erkennen. Dieses Verfahren ist aber zu unvollkommen und kann hoͤchstens
                              annaͤhernde Resultate geben.
                           
                           Drei schlugen die Anwendung der Schwefelsaͤure oder Salzsaͤure vor, um
                              durch den eigenthuͤmlichen und hinreichend charakteristischen Geruch, welchen
                              jene Saͤuren nach ihrer Ansicht aus dem Mehl entwikeln, die Natur und
                              Qualitaͤt der Beimengung zu erkennen; diese Pruͤfungsart ist gewiß
                              hoͤchst unzuverlaͤssig; sie bestimmten auch den Gewichtsverlust der
                              Mehlarten beim Erwaͤrmen, in der Meinung, daß derselbe mit ihrer Natur
                              einigen Zusammenhang hat.
                           Wir haben bereits bemerkt, daß man durch die Bestimmung des
                                 Klebergehaltes einer Mehlsorte den vorgesezten Zwek nicht erreichen kann.
                              Es ist eine ausgemachte Sache, daß ein Mehl sich um so besser zur Brodbereitung
                              eignet, je mehr Kleber es enthaͤlt; aber wenn man auch durch Behandlung des
                              Teiges mit kaltem Wasser den Kleber von dem Sazmehl trennen wuͤrde, so ließe
                              sich doch die Menge, welche von lezterem beigemengt wurde, nicht angeben.
                           Um das relative Gewicht verschiedener Mehlarten zu
                              bestimmen, waͤhlte ein Preisbewerber ein Maaß von einigen
                              Kubik-Centimetern, in welches er das Mehl aus einem Seidensieb, das sanft
                              geschuͤttelt wurde, fallen ließ; nachdem es gefuͤllt war, streifte er
                              den Rand desselben mit einem Lineal ab. Nach seinen Versuchen hat das Hafermehl
                              genau dasselbe Gewicht wie das Weizenmehl erster Qualitaͤt; das Weizenmehl
                              zweiter Qualitaͤt hat dasselbe Gewicht wie das Pufbohnenmehl; die dritte
                              Qualitaͤt unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von dem Mehl der
                              tuͤrkischen Bohnen, Erbsen, Linsen, der Weizenstaͤrke, dem Gerstenmehl
                              und dem Mehl des tuͤrkischen Weizens. Das Weizenmehl erster Qualitaͤt
                              wiegt 32 bis 33 Gran; das der zweiten 37 bis 38 und das der dritten 49 bis 50; das
                              Reißmehl wiegt 55 bis 56 Gran; das Buchweizenmehl 78 bis 79 und endlich das
                              Kartoffelstaͤrkmehl 84 bis 85. Ungeachtet des großen Unterschiedes im
                              Eigengewichte mehrerer Mehl- und Sazmehlarten koͤnnen wir doch dieses
                              Verfahren keineswegs den Praktikern empfehlen, da man nie sicher ist, daß das Mehl
                              in dem Maaße gleichmaͤßig angehaͤuft wird. Andere Preisbewerber,
                              welche ebenfalls die Bestimmung des Eigengewichts der Mehlsorten zur Erreichung
                              obigen Zwekes in Vorschlag brachten, bestimmten das Gewicht eines Liter reinen
                              Weizenmehls, reinen Kartoffelstaͤrkmehls etc., und obgleich ihre Zahlen mit
                              den obigen nicht uͤbereinstimmen, so beweisen sie doch, daß zwischen dem
                              Eigengewicht reinen und vermengten Mehles ein Unterschied Statt findet.
                           Aus dem Geschmak des Mehles kann man keineswegs mit
                              Bestimmtheit auf eine Vermengung desselben schließen; denn der Geschmak des reinen
                              Weizenmehles kann bisweilen eine auffallende Aehnlichkeit mit demjenigen anderer
                              Mehlarten haben. Es erleidet naͤmlich unter einer Menge von Umstaͤnden, besonders unter
                              dem Einfluß der Waͤrme und der Feuchtigkeit, eine Veraͤnderung, wobei
                              sein Kleber sehr verschiedene Eigenschaften zeigt, je nachdem diese
                              Veraͤnderung mehr oder weniger betraͤchtlich ist: anstatt sehr
                              elastisch und ohne eigenthuͤmlichen Geschmak zu seyn, wird er oft leicht
                              zerreißbar und besizt nach Umstaͤnden einen sehr verschiedenartigen
                              Geschmak.
                           Andere stellten vergleichende Versuche uͤber die Wirkung des Jods und der
                              feuchten Luft auf das Mehl und Sazmehl an. Die Jodtinctur gibt mit dem Weizenmehl
                              einen Teig von bleigrauer Farbe, welcher violett wird und durchaus keinen Glanz
                              darbietet. Das Sazmehl hingegen bleibt pulverig, faͤrbt sich violett und
                              laͤßt immer den Glanz bemerken. Ein Loͤffel voll eines Gemenges aus
                              gleichen Maaßtheilen Weizenmehl und Sazmehl bildet mit sieben bis acht Tropfen
                              Jodtinctur einen viel weniger zusammenhaͤngenden Teig als das reine Mehl; das
                              Gemenge faͤrbt sich dunkelviolett, man bemerkt aber immer den Glanz des
                              Sazmehls. Es waͤre unmoͤglich, sich durch dieses Verfahren Gewißheit
                              zu verschaffen, daß das Weizenmehl wirklich mit Sazmehl gemengt ist:
                              uͤberdieß koͤnnte man in keinem Falle die Menge dieser lezteren
                              Substanz dadurch ausmitteln.
                           
                        
                           Verfahren, um das dem Mehle beigemengte Sazmehl nach dem
                                 Gewicht zu bestimmen.
                           Ein Concurrent benuzt hiezu einen Apparat, der aus zwei Eiernaͤpfchen besteht,
                              die mit einem Eisendraht versehen sind, der oder ihnen einen Kreis bildet, auf
                              welchem die Schalen einer Wage von hoͤchstens 2 Millimeter Fall aufliegen
                              koͤnnen. Er fuͤllt diese beiden Eiernaͤpfchen mit Oehl und
                              bringt in jedes einen kleinen Docht; in eine Wagschale legt er zwei
                              Einfrankenstuͤke und sezt die andere Wagschale mit reinem Mehl ins
                              Gleichgewicht; hierauf ersezt er die Einfrankenstuͤke durch ein gleiches
                              Gewicht des zu untersuchenden Mehles.
                           Man waͤhlt aus einer Handvoll Reiß dreißig der am wenigsten
                              beschaͤdigten und groͤßten Koͤrner aus; vierhundert eilf so
                              ausgewaͤhlte Koͤrner wiegen 2 Franken.
                           Man zuͤndet nun die kleinen Lampen an und bestimmt genau die Stunde; in den
                              neun ersten Minuten untersucht man, welche von den beiden Mehlarten am meisten an
                              Gewicht verliert, und sucht ihren Geruch zu unterscheiden.
                           Das Weizenmehl hat denselben Geruch wie das Kartoffelsazmehl. Das Mehl von Pufbohnen,
                              Hafer, Wiken, Roken, tuͤrkischen Bohnen, verbreitet einen
                              eigenthuͤmlichen Geruch; das von tuͤrkischen Bohnen riecht
                              insbesondere sehr stark nach Schwefelwasserstoff. Das Mehl von Erbsen, Gerste und
                              tuͤrkischem Weizen verbreitet keinen eigenthuͤmlichen Geruch.
                           
                           Nach neun Minuten loͤscht man die Lampen aus und laͤßt den Apparat
                              wenigstens anderthalb Stunden lang stehen; hierauf legt man in die
                              schwaͤchste Wagschale so viele Koͤrner Reiß, als noͤthig sind,
                              um das Gleichgewicht herzustellen. Wenn das zu pruͤfende Mehl bloß mit
                              Kartoffelsazmehl verfaͤlscht war, so wird dieses Gemenge weniger wiegen. Das
                              Umgekehrte findet bei dem Hafer-, Roken- und Erbsenmehl Statt, daher
                              ihre Vermengung mit dem Sazmehl und Weizenmehl nach den Verhaͤltnissen
                              positive oder negative Resultate geben koͤnnte; der Verfasser glaubt aber daß
                              der Geruch, welchen jene drei Mehlsorten verbreiten, hinreichend ist, um allen
                              Irrthum zu vermeiden.
                           Der Verfasser fand durch Versuche, welche fuͤnfzehn Stunden lang fortgesezt
                              wurden, daß im Durchschnitt das Sazmehl sein anfaͤngliches Gewicht
                              multiplicirt mit 0,8633 beibehaͤlt; bei vielen Versuchen uͤberschritt
                              aber das mittlere Resultat das anfaͤngliche Gewicht um ein Zehntel.
                           Diese abweichenden Resultate hingen von dem Zustande des Himmels, des Windes, der
                              Temperatur der Atmosphaͤre und der Tagesstunde, in welcher der Versuch
                              angestellt wurde, ab. Um ihren Einfluß zu beseitigen, stellte der Verfasser den
                              Versuch zu gleicher Zeit mit Mehl und mit Salzmehl an und aus allen seinen Versuchen
                              ergab sich, daß ihr groͤßter Gewichtsverlust, gleich dem anfaͤnglichen
                              Gewichte dividirt durch 13,7 ist; dieser groͤßte Gewichtsverlust findet aber
                              in keiner constanten Zeit Statt: die Zeit, in welcher er eintritt, ist nach dem
                              hygrometrischen Zustande der Luft, ihrer Temperatur und nach der Temperatur, welche
                              das Wasser bei seiner Einwirkung auf diese Koͤrper hervorbringt,
                              verschieden.
                           Der Verfasser uͤberschikte der Gesellschaft ausfuͤhrliche Tabellen
                              uͤber die mittleren Resultate, welche er bei einer großen Anzahl von
                              Versuchen erhielt, und glaubt sich derselben bedienen zu koͤnnen, um die
                              Menge des mit dem Mehl vermengten Sazmehles zu berechnen: wir sind, was die
                              Genauigkeit dieses Verfahrens betrifft, keineswegs seiner Meinung, muͤssen
                              aber bemerken, daß er seinen Untersuchungen eine sehr gute Richtung gab, und
                              glauben, daß sie vielleicht bei ihrer Fortsezung auf einige nuͤzliche
                              Resultate fuͤhren duͤrften.
                           Bis jezt besteht das einzige genaue Mittel, wodurch man sich von der Vermengung des
                              Weizenmehls uͤberzeugen und bis zu einem gewissen Punkt auch die Natur der
                              Beimengung ausmitteln kann, in der Anwendung eines
                                 Vergroͤßerungsglases; ein solches kann sich Jedermann zu diesem Zwek
                              leicht auf folgende Art verfertigen. Man verschafft sich durch den Stoß eines
                              Schluͤssels oder irgend eines anderen Koͤrpers kleine Schuppen von
                              einem Stuͤke weißen Glases, bringt solche an das Ende einer mit Gummiwasser oder
                              Speichel befeuchteten Steknadel, schmilzt sie an der Flamme einer Kerze, um daraus
                              kleine Vergroͤßerungsglaͤser zu bilden, die man in eine Oeffnung,
                              welche in einer Karte durch eine Steknadel gemacht wurde, eintreibt, und bedient
                              sich derselben, um kleine Proben von Mehl oder eine gewisse Quantitaͤt dieser
                              Substanz, welche an einem befeuchteten Pferdehaar klebt, zu untersuchen.