| Titel: | Ueber die Anwendung der zerriebenen oder gepülverten Knochen als Dünger. Von Hrn. J. Girardin, Professor der Chemie zu Rouen. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. LXVII., S. 291 | 
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                        LXVII.
                        Ueber die Anwendung der zerriebenen oder
                           gepuͤlverten Knochen als Duͤnger. Von Hrn. J. Girardin, Professor der Chemie zu
                           Rouen.
                        Aus dem Recueil industriel. Januar 1832, S.
                              58.
                        Girardin, uͤber Knochenpulver als
                           Duͤnger.
                        
                     
                        
                           Das Knochenmehl oder die zermalmten Knochen werden bereits seit vielen Jahren in
                              einem großen Theil von Deutschland, in ganz England, in der Auvergne und an anderen
                              Orten als Duͤnger benuzt, und zwar mit so gutem Erfolge, daß die Oekonomen
                              denselben eine große befruchtende Kraft zuschreiben. In anderen Laͤndern
                              hingegen ist man allgemein entgegengesezter Ansicht, einer Ansicht, welcher selbst
                              ausgezeichnete Landwirthe, wie z.B. Hr. M. de Dombasle
                              und Hr. Wrede, ein hessischer Guͤterbesizer,
                              beipflichten. Lezterer behauptet sogar, er habe bereits 40–50,000 Pfund
                              Knochenmehl ohne allen Erfolg angewendet, und schließt hieraus, daß die
                              duͤngende Kraft der Knochen offenbar uͤbertrieben worden sey.
                           Bei so sehr widersprechenden Daten und Behauptungen ist es wohl sehr schwer, ein
                              sicheres Unheil zu faͤllen. Bedenkt man aber, daß die englischen
                              Paͤchter bei den vielen Schwierigkeiten, mit denen sie zu kaͤmpfen
                              haben, gewiß zu aufgeklart uͤber ihren wahren Vortheil sind, als daß sie
                              blind ein Verfahren annaͤhmen, welches nicht durch die Erfahrung
                              bewaͤhrt ist; beruͤksichtigt man, daß England aus Daͤnemark
                              allein jaͤhrlich um 150 bis 200,000 Reichsthaler Knochen einfuͤhrt,
                              und uͤberdieß auch noch aus Norddeutschland jaͤhrlich eine bedeutende
                              Zufuhr erhaͤlt, so muß man wohl natuͤrlich und nothwendig zu dem
                              Schlusse gelangen, daß die Verschiedenheit der Ansichten uͤber die
                              Guͤte oder Untauglichkeit der Knochen als Duͤnger entweder davon
                              herruͤhrt, daß bei den Versuchen auf verschiedene Weise zu Werke gegangen
                              wurde, oder davon, daß die Wirkung der Knochen auf verschiedenem Boden gleichfalls
                              verschieden ist. Diese leztere Erklaͤrung scheint uns um so passender und
                              entsprechender, als die Theorie die Praxis der englischen, deutschen,
                              flammaͤndischen und auvergnet'schen Oekonomen unterstuͤzt.
                           Wie ließe sich uͤbrigens auch nur vermuthen, daß eine Substanz, die 40 Procent
                              organische Bestandtheile enthaͤlt, ganz unwirksam seyn koͤnnte, wenn
                              sie unter Umstaͤnde versezt wird, die ihre Zersezung beguͤnstigen? Man
                              koͤnnte zwar einwenden, daß die große Cohaͤsion und Harte der Knochen,
                              in Folge welcher sie sich nicht ein Mal in siedendem Wasser erweichen, ein großes
                              Hinderniß gegen deren Faͤulniß darbietet, und daß folglich die Vertheilung ihrer wirksamen
                              Bestandtheile in dem Boden sehr schwierig ist. Dieser Einwurf wird jedoch, so sehr
                              er auch Anfangs von Wichtigkeit zu seyn scheint, sein ganzes Gewicht in den Augen
                              aller jener verlieren, die ein Mal darauf Acht gegeben haben, was in den auf den
                              Feldern ausgestreuten, und dem immerwaͤhrenden Einflusse der Luft, der
                              Feuchtigkeit und der Hize ausgesezt gewesenen Knochen vorgegangen. Diese Knochen
                              werden naͤmlich, wie bekannt, durch das Ausschwizen des Fettes, welches sie
                              enthalten, nach einiger Zeit gelb, bleichen dann durch den Verlust dieses Fettes ab,
                              und bestehen zulezt nur mehr aus einem erdigen, zerreiblichen Knochenskelette,
                              welches jenem, das bei der Calcinirung in freier Luft zuruͤkbleibt,
                              vollkommen aͤhnlich ist. Alle animalische Materie ist dann verschwunden; es
                              geschah dieß zwar nur langsam, allein zulezt traten die Wirkungen der organischen
                              und faulen Zersezung doch ein. Uebrigens hat die Erfahrung gezeigt, daß andere
                              Substanzen, welche eben so dicht und eben so wenig zur Faͤulniß geneigt sind,
                              als die Knochen, wie z.B. die Hoͤrner, Klauen und Haare, vortreffliche
                              Duͤngmittel sind, und ohne ein Zeichen der Waͤhrung von sich zu geben,
                              in dem Maße, als sie aufloͤslich werden, nach und nach eine große Menge
                              Nahrungsstoff an die Pflanzen abgeben.
                           Die Theorie unterstuͤzt mithin die Resultate, welche die Englaͤnder und
                              Deutschen erhielten. Wir wollen nun die Principien untersuchen, auf welche sich
                              diese Resultate fußen.
                           Aus dem Berichte, welchen die Akerbau-Gesellschaft zu Doncaster im J. 1828
                              uͤber die Anwendung der Knochen als Duͤnger erstattete, um alle
                              Zweifel uͤber diesen Gegenstand zu beseitigen, geht hervor, daß der Oberste
                              St. Léger der erste war, welcher im J. 1775 zu
                              Warmsworth in Yorkshire die Knochen als Duͤnger anzuwenden versuchte. Der
                              Erfolg dieses Versuches war nur ein sehr langsamer, weil man sich damit
                              begnuͤgte, die grob zerkleinerten Knochen auf das Land zu streuen, und weil
                              selbst dieß in zu großer Menge geschah. Erst seit 15–16 Jahren, seit man die
                              Knochen mahlt oder in Pulver verwandelt, hat man die guten Wirkungen derselben
                              erkannt. Als Knochenmehl taugen sie ganz vorzuͤglich fuͤr trokene und
                              sandige Gruͤnde, fuͤr Kalk- und Kreide-Boden, so wie
                              auch fuͤr leichte und torfhaltige Gruͤnde; unwirksam oder weniger
                              wirksam zeigen sie sich hingegen auf thonigem, nassem und schwerem Boden. Auch
                              fuͤr natuͤrliche und kuͤnstliche Wiesen, fuͤr das
                              Akerland, welches man fuͤr Ruͤben und Erdaͤpfel bestimmt, taugt
                              das Knochenmehl sehr gut als Duͤnger.
                           
                           Man kann alle Arten von Knochen ohne Unterschied anwenden; in Deutschland zieht man
                              jedoch die Knochen des Rindviehes, der Schweine und der Kaͤlber vor, weil
                              diese eine groͤßere Menge animalische Substanz enthalten, als die
                              uͤbrigen Knochenarten. Fuͤr Akerland ist es besser, wenn man die
                              Knochen bloß in Stuͤke von 4 Zoll im Durchmesser zermalmt; fuͤr Wiesen
                              hingegen verdient das Knochenmehl den Vorzug. Die Knochen werden im Fluge mit der
                              Hand und vor den Samen ausgestreut; nur bei den Zwischenbauten wird der Samen und
                              der Duͤnger zugleich mit einander ausgeworfen. Man rechnet gewoͤhnlich
                              25 Scheffel Knochenpulver oder 40 Scheffel Knochenstuͤke auf den Aker Landes;
                              dieses Verhaͤltniß muß aber oͤfter nach der Natur des Bodens
                              abgeaͤndert werden.
                           Die Knochen lassen sich, wenn sie vorher 2–3 Monate lang der Luft ausgesezt
                              worden, leicht puͤlvern. Gut ist es, wenn man sie vor dem Mahlen in Haufen
                              gaͤhren laͤßt, indem ihre Zersezung in der Erde dann rascher vor sich
                              geht. Sie behalten ihre duͤngende oder befruchtende Kraft sehr lange Zeit
                              uͤber; auf Akerland durch 4 Jahre, auf Wiesen aber noch laͤnger. Sie
                              behalten ihre. Kraft ferner in trokenem Boden und bei trokener Jahreszeit, wo der
                              gewoͤhnliche Duͤnger einen großen Theil seiner Wirksamkeit verliert,
                              bei.
                           Man kann das Knochenmehl auch mit anderen Duͤngerarten mischen; in diesem
                              Falle ist es gut, diese Gemenge in Gruben mit ausgemauertem Boden der Luft
                              auszusezen. Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß jedes Landgut oder jeder
                              Hof zwei solche Gruben besaͤße, welche man abwechselnd mit Abfaͤllen
                              aller Art fuͤllen, und in welche man das Spuͤlwasser schuͤtten
                              und den Urin der Stallungen leiten koͤnnte, der meistens entweder ganz
                              unbenuzt verloren geht, oder in und außer den Stallungen Kloaken bildet, welche die
                              Luft verpesten, und Ungeziefer aller Art in die Staͤlle loken. Die Landwirthe
                              koͤnnten dann in einem Jahre aus dieser, im anderen aus der anderen Grube
                              herrlichen Duͤnger nehmen, der in diesen Gruben ohne alle Kosten die beste
                              Zubereitung erhalten haben wuͤrde.
                           Die Maschinen, deren man sich zum Mahlen der Knochen bedient, bestehen entweder aus
                              senkrechten harten Muͤhlsteinen von 4–6000 Pfund Schwere, die sich in
                              einem horizontalen kreisfoͤrmigen Troge drehen, oder aus einer Art von
                              Walzwerk, dessen Walzen aus hartem Gußeisen bestehen, und mit Zaͤhnen besezt
                              sind, welche, indem sie sich nach entgegengesezten Richtungen drehen, die Knochen
                              sehr schnell zermalmen. Nach Hrn. Molard ist die
                              Einrichtung dieser Muͤhlen kostspielig, und daher nur fuͤr große
                              Unternehmungen geeignet. In Lincolnshire, Yorkshire, in East und Mid'Lothian, so wie
                              in einigen anderen (Gegenden Schottlands laͤßt man die Knochen durch Pferde oder Ochsen, durch
                              Wasser, Dampfmaschinen und Windmuͤhlen mahlen. In anderen Gegenden Englands
                              bringt man hingegen nur Cylinder an der gewoͤhnlichen Dreschmaschine an, die
                              man daselbst beinahe auf jedem Pachtgute antrifft, waͤhrend sie bei uns zu
                              Lande noch ganz selten ist. Hr. Anderson errichtete zu
                              Dundee eine Knochenmuͤhle, welche durch eine Dampfmaschine von 12
                              Pferdekraͤften getrieben wird, und welche dessen ungeachtet, und bei
                              bestaͤndiger Arbeit, nicht im Stande ist, den Bedarf der zunaͤchst
                              gelegenen Districte zu liefern. Die Maschine des Hrn. Anderson ist so vorzuͤglich und vereinigt so viele Vortheile in
                              sich, daß ihr Erfinder von der Highland-Society einen Preis zuerkannt
                              erhielt.
                           Hr. Molard erstattete der Société d'Encouragement im J. 1826 einen Bericht
                              uͤber eine Maschine, die man zu Thiers (Puy-de-Dôme) anwendet, um die Knochen mittelst des
                              Raspelns zu mahlen. An dieser Maschine ist ein großer, hohler, staͤhlerner
                              Cylinder, der die Form einer Zwinge und 1 Fuß im Durchmesser und ebensoviel in der
                              Breite hat, und welcher an seiner aͤußeren Oberflaͤche wie eine Raspel
                              rauh gemacht ist, concentrisch an dem Ende einer Welle befestigt, mit der er sich
                              umdreht. Unterhalb dieser Raspel befindet sich ein starkes Stuͤk Holz mit
                              einem vierekigen Loche, welches fuͤr die Knochen, die man mahlen will, als
                              Trichter dient, und welches man mittelst eines belasteten Hebels nach Belieben
                              zwischen die Raspel-Trommel preßt. So lange die Zaͤhne neu sind,
                              werden die in dem Trichter enthaltenen Knochen, d.h. beilaͤufig ein halber
                              Kubikfuß, in 2–3 Minuten gemahlen. Die Maschine ist wohlfeil und leicht zu
                              verfertigen; sie gibt ein ziemlich grobes Pulver, welches sich fett anfuͤhlt,
                              kaͤseartig riecht, und beim Vermengen mit Kalk Ammonium entwikelt. Dieses
                              Pulver enthaͤlt nach dem Troknen in 100 Theilen 43,86 Theile verbrennliche
                              animalische Substanz und 56,14 erdige Theile. Die Einwohner von Thiers bedienen sich
                              der Knochen schon seit undenklichen Zeiten als Duͤngmittel, und verwenden
                              hiezu besonders auch die Abfaͤlle der Knochen, die sie aus ihren vielen
                              Messers schneiden erhalten. Die Entdekung der Benuzung der Knochen zum
                              Duͤnger gebuͤhrt mithin nicht den Englaͤndern, sondern den
                              Einwohnern der Auvergne.
                           Ein reicher Grundeigenthuͤmer in der Naͤhe von Straßburg errichtete,
                              dem Agriculteur manufacturier zu Folge, eine
                              Knochenmuͤhle und ein Sieb, welches durch Wasser getrieben wird. Das Pulver,
                              welches aus dieser Fabrik kommt, ist sehr sein; denn es wird gesiebt, und
                              enthaͤlt nur wenige Stuͤke, die großer als eine Erbse seyn
                              duͤrften. Der Eigenthuͤmer dieser Muͤhle sezt diesem Pulver
                              ungefaͤhr 10 Procent Salpeter zu, der eine schnellere Gaͤhrung bewirkt, und dem
                              Duͤnger eine groͤßere Wirksamkeit gibt. Er verkauft 100 Kilogrammen
                              dieses Pulvers um 16 Franken.
                           In jenen Districten Englands, in welchen man den Knochenduͤnger
                              eingefuͤhrt hat, hat sich die Ruͤbenernte verzehnfacht; dabei sind die
                              Ruͤben 4–5 Mal groͤßer geworden, und in gleichem
                              Verhaͤltnisse haben auch die auf die Ruͤben folgenden Getreide-
                              oder Samen-Ernten zugenommen. Hieraus laͤßt sich schließen, daß wenn
                              in Frankreich dasselbe geschehen wuͤrde, der Viehstand und mit ihm der
                              Verbrauch an Fleisch sich bedeutend vermehren muͤßte. „Ist ein
                                 Duͤnger, der sich so leicht verfahren laͤßt, der sich so
                                 vortrefflich fuͤr den Bau in Furchen eignet, und dessen duͤngende
                                 Eigenschaften eine so ausgedehnte und beinahe allgemeine Benuzung zulassen,
                                 nicht ein wahrer Schaz fuͤr die Oekonomen, besonders fuͤr jene,
                                 die von groͤßeren Staͤdten entfernt leben, und die sich nicht
                                 leicht auf eine andere Weise die noͤthige Menge Duͤnger
                                 verschaffen koͤnnen? Die Anwendung des animalischen Duͤngers
                                 bringt eine große Ersparniß an Arbeit mit sich, und zwar gerade zu jener Zeit,
                                 zu welcher die Arbeit den hoͤchsten Werth hat. Um diese Ersparniß
                                 gehoͤrig wuͤrdigen zu koͤnnen, braucht man nur zu
                                 beruͤksichtigen, daß eine Ladung mit 120 Scheffel Knochenmehl
                                 40–50 Ladungen gewoͤhnlichen Duͤngers, von denen jede mit
                                 drei Pferden gefahren werden muß, gleichkommt.“ Dieß sind die Worte
                              eines der Oekonomen, der den Aufforderungen der landwirthschaftlichen Gesellschaft
                              zu Doncaster nachkam. Wenn man nun schon in England, wo die Straßen um so Vieles
                              besser, und die Transportmittel um so viel leichter sind, als bei uns, durch die
                              Anwendung des Knochenmehles eine so große Ersparniß an Transportkosten macht, um wie
                              viel groͤßer muͤßte dieser Gewinn erst bei uns seyn! Welche Vortheile
                              koͤnnten unsere Oekonomen daraus ziehen, wenn sie unsere
                              uͤberseeischen Nachbarn in diesem Falle nachahmen, und eine Substanz benuzen
                              mochten, die sie bisher beinahe als unnuͤz betrachteten, und die sie sich um
                              so geringen Preis verschaffen koͤnnen? Warum sammeln die Arbeiter in unseren
                              Staͤdten in ihren muͤßigen Stunden, warum sammeln die Kinder, welche
                              muͤßig gehen und dadurch den Grund zu allen kuͤnftigen Lastern
                              einsaugen, nicht die Knochen, die auf die Straßen geworfen werden, und warum mahlen
                              sie dieselben nicht in einfachen Cylindern zu Duͤngpulver, welches sie an die
                              Lands wirthe und Gaͤrtner verkaufen konnten? Unsere Mechaniker wuͤrden
                              gewiß der Menschheit etwas sehr Nuͤzliches leisten, wenn sie sehr wohlfeile
                              Cylinder erfaͤnden, mit denen man die Knochen mahlen kann.
                           Man wird vielleicht einwenden, daß unsere Fabriken thierischer Kohle und folglich
                              auch unsere Zukerfabriken einen großen Nachtheil erleiden mußten, wenn ein großer
                              Theil der Knochen unserer Fleischereien zu Duͤnger verwendet wuͤrde. Allein es ist
                              gewiß, daß die Menge Knochen, die unsere Fleischereien liefern, mehr als hinreichend
                              ist, um sowohl die Fabriken thierischer Kohle, als die Knochenmehlfabriken zu
                              versehen, und wenn sie sich auch auf dem hoͤchsten Grade von Bluͤthe
                              befanden. Die Fabriken thierischer Kohle werden nicht mehr als den vierten Theil der
                              Knochen, welche Frankreich liefert, brauchen, selbst wenn unsere Zukerfabriken einst
                              den Zukerbedarf von ganz Frankreich erzeugen werden. Das Departement der Seine
                              verbraucht z.B. gegenwaͤrtig jaͤhrlich 48,000,000 Kilogrammen Fleisch,
                              welche beilaͤufig 12,000,000 Kilogrammen Knochen geben. Von diesen Knochen
                              geht die Haͤlfte verloren, denn fuͤr die Fabriken thierischer Kohle
                              und fuͤr die Salmiakfabriken werden jaͤhrlich nur 5,800,000
                              Kilogrammen in feuchtem Zustande eingesammelt. Hieraus erhellt, daß in einem
                              einzigen Departement 6,200,000 Kilogrammen Knochen unbenuzt bleiben; rechnet man
                              hiezu noch die Knochen der Thiere, welche jaͤhrlich an Krankheiten zu Grunde
                              gehen, so wie die Knochen, die man aus Leichenaͤkern, die nach Jahrhunderten
                              ausgeleert werden, erhalten koͤnnte, so wird man zu einer ungeheuren Summe
                              gelangen, und die Ueberzeugung gewinnen, daß man getrost einen großen Theil der
                              Knochen zu Duͤnger mahlen darf, ohne befuͤrchten zu muͤssen,
                              daß irgend eine andere Fabrik, in welcher die Knochen gleichfalls verwendet werden,
                              irgend einen Schaden leide. Und gesezt auch, unser Viehstand wuͤrde nicht
                              ausreichen, um den Bedarf unseres Akerbaues und der verschiedenen Industriezweige an
                              Knochen zu deken, koͤnnte man dann nicht durch die Einfuhr zu Huͤlfe
                              kommen? Ließe sich nicht auch die ungeheure Menge von Muscheln, die sich an unseren
                              Kuͤsten finden, als Duͤnger benuzen, wie Hr. Masclet vorschlaͤgt? Ist nicht zu hoffen, daß sich unsere
                              Nahrungsweise von Jahr zu Jahr bessern, und daher der Verbrauch an Fleisch, und mit
                              diesem die Menge der Knochen zunehmen wird? Wie lang soll es noch dauern, daß
                              England seinen Einwohnern im Durchschnitte zwei Mal so viel Fleisch liefert, als
                              Frankreich?
                           Ich habe nun nur noch anzugeben, auf welche Weise die Knochen als Duͤnger
                              wirken, und in dieser Hinsicht kann ich nichts Besseres thun, als die Worte des
                              beruͤhmten d'Arcet anfuͤhren, der sich auch
                              mit diesem Gegenstande theoretisch und praktisch beschaͤftigte. Er sagt
                              naͤmlich: „Ich glaube, daß bei der Anwendung der Knochen als
                                 Duͤnger, das Fett, welches sie enthalten und welches durch die
                                 Waͤrme der Sonne geschmolzen wird, zum Theil von der Erde absorbirt wird;
                                 daß dann die chemische Zersezung eintritt; daß ein Theil des Fettes und der
                                 Gallerte der Knochen in Ammonium verwandelt wird; daß dieses Ammonium mit dem
                                 uͤbrigen Fette und mit der Gallerte eine Seife bildet, wodurch dieses Fett im
                                 Regenwasser aufloͤslich wird, und daß diese aufgeloͤste und vom
                                 Regenwasser auf dem Boden vertheilte Seife als Duͤnger wirkt. Dieß dauert
                                 aus gleichen Gruͤnden so lang fort, als Fett und Gallerte in den Knochen
                                 enthalten ist; allein diese Einwirkung erfolgt auch um so langsamer, je
                                 haͤrter, diker und aͤlter die Knochen sind. Eben weil die Knochen
                                 eine beinahe unmerkliche Zersezung erleiden, und im Durchschnitte doch 40
                                 Procent thierische Materie enthalten, geben sie einen Duͤnger, der so
                                 anhaltend und in seinen Wirkungen so sicher und bestaͤndig ist. Auf
                                 dieselbe Weise wirken wahrscheinlich noch eine Menge andere Duͤngerarten,
                                 wie z.B. das Horn, die Haare, altes Leder und verschiedene thierische
                                 Abfaͤlle.“
                              
                           Ich wuͤnschte, daß diese Betrachtungen etwas zur Einfuͤhrung der
                              Knochen als Duͤnger in Frankreich beitragen moͤchten, und
                              wuͤrde mich gluͤklich schaͤzen, wenn ich im Stande gewesen
                              waͤre dazu mitzuwirken.
                           
                        
                           Zusaz zu Girardin's Aufsaz uͤber das Knochenmehl als
                                 Duͤnger.
                           Wir fuͤgen hier, um den von Hrn. Girardin
                              hervorgehobenen Nuzen des Knochenmehles als Duͤnger noch mehr zu
                              bekraͤftigen, und um unsere deutschen Landleute darauf aufmerksam zu machen,
                              welchen Nuzen die Englaͤnder aus den Knochen ihres Rindviehes, und sogar aus
                              ihren eigenen deutschen Knochen zu ziehen wissen, folgenden Zusaz bei, der aus dem
                              Repertory of Patent-Inventions April 1832
                              entnommen ist. Die Anwendung des Knochenmehles als Duͤnger ist in England
                              noch immer im Zunehmen, und der Nuzen und die vortrefflichen Wirkungen desselben
                              sind so anerkannt, daß es zum Sprichworts geworden ist, daß eine Tonne deutsches
                              Knochenpulver die Einfuhr von 10 Tonnen deutschem Getreide erspart. So wie Malta
                              seine nakten Felsen einst mit fremder herbeigefuͤhrter Erde bedekte, so macht
                              jezt England seine thonigen und sandigen Heiden, so wie seine kalten, nassen und
                              aͤrmsten Gruͤnde mit deutschen Knochen zu fruchtbarem Lande. Die
                              Ausfuhr des Knochenmehles aus Nord-Deutschland hat so zugenommen, daß man in
                              einigen, an der Nordsee gelegenen Orten, um die Nachfrage und Ausfuhr befriedigen zu
                              koͤnnen, bereits alte Kirchhoͤfe aufgegraben, und die ausgegrabenen
                              Knochen auf den Knochenmuͤhlen gemahlen hat! Aus den Versuchen, welche ein
                              gewandter Oekonom vergleichsweise mit dem Knochenmehle und dem besten
                              Stallduͤnger anstellte, ergibt sich, daß sich erstens zu lezterem
                              verhaͤlt: in Hinsicht auf die Guͤte des Getreides, wie 7 zu
                              5–2; in Hinsicht
                              auf die Menge des Ertrages wie 5 zu 4–3; und in Hinsicht auf die Dauer der
                              Kraft des Bodens wie 3 zu 2. Außerdem hat das Knochenmehl noch folgende Vortheile:
                              1) vermindert es das Unkraut; 2) macht es die Brache unnoͤthig, oder
                              oͤfter entbehrlich; 3) ist es leichter zu verfahren, leichter auszustreuen,
                              und leichter an schwer zugaͤngliche Orte zu bringen; 4) macht es den Akerbau
                              ohne Viehzucht und Wiesenbau moͤglich. Alles dieß sind Vortheile, die wohl zu
                              beruͤksichtigen sind, und die auch bei uns eine haͤufigere Anwendung
                              des Knochenmehles als Duͤnger begruͤnden sollten.
                           A. d. Ueb.