| Titel: | Bemerkungen über eine neue Art Häfen zu bauen. Von Wilhelm Matheson, Civil-Ingenieur. | 
| Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. XCVIII., S. 443 | 
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                        XCVIII.
                        Bemerkungen uͤber eine neue Art
                           Haͤfen zu bauen. Von Wilhelm Matheson, Civil-Ingenieur.
                        Aus dem Edinburgh Journal of Science New Series. Nr.
                              IX. S. 83.
                        Matheson, uͤber eine neue Art Haͤfen zu
                           bauen.
                        
                     
                        
                           Die Wichtigkeit guter Haͤfen fuͤr ein Handel und Schifffahrt treibendes
                              Volk ist allgemein anerkannt; das commercielle Uebergewicht, welches England
                              erreichte, hat daher auch natuͤrlich die Aufmerksamkeit aller derer, die bei
                              der Ausdehnung des Handels interessirt sind, auf die Verbesserung der Haͤfen
                              gelenkt. Ja vielleicht wurde der Verstand und das Genie der Ingenieurs niemals zu
                              einem groͤßeren und nuͤzlicheren Zweke benuzt, als gerade in diesem
                              Falle. Viele große und herrliche Werke wurden bereits mit ungeheuren Kosten erbaut,
                              und viele derselben befriedigten auch die Erwartungen der Unternehmer.
                           Die Errichtung von solchen Bauten innerhalb der Fluthmarke ist immer mit
                              Schwierigkeit und großen Kosten verbunden; es waͤre daher um so mehr zu
                              bedauern, wenn der Vortheil solcher kostspieliger Unternehmungen nach ihrer
                              Vollendung durch irgend einen nicht vorhergesehenen Umstand vereitelt wuͤrde:
                              ein Fall, der leider nur zu oft schon bei solchen Operationen eintrat.
                           Unter allen diesen verborgenen Schaͤdlichkeiten hat nun gewiß keine einen
                              groͤßeren und tieferen Einfluß, als die Tendenz der Fluth oder gewisser
                              Bewegungen des Wassers Schmuz und Sand an Stellen anzuhaͤufen, die
                              eingeschlossen wurden, und an welchen durch solche Umschließungen eine
                              Veraͤnderung in den Stroͤmungen erzeugt wurde.
                           Diese Neigung zum Versanden trifft man an allen Orten, an welchen groͤßere
                              Mengen Sandes dem Einflusse der Ebbe und Fluth oder der Bewegung der Wasser ausgesezt sind, und in
                              mechanischer Verbindung mit dem Wasser durch die Fluth oder durch eine eigene
                              Stroͤmung des Wassers leicht von einer Stelle auf eine andere geworfen werden
                              koͤnnen. Am maͤchtigsten unter allen diesen Bewegungen wirkt jedoch
                              jene, die durch die Heftigkeit der Winde hervorgebracht wird.
                           Die Bewegung des Sandes hat gewoͤhnlich in einer dem Zuge des Windes
                              entgegengesezten Richtung Statt, wie man dieß auch schon an Pfuͤzen und Seen
                              sehen kann, an welchen der Sand, wenn das Wasser durch den Wind unruhig gemacht
                              wird, immer unter den Ufern der Wetterseite Schuz sucht. Dieß wird jedoch
                              spaͤter noch deutlicher werden.
                           In Folge dieser Neigung zum Versanden sind die Muͤndungen aller
                              Fluͤsse, alle flachen Ufer, alle Baien und Seebuchten, in welche die Fluth
                              mit großer Gewalt eindringt, mehr oder weniger der Gefahr ausgesezt, daß sich
                              Sandbaͤnke an denselben bilden, wenn sich viel Sand in diesen Gegenden
                              befindet. Beispiele dieser Art findet man an den Haͤfen von Aberdeen, Dundee,
                              Dublin und vielen anderen Orten; ja es laͤßt sich sogar im Allgemeinen
                              behaupten, daß sich noch an allen Haͤfen, die an Fluͤssen erbaut
                              wurden, an der Muͤndung des Flusses Sandbaͤnke bildeten, oder daß sich
                              der Hafen selbst versandete.
                           Da ich mich schon sehr fruͤh mit verschiedenen Hafenbauten
                              beschaͤftigte, und seither durch mehr als 30 Jahre meine Aufmerksamkeit auf
                              dieselben gerichtet hatte, so wurde ich immer mehr mit den Nachtheilen des
                              Versandens der Haͤfen vertraut. Diese Nachtheile und den Schaden, der durch
                              das Mißlingen so kostspieliger Arbeiten erwachsen muß, immer im Auge behaltend, und
                              immer den Wunsch hegend, ein Mittel aufzufinden, durch welches sich denselben
                              abhelfen ließe, entdekte ich endlich durch Zufall in dem Hafen von Pulteney Town
                              einen Umstand, der mich auf eine Theorie zur Beseitigung derselben brachte.
                           Man hatte naͤmlich, waͤhrend die uͤbrigen Hafenbauten fortgesezt
                              wurden, in dem inneren Pfeiler oder Damme beinahe ein Jahr lang eine Oeffnung
                              gelassen, durch welche die zuruͤktretende Fluth, von dem Landstrome
                              unterstuͤzt, in den Hafen eintrat, darin rund herum floß, und dann bei der
                              Muͤndung wieder austrat. Hiedurch blieb der Hafen von aller Neigung zum
                              Versanden vollkommen frei; so wie aber die Arbeiten ganz vollendet und diese
                              Oeffnung verschlossen worden war, haͤufte sich alsbald eine solche Menge Sand
                              in demselben an, daß er selbst fuͤr Schiffe von geringer Tonnenladung
                              unzugaͤnglich wurde, und daß nichts Anderes uͤbrig blieb, als
                              neuerdings eine große
                              Summe auf die Anlage eines aͤußeren Hafens zu verwenden, der wahrscheinlich
                              bald dasselbe Schiksal haben wird.
                           Der Wink, den mir der Zufall gegeben hatte, brachte mich auf die Idee,
                              Seehaͤfen mit solchen kuͤnstlichen Oeffnungen zu erbauen, daß das
                              Wasser in Folge derselben seine natuͤrliche Bewegung beibehaͤlt, und
                              daß weder ein Wirbeln, noch ein Stagniren des Wassers entsteht, durch welches
                              Leztere der Sand und das Geroͤll abgesezt wird, waͤhrend er durch
                              Ersteres von einer Stelle auf eine andere getrieben wird.
                           Mein Plan ist nun ganz kurz folgender. Wo immer ein Hafen errichtet, oder ein
                              aͤlterer ausgedehnt werden soll, und wo eine Neigung zum Versanden vorhanden,
                              schlage ich vor, den Grund solid aus Steinen zu legen, und hierauf Bogen von solcher
                              Hoͤhe zu bauen, daß die Schiffe, die in den Hafen einlaufen, nicht
                              beeintraͤchtigt werden, und auf diese Bogen wieder ein solides
                              Gebaͤude aufzufuͤhren, durch welches die Schiffe hinlaͤnglich
                              geschuͤzt sind. Die Oeffnungen muͤssen der Tiefe des Wassers
                              angemessen seyn, und der Fluch freien Durchgang gestatten.
                           Es scheint mir unnoͤthig hier in Details uͤber die Art und Weise
                              einzugehen, auf welche die Bauten gefuͤhrt und die Bogen gebaut werden
                              sollen, da dieß nach Umstaͤnden verschieden geschehen muß. Es ist genug, wenn
                              man mir zugibt, daß unter dem Wasser eben so gut Mauern mit Bogen, als solide Mauern
                              aufgefuͤhrt werden koͤnnen; denn gibt man dieß zu, so ist offenbar,
                              daß die Bewegung der Fluth sowohl beim Vorwaͤrtsschreiten, als beim
                              Zuruͤkgehen durch diese Bogen gehen, und in beiden Faͤllen das mit
                              sich fortnehmen muß, was sich mechanisch schwebend in derselben befindet, und daß
                              die Bewegung, welche dadurch auf dem Grunde des Hafens unterhalten wird, das
                              Ablagern von Sand verhindern wird.
                           Die besondere Einrichtung der Haͤfen, die ich hier angegeben habe, beugt auch
                              noch einer anderen Art von Versandung, die ich oben bereits kurz beruͤhrt
                              habe, vor. Es ist eine bekannte Thatsache, und jeder aufmerksame Beobachter der
                              Thaͤtigkeit der Natur wird es selbst schon beobachtet haben, daß alle
                              schwimmenden Substanzen, und besonders jene, die nicht bis auf die
                              Oberflaͤche des Wassers emporkommen, bei einem Landwinde sich dem Ufer
                              naͤhern, bei einem entgegengesezten Winde sich aber davon entfernen. Dieß
                              scheint nun davon herzuruͤhren, daß der Wind die obere Schichte des Wassers
                              vom Lande wegtreibt, und dadurch die unteren Schichten zwingt, sich dem Lande zu
                              naͤhern, um die Stelle des vertriebenen Wassers durch eine entgegengesezte
                              Stroͤmung wieder zu ersezen. Diese tiefere Stroͤmung sieht man am
                              deutlichsten in ihren Wirkungen, wenn die Fluth in einer dem Winde entgegengesezten Richtung
                              stroͤmt oder ebbt, indem dann die von ihr gefuͤhrten schwebenden
                              Substanzen abgelagert werden. Die Folge hiervon ist, daß, wenn irgendwo in einer
                              Wasserstroͤmung, die die Neigung zum Versanden hat, große solide
                              Gebaͤude aufgefuͤhrt werden, und wenn diese Gebaͤude
                              laͤngs des Ufers laufen, der Landwind, der uͤber dieselben hinzieht,
                              seewaͤrts von diesen Gebaͤuden eine Sandbank erzeugt, und daß diese
                              Sandbank gerade an die Muͤndung des Hafens zu liegen kommen wird, wenn diese
                              Muͤndung in einer Linie mit dem aufgefuͤhrten Gebaͤude liegt.
                              Die Richtigkeit dieser Behauptung ist nur zu sehr durch den Sand, der sich bereits
                              im Ruͤken des Binnenhavens zu Leith, an dem steinernen Pfeiler zu Newhaven,
                              und vielen anderen Orten absezt, erwiesen.