| Titel: | Ueber die antiseptischen Eigenschaften des salzsauren Zinnoxyds; von Hrn. Tauffier. | 
| Fundstelle: | Band 47, Jahrgang 1832, Nr. XXVI., S. 119 | 
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                        XXVI.
                        Ueber die antiseptischen Eigenschaften des
                           salzsauren Zinnoxyds; von Hrn. Tauffier.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Aug. 1832, S.
                              552.
                        Tauffier, uͤber salzsaures Zinnoxyd.
                        
                     
                        
                           Man hat bisher zur Aufbewahrung thierischer Substanzen den Alkohol benuzt, welcher
                              aber mehrere Nachtheile darbietet, die seine Faͤulniß verhindernden
                              Eigenschaften in vielen Faͤllen beinahe unnuͤz machen koͤnnen.
                              Ohne den hohen Preis dieser Fluͤssigkeit, wodurch sie fuͤr große
                              anatomische Praͤparate sehr kostspielig wird, in Anschlag zu bringen, darf
                              ich nur an die fast zerstoͤrende Wirkung derselben auf die thierischen Gewebe
                              erinnern, um den Nuzen einer Fluͤssigkeit, welche nicht dieselben Nachtheile
                              besizt, einleuchtend zu machen.
                           Es wurden schon verschiedene Substanzen als Ersazmittel des Alkohols in Vorschlag
                              gebracht, bis jezt hat aber keine davon sich wirklich als vorzuͤglicher
                              erwiesen.
                           
                           Aufloͤsungen von Kochsalz, Salpeter, Alaun,
                                 schwefelsaurem Zink, von denen man behauptete, daß sie die Faͤulniß
                              verzoͤgern koͤnnten, widersezen sich nur schwach der Desorganisation
                              der Theile.
                           Der aͤzende Queksilbersublimat schuͤzt wohl
                              die thierischen Substanzen gegen die Faͤulniß, bewirkt aber daß sie
                              einschrumpfen, entfaͤrbt sie und macht sie endlich unkenntlich, durch die
                              chemische Wirkung die er auf sie ausuͤbt; mehrere Beispiele haben
                              uͤberdieß gezeigt, daß die Anwendung dieses Queksilbersalzes nicht ohne
                              Gefahr fuͤr den Operateur ist.
                           Das schwefelsaure Eisenperoxyd, welches man ebenfalls als
                              antiseptische Fluͤssigkeit empfahl, hat den Uebelstand, daß es nach einiger
                              Zeit die Theile, welche man conserviren will, mit einer gelben Kruste von basisch
                              schwefelsaurem Eisenoxyd uͤberzieht. Um mich davon zu uͤberzeugen,
                              tauchte ich in eine Aufloͤsung von schwefelsaurem Eisenperoxyd, welche 3
                              Jahre lang der Luft ausgesezt worden war, Muskelfleisch; es widerstand darin 11
                              Monate der Faͤulniß, uͤberzog sich aber nach und nach mit einer Kruste
                              basisch schwefelsauren Eisens, welche die organische Structur des Gegenstandes
                              unkenntlich machte: die Fluͤssigkeit wurde farblos und anstatt des
                              schwefelsauren Eisenperoxyds enthielt sie nur noch schwefelsaures Eisenprotoxyd.
                           Eine Aufloͤsung von schwefeliger Saͤure in
                              Wasser erhaͤlt die thierischen Gewebe viel besser als die zuvor
                              angefuͤhrten Substanzen, wenigstens veraͤndert sie die
                              natuͤrliche Textur der Theile nicht so schnell. Ich konnte darin bis auf
                              diesen Tag fast ohne Veraͤnderung ein Stuͤk Muskelfleisch aufbewahren,
                              welches ich 10 Monate lang in eine schwache Aufloͤsung von schwefeliger
                              Saͤure getaucht ließ. Die Fluͤssigkeit blieb durchsichtig, die
                              Fleischfibern wurden viel kenntlicher und behielten ihre rothe Farbe ganz bei; seit
                              Verlauf des fuͤnften Monats fangen aber die sehnigen Theile und das
                              Zwischenzellgewebe an, sich in einen gallertartigen und durchsichtigen Brei zu
                              verwandeln, der dem Eiweiß aͤhnlich ist.
                           Hr. John Davy bediente sich zuerst dieser Saͤure
                              zur Aufbewahrung der Cabinetsstuͤke und beschraͤnkte sich darauf
                              dieselben hineinzutauchen. Ich wollte mich uͤberzeugen, ob die
                              Aufloͤsung der schwefeligen Saͤure eine eben so dauernde Wirkung auf
                              die fleischigen Substanzen aͤußert, wenn man dieselben bloß damit befeuchtet.
                              In dieser Absicht stellte ich mehrere Versuche in dem anatomischen Amphitheater der
                              Straßburger Universitaͤt unter der Aufsicht des Hrn. Lauth an, welcher die anatomischen Arbeiter dirigirt. Ein Arm, der zum
                              Studium der Angiologie gedient hatte, bot alle Kennzeichen der Faͤulniß dar
                              (er war von einem 20 Tage alten Leichnam). Eine klebrige Substanz, die sich
                              unaufhoͤrlich auf der Oberflaͤche der Muskeln einstellte, machte ihre
                              Section immer schwieriger. Man befeuchtete die Haͤlfte des Gegenstandes
                              schwach mit verduͤnnter schwefeliger Saͤure und ließ es in einer
                              Temperatur von ungefaͤhr 12 Grad. Am anderen Tage war der befeuchtete Theil
                              vollkommen glatt, etwas roͤthlich und ungefaͤhr in demselben Zustande
                              wie den Abend zuvor, waͤhrend die zunaͤchst befindlichen Theile
                              schwach und mit einer klebrigen Substanz uͤberzogen waren, auch einen faulen
                              Geruch verbreiteten. Ein Wadenmuskel wurde in Werg eingehuͤllt, das mit
                              schwefeliger Saͤure getraͤnkt war und der gewoͤhnlichen
                              Temperatur von ungefaͤhr 12° ausgesezt: nach vier Wochen war er noch
                              so frisch wie den ersten Tag. Die schwefelige Saͤure scheint also vor anderen
                              Substanzen den Vorzug zu verdienen, wenn es sich darum handelt, die Fortschritte der
                              Faͤulniß nur einige Zeit lang aufzuhalten, und sie kann in dieser Hinsicht
                              den Anatomen sehr gute Dienste leisten, um die Section von Cabinetsstuͤken,
                              die viel Arbeit erheischen, zu erleichtern. Zur bestaͤndigen Aufbewahrung
                              anatomischer Praͤparate scheint sie sich aber nicht so gut wie der Alkohol zu
                              eignen, weil sie nach und nach die Theile, womit sie in Beruͤhrung ist,
                              erweicht.
                           Unter den verschiedenen salzigen, alkalischen oder sauren Aufloͤsungen, deren
                              faͤulnißwidrige Eigenschaften ich untersuchte, scheint bloß das salzsaure Zinnoxyd, wenigstens in den meisten
                              Faͤllen, vor dem Alkohol den Vorzug zu verdienen. Ich tauchte im Monat Junius
                              1831 Muskelfleisch mit Zellgewebe, das mit Fett gefuͤllt war, in eine
                              verduͤnnte Aufloͤsung dieses Metallsalzes. Diese Theile erhielten sich
                              darin ganz frisch; die blutroth gefaͤrbten wurden zwar etwas
                              braͤunlich, erlitten uͤbrigens nicht die geringste
                              Veraͤnderung, weder in der Consistenz noch im Aussehen. Ich zeigte diese
                              Gegenstaͤnde mehreren Anatomen, welche sich nicht wenig verwunderten sie nach
                              so langer Zeit noch ganz unversehrt zu finden.
                           Aehnliche Versuche stellte ich mit verschiedenen anderen thierischen Geweben, z.B.
                              mit den Schleimhaͤuten und anfeuchtenden Haͤuten der Lunge, der Leber,
                              der Milz etc. an. Alle diese Theile blieben fuͤnf Wochen lang in einer
                              Aufloͤsung von 1 Theil salzsauren Zinnperoxyds in 30 Theilen Wasser, ganz
                              unveraͤndert. Ein anderes Stuͤk, das hauptsaͤchlich aus
                              Muskeltheilen bestand, und einige Zeit lang in eine Aufloͤsung von salzsaurem
                              Zinnoxyd getaucht worden war, ließ ich in einer irdenen Schuͤssel liegen,
                              nachdem es in Wasser ausgewaschen worden war; nach zehn Tagen zeigte es noch keine
                              Spur von Veraͤnderung, obgleich es noch ganz von Feuchtigkeit durchdrungen
                              war; an der Luft troknete es aus, ohne eine Zersezung zu erleiden. Das salzsaure
                              Zinnperoxyd kann also mit Erfolg angewandt werden, theils um frische Gegenstaͤnde
                              aufzubewahren, theils und ihre Austroknung zu beguͤnstigen, je nachdem man
                              das eine oder andere beabsichtigt. Man nimmt hiezu eine Aufloͤsung von 1 Th.
                              salzsaurem Zinnoxyd in 20 Th. Wasser, welches mit Salzsaͤure
                              geschaͤrft ist. Das salzsaure Zinnoxyd, wie man es aus den chemischen
                              Fabriken (in Frankreich) erhaͤlt, ist hiezu nicht anwendbar, weil seine
                              Aufloͤsung sich an der Luft truͤbt und basisch salzsaures Zinnoxyd
                              absezt, welches die thierischen Theile uͤberziehen wuͤrde. Man muß
                              sich eines Zinnoxydsalzes bedienen, das kein Zinnprotoxyd (Zinnoxydul)
                              enthaͤlt und ein solches erhaͤlt man leicht, wenn man
                              gekoͤrntes Zinn in Koͤnigswasser aufloͤst.
                           Anatomische Gegenstaͤnde, welche noch die knochigen Theile enthalten, muß man
                              zuvor einige Zeit lang in Wasser liegen lassen, das mit Salzsaͤure
                              geschaͤrft ist, um die Kalksalze aufzuloͤsen, auf welche sonst das
                              salzsaure Zinn wirken wuͤrde; alsdann lassen sie sich ohne Nachtheil in der
                              Aufloͤsung des Metallsalzes aufbewahren.Dem Journ. de Pharm. zu Folge hat Hr. Soubeiran gefunden, daß sich Leichname wenn man
                                    sie in Wasser, welches mit Schwefelsaͤure geschaͤrft ist, nur
                                    einige Stunden lang liegen ließ, fuͤnfzehn Tage lang aufbewahren
                                    lassen, ohne daß eine Faͤulniß eintritt. Die Details seiner Versuche
                                    werden spaͤter bekannt gemacht werden. A. d. R.