| Titel: | Ueber das Naphthalin und zwei neue Verbindungen des Kohlenstoffs mit dem Wasserstoff; von Hrn. Dumas. | 
| Fundstelle: | Band 47, Jahrgang 1832, Nr. XXXIX., S. 199 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber das Naphthalin und zwei neue Verbindungen
                           des Kohlenstoffs mit dem Wasserstoff; von Hrn. Dumas.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. Junius 1832, S.
                              182.
                        (Im
                              Auszuge.)
                        Dumas, uͤber das Naphthalin.
                        
                     
                        
                           Von den zwei neuen Verbindungen des Wasserstoffs mit dem Kohlenstoff scheint
                              wenigstens eine mit dem Naphthalin isomer zu seyn.
                           Naphthalin. Das Naphthalin ist eine sehr
                              merkwuͤrdige Verbindung von Kohlenstoff mit Wasserstoff, welche von Kidd entdekt und von Faraday
                              zuerst genauer untersucht wurde; durch lezteren lernten wir ihre Zusammensezung und
                              ihre auffallendsten und wichtigsten Eigenschaften kennen. In der lezteren Zeit
                              wurde sie in Frankreich von Laurent
                              Polytechnisches Journal Bd. XLI. S.
                                       64. A. d. R. und in Deutschland von Reichenbach, Oppermann,
                                 Woͤhler und Liebig untersucht.
                           Das Naphthalin schmilzt bei 79° C. und kocht bei 212° C. Die
                              Dichtigkeit seines Dampfes ist nach meinen Versuchen gleich 4,528 und ein Liter
                              seines Dampfes wiegt 5,882 Gramme.
                           Nach den Analysen von Faraday und Laurent enthaͤlt das Naphthalin 5 Atome Kohlenstoff und 2 Atome
                              Wasserstoff. Diese Zusammensezung stimmt mit der Dichtigkeit des Dampfes
                              uͤberein, welche ich gefunden habe und leztere beweist, daß jedes Volumen
                              Naphthalin enthaͤlt:
                           
                              
                                 10 Vol.
                                    Kohlenstoff          
                                 4,213
                                 
                              
                                   4 Vol. Wasserstoff
                                 0,2752
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                   1 Vol. Naphthalin
                                 4,4882
                                 
                              
                           Anderer Seits geben uns die fruͤheren Versuche von Faraday und die neueren von Woͤhler und
                              Liebig ein Mittel an die Hand, das Atomgewicht des
                              Naphthalins zu berechnen. Nach diesen lezteren, welche ein reineres Product
                              angewandt zu haben scheinen, erfordern 13,92 Schwefelsaͤure zu ihrer
                              Saͤttigung 45,58 Naphthalin, wonach das Atomgewicht dieser Substanz 1641 ist.
                              Nimmt man 4 Vol. Naphthalindampf, so findet man folgende Resultate:
                           
                              
                                 40 Atome
                                    Kohlenstoff          
                                 1530,4
                                 
                              
                                 16 Atome Wasserstoff
                                   100,0
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                   1 Atom Naphthalin
                                 1630,4
                                 
                              
                           Die Uebereinstimmung dieser beiden Zahlen beweist, daß das Naphthalin dem
                              gewoͤhnlichen oͤhlerzeugenden Gas
                              (Doppelt-Kohlenwasserstoffgas) vollkommen aͤhnlich ist. Wie bei diesem
                              lezteren entspricht jedes Atom vier Volumen.
                           Ich habe besonders das Verhalten des Chlors zum Naphthalin genau untersucht. Wenn das
                              Naphthalin mit Chlor in Beruͤhrung gebracht wird, so schmilzt es zuerst,
                              indem es sich mit demselben verbindet. Bald wird aber die Masse neuerdings fest, und
                              man erhaͤlt eine eigenthuͤmliche Verbindung, deren Verhalten bei der
                              Destillation und zu den Alkalien weiter unten angegeben ist. Waͤhrend dieser
                              Einwirkung entwikelt sich Chlorwasserstoffsaͤure. Diese Verbindung gab bei
                              der Analyse:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Berechnet.
                                 
                              
                                 Wasserstoff          
                                     3,12
                                     2,94
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   44,69
                                   45,00
                                 
                              
                                 Chlor
                                   52,19
                                   52,06
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00     
                                 100,00
                                 
                              
                           
                           Das Resultat wurde nach der Formel Ch² + C¹ºH⁴ berechnet,
                              welche 2 Vol. Chlor und 1 Vol. Naphthalin entspricht. Die Verbindung enthaͤlt
                              folglich zwei Mal so viel Chlor als das Oehl des oͤhlerzeugenden Gases im
                              Verhaͤltniß zu dem Kohlenwasserstoff, der ihr zur Basis dient. Verbindet sich
                              nun das Chlor geradezu mit dem Naphthalin oder mit einer auf seine Kosten gebildeten
                              weniger Wasserstoff enthaltenden Substanz? Daß in dem Naphthalin der Kohlenstoff zum
                              Wasserstoff in dem Verhaͤltniß von 5 At. zu 2 At. steht und wir in dem
                              Naphthalinchloruͤr dasselbe Verhaͤltniß wieder finden, scheint
                              fuͤr die Ansicht zu sprechen, daß das Naphthalin in diesem Chloruͤr
                              unveraͤndert ist; die Sache wird aber durch den Umstand, daß sich
                              waͤhrend der Entstehung des Naphthalinchloruͤrs Salzsaͤure
                              entwikelt, etwas zweifelhaft.
                           Das Naphthalin ist also eine Verbindung, welche man als aus 10 Vol. Kohlenstoff und 4
                              Wasserstoff bestehend betrachten muß; dabei ist aber zu bemerken, daß das
                              Atomgewicht des Kohlenstoffs noch nicht ganz genau bestimmt ist, was auf
                              Berechnungen dieser Art keinen unbedeutende Einfluß hat.
                           Laurent hat gezeigt daß das Naphthalin ganz gebildet in
                              dem Steinkohlentheer vorhanden, aber darin durch ein Oehl aufgeloͤst ist,
                              oder vielmehr daß es darin in einer Verbindung vorkommt, woraus man es schwer und
                              fast unmoͤglich unmittelbar trennen kann. Erst wenn man diesen Theer lange
                              Zeit der Luft aussezt, deren Sauerstoff er ohne Zweifel absorbirt, laͤßt sich
                              das Naphthalin leicht ausziehen. Man erhaͤlt dasselbe Resultat, wenn man den
                              Theer, oder das Oehl, welches ihn bei der Destillation liefert, mit einem Strom
                              Chlor behandelt. Es bildet sich dabei eine große Menge Chlorwasserstoffsaͤure
                              und das Naphthalin laͤßt sich hierauf leicht isoliren. Hieraus schließt Laurent, daß das Naphthalin wahrscheinlich als solches,
                              aber in chemischer Verbindung, in dem Theer vorhanden ist.
                           Hr. Reichenbach hat aus seinen eigenen Versuchen einen
                              ganz entgegengesezten Schluß gezogen; wenn man aber seine Abhandlung aufmerksam
                              liest, so uͤberzeugt man sich, daß die meisten seiner Resultate eine Revision
                              beduͤrfen, denn er kannte nicht die geeigneten Verfahrungsarten, um das
                              Naphthalin in den oͤhligen Fluͤssigkeiten aufzufinden, worin er es
                              vergebens suchte.
                           Paranaphthalin. Das Paranaphthalin kommt mit dem
                              Naphthalin in dem Steinkohlentheer vor, aus welchem ich es in Gesellschaft des Hrn.
                              Laurent darstellte. Wir haben es auch
                              gemeinschaftlich untersucht. Man ist heut zu Tage in der organischen Chemie noch
                              nicht so weit vorgeschritten, daß sich die Erscheinungen bei der Destillation des
                              Steinkohlentheers genau erklaͤren ließen; wir begnuͤgen uns daher so viel davon zu
                              sagen, als noͤthig ist, um den Versuch mit Erfolg wiederholen zu
                              koͤnnen.
                           Es lassen sich bei der Destillation des Steinkohlentheers vier Epochen
                              unterscheiden.
                           Das erste Product ist eine oͤhlige Substanz, welche viel reines Naphthalin
                              liefert.
                           Das zweite Product ist auch noch oͤhlig, liefert aber zugleich Naphthalin und
                              Paranaphthalin, die man durch Alkohol von einander trennen kann.
                           Das dritte Product ist klebrig. Es enthaͤlt so zu sagen nur Paranaphthalin,
                              aber außerdem eine klebrige Substanz, welche seine Reinigung sehr schwierig
                              macht.
                           Das vierte und lezte Product endlich unterscheidet sich von dem vorhergehenden nur
                              dadurch, daß es auch die roͤthlichgelbe oder orangefarbige Substanz
                              enthaͤlt, welche sich gegen das Ende aller Destillationen dieser Art
                              zeigt.
                           Um das Paranaphthalin aus dem zweiten dieser Products auszuziehen, braucht man es nur
                              auf 10° unter Null abzukuͤhlen. Das Paranaphthalin sezt sich in
                              krystallinischen Koͤrnern ab; man bringt es auf Leinewand, um es
                              auszudruͤken und behandelt es sodann mit Alkohol, welcher die
                              ruͤkstaͤndige oͤhlige Substanz, nebst dem Naphthalin
                              aufloͤst, das Paranaphthalin aber fast gaͤnzlich
                              zuruͤklaͤßt. Wenn man das Paranaphthalin dann zwei oder drei Mal
                              destillirt, so erhaͤlt man es sehr rein.
                           Das dritte und vierte Product erfordern eine verschiedene Behandlung. Man
                              loͤst das Ganze in moͤglichst wenig Terpenthinoͤhl auf und sezt
                              diese Aufloͤsung einer Kaͤlte von 10° unter Null ausDas Paranaphthalin wird vorher in Terpenthinoͤhl aufgeloͤst,
                                    damit es in etwas harten Koͤrnern krystallisiren kann; ohne diese
                                    Vorsichtsmaßregel koͤnnte man es von der dasselbe begleitenden
                                    oͤhligen Substanz nicht durch Auspressen trennen. A. d. O.. Das Paranaphthalin krystallisirt und kann leicht auf Leinewand gesammelt
                              werden. Es wird nun ausgepreßt, mit Alkohol ausgesuͤßt und durch Destillation
                              gereinigt.
                           Das Paranaphthalin schmilzt erst bei 180°, waͤhrend das Naphthalin bei
                              79° schmilzt. Es kocht erst bei einer Temperatur uͤber 300°,
                              waͤhrend das Naphthalin bei 212° kocht.
                           Das Paranaphthalin kann ohne eine Veraͤnderung zu erleiden, destillirt werden,
                              wenigstens vermindert sich das Volumen des kehligen Ruͤkstandes, welchen es
                              anfangs hinterlaͤßt, so weit, daß er zulezt fast unwaͤgbar wird. Es
                              sublimirt sich leicht, ehe es in Fluß kommt, und verdichtet sich in gut ausgebildeten
                              blaͤtterigen. Krystallen ohne bestimmbare Form.
                           Das Paranaphthalin ist in Wasser unaufloͤslich. Es loͤst sich selbst in
                              kochendem Alkohol kaum auf und schlaͤgt sich aus demselben in Floken nieder,
                              wodurch es sich sehr leicht von dem Naphthalin unterscheiden laͤßt, welches
                              sich reichlich in siedendem Alkohol aufloͤst und daraus in
                              voluminoͤsen Krystallen abscheidet. Der Aether verhaͤlt sich wie der
                              Alkohol. Das beste Aufloͤsungsmittel dieser Substanz ist das
                              Terpenthinoͤhl.
                           Die concentrirte Schwefelsaͤure loͤst in der Waͤrme das
                              Paranaphthalin auf und nimmt eine schmuzige gruͤne Farbe an, die
                              wahrscheinlich von Spuren der orangefarbigen Substanz herruͤhrt, welche das
                              Paranaphthalin immer begleitet. Da diese orangefarbige Substanz die Saͤure
                              gelb faͤrbt, so waͤre es nicht unmoͤglich, daß das
                              Paranaphthalin fuͤr sich der Schwefelsaͤure eine blaue Farbe
                              mittheilt.
                           Die Salpetersaͤure wirkt auf eine sehr merkwuͤrdige Art auf das
                              Paranaphthalin; sie greift es mit Entbindung von vielem Salpetergas an und
                              hinterlaͤßt einen Ruͤkstand, welcher sich wenigstens zum Theil in
                              Nadeln sublimirt.
                           Wir haben die Analyse des Paranaphthalins sehr oft wiederholt und diese Substanz nach
                              der Analyse durch neue Destillationen gereinigt, um zu sehen, ob ihre Zusammensezung
                              variirt. Die Resultate von vier uͤbereinstimmenden Analysen beweisen, daß es
                              in seiner Zusammensezung von dem Naphthalin durchaus nicht verschieden ist.
                           
                              
                                 
                                       I.
                                    II.
                                    III.
                                   IV.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   93,38
                                 93,73
                                   93,80
                                   93,8
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                     5,96
                                   5,82
                                     6,37
                                     6,2
                                 
                              
                                 
                                   –––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   99,34     
                                 99,55     
                                 100,17  
                                 100,0
                                 
                              
                           Der Kohlenstoff und der Wasserstoff sind also in dem Verhaͤltniß von 5 At. zu
                              2,02 verbunden, das heißt in dem Verhaͤltniß von 5 zu 2, wie in dem
                              Naphthalin.
                           Da das Naphthalin erst uͤber dem Siedepunkt des Queksilbers ins Kochen kommt,
                              so war die Dichtigkeit seines Dampfes etwas schwierig zu bestimmen. Man mußte sich
                              des Luftthermometers bedienen und befuͤrchten seine Temperatur zu viel oder
                              zu wenig zu erhoͤhen. Der Ballon, welcher den Dampf enthielt wurde erst dann
                              verschlossen, nachdem die Entbindung gaͤnzlich aufgehoͤrt hatte.
                              Folgendes sind die Resultate:
                           
                              
                                 Gewicht des Dampfes
                                 0,677 Gramme.
                                 
                              
                                 Hohlraum des
                                    Ballons          
                                    180 Kubikcent.
                                 
                              
                                 Barometer
                                 0,751 Meter.
                                 
                              
                                 Thermometer
                                 12°,5
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Luftthermometer. –
                                 Hoͤhe des Queksilbers
                                   0,116 Meter.
                                 
                              
                                 
                                 Zuruͤkgetretenes
                                    Queksilber        
                                 28,833   –
                                 
                              
                                 
                                 Queksilber in Allem
                                 62,520
                                 
                              
                           Die Temperatur war also auf 450° C. gebracht worden; reducirt man sie auf
                              0° und 0,76 B., so ergibt sich das Gewicht eines Liters Paranaphthalin zu
                              8,758 Grammen; die Dichtigkeit seines Dampfes wuͤrde gleich 6,741. Nimmt man
                              nun
                           
                              
                                 15 Vol. Kohlenstoff
                                 
                                 6,3195
                                 
                              
                                   6 Vol. Wasserstoff
                                 
                                 0,4128
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 So findet man
                                 6,7323
                                 
                              
                           eine Zahl, die mit der vorhergehenden
                              uͤbereinstimmt.
                           Das Paranaphthalin waͤre also mit dem Naphthalin isomer, aber drei Volumen
                              Naphthalin repraͤsentiren nur zwei von Paranaphthalin.
                           Mit dieser Verdichtung stimmt auch die verschiedenartige Fluͤchtigkeit dieser
                              beiden Substanzen uͤberein. Das Paranaphthalin, weniger schmelzbar und
                              weniger fluͤchtig als das Naphthalin, ist auch verdichteter als dasselbe,
                              oder mit anderen Worten, gibt einen dichteren Dampf.
                           Das Paranaphthalin und das Naphthalin, der gewoͤhnliche doppelte
                              Kohlenwasserstoff (oͤhlerzeugendes Gas) und der von Faraday entdekte Doppeltkohlenwasserstoff, sind bis jezt die einzigen
                              fluͤchtigen isomerischen Substanzen, deren Dichtigkeiten man im
                              dampffoͤrmigen Zustande verglichen hat. In Faraday's Kohlenwasserstoff ist die Verdichtung zwei Mal so groß als im
                              gewoͤhnlichen Kohlenwasserstoff, d.h. die Atome des Kohlenstoffs und
                              Wasserstoffs sind darin zwar in demselben Verhaͤltniß gegen einander, aber es
                              sind deren zwei Mal so viele in dem einen als in dem anderen. In dem Paranaphthalin
                              kommen anderthalb Mal so viel Atome Kohlenstoff und Wasserstoff auf dasselbe Volumen
                              als in dem Naphthalin; daraus erklaͤrt es sich, daß diese beiden
                              Koͤrper bei gleicher Zusammensezung specifisch verschiedene Eigenschaften
                              haben.
                           Idrialin. Die dritte Substanz, deren Eigenschaften ich
                              beschreiben will, kennen die Mineralogen bereits durch eine Angabe von Payssé. Dieser Chemiker fuͤhrt unter den
                              verschiedenen Mineralien, welche in den Queksilberbergwerken von Idria vorkommen,
                              eines auf, welches die Eigenschaft hat beim Erhizen eine Menge krystallinischer
                              Schuppen auszugeben. Das Mineral kommt wahrscheinlich in Idria sehr haͤufig
                              vor, ist aber in den Sammlungen von Paris sehr selten; in der reichen Sammlung der
                              École des mines fand ich davon nur ein
                              einziges Stuͤk; im Jardin du Roi war auch nur ein
                              einziges Stuͤk, wovon ich einige unzureichende Proben losschlagen konnte. In
                              der Sammlung der École polytechnique fand ich
                              aber zwei Exemplare, die mich in Stand sezten einige Versuche anzustellen.
                           
                           Die drei Stuͤke, uͤber welche ich disponiren konnte, waren im Aeußeren
                              wenig von einander verschieden. Sie hatten, abgesehen von ihrer braͤunlichen
                              Farbe, ganz das Ansehen der Steinkohle. Eines derselben enthaͤlt kein
                              Queksilber; die beiden anderen Spuren. Alle drei kamen, als sie in einer an beiden
                              Enden offenen Roͤhre erhizt wurden, in Fluß und gaben eine Menge
                              krystallinischen Staubes aus, der so leicht war, daß er weit in die Luft flog. Wenn
                              man diesen Staub sammelt, so findet man, daß er aus scharf zugerandeten
                              Blaͤttchen ohne bestimmbare Form besteht, die außerordentlich leicht und
                              farblos sind. Es ist dieses der neue Kohlenwasserstoff, dem ich den Namen Idrialin
                              beilege.
                           Um das Idrialin zu erhalten, muß man ganz besondere Vorsichtsmaßregeln anwenden, denn
                              diese Substanz verfluͤchtigt sich nicht ohne eine Zersezung zu erleiden, wie
                              das Naphthalin und das Paranaphthalin. Sie verfluͤchtigt sich selbst nicht
                              ohne Zersezung in dem luftleeren Raume oder in einem Gasstrome. Ich gewinne sie auf
                              folgende Art: Das zerstoßene Mineral wird in eine tubulirte Retorte gebracht, deren
                              fast senkrecht gestellter Hals in einen langen und engen, unten verschlossenen
                              Glascylinder taucht; in die Retorte leitet man einen Strom kohlensaures Gas. Erhizt
                              man die Retorte, so kommt das Mineral in Fluß, kocht und gibt anfangs
                              Queksilberdaͤmpfe, bald aber Idrialin in Menge aus. Sezt man die Operation
                              bis zum Schmelzen der Retorte fort, so entwikelt sich dieses Product immer fort bis
                              aus Ende, ohne daß die geringste Spur Wasser, Bitumen oder Oehl erscheint.
                           Um das Idrialin von dem Queksilber zu befreien, welches in seinen Floken zerstreut
                              ist, loͤst man es in reinem und siedendem Terpenthinoͤhl auf. Beim
                              Erkalten sezt sich das Idrialin so schnell ab, daß die Fluͤssigkeit fast
                              augenbliklich gelatinirt. Es kann durch ein Filter und nachheriges Auspressen
                              zwischen Filtrirpapier isolirt werden.
                           Das Idrialin ist also eine Substanz, welche sich verfluͤchtigen laͤßt,
                              aber nicht ohne eine Zersezung zu erleiden. Versucht man es zu destilliren, so
                              verliert man davon wenigstens neun Zehntel, selbst in dem luftleeren Raume oder in
                              einem Strome von kohlensaurem Gas. Das Idrialin ist schmelzbar, aber erst bei einer
                              so hohen Temperatur, daß man es nicht leicht in Fluß bringen kann, ohne daß es sich
                              zersezt.
                           In Wasser loͤst sich das Idrialin selbst bei der Siedhize nicht merklich auf,
                              in kochendem Alkohol oder Aether kaum. Das einzige Auflosungsmittel desselben,
                              welches ich kenne, ist das Terpenthinoͤhl; aber es loͤst sich auch nur
                              in siedendem Terpenthinoͤhl auf und faͤllt daraus beim Erkalten fast
                              gaͤnzlich nieder.
                           
                           Diese verschiedenen Eigenschaften wuͤrden schon hinreichen, um das Idrialin
                              von allen bekannten Kohlenwasserstoffarten zu unterscheiden; die Wirkung der
                              Schwefelsaͤure auf dasselbe ist aber so merkwuͤrdig, daß man dadurch
                              die geringsten Spuren desselben entdeken kann. Erhizt man naͤmlich die
                              Schwefelsaͤure mit Idrialin, so loͤst diese Saͤure es auf und
                              nimmt eine blaue, derjenigen des schwefelsauren Indigos aͤhnliche Farbe
                              an.
                           Ich hatte so wenig Idrialin zu meiner Disposition, daß ich nur eine sehr geringe
                              Menge fuͤr die Analyse aufopfern konnte, zweifle aber nicht, daß es ein von
                              Sauerstoff und Stikstoff ganz freier Kohlenwasserstoff ist. Nachdem ich mich dieses
                              Resultates versichert hatte, machte ich einen analytischen Versuch, wobei ich das
                              Wasser und die Kohlensaͤure mit der groͤßten Sorgfalt sammelte. Ich
                              erhielt sie in dem Verhaͤltniß von 0,080 Wasser und 0,594
                              Kohlensaͤure; dieß gibt:
                           
                              
                                 Kohlenstoff        
                                 164,35
                                   94,9
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                     8,88
                                     5,1
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 173,23
                                 100,0
                                 
                              
                           Das Idrialin wuͤrde demnach aus 3 At. Kohlenstoff und 1 At. Wasserstoff
                              bestehen.
                           Da sich das Idrialin so leicht aus dem Queksilbermineral, worin es enthalten ist,
                              entwikelt, so brachte mich dieß auf die Vermuthung, daß es darin ganz gebildet
                              vorhanden ist. Daß es sich allein, rein, ohne Wasser, ohne Theer, ohne Oehl und ohne
                              ein anderes Gas als ein wenig Schwefelwasserstoff (der von der Zersezung des
                              Schwefelqueksilbers herruͤhrt) entbindet, bestaͤttigte mich in dieser
                              Vermuthung. Indessen wollte ich die Frage ganz aufklaͤren und stellte
                              folgende Versuche mit dem besten Erfolge an. Kochendes Terpenthinoͤhl
                              entzieht dem gepulverten Mineral etwas, denn es hinterlaͤßt beim Verdampfen
                              aͤhnliche Krystalle, wie sie das Idrialin liefert. Selbst der kochende
                              Alkohol loͤst etwas Idrialin auf, wenn er mit dem gepulverten Mineral in
                              Beruͤhrung ist. Um sich davon zu uͤberzeugen, braucht man nur den
                              Alkohol zu filtriren und abzudampfen; er hinterlaͤßt einige perlmutterartige
                              Schuppen; diese suͤßt man mit ein wenig kaltem Wasser aus und bringt sie mit
                              heißer Schwefelsaͤure in Beruͤhrung, wodurch sich auf der Stelle die
                              blaue Farbe einstellt, welche die schwefelsaure Aufloͤsung des Idrialins
                              charakterisirt. Ohne Zweifel wuͤrde sich der Aether auf dieselbe Art
                              verhalten, was ich aus Mangel an Substanz nicht versuchen konnte.
                           Nach allen diesen Resultaten ist es mir so wahrscheinlich, daß das Idrialin in dem
                              Zinnober von Idria als solches vorhanden ist, daß es mir mehr als je erwiesen zu
                              seyn scheint, daß das Naphthalin selbst ganz gebildet in den Steinkohlen
                              vorkommt.