| Titel: | Ueber die Milchsäure; von den HH. J. Gay-Lussac und J. Pelouze. | 
| Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XXIX., S. 113 | 
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                        XXIX.
                        Ueber die Milchsaͤure; von den HH.
                           J. Gay-Lussac
                           und J. Pelouze.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. April 1833,
                              S. 410.
                        Ueber die Milchsaͤure.
                        
                     
                        
                           Die wichtigsten Arbeiten, welche uͤber die Milchsaͤure seit dem Jahre
                              1780 erschienen, wo dieselbe von Scheele entdekt wurde,
                              verdankt man den HH. Braconnot und Berzelius.
                           Unter dem Namen Acide nancéique beschrieb Hr. Braconnot eine Saͤure, die er aus dem sauer
                              gewordenen Reißwasser oder Runkelruͤbensaft erhielt; er verband sie mit einer
                              großen Anzahl von Lasen, und da die Salze, welche er erhielt, ihm nicht dieselben
                              Eigenschaften zu besizen schienen, wie diejenigen, welche Scheele den milchsauren zuschreibt, so vermuthete er keineswegs, daß die
                              Milchsaͤure mit seiner Acide nancéique
                              identisch sey, was erst spaͤter erkannt wurde.
                           Da Bouillon-Lagrange und L. Gmelin behaupteten, daß die Milchsaͤure nichts Anderes als eine
                              unreine Essigsaͤure sey, so nahm Berzelius diesen
                              Gegenstand, womit er sich schon viel fruͤher beschaͤftigt hatte,
                              neuerdings auf, mit der Ansicht, daß die Milchsaͤure wohl eine analoge
                              Verbindung wie die Schwefelweinsaͤure seyn koͤnnte, worin die
                              Essigsaͤure mit einer organischen Substanz verbunden waͤre, welche
                              dieselbe Rolle wie das oͤhlbildende Gas in den schwefelweinsauren Salzen
                              spielen wuͤrde. Er stellte nach dieser Hypothese mehrere Versuche an; da er
                              aber kein essigsaures Ammoniak erhalten konnte, indem er die Milchsaͤure der
                              gleichzeitigen Wirkung der Waͤrme und des Ammoniakgases aussezte, so mußte er
                              seine fruͤhere Ansicht modificiren, und ohne etwas Bestimmtes uͤber
                              die Natur der Milchsaͤure zu folgern, schließt Hr. Berzelius den Aufsaz uͤber diese Saͤure im 7. Bd. seines
                              Lehrbuchs der Chemie folgender Maßen: „Man kann annehmen, daß die
                                 milchsauren Salze noch nicht im reinen Zustande bekannt sind. Die Chemiker,
                                 welche sich in Zukunft mit diesem Gegenstande beschaͤftigen,
                                 muͤssen ihre Aufmerksamkeit hauptsaͤchlich darauf richten, ob das,
                                 was Milchsaͤure genannt worden ist, ein Gemenge von zwei Saͤuren
                                 sey, die einander aͤhnlich sind, aber doch verschiedenartige Salze
                                 geben.“
                              
                           Da wir wohl wußten, daß die Reinigung gewisser organischer Substanzen
                              hauptsaͤchlich deßwegen so schwierig ist, weil man sie nur in geringer Menge
                              zu Gebot hat, so suchten wir uns zu unseren Versuchen uͤber die
                              Milchsaͤure vor Allem eine so große Menge von dieser Saͤure zu
                              verschaffen, daß wir sie mannigfaltigen Reinigungsmethoden und Analysen unterziehen
                              konnten. Wir nahmen mehrere hundert Liter Runkelruͤbensaft in Arbeit, und
                              verfuhren folgender Maßen:
                           Der Runkelruͤbensaft wurde in einem Zimmer, dessen Temperatur
                              bestaͤndig zwischen 25 und 30° C. (20 bis 24° R.) unterhalten
                              war, sich selbst uͤberlassen. Nach einigen Tagen stellte sich die
                              geraͤuschvolle Bewegung, welche unter dem Namen klebrige Gaͤhrung bekannt ist, in der ganzen Masse ein;
                              Wasserstoffgas mit Kohlenwasserstoffgas gemischt, entwikelte sich in großer Menge.
                              Nachdem das Liquidum wieder seinen anfaͤnglichen fluͤssigen Zustand
                              angenommen hat, und die Waͤhrung beendigt ist, was gewoͤhnlich nach
                              ungefaͤhr zwei Monaten der Fall ist, dampft man bis zur Syrupsconsistenz ab;
                              man bemerkt dann, daß durch die ganze Masse eine Menge Mannazuker-Krystalle
                              zertheilt sind, welche, wenn sie mit ein wenig kaltem Wasser ausgewaschen und
                              ausgepreßt werden, vollkommen rein sind; die Masse enthaͤlt außerdem einen
                              Zuker, welcher alle Eigenschaften des Traubenzukers besizt.Es scheint, daß sich bei der Gaͤhrung des Runkelruͤbensaftes
                                    der Rohzuker zuerst in Traubenzuker, und lezterer dann in Mannazuker
                                    verwandelt, denn die Menge dieses lezteren steht immer im
                                    Verhaͤltnisse mit der Dauer der Gaͤhrung, so daß man zulezt
                                    nur noch Mannazuker ohne Traubenzuker erhaͤlt.A. d. O. Man behandelt die abgedampfte Masse mit Alkohol, welcher die Milchsaͤure aufloͤst, und
                              viele Substanzen niederfallen laͤßt, die wir nicht untersucht haben; das
                              geistige Extract wird wieder in Wasser aufgenommen, wobei neuerdings ein Saz bleibt;
                              die Fluͤssigkeit saͤttigt man dann mit kohlensaurem Zink, wobei man
                              einen noch reichlicheren Niederschlag als zuvor erhaͤlt. Nach dem Eindampfen
                              krystallisirt das milchsaure Zink; man sammelt es und erhizt es mit Wasser, dem man
                              thierische Kohle zusezt, welche vorher mit Salzsaͤure ausgesuͤßt
                              wurde; man filtrirt kochend, und das milchsaure Zink scheidet sich in vollkommen
                              weißen Krystallen ab; diese wascht man noch mit kochendem Alkohol, worin sie
                              unaufloͤslich sind. Wenn man sie dann mit Baryt und hierauf mit
                              Schwefelsaͤure behandelt, erhaͤlt man daraus die Milchsaͤure,
                              welche man im luftleeren Raume eindampft. Sie wird zulezt mit Schwefelaͤther
                              geschuͤttelt, welcher sie aufloͤst, und wodurch einige Spuren einer
                              floͤkigen Substanz davon abgesondert werden.
                           Die so erhaltene Saͤure ist ganz farblos; wenn sie es nicht ist, was nur dann
                              eintritt, wenn man die lezten Krystallisationen des milchsauren Zinks in Arbeit
                              genommen hat, so verwandelt man sie in milchsauren Kalk, den man mit Wasser und
                              gereinigter thierischer Kohle kocht. Das krystallisirte Salz, welches man
                              erhaͤlt, wird dann mit kochendem Alkohol behandelt, der es aufloͤst;
                              man nimmt es dann wieder in Wasser auf, und zersezt es mit Kleesaͤure. In
                              lezterem Falle ist es immer weiß und rein, wovon man sich leicht uͤberzeugen
                              kann, wenn man es mit direct bereiteter sublimirter Milchsaͤure
                              vergleicht.
                           Eine große Menge Milch, die lange Zeit der Gaͤhrung uͤberlassen und auf
                              dieselbe Art behandelt wurde, lieferte uns eine Saͤure und Salze, welche nach
                              unseren Analysen und ihren Gesammteigenschaften von der vorhergehenden und ihren
                              Verbindungen gar nicht verschieden sind.
                           Hr. Corriol hat neulich gefunden, daß eine
                              waͤsserige Infusion von Kraͤhenaugen, nachdem sie einige Tage lang
                              gegohren hat, milchsauren Kalk absezt, der nur mit Wasser und hierauf mit Alkohol
                              behandelt zu werden braucht, um vollkommen weiß zu werden. Dieses Salz, wovon uns
                              Hr. Corriol eine große Menge uͤberließ,
                              betraͤgt nach seinen Versuchen 2 bis 3 Procent vom Gewichte der
                              Kraͤhenaugen. Derselbe Chemiker fand darin auch milchsaure Bittererde. Wir
                              haben diese beiden Salze sehr leicht reinigen koͤnnen, und sie lieferten uns eine
                              Saͤure, welche mit der aus Runkelruͤben, Reiß und Milch dargestellten
                              Milchsaͤure in jeder Hinsicht identisch ist.
                           In reinem Zustande, und nachdem sie im luftleeren Raume so lange abgedampft wurde,
                              bis sie darin kein Wasser mehr verliert, bildet die Milchsaͤure eine ganz
                              farblose Fluͤssigkeit von syrupartiger Consistenz, deren Dichtigkeit bei
                              20°,5 C. gleich 1,215 ist. Sie ist geruchlos, ihr Geschmak außerordentlich
                              sauer, und in dieser Hinsicht mit dem der staͤrksten Pflanzensaͤuren
                              vergleichbar. In Beruͤhrung mit der Luft zieht sie daraus Feuchtigkeiten an;
                              Wasser und Alkohol loͤsen sie in allen Verhaͤltnissen auf;
                              Schwefelaͤther loͤst sie auch auf, aber in geringerer Menge.
                           Wenn man sie mit concentrirter Salpetersaͤure kocht, wird sie zersezt und in
                              Kleesaͤure verwandelt.
                           Gießt man zwei Tropfen Milchsaͤure in hundert Grammen kochende Milch, so
                              gerinnt dieselbe dadurch auf der Stelle; eine bei Weitem groͤßere Menge
                              dieser Saͤure veraͤndert aber die Milch in der Kaͤlte
                              nicht.
                           Sie hat auch die Eigenschaft, das Eiweiß sehr leicht zum Gerinnen zu bringen. Den
                              phosphorsauren Kalk der Knochen loͤst sie rasch auf.39) Hr. Berzelius aͤußerte die Meinung, daß
                                    der phosphorsaure Kalk in der Milch durch die Milchsaͤure in
                                    Aufloͤsung erhalten wird, was mit obigem Versuche
                                    uͤbereinstimmt.A. d. O.
                              
                           Mit einer Aufloͤsung von essigsaurem Kali gekocht, vertreibt sie daraus die
                              Essigsaͤure.
                           Gießt man sie in der Kaͤlte in eine concentrirte Aufloͤsung von
                              essigsaurer Bittererde, so bewirkt sie darin nach einigen Augenbliken einen weißen
                              und koͤrnigen Niederschlag von milchsaurer Bittererde und die
                              Fluͤssigkeit riecht stark nach Essig. Diese Eigenschaft ist wichtig.
                           Sie gibt auch einen Niederschlag von milchsaurem Zink, wenn man sie in eine
                              concentrirte Aufloͤsung von essigsaurem Zink gießt. Andererseits wird das
                              milchsaure Silber durch essigsaures Kali zersezt und essigsaures Silber sezt sich in
                              reichlicher Menge ab.
                           Die Milchsaͤure truͤbt das Kalk-, Baryt- und
                              Strontianwasser nicht.
                           Unter allen ihren Eigenschaften ist die merkwuͤrdigste, welche allein
                              hinreichen wuͤrde, sie zu erkennen, ihr Verhalten bei der Sublimation. Erhizt
                              man die syrupartige Milchsaͤure allmaͤhlich und vorsichtig, so wird
                              sie zuerst duͤnnfluͤssiger, faͤrbt sich bald darauf und liefert
                              außer entzuͤndbaren Gasarten, Essig und einem kohligen Ruͤkstand, eine große Menge einer
                              weißen, festen Substanz, deren Geschmak zugleich sauer und bitter ist. Preßt man
                              diese Substanz zwischen weißem Filtrirpapier aus und befreit sie so mechanisch von
                              einem sie begleitenden Riechstoffe, so loͤst sie sich in sehr starkem
                              Verhaͤltnisse in kochendem Alkohol auf, woraus sie beim Erkalten in
                              glaͤnzendweißen rhomboidalen Tafeln niederfallt; diese Krystalle sind ganz
                              geruchlos; ihr Geschmak ist sauer, aber ohne Vergleich schwacher als derjenige der
                              fluͤssigen Milchsaͤure, was ohne Zweifel von ihrer geringen
                              Aufloͤslichkeit herruͤhrt. Sie schmelzen gegen 107° C. und die
                              so entstehende Fluͤssigkeit kocht erst bei 250°, weiße und stechende
                              Daͤmpfe verbreitend; wenn sie mit einem kalten Koͤrper in
                              Beruͤhrung kommen, verdichten sie sich darauf in Krystallen, die denjenigen
                              aͤhnlich sind, welche sie erzeugten. Diese Daͤmpfe sind
                              entzuͤndbar und brennen mit einer rein blauen Flamme. Wenn die Operation
                              sorgfaͤltig geleitet wird, so bemerkt man in dem Gefaͤße, worin die
                              Krystalle sublimirt wurden, keinen Ruͤkstand; alle Saͤure geht
                              unveraͤndert uͤber. Wenn man diese Krystalle oͤfters schmilzt
                              und sublimirt, so verlieren sie nicht die geringste Menge Wasser.
                           Es ist wahrhaft merkwuͤrdig, welche große Neigung zu krystallisiren die
                              sublimirte Milchsaͤure hat. Schmilzt man sie z.B. in einer Glasroͤhre,
                              so mag man dieselbe noch so sehr schuͤtteln, um die regelmaͤßige
                              Krystallisation zu stoͤren, die Saͤure bildet doch wieder vollkommene
                              Krystalle.
                           Wenn man diese Krystalle mit Wasser in Beruͤhrung bringt, so loͤsen sie
                              sich darin nur sehr langsam auf und wir versuchten vergebens dieselben neuerdings
                              aus ihrer Aufloͤsung zu erhalten, indem wir sie im leeren Raume eindampften.
                              Die Fluͤssigkeit blieb klar und verdikte sich allmaͤhlich, bis sie
                              ganz das Aussehen der auf nassem Wege dargestellten concentrirten Milchsaͤure
                              hatte.
                           Wir vermuthen daher, daß der verschiedenartige Zustand dieser beiden Saͤuren
                              chemisch gebundenem Wasser zugeschrieben werden muß, und um uns davon zu
                              uͤberzeugen, analysirten wir sowohl die fluͤssige als die
                              krystallisirte Saͤure, wobei wir folgende Resultate erhielten:
                           Die fluͤssige Saͤure gab:
                           
                              
                                 
                                 
                                       I.
                                      II.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 =
                                   41,00
                                   40,89
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 =
                                     7,11
                                     6,79
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 =
                                   51,89
                                   52,33
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           
                           In Mischungsgewichten:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Fluͤssige Saͤure.
                                 
                              
                                 6,138 M. G. Kohlenstoff6,330 M. G.
                                    Wasserstoff6,000 M. G. Sauerstoff
                                 
                                    
                                    
                                     6 C.
                                        6 H.    6
                                    O.
                                 
                              
                           Sublimirte Saͤure.
                           
                              
                                 
                                 
                                       I.
                                      II.
                                      III.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 =
                                   49,31
                                   49,63
                                   50,51
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 =
                                     5,53
                                     5,54
                                     5,73
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 =
                                   45,16
                                   44,78
                                   43,76
                                 
                              
                           In Mischungsgewichten erhaͤlt man nach diesen Zahlen ziemlich nahe:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Krystallisirte Saͤure.
                                 
                              
                                 6 M. G. Kohlenstoff4 M. G.
                                    Wasserstoff4 M. G. Sauerstoff
                                 
                                    
                                    
                                       C6⁶
                                          H4⁴      O4⁴
                                 
                              
                           Nach diesen Analysen unterscheiden sich die beiden Saͤuren nur durch zwei M.
                              G. Wasser von einander, welche die fluͤssige Saͤure mehr
                              enthaͤlt, was außerdem folgende Versuche bestaͤtigen:
                           Bringt man die sublimirte Saͤure mit Wasser in Beruͤhrung, so
                              loͤst sie sich anfangs in sehr geringem Verhaͤltnisse darin auf, bei
                              fortgeseztem Sieden erhaͤlt aber die Fluͤssigkeit bald eine
                              syrupartige Consistenz und zugleich wird ihre Saͤuerlichkeit, die anfangs
                              fast Null war, unertraͤglich. Im luftleeren Raume abgedampft,
                              hinterlaͤßt sie eine fluͤssige Saͤure, die in jeder Hinsicht
                              derjenigen aͤhnlich ist, welche man aus dem milchsauren Kalk durch
                              Kleesaͤure erhaͤlt. Dieselbe Umaͤnderung, aber viel langsamer,
                              findet auch Statt, wenn man die sublimirte Saͤure an der freien Luft
                              laͤßt.
                           Durch diese Versuche erklaͤrt sich eine andere Thatsache, die wir
                              fruͤher beobachtet hatten, daß naͤmlich die Milchsaͤure, welche
                              vermittelst Kleesaͤure aus der Verbindung der krystallisirbaren Milchsaͤure mit Kalk dargestellt wurde, immer
                              fluͤssig und identisch mit der Saͤure bleibt, welche die mit der unkrystallisirbaren Saͤure bereiteten milchsauren
                              Salze liefern.
                           Indem wir diese beiden Saͤuren mit denselben Basen verbanden, erhielten wir
                              stets die naͤmlichen Salze von ganz gleicher Krystallform und
                              Zusammensezung.
                           Wir begnuͤgten uns nicht diese Salze mit Saͤuren zu bereiten, die bloß
                              aus einer und derselben Substanz dargestellt waren, sondern nahmen sowohl solche aus
                              Kraͤhenaugen, als auch aus sauer gewordener Milch, gegohrenem
                              Runkelruͤbensaft und sauergewordenem Staͤrkewasser.
                           0,755 milchsaures Zink, bei 120° C. getroknet, hinterließen 0,250 Zinkoxyd.
                              1,253 milchsaures Kupfer, bei derselben Temperatur getroknet hinterließen 0,410 Kupferoxyd.
                              0,680 milchsaures Silber, bei 80° getroknet, hinterließen 0,368 metallisches
                              Silber. Hieraus erhaͤlt man fuͤr das Mischungsgewicht der Milchsaͤure im Mittel 1019,7.
                           Andererseits hinterließen 1,072 milchsaures Kupfer, das mit sublimirter
                              Milchsaͤure bereitet war, 0,250 Kupferoxyd, wodurch sich die Zahl 1022,0
                              fuͤr das Mischungsgewicht ergibt.
                           I. 0,807 milchsaures Zink, 0,540 Milchsaͤure entsprechend, lieferten 0,872
                              Kohlensaͤure und 0,310 Wasser.
                           II. 1,425 milchsaures Zink, mit sublimirter Saͤure bereitet, und 0,954
                              Milchsaͤure entsprechend, gaben 1,570 Kohlensaͤure und 0,544
                              Wasser.
                           III. 1,478 trokenes milchsaures Kupfer, 0,992 Milchsaͤure entsprechend,
                              lieferten 1,615 Kohlensaͤure und 0,559 Wasser.
                           IV. 0,987 trokener milchsaurer Kalk, 0,731 Milchsaͤure entsprechend, lieferten
                              1,070 Kohlensaͤure und 0,420 Wasser.
                           Hierdurch erhaͤlt man:
                           
                              
                                 
                                 
                                        I.
                                      II.
                                     III.
                                     IV.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 =
                                   44,64
                                   45,50
                                   45,05
                                   44,59
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 =
                                     6,36
                                     6,32
                                     6,25
                                     6,38
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 =
                                   49,00
                                   48,18
                                   48,70
                                   49,03
                                 
                              
                           Die Formel 6C + 5H + 5O gibt die Zahl 1021 fuͤr das Mischungsgewicht
                              der Saͤure, und diese entfernt sich wenig von der Zahl 1019,7, welche uns die
                              Analyse lieferte.
                           Die theoretische Zusammensezung nach Procenten waͤre:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 =
                                 44,90
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 =
                                   6,11
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 =
                                 48,99
                                 
                              
                           Diese Zahlen kommen einander so nahe, als man es von der Analyse nur erwarten darf,
                              so daß kein Zweifel obwalten kann, daß die Milchsaͤure in den ausgetrokneten
                              Salzen aus 6 Mischungsgewichten Kohlenstoff, 5 Wasserstoff und 5 Sauerstoff besteht,
                              oder vielmehr aus C⁶ H⁴ O⁴ + HO.
                              
                           Hiernach verliert die fluͤssige Milchsaͤure Ein Atom Wasser, indem sie
                              sich mit den Basen verbindet, waͤhrend die sublimirte Saͤure ein
                              solches aufnimmt, um ihre Salze zu bilden. Es war uns nicht moͤglich ein
                              milchsaures Salz so weit auszutroknen, daß es nur eine Verbindung der concreten
                              Saͤure mit der Basis gewesen waͤre; diese Salze halten ein
                              Mischungsgewicht Wasser hartnaͤkig zuruͤk, und man kann ihnen dasselbe
                              nicht entziehen, ohne sie zu zersezen. Das milchsaure Zink z.B., welches der
                              Einwirkung der Hize am Besten widersteht, verlor auf 245° C. erhizt, nicht
                              mehr Wasser, als es bei 120° verloren hatte; wenn es gegen 250°
                              solches ausgibt, so ist der Grund davon, daß es anfaͤngt sich zu zersezen und schwarz zu
                              werden.
                           Es gelang auch nicht besser, indem man sie lange Zeit im luftleeren Raume ließ; die
                              milchsauren Salze verloren darin nicht mehr Wasser, als in einem durch kochendes
                              Oehl erhizten Behaͤlter.
                           Das Wasser scheint also, zwar nicht zur Existenz der Milchsaͤure selbst (denn
                              die durch Sublimation erhaltene ist wasserfrei), wohl aber zur Bildung der
                              milchsauren Salze unumgaͤnglich noͤthig. Es ist merkwuͤrdig,
                              daß die fluͤchtige Saͤure bei der Sublimation ein Atom Wasser mehr
                              verliert, als ihr durch Saͤttigung entzogen wird.
                           
                        
                           Untersuchung der milchsauren Salze.
                           Milchsaurer Kalk. Er ist ein weißes Salz, das sich in
                              kochendem Wasser sehr leicht aufloͤst, woraus es beim Erkalten großen Theils
                              in sehr kurzen, von einem gemeinschaftlichen Mittelpunkt ausgehenden, weißen Nadeln
                              sich absezt. Oft ist die Krystallisation verworren und gleicht derjenigen des
                              Traubenzukers. Es enthaͤlt 29,5 Procent oder 6 Atome Krystallwasser. Alkohol
                              loͤst es in der Waͤrme in sehr großer Menge auf. Beim Erhizen kommt es
                              zuerst in waͤsserigen, dann in feurigen Fluß, und zersezt sich endlich wie
                              die anderen organischen Salze.
                           Das milch saure Kupfer ist ein sehr schoͤn blaues
                              Salz, und krystallisirt sehr leicht in vierseitigen Prismen. Es verwittert und
                              enthaͤlt drei Atome Krystallwasser. Der Alkohol loͤst es nicht auf.
                              Man kann es darstellen, indem man Milchsaͤure mit Kupferoxydul in
                              Beruͤhrung bringt: es bildet sich dann milchsaures Kupferoxyd, und
                              metallisches Kupfer faͤllt nieder.
                           Das milchsaure Zink ist weiß, in kaltem Wasser wenig
                              aufloͤslich, in kochendem viel aufloͤslicher, und bildet vierseitige
                              schief abgestumpfte Prismen. In Alkohol ist es unaufloͤslich, und
                              enthaͤlt vier Atome Krystallwasser.
                           Die milchsaure Bittererde bildet kleine, weiße, an der Sonne sehr glaͤnzende
                              Krystalle, die schwach verwittern, und beinahe ihr dreißigfaches Gewicht Wasser zur
                              Aufloͤsung erfordern. Man erhaͤlt sie leicht durch doppelte Zersezung.
                              Sie enthaͤlt vier Atome Wasser.
                           Das milchsaure Mangan krystallisirt eben so leicht wie
                              das milchsaure Kupfer, und zwar, nach Hrn. Braconnot, in
                              tetraëdrischen Krystallen. Es ist weiß oder schwach rosenroth, verwittert an
                              der Luft, und enthaͤlt fuͤnf Atome Krystallwasser.
                           Milchsaures Eisenoxydul. Die Milchsaͤure greift die Eisenfeile lebhaft an; es
                              bildet sich unter Entbindung von Wasserstoffsgas milchsaures Eisenoxydul, welches
                              in rein weißen feinen tetraëdrischen Nadeln niederfallt, die ziemlich schwer
                              aufloͤslich sind. In Beruͤhrung mit der Luft hielt sich dieses Salz
                              uͤber einen Monat, ohne seine Farbe zu veraͤndern und ohne sich zu
                              oxydiren; seine Aufloͤsung in Wasser aber kommt schnell auf das Maximum der
                              Oxydation, wie die der anderen Eisenoxydulsalze. Es enthaͤlt 6 Atome
                              Krystallwasser oder 19,2 Procent.
                           Das milchsaure Eisenoxyd ist braun und zerfließend.
                           Das milchsaure Kobalt ist rosenroth und bildet
                              krystallinische Koͤrner, die in Wasser wenig aufloͤslich sind. Es
                              enthaͤlt 3,5 Atome Krystallwasser, und wenn es diese verliert, wird seine
                              Farbe dunkel und sehr schoͤn.
                           Das milchsaure Nikel ist aufloͤslicher als das
                              vorhergehende und von apfelgruͤner Farbe. Es krystallisirt, aber so
                              verworren, daß man die Krystallform nicht erkennen kann.
                           Das milchsaure Chrom ist unkrystallisirbar.
                           Das milchsaure Silber krystallisirt in ganz weißen, sehr
                              feinen und langen Nadeln. Es ist in Wasser sehr aufloͤslich, und
                              veraͤndert sich leicht am Lichte.
                           Das milchsaure Queksilberoxyd krystallisirt auch, aber
                              schwieriger, weil es außerordentlich aufloͤslich ist.
                           Die milchsaure Thonerde krystallisirt, obgleich schwierig;
                              sie ist in Wasser sehr aufloͤslich.
                           Dasselbe gilt von dem milchsauren Kali, Natron und Ammoniak.
                           Milchsaures Blei und milchsaurer Baryt haben ein gummiartiges Aussehen, sind unkrystallisirbar, aber doch
                              nicht zerfließend.
                           Aus unseren Versuchen uͤber die Milchsaͤure geht also klar hervor, daß
                              wir sie in vollkommen reinem Zustande erhalten haben; daß dieselbe, sie mag, wie im
                              fluͤssigen Zustande, zwei Atome Wasser enthalten, oder nicht, was der Fall
                              ist, wenn sie durch Sublimation bereitet wurde, stets identische Salze von
                              bestimmter Zusammensezung gibt, wovon mehrere deutlich krystallisiren, so daß man
                              nach allen diesen Eigenschaften zusammen genommen, nicht mehr zweifeln kann, daß sie
                              eine eigenthuͤmliche Saͤure ist. Daß Scheele,
                                 Braconnot und Berzelius bei der Destillation der
                              Milchsaͤure die Erzeugung einer fluͤchtigen krystallisirbaren
                              Saͤure nicht beobachteten, ruͤhrt daher, daß sie einen unreinen
                              Koͤrper anwandten, welchen die Hize gaͤnzlich zersezte und
                              zerstoͤrte. Wenn man naͤmlich die nach den Angaben dieser Chemiker
                              bereitete Milchsaͤure oder eine reine Saͤure, welcher eine geringe
                              Menge einer organischen Substanz, z.B. Eiweiß, zugesezt wurde, destillirt, so
                              erhaͤlt man kein festes Product mehr, sondern es wird Alles zersezt; wir haben oͤfters große
                              Quantitaͤten Milchsaͤure, aus unreinem milchsauren Kalk bereitet,
                              destillirt, ohne jemals die geringste Spur fester Saͤure zu erhalten,
                              waͤhrend die reine Saͤure, sie mag aus Milch oder irgend einer anderen
                              der oben angegebenen Substanzen bereitet seyn, bei der Destillation immer
                              krystallisirte Saͤure liefert.Hr. Liebig, dem wir unsere Resultate mittheilten,
                                    schrieb uns, daß er schon fruͤher mir Hrn. Mitscherlich einige Analysen der milchsauren Salze anstellte, und
                                    daß die Zahlen, welche er bei der Analyse des milchsauren Zinks erhielt,
                                    woraus er die Zusammensezung dieses Salzes und seiner Saͤure
                                    ableitete, mit den unserigen vollkommen uͤbereinstimmen.A. d. O.