| Titel: | Bericht, welchen Hr. Dumas der Pariser Akademie der Wissenschaften über eine Abhandlung der HH. Payen und Persoz erstattete: betreffend die Diastase, eine im Gerstenmalz entdekte Substanz, und das Stärkmehlgummi (oder Dextrin), so wie deren technische Anwendung. | 
| Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XLIII., S. 195 | 
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                        XLIII.
                        Bericht, welchen Hr. Dumas der Pariser Akademie der
                              Wissenschaften uͤber eine Abhandlung der HH. Payen und Persoz erstattete: betreffend die
                           Diastase, eine im Gerstenmalz entdekte Substanz, und das Staͤrkmehlgummi (oder
                           Dextrin), so wie deren technische Anwendung.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. Julius 1833, S. 230.
                        Dumas, Bericht uͤber die Diastase und das
                           Staͤrkmehlgummi.
                        
                     
                        
                           Die Akademie hat Hrn. Robiquet und mich beauftragt, ihr
                              uͤber oben genannte Abhandlung Bericht zu erstatten; wir unterwarfen daher
                              die wissenschaftlichen und technischen Resultate, welche sie enthaͤlt, einer
                              aufmerksamen Pruͤfung, und wollen nun der Akademie sowohl die Thatsachen,
                              welche wir selbst in Gesellschaft jener Chemiker zu beobachten Gelegenheit hatten,
                              als auch die Folgerungen, die man daraus ableiten kann, mittheilen.
                           Noch vor kurzer Zeit betrachteten die Chemiker das Staͤrkmehl als eine
                              einfache organische Substanz, und glaubten daran sogar mit bloßem Auge Anzeichen von
                              Krystallisation bemerken zu koͤnnen: heut zu Tage weiß man, daß das
                              Staͤrkmehl ein Organ und noch dazu ein sehr complicirtes ist. Hr. Raspail brachte durch seine Beobachtungen die Frage auf
                              ihren richtigen Standpunkt, und brach dadurch fuͤr alle Entdekungen, die man
                              in der neuesten Zeit in Betreff des Staͤrkmehls und seiner Produkte machte,
                              die Bahn.
                           Wir wollen hier nur ganz kurz die Theorie des Hrn. Raspail
                              anfuͤhren; sie muß jezt allgemein bekannt werden, denn sie wird schon seit
                              mehreren Jahren in den Vorlesungen uͤber Chemie auseinandergesezt und von
                              allen Chemikern in Paris angenommen. Man nimmt gegenwaͤrtig als erwiesene Thatsache an,
                              daß das Staͤrkmehl aus einem haͤutigen Sak besteht, der eine dike und
                              gleichsam gummiartige Substanz einschließt. Durch die Einwirkung der Hize und der
                              Saͤuren zerreißen die Haͤutchen, und die gummige Substanz fließt dann
                              aus. Die Chemiker kannten diese Wirkung jener Agentien sehr wohl, nahmen aber an,
                              daß das Gummi erst erzeugt werde, waͤhrend die Erscheinung in der That bloß
                              eine mechanische ist, und nur ein schon vorhandenes Gummi in Freiheit gesezt
                              wird.
                           Das aus dem Staͤrkmehl abgeschiedene Gummi besizt eine merkwuͤrdige
                              Eigenschaft, die man als eine rein chemische Erscheinung betrachten kann; es
                              verwandelt sich naͤmlich unter verschiedenen Einfluͤssen in einen
                              wirklichen Zuker, welcher lange fuͤr Traubenzuker gehalten wurde, aber nach
                              den neuen Versuchen Biot's von demselben verschieden
                              ist.
                           Alle diese Thatsachen waren seit mehr oder weniger langer Zeit bekannt, und man hatte
                              es oͤfters vergebens versucht, die gummige Substanz des Staͤrkmehls zu
                              zarten technischen Operationen anwendbar zu machen; nur zur Noth konnte man daraus
                              behufs der Verdikung der Beizmittel in den Kattundrukereien einigen Nuzen ziehen:
                              man wandte naͤmlich dazu geroͤstetes Staͤrkmehl an, d.h.
                              Staͤrkmehl, dessen (Gummi enthaltende) Haͤute durch Einwirkung der
                              Hize zerrissen worden waren; da das Roͤsten aber ungleich Statt fand, so
                              blieben einerseits viele Koͤrner unberuͤhrt, waͤhrend
                              andererseits die gummige Substanz zum Theil veraͤndert wurde.
                           Hr. Couverchel, welcher schon seit langer Zeit die wahre
                              Natur der Reactionen des Staͤrkmehls sehr wohl erkannt hatte, versuchte von
                              der Wirkung der Saͤuren, besonders der Schwefelsaͤure auf dasselbe,
                              eine Anwendung zu machen; der hohe Preis des so bereiteten Productes gestattete aber
                              die technische Anwendung desselben im Großen nicht.
                           Waͤhrend alle diese Arbeiten uͤber das Staͤrkmehl unternommen
                              wurden, waren andererseits die Fabrikation von Bier und Kornbranntwein Gegenstand
                              sehr eifriger Forschungen. Jedermann weiß, daß das Bier auf die Art bereitet wird,
                              daß man eine Infusion von gekeimter Gerste mit Hopfen kocht, und die
                              Fluͤssigkeit dann in geistige Gaͤhrung uͤbergehen laͤßt.
                              Die Chemiker erklaͤrten sich diese Fabrikation durch die Beobachtung, daß die
                              gekeimten Koͤrner an das Wasser eine bedeutende Menge Zuker abgeben
                              koͤnnen; und sie betrachteten das Staͤrkmehl und die anderen Producte
                              der Gerste als unwirksam bei den Reactionen, durch welche das Bier erzeugt wird. Die Englaͤnder
                              hatten jedoch eine besondere Wirkung, welche die gekeimte Gerste auf die mehligen
                              Stoffe ausuͤbt, beobachtet; sie zogen daraus nuͤzliche Folgerungen
                              fuͤr die Bierfabrikation. Ein geschikter Techniker, Hr. Dubrunfaut, trieb diese Untersuchung noch weiter, und benuzte bei
                              verschiedenen Gelegenheiten die specifische Eigenschaft der gekeimten Gerste,
                              besonders bei der Bereitung des Branntweins und Biers aus Staͤrkmehl.
                           Schon im Jahre 1785 zeigte Dr.
                              Irvine, daß die ungekeimte Gerste 'vortheilhaft bei der
                              Bierfabrikation angewandt werden kann, wenn man ihr eine gewisse Menge gekeimter
                              Gerste beifuͤgt; er uͤberzeugte sich, daß dieses Gemenge durch die
                              Einwirkung heißen Wassers bald einen suͤßen Geschmak erhaͤlt, zur
                              Gaͤhrung geeignet wird, und jedes Mal mehr Alkohol liefert, als eine
                              Quantitaͤt gekeimter Gerste, die eben so viel wiegt wie das angewandte
                              Gemenge. Dr.
                              Irvine schrieb, wie es scheint, die Verwandlung des rohen
                              Korns in Zuker dem Zukerstoffe zu, welchen die gekeimte Gerste enthaͤlt:
                              solche Gemenge von rohem und gekeimtem Korn wendet man nun gewoͤhnlich in
                              England an.
                           Im Jahre 1823 machte Hr. Dubrunfaut in einer Abhandlung,
                              welcher der landwirtschaftliche Verein des Seinedepartements den Preis zuerkannte,
                              folgende Thatsachen bekannt, die nicht nur Dr.
                              Irvine's Beobachtung bestaͤtigen, sondern auch
                              alle ihre Details aufklaͤren, und sie unter einem neuen Gesichtspunkte
                              darstellen. Man wußte in den Kuͤnsten, daß man das Getreide behufs der
                              Fabrikation von Kornbranntwein dadurch in Zuker verwandeln kann, daß man vier Theile
                              rohes Korn mit einem Theile gekeimtem vermengt; man wußte auch, daß sich
                              Kartoffelbranntwein dadurch fabriciren ließ, daß man die Kartoffeln
                              vorlaͤufig mit einem Zwanzigstel ihres Gewichtes gekeimter Gerste (aus den
                              Brauereien) auf weichte; diese bekannten Thatsachen suchte nun Hr. Dubrunfaut zu erklaͤren.
                           Bei seinem ersten Versuche bildete Hr. Dubrunfaut mit 500
                              Grammen Kartoffelstaͤrke und 4 Kilogrammen Wasser einen Kleister, welchen er
                              mit 125 Grammen gekeimter Gerste versezte. Indem er die Masse auf einer Temperatur
                              von 62 bis 69° C. (49 bis 55° Reaumur) erhielt, bemerkte er, daß sie
                              nach Verlauf einer Viertelstunde ganz fluͤssig geworden war. Zwei Stunden
                              spaͤter war bei gleichgebliebener Temperatur die Fluͤssigkeit in einen
                              Syrup verwandelt, der, mit Wasser verduͤnnt, in Gaͤhrung
                              uͤbergehen konnte, und woraus man 38 Centiliter Branntwein von 19 Grad
                              erhielt: die angewandte gekeimte Gerste lieferte davon nur 9 Centiliter, das Uebrige
                              ruͤhrte vom Staͤrkmehl her. Hr. Dubrunfaut
                              uͤberzeugte sich dann, daß durch gekeimten Roken, gekeimten Hafer und
                              gekeimten Weizen das Staͤrkmehl ebenfalls fluͤssig gemacht und in
                              Zuker verwandelt werden kann, aber nicht so gut wie durch gekeimte Gerste.
                           Fluͤssig gemacht wird das Staͤrkmehl auch durch die
                              Saͤgespaͤne von Buchenholz, rohen Flachs und die Huͤlsen der
                              Gerstenkoͤrner, welche man in den Brauereien von der gekeimten Gerste
                              absondert. Diese Substanzen scheinen aber nicht geeignet zu seyn, das
                              Staͤrkmehl in Zuker zu verwandeln, und machen es auch erst nach einigen
                              Stunden fluͤssig, waͤhrend dieß die geleimte Gerste in einigen Minuten
                              thut.
                           Nachdem Hr. Dubrunfaut diese Beobachtungen gemacht hatte,
                              schlug er vor, bei der Fabrikation von Kornbranntwein das Staͤrkmehl oder die
                              zerriebenen Kartoffeln in Kleister zu verwandeln, diesem die erforderliche
                              Quantitaͤt gekeimter Gerste zuzusezen, um ihn fluͤssig zu machen und
                              in Zuker zu verwandeln, und dann seine Gaͤhrung wie gewoͤhnlich zu
                              erregen.
                           Hr. Dubrunfaut suchte diese Resultate auch auf die
                              Bierfabrikation anzuwenden: ein Kilogr. Staͤrkmehl lieferte ihm 10 Liter
                              Wuͤrze von 6 Grad Beaumé, und diese Wuͤrze, gehoͤrig
                              gehopft, gab ein dem Pariser aͤhnliches Bier; wenn man den Hopfen wegließ,
                              erhielt man ein Weißbier, und als man ein Zehntel rohen Honig zusezte, ein dem
                              Louvainer aͤhnliches Bier.
                           Hr. Dubrunfaut schrieb diese Erscheinungen anfangs der
                              Substanz zu, welcher Proust den Namen Hordein beigelegt hatte, spaͤter aber (in seinem
                              Traité de Distillation) der Rolle, welche der
                              in Essigsaͤure aufgeloͤste Kleber spielt, und darauf wurde er durch
                              die bekannten Versuche Kirchhof's uͤber die
                              Verwandlung des Staͤrkmehls in Zuker vermittelst Kleber, geleitet. Hr. Raspail bringt diese Ansicht in einem neuen Werke wieder
                              vor.Nouveau systéme de Chimie organique.
                                       Paris, 1833.
                              
                           Die neuen Versuche der HH. Payen und Persoz geben uns aber eine ganz andere Ansicht von dieser Sache. Diese
                              Chemiker verfahren folgender Maßen:
                           In eine bestimmte Menge Wasser bringt man gekeimte, getroknete und gemahlene Gerste,
                              so wie sie die Braͤuer anwenden: nachdem man die Fluͤssigkeit auf
                              40° C. (32° Reaumur) erwaͤrmt hat, sezt man eine
                              gehoͤrige Menge Staͤrkmehl zu; lezteres hat die Eigenschaft Kleister
                              zu bilden verloren, wenn anders die Fluͤssigkeit nicht hoͤher als bis
                              auf 70 oder 75° C. (56–60° R.) erhizt wird. Unterhaͤlt
                              man die Masse waͤhrend zehn Minuten oder einer Viertelstunde auf dieser Temperatur, so sieht
                              man, daß die Fluͤssigkeit, welche anfangs ein wenig diker geworden war,
                              allmaͤhlich duͤnnfluͤssiger und klarer wird; zulezt wird sie so
                              fluͤssig, daß man sie durch Papier filtriren koͤnnte: die Kleie der
                              gekeimten Gerste schwimmt oben auf derselben, die Haͤutchen der
                              Staͤrkmehlkoͤrner aber fallen auf den Boden, und die klare
                              Fluͤssigkeit enthaͤlt alle gummige Substanz des Staͤrkmehls,
                              dieselbe, fuͤr welche Hr. Biot den Namen Dextrin in Vorschlag brachte.Vergl. Polyt. Journ. Bd. XLIX. S.
                                       36.A. d. R. Wenn man die Kleisterbildung vermeidet, wird das Staͤrkmehl
                              fluͤssiger, und die Operation geht schneller von Statten, als nach Dubrunfaut's Verfahren. Beide Methoden unterscheiden sich
                              dadurch, daß jene Chemiker die gekeimte Gerste zuerst in das lauwarme Wasser
                              bringen, Hr. Dubrunfaut aber vorher das
                              Staͤrkmehl: ersteres scheint besser.
                           Die Verfasser finden, daß man auf hundert Theile Staͤrkmehl vierhundert oder
                              fuͤnfhundert Theile Wasser und fuͤnf oder zehn Theile gekeimter
                              (getrokneter und gemahlener) Gerste anwenden muß, je nach ihrer guten oder
                              schlechten Bereitung.
                           Wenn das Dextrin ein Mal aus seinen Huͤlsen abgesondert ist, so wird es durch
                              dasselbe Verfahren in einen Zukerstoff verwandelt. Man braucht naͤmlich nur
                              die Temperatur von 70° C. (56° R.), an Statt sie auf einige Minuten zu
                              beschraͤnken, drei Stunden lang anzuwenden.
                           Will man die Operation unterbrechen, wenn bloß das Dextrin (Staͤrkegummi)
                              gewonnen ist, also die Zukerbildung vermeiden, so muß man die Fluͤssigkeit
                              zum Sieden bringen, sobald alle Staͤrkmehlkoͤrner geborsten sind. Bei
                              100° C. (80° R.) verliert die Gerstensubstanz alle ihre Eigenschaften,
                              und wird unfaͤhig das Dextrin in Zuker zu verwandeln.
                           Man kann also auf diese Art das Dextrin (Staͤrkegummi) und den
                              Staͤrkmehlsyrup, zwei Producte, welche fuͤr die Industrie von großer
                              Wichtigkeit sind, ohne Schwierigkeit im Großen darstellen, ohne daß eine fremdartige
                              oder gar schaͤdliche Substanz in dieselben gelangt. Man haͤtte schon
                              laͤngst mittelst Schwefelsaͤure Dextrin bereiten koͤnnen, wenn
                              diese Fabrikation wirklich Gewinn abgeworfen haͤtte. In gewissen
                              Faͤllen wendet man dieselbe Saͤure an, um das Staͤrkmehl in
                              Zuker zu verwandeln; man muß aber in beiden Faͤllen in der Folge die
                              Schwefelsaͤure in schwefelsauren Kalk verwandeln, wovon immer ein Theil in
                              der Fluͤssigkeit aufgeloͤst bleibt, so daß sie die bekannten
                              Nachtheile des gypshaltigen Wassers besizt: diesem Uebelstande ist durch die neuen
                              Verfahrungsarten ganz begegnet.
                           Wir werden nun auf die zahlreichen Anwendungen, welche das so bereitete Dextrin gestattet, so
                              wie auf die nicht weniger wichtigen des Staͤrkmehlsyrups uͤbergehen.
                              Vorher wollen wir aber den rein chemischen Theil obiger Abhandlung durchgehen.
                           Die Verfasser suchten auch den wirksamen Bestandtheil der gekeimten Gerste
                              abzuscheiden: diesem legten sie den Namen Diastase bei.
                              Die Diastase, so wie sie dieselbe erhalten, ist wahrscheinlich keine ganz reine
                              Substanz, verdient aber dessen ungeachtet die Aufmerksamkeit der Chemiker und
                              Physiologen: sie ist ein fester, weißer, unkrystallisirter, in Wasser
                              aufloͤslicher Koͤrper; in schwachem Alkohol loͤst sie sich auf,
                              aber nicht in concentrirtem. Die Verfasser haben leztere Eigenschaft zu ihrer
                              Darstellung benuzt.
                           Man erhaͤlt sie, wenn man gekeimte Gerste zerreibt und in kaltem Wasser
                              aufweicht. Die Fluͤssigkeit, filtrirt und auf 75° C. (60° R.)
                              erhizt, truͤbt sich, indem eine eiweißartige Substanz, die sich
                              aufgeloͤst hatte, gerinnt. Man filtrirt neuerdings, und versezt die
                              Fluͤssigkeit mit so viel Alkohol, daß die Diastase niederfaͤllt. Der
                              Zuker, welcher in der gekeimten Gerste vorhanden war und sich mit ihr
                              aufgeloͤst hatte, bleibt in der Fluͤssigkeit zuruͤk. Die so
                              erhaltene Diastase ist nicht rein; sie enthaͤlt noch eine stikstoffhaltige
                              Substanz, welche man davon absondert, indem man die unreine Diastase mehrmals in
                              Wasser aufloͤst und mit Alkohol niederschlaͤgt.
                           Die Reinigung der Diastase ist also bei diesem Verfahren nur annaͤhernd, und
                              die reinste, welche die Verfasser darstellen konnten, muß noch etwas
                              stikstoffhaltige Substanz enthalten: sie vermuthen daher auch, daß die Diastase kein
                              stikstoffhaltiger Koͤrper ist, denn sie fanden, daß ihr Stikstoffgehalt immer
                              geringer wird, je oͤfter sie dieselbe in Wasser aufloͤsten und wieder
                              mit Alkohol niederschlugen.
                           Die Diastase kommt nicht nur in dem Samen der gekeimten Gerste, sondern auch in dem
                              des gekeimten Hafers und Weizens vor, und ohne Zweifel in vielen oder allen mehligen
                              Samen, welche gekeimt haben. Sie fanden sie auch in den Knospen von Aylanthus glandulosa. Sie kommt auch, wie sich dieß
                              erwarten ließ, in den Keimen der Kartoffel vor, und die Verfasser sezen ihre
                              Untersuchungen uͤber diesen Gegenstand fort, um die genaue Lage der Diastase
                              in der Kartoffel, und die Zeit ihres Erscheinens und Verschwindens zu bestimmen. Die
                              Pflanzenphysiologie kann dadurch nur gewinnen. Aus diesen lezteren Resultaten
                              ersieht man, daß das Keimen oder die Vegetation der Knospen, wenn die junge Pflanze
                              oder die Knospe sich naͤhren muß, was gewoͤhnlich mittelst des
                              Staͤrkmehls geschieht, unter dem Einflusse der Diastase vorgeht. Diese
                              Substanz praͤexistirt nicht, was auch nicht der Fall seyn koͤnnte,
                              weil sie das Staͤrkmehl zerstoͤren wuͤrde; sie bildet sich in
                              dem Maße, als sich die Vegetation einstellt, und wirkt in dem Maße auf das Sazmehl, als es
                              berstet: das Dextrin fließt dann aus und dient entweder als solches, oder nach
                              seiner Umaͤnderung in Zuker, zur Ernaͤhrung der Organe.
                           Die Wirkung der Diastase auf das Staͤrkmehl laͤßt sich nicht
                              erklaͤren; in der organischen Chemie gibt es aber so viele Geheimnisse, daß
                              man sich daruͤber nicht sehr verwundern kann. Diese Substanz macht das
                              Staͤrkmehl fluͤssig und verwandelt es in Zuker, gerade so, wie die
                              Schwefelsaͤure und das Wasser selbst. Man weiß in der That, daß sich der
                              Kleister nach und nach von selbst in Zuker umaͤndert.
                           Vermittelst der Diastase konnten sich die Verfasser das Dextrin in einem bisher noch
                              nicht gekannten Zustand von Reinheit verschaffen. Die Wirkung der gereinigten
                              Diastase auf das Dextrin ist gewiß einer der merkwuͤrdigsten chemischen
                              Versuche, die man sehen kann: ein Theil dieser Diastase reicht hin, um das Bersten
                              von wenigstens zwei Tausend Theilen Kartoffelstaͤrkmehl zu veranlassen, und
                              diese Reaction stellt sich in einigen Minuten mit einer Quantitaͤt Wasser
                              ein, welche das Gewicht des Staͤrkmehls nicht vier Mal
                              uͤbersteigt.
                           Wir haben gesehen, daß man die Diastase noch nicht in chemisch reinem Zustande kennt:
                              dasselbe gilt von dem Dextrin; die Verfasser uͤberzeugten sich, daß es immer
                              ein wenig Zuker und eine in der Kaͤlte unaufloͤsliche Substanz
                              enthaͤlt.
                           Hr. Guérin Varry hatte schon aͤhnliche
                              Beobachtungen gemacht und außerdem gefunden, daß die Huͤlsen und der in der
                              Kaͤlte unaufloͤsliche Theil des Dextrins ganz dieselbe
                              Elementarzusammensezung haben, wie der Holzstoff.
                           Bekanntlich wird das Staͤrkmehl durch Jod blau gefaͤrbt, und Hr. Raspail hat schon vor langer Zeit sich uͤberzeugt,
                              daß sein aufloͤslicher Theil diese Eigenschaft nicht besizt. Diese Ansicht
                              wurde sehr bestritten, die Verfasser haben aber bewiesen, daß sie gegruͤndet
                              ist, obgleich sie eine etwas davon abweichende aufstellen: sie fanden, daß sehr
                              reines Dextrin und gut ausgewaschene Huͤlsen durch Jod nicht gefaͤrbt
                              werden, waͤhrend der in der Kaͤlte unaufloͤsliche Stoff eine
                              schwarz-blaue Farbe annimmt.
                           Wir haben also hier zwei Substanzen, die Diastase und das Dextrin, von denen noch
                              keine in so reinem Zustande dargestellt wurde, daß sie als eigenthuͤmlicher
                              Pflanzenstoff betrachtet werden koͤnnte, die aber doch aus verschiedenen
                              Gruͤnden alle Aufmerksamkeit der Chemiker verdienen. Wir laden die Verfasser
                              ein, ihre Versuche uͤber diese beiden Koͤrper fortzusezen, um sie,
                              wenn es anders der gegenwaͤrtige Standpunkt der Chemie erlaubt, in vollkommen
                              reinem Zustande zu erhalten, damit man ihnen ihre Stelle im System anweisen kann.
                              Wenn aber die Diastase und das Dextrin unter dem rein chemischen Gesichtspunkte auch Einiges zu
                              wuͤnschen uͤbrig lassen,Die der franzoͤsischen Akademie, uͤbergebene Abhandlung der HH.
                                    Payen und Persoz,
                                    worauf sich dieser Bericht von Dumas bezieht, ist
                                    nicht im Druk erschienen. Diese Chemiker haben aber ihre Versuche noch
                                    fortgesezt, und erst nachdem Hr. Dumas diesen
                                    Bericht erstattet hatte, unten folgende Abhandlung in den Annales de Chimie et de Physique bekannt
                                    gemacht, welche ihre neuesten Resultate enthaͤlt, die aber mehr
                                    fuͤr die theoretische Chemie von Wichtigkeit sind. Wir glaubten
                                    dessen ungeachtet den Bericht von Dumas unseren
                                    Lesern nicht vorenthalten zu duͤrfen, weil er mehrere Thatsachen
                                    mittheilt, welche fuͤr die Industrie von Wichtigkeit und in
                                    Deutschland nicht gehoͤrig bekannt sind, weil er ferner sehr klar
                                    abgefaßt ist, und die Entdekungen jener beiden Chemiker mehr aus dem
                                    technischen Gesichtspunkte behandelt. A. d. R. so bieten sie doch hinsichtlich der technischen Anwendung schon ein großes
                              Interesse dar.
                           Was die Fabrikation des Dextrins, selbst betrifft, so erhaͤlt man diese
                              Substanz leicht nach dem oben beschriebenen Verfahren. Die Fluͤssigkeit
                              liefert beim Abdampfen einen Ruͤkstand, welcher zu einer durchsichtigen Masse
                              erstarrt, die gerade so wie arabisches Gummi aussieht.
                           Das Dextrin hat man in verschiedenen Industriezweigen mit dem festen Erfolg
                              anzuwenden versucht: man bediente sich desselben an Statt arabischen Gummi's zum
                              Verdiken der Beizmittel und Farben in den Kattun- und Tapetendrukereien, zur
                              Verfertigung von Buchdrukerwalzen etc. Man hat es auch bei der Tintenfabrikation
                              versucht, und Hr. Renaudiére, einer unserer
                              geschiktesten Fabrikanten, stellte damit eine sehr gute Tinte dar, die wohlfeiler
                              als unsere gewoͤhnliche ist.
                           Bei weitem die wichtigste Anwendung, welche man bisher von dem Dextrin gemacht hat,
                              ist aber diejenige zur Brodbereitung. Man hat in dieser Hinsicht Versuche mir dem
                              besten Erfolg angestellt und konnte in das Brod 33 und sogar 45 Procent Dextrin
                              bringen, ohne daß es den Consumenten auffiel. Das so bereitete Brod besizt im
                              Gegentheil sehr nuͤzliche Eigenschaften; es ist besser aufgegangen, viel
                              leichter, und haͤlt sich laͤnger frisch. Bei den ersten Versuchen
                              schmekte es ein wenig suͤß, dieser Uebelstand verlor sich aber, als das
                              Dextrin mit groͤßerer Sorgfalt bereitet wurde.
                           Auf den ersten Blik moͤchte es gleichguͤltig scheinen, ob man in das
                              Brod das Staͤrkmehl als solches oder das aus ihm dargestellte Dextrin bringt;
                              die Verfasser fanden aber, daß das Dexrtrinbrod besser ist, und suchten dann diese
                              Thatsache zu erklaͤren. Sie glauben, daß dieß daher ruͤhrt, daß das
                              ekelhafte Oehl, welches sich im Kartoffelbranntwein vorfindet, nicht dem Dextrin,
                              sondern den Huͤlsen des Staͤrkmehls angehoͤrt. Sie
                              fuͤhren zur Bekraͤftigung dieser Ansicht verschiedene Thatsachen an,
                              welche dieß zu erweisen scheinen; wir wollen davon nur folgende ausheben.
                           
                           Es gelang ihnen auf keine Weise, dieses Oehl aus dem Dextrin abzuscheiden, sie
                              erhielten es aber leicht aus den Huͤlfen mittelst Alkohol.
                           Dieß zeigt auch, worin der wirkliche Vortheil besteht, wenn man das Dextrin bei der
                              Bereitung von Kornbranntwein und in der Bierbrauerei anwendet. Bei der Fabrikation
                              des Kornbranntweins verhindert z.B. nur dieses Oehl die Anwendung einfacherer
                              Verfahrungsarten.
                           Bei der Bierbrauerei erhielt man bereits ein vorteilhaftes Resultat, indem man in die
                              Wuͤrze ein Viertel ihres Gewichtes Staͤrkmehlsyrup brachte, der mit
                              gekeimter Gerste bereitet war. Das so bereitete Bier ist feiner, wie sich die Braͤuer auszudruͤken pflegen. Dieses
                              Verfahren wurde ungeachtet der schon ziemlich alten Versuche Dubrunfaut's erst durch die Bemuͤhungen der Verfasser in den
                              Bierbrauereien eingefuͤhrt, und zwar zu einer Zeit, wo ihre taͤglichen
                              Arbeiten ihnen nicht erlaubten, die Versuche zu vervielfaͤltigen.
                              Hoͤchst wahrscheinlich werden aber im naͤchsten Jahre unsere auf
                              sichere Thatsachen gegruͤndeten Hoffnungen sich verwirklichen.