| Titel: | Auszug aus dem Berichte des Hrn. Vicomte Hericart de Thury über die Fabrik gemischter Gold- und Silberarbeiten des Hrn. J. A. Gandais zu Paris. | 
| Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. LIX., S. 277 | 
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                        LIX.
                        Auszug aus dem Berichte des Hrn. Vicomte
                           Hericart de Thury
                           uͤber die Fabrik gemischter Gold- und Silberarbeiten des Hrn. J. A. Gandais zu
                           Paris.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. August 1833, S. 268.
                        Bericht uͤber die Fabrik gemischter Gold- und
                           Silberarbeiten zu Paris.
                        
                     
                        
                           Die Fabrikation von plattirtem Tafelgeraͤthe und anderen plattirten Arbeiten
                              ist seit einigen Jahren in den franzoͤsischen Fabriken auf einen solchen Grad
                              von Vollkommenheit gestiegen, daß unsere Fabriken zulezt mit den englischen
                              rivalisirten, obschon leztere den unserigen lange Zeit uͤber merklich voraus
                              waren. Dieser Fortschritte ungeachtet bleiben noch viele Maͤngel, die
                              außerordentlich viel zu wuͤnschen uͤbrig ließen. Der Hauptfehler war,
                              daß sich die Plattirung schnell abnuͤzte, daß das Kupfer schnell zum
                              Vorscheine kam, und daß man daher oft die schoͤnsten Geraͤthe, nachdem
                              sie ein Paar Jahre gedient hatten, als unbrauchbar bei Seite stellen mußte. Dieser
                              Vorwurf traf selbst die besten englischen plattirten Arbeiten, obschon diese etwas
                              dauerhafter waren. Ueberall forderte man die Fabrikanten auf ein Mittel zu erfinden,
                              durch welches sich diesem schnellen Abnuͤzen der Plattirung und dem
                              Erscheinen des Kupfers nach ein Paar Jahren Dienst vorbeugen und abhelfen ließe.
                              Ueberall schwiegen aber die Fabrikanten auf diese Aufforderung, und so glaubte man,
                              daß das eben erwaͤhnte Hinderniß unuͤberwindlich sey.
                           Hrn. J. A. Gandais war die Fabrikation dieser so lange
                              Zeit gewuͤnschten plattirten Arbeiten vorbehalten; ihm gelang es endlich
                              dergleichen Arbeiten von vollendeter Kunst, von unbestreitbarer Dauerhaftigkeit, und
                              von einem Werthe herzustellen, welcher der Eleganz ihrer Formen das Gleichgewicht
                              haͤlt. Durchdrungen von den Maͤngeln der aͤlteren plattirten
                              Arbeiten, und uͤberzeugt von der Unmoͤglichkeit diesen Maͤngeln
                              nach dem alten Verfahren zu steuern, erkannte Hr. Gandais, daß das einzige und wahre Mittel, wodurch dem erwaͤhnten
                              gerechten Vorwurfe, den man den plattirten Arbeiten machte, abzuhelfen ist, nur
                              darin bestehen koͤnne, daß man an allen jenen Stellen, an denen das Kupfer
                              sonst in Folge der haͤufigeren Reibung zum Vorscheine kommt, reines Silber anwendet.
                           Ehe Hr. Gandais jedoch diese neue Fabrikationsmethode in
                              Ausfuͤhrung brachte, fuͤhlte er sich gedrungen, die
                              beruͤhmteren englischen Fabriken zu besuchen, die daselbst
                              gebraͤuchlichen Methoden zu studiren, und zu erforschen, worin der Grund des
                              Vorzugs der englischen plattirten Arbeiten vor den franzoͤsischen liege. Die
                              Schoͤnheit, die
                              Pracht und der Reichthum der Fabrikate, die er in den ersten Fabriken Londons,
                              Birminghams, Sheffields etc. sah, erregten eben so sehr sein Staunen, als seine
                              Bewunderung, und die Inferioritaͤt der franzoͤsischen Fabrikate, die
                              er hieraus ersah, raubten ihm, wie er gesteht, selbst den Schlaf.
                           Dieses Studium der englischen Fabriken und der Verfahrungsweisen, die in denselben
                              befolgt werden, zeigte Hrn. Gandais vollends die
                              Ausdehnung und die Entwikelung, die dieser Fabrikationszweig in Frankreich gewinnen
                              koͤnnte, wenn er seine neue, so große Dauerhaftigkeit versprechende Methode
                              einfuͤhrte, und wenn er die reichen und glaͤnzenden, aber schweren und
                              geschmaklosen Formen der englischen Fabrikate durch den mehr gelaͤuterten
                              Geschmak der franzoͤsischen Schule verfeinerte, ohne sich jedoch dabei zu
                              sehr von der Mode zu entfernen, die nun ein Mal diese Richtung genommen hat. Die
                              Franzosen entlehnen auf diese Weise gegenwaͤrtig von den Englaͤndern,
                              was diese selbst in fruͤheren Zeiten von den Franzosen entlehnten. Die
                              Fabrikation plattirter Arbeiten begann in England naͤmlich unter Cromwell's
                              Regierung emporzukommen; sie bemaͤchtigte sich damals der Formen der
                              franzoͤsischen Goldarbeiterkunst, die unter dem Namen des Geschmaks von
                              Ludwig XIV gegenwaͤrtig in ganz England und im groͤßten Theile von
                              Europa die herrschenden wurden. Da nun dieser Geschmak unter dem Namen des
                              englischen wieder aus England nach Frankreich zuruͤk wanderte, und sogar bei
                              uns schon sehr in Gunst kam, so mußte unsere Gold- und Silberarbeiterkunst,
                              die sich fruͤher durch die Reinheit, Einfachheit und Anmuth der nach antiken
                              Vorbildern genommenen Formen auszeichnete, natuͤrlich gleichfalls auf diesen
                              Geschmak aus dem Zeitalter Ludwigs des XIV zuruͤkkommen. Hr. Gandais mußte bei seiner Fabrikation demselben Geschmake
                              der Mode huldigen, obschon er als ein Mann, der in der Industrie eben so
                              tuͤchtig, als in den schoͤnen Kuͤnsten gebildet ist,
                              bemuͤht war, diesen mit Verzierungen uͤberladenen Formen einen
                              reineren Geschmak zu geben.
                           Die Commission hat sich in Auftrag der Gesellschaft in die Anstalt des Hrn. Gandais begeben, und von deren Einrichtung in allen ihren
                              Details Einsicht genommen. Sie hat sich hierbei von der außerordentlichen Ausdehnung
                              derselben, von der großen Thaͤtigkeit, die daselbst herrscht, von der
                              Vollkommenheit, mit welcher die einzelnen Arbeiten betrieben werden, und von der
                              Zwekmaͤßigkeit, mit der die einzelnen Verrichtungen unter die Arbeiter
                              vertheilt sind, damit die Fabrikation eben so rasch, als oͤkonomisch von
                              Statten gehe, uͤberzeugt. Man mag sich einen Begriff von dem Umfange dieser
                              Fabrik machen, wenn man bedenkt, daß das Material derselben, abgerechnet von dem Waarenlager,
                              einen Werth von mehr als 200,000 Franken betraͤgt.
                           Die Commission hat sich ferner uͤberzeugt, daß es unmoͤglich ist den
                              Abnehmern groͤßere Garantien bei diesen Fabrikaten darzubieten, als dieß bei
                              den Producten des Hrn. Gandais der Fall ist.
                           Unter unseren ersten Fabriken wendete jene des Hrn. Levrat
                              Wer nur eine Plattirung an, an welcher der 40ste Theil, und jene des Hrn. Tourrot eine Plattirung, an welcher der 20ste Theil des
                              Metallblaͤttchens aus Feinsilber besteht. Hr. Gandais hingegen wendet nicht nur fuͤr die Koͤrper der
                              verschiedenen Gegenstaͤnde eine Plattirung an, an der der 15te, 10te und 5te
                              Theil aus Feinsilber besteht, sondern er belegt deren Raͤnder, deren Kanten,
                              deren Umrisse durchaus mit Feinsilber, d.h. er verwendet an den glatten
                              Gegenstaͤnden einen Silberdraht, waͤhrend er an den zusammengesezten
                              Artikeln Alles, was Verzierung oder Application ist, wie z.B. die Henkel, die
                              Griffe, die Fuͤße n. dgl., aus reinem Silberbleche verfertigt, welches so dik
                              ist, daß es lange Jahre hindurch dem Puzen und Reinigen zu widerstehen im Stande
                              ist, ohne dabei von solcher Dike zu seyn, daß der Preis der Artikel dadurch zu sehr
                              erhoͤht wuͤrde. Hierauf beruht das Wesentliche der Erfindung des Hrn.
                              Gandais, und dadurch wird die Abnuͤzung der
                              Plattirung auf eine Weise verhindert, in welcher die Dauerhaftigkeit, die
                              Wohlfeilheit und die Eleganz im innigsten Einklange mit einander stehen.
                           An jenen Theilen, welche aus zwei mit einander verbundenen Stuͤken bestehen,
                              wie z.B. an den Griffen und Henkeln, ist das Metallblaͤttchen je nach den
                              Dimensionen des Gegenstandes 1/4 bis 1/2 Millimeter dik. Um nun aber gehoͤrig
                              beurtheilen zu koͤnnen, was in der Kunst des Silberarbeiters ein halber
                              Millimeter Dike Silber ist, braucht man nur zu wissen, daß die Silberarbeiter zur
                              Fabrikation der Thee- und Kaffeegeschirre und einer Menge anderer
                              Geraͤthe nur Silberblech anwenden, welches auf No.
                                 12 ausgewalzt ist, d.h. welches einen Millimeter Dike hat. Aus diesen
                              Angaben laͤßt sich sehr leicht berechnen, welche Dauer ein nach der
                              gemischten Silberarbeiterkunst (orfévrerie mixte
                              nennt Hr. Gandais den von ihm eingefuͤhrten
                              Fabrikationszweig) verfertigtes Gefaͤß haben kann und muß, wenn die Dike des
                              aufgelegten Silberbleches den vierten Theil und manchmal sogar die Haͤlfte
                              der ganzen Dike betraͤgt.
                           Die Erfahrung scheint naͤmlich erwiesen zu haben, daß die Silberarbeiten bei
                              einem vierzigjaͤhrigen taͤglichen Gebrauche beilaͤufig den
                              vierzigsten Theil ihres Gewichtes verlieren. Dieß also richtig angenommen,
                              wuͤrde sich ergeben, daß jene gemischten Silberarbeiten, an welchen die
                              Silberblaͤttchen 1/4 Millimeter dik sind, 25 Jahre, und jene, an denen die
                              Blaͤttchen einen halben Millimeter Dike haben, 60 Jahre lang dauern
                              koͤnnten, ohne daß das Kupfer zum Vorscheine kommt. Diese Berechnungen sind
                              den Fabrikaten des Hrn. Gandais gewiß aͤußerst
                              guͤnstig, und dieselben werden nothwendig noch mehr an Gunst gewinnen, wenn
                              man erwaͤgt, daß sie nur so viel kosten, als man bisher an den reinen
                              Silberarbeiten außer dem Gehalte an Silber fuͤr die Façon zu zahlen
                              gewohnt war, und daß man folglich im Stande ist, seine Geraͤthe ohne große
                              Ausgaben nach der Mode zu wechseln. Wir hoͤrten aus diesem Grunde auch
                              wirklich einen der ersten Silberarbeiter in Paris sagen, daß das Publicum, wenn es
                              ein Mal den wahren Werth und die Vortheile der Fabrikate des Hrn. Gandais erkannt haben wird, keine so großen Capitalien
                              mehr auf den Ankauf von Silbergeraͤthen, die doch kein Interesse abwerfen,
                              verwenden wird. Hr. Gandais selbst ist in seinen
                              Erwartungen jedoch viel bescheidener, und erkennt, daß es zum Gluͤke doch
                              immer Viele geben wird, die das Wahre und durch und durch Gleiche dem Scheinbaren
                              vorziehen werden.
                           Man wird gewiß fragen, wie Hr. Gandais seine gemischten
                              Silberarbeiten bloß um den Preis der Façon der aͤchten Silberarbeiten
                              zu liefern im Stande ist. Diese Frage ist leicht zu beantworten. Die Metalle, die er
                              anwendet, besizen naͤmlich die hoͤchste Geschmeidigkeit; sein Silber
                              ist sogenanntes Jungfernsilber von 999 Hundertel Gehalt, welches sich sehr leicht
                              auswalzen, sehr leicht und schnell aushaͤmmern, und mit groͤßter
                              Vollkommenheit ausschlagen laͤßt, waͤhrend es zugleich der
                              schoͤnsten Politur faͤhig ist. Das Silber, welches die Silberarbeiter
                              verbrauchen, ist bei Weitem nicht so fein, und laͤßt sich daher auch weit
                              schwerer und viel langsamer verarbeiten; es erfordert mehr Arbeit, ein
                              oͤfteres Anlassen und laͤßt sich auch nur schwer ausschlagen, so daß
                              die Silberarbeiter die meisten Verzierungen mit Muͤhe gießen, modelliren,
                              ciseliren etc. muͤssen. Aus dieser Ersparniß an Handarbeit allein ergibt sich
                              ein solcher Vortheil zu Gunsten der gemischten Silberarbeiten, daß diese lezteren
                              selbst um den bloßen Preis der Façon der aͤchten Silberarbeiten noch
                              mit Vortheil fabricirt werden koͤnnen.
                           Die Fabrikate des Hrn. Gandais zeigen eine Pracht, einen
                              Reichthum und eine Eleganz, die man bisher bei uns in diesem Fabrikationszweige
                              vermißte. Man wird zwar finden, daß einige derselben der gegenwaͤrtigen Mode
                              zu Liebe mit Verzierungen, wie mit Guirlanden, Kraͤnzen, Borduͤren,
                              Fruͤchten, Faunkoͤpfen etc. uͤberladen sind; allein alle diese
                              Verzierungen sind doch wenigstens polirt, und daher leichter zu puzen, als das Matte
                              an den Silberarbeiten, welches zwar anfangs sehr gut aussieht, aber, wenn es ein Mal angelaufen oder
                              unrein geworden, nur mehr im Feuer gereinigt werden kann.
                           Aus allem diesem erhellt, daß Hr. Gandais die von ihm
                              erfundene gemischte Silberarbeiterkunst nur durch zahlreiche Versuche, durch eine
                              seltene und unermuͤdliche Ausdauer, und durch große Capitalvorschuͤsse
                              auf diesen Grad von Vollkommenheit bringen konnte; daß seine Fabrikate eine
                              Dauerhaftigkeit und Soliditaͤt besizen, welche man bisher an
                              Gegenstaͤnden dieser Art vermißte; daß sie nebstdem alle bisherigen
                              Leistungen an Wohlfeilheit und Eleganz uͤbertreffen, und daß er Frankreich
                              endlich von dem Tribute befreite, den es sonst in diesem Fabrikationszweige an
                              England entrichtete. Die Commission schlaͤgt daher vor, Hrn. Gandais als Anerkennung seiner Verdienste von Seite der
                              Gesellschaft die goldene Medaille erster Classe zustellen zu lassen.