| Titel: | Auszug aus dem Vortrage, welchen Hr. Professor Faraday vor der Royal Institution über die Kyan'sche Methode den Trokenmoder zu verhüten hielt. | 
| Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. LXVII., S. 299 | 
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                        LXVII.
                        Auszug aus dem Vortrage, welchen Hr. Professor
                           Faraday vor der
                           Royal Institution uͤber die Kyan'sche Methode den Trokenmoder zu
                           verhuͤten hielt.Wir haben bereits im Polyt. Journale Bd. XLIX.
                                    S. 456 von der Kyan'schen Methode, Holz und
                                 andere Koͤrper gegen die Vermoderung zu schuͤzen, gesprochen, und
                                 daselbst gegen die Befolgung dieser Methode einige Einwendungen gemacht, die
                                 vorzuͤglich auf die Nachtheile begruͤndet waren, die dieses
                                 Verfahren fuͤr die Gesundheit haben koͤnnte. Wir geben nun auch
                                 die Ansicht des beruͤhmten Chemikers Faraday
                                 uͤber diesen Gegenstand, und muͤssen bei dieser Gelegenheit
                                 wahrhaftig unsere Verwunderung daruͤber aͤußern, wie dieser große
                                 Gelehrte und Praktiker so ganz und gar nichts Gefaͤhrliches in der
                                 Anwendung des aͤzenden Queksilber-Sublimates finden konnte. Um nur
                                 ein einziges Beispiel fuͤr unsere Behauptung anzufuͤhren, erlauben
                                 wir uns zu fragen, wird das Holz alter Schiffe, welches groͤßten Theils
                                 als Brennholz verbraucht wird, beim Verbrennen keine sehr schaͤdlichen
                                 Daͤmpfe entwikeln, wenn es mit Queksilber-Sublimat gebeizt worden?
                                 Dergleichen Fragen ließen sich noch viele aufweisen, und diese moͤgen
                                 unsere Zweifel rechtfertigen.A. d. Ueb.
                           
                        Aus dem London Journal of Arts. September 1833, S.
                              106.
                        Methode den Trokenmoder zu verhuͤten.
                        
                     
                        
                           Es laͤßt sich im Allgemeinen nicht bestimmt sagen, wodurch jene Art von
                              Zerstoͤrung und vorzuͤglich der Trokenmoder, gegen welchen die
                              Erfindung des Hrn. Kyan hauptsaͤchlich gerichtet
                              ist, veranlaßt wird; denn es scheint beinahe, daß Ursache und Wirkung einander
                              ersezen, und daß das, was in einem Falle die Folge dieser Verwesung ist, in einem
                              anderen Falle die endliche gaͤnzliche Zerstoͤrung des Fasergewebes der
                              Substanzen herbeifuͤhrt. Ich lege der Versammlung hiermit mehrere Exemplare
                              vor, aus denen man den raschen Verlauf und die große Ausdehnung dieser
                              Zerstoͤrung ersehen wird, und mache hauptsaͤchlich auf folgende
                              Stuͤke aufmerksam: auf einen Balken, an welchem sich der eine Theil in
                              rascher Verwesung befindet, waͤhrend der andere noch ganz gesund ist; auf ein
                              mir. Oehlfarbe bestrichenes Brett, welches von Außen ganz gut zu seyn scheint,
                              waͤhrend es im Inneren bis auf 1/20 von dem Anstriche weg ganz durch den
                              Trokenmoder zerstoͤrt ist; auf ein Stuͤk eines Mastes, welches von
                              Außen ganz gut zu seyn scheint, waͤhrend es im Inneren wie mit einem Meißel
                              ausgehoͤhlt ist; auf ein Stuͤk Holz von Woolwich, welches so von
                              Wuͤrmern durchloͤchert worden, daß es mehr einem Schwamme als einem
                              Holze gleicht etc.
                           Da ich mir eine genaue Kenntniß von dieser wichtigen Sache verschaffen wollte, so
                              begab ich mich vor einiger Zeit nach Woolwich, um zu sehen, was an diesem großen
                              Depot unter Aufsicht und Sanktion der Admiralitaͤt vorgeht. Ich erfuhr
                              daselbst, daß zum Baue eines Schiffes erster Classe von 90 Kanonen und
                              daruͤber 5880 Lasten Holz; zu einem Schiffe zweiter Classe oder von 80
                              Kanonen 4339 Lasten; zu einem Schiffe dritter Classe von 70 Kanonen 3600 Lasten; zu
                              einem Schiffe vierter Classe 2372; zu einem Schiffe fuͤnfter Classe 1800, und
                              zu einem Schiffe sechster Classe von 28 Kanonen 963 Lasten erforderlich sind. Wenn
                              man nun hiernach solche Daten hoͤrt, wie man sie im Quarterly Review for 1813 lesen kann, so wird man die unendliche
                              Wichtigkeit des fraglichen Gegenstandes gehoͤrig zu wuͤrdigen im
                              Stande seyn. Der Rodney wurde z.B. im Jahre 1809 vom Stapel gelassen, und war kaum
                              in See gegangen, als wegen des unausgewettert verbrauchten Holzes alle Fugen
                              desselben lek wurden, so daß das Schiff im Jahre 1812 aus dem
                              Mittellaͤndischen Meere heimgeschafft und verkauft werden mußte. Der Dublin
                              wurde im Februar 1812 vom Stapel gelassen, und kehrte schon im Jahre 1813 in einem
                              so erbaͤrmlichen Zustande von seiner Kreuzfahrt an den Kuͤsten von
                              Madera und an den westlichen Inseln zuruͤk, daß er haͤtte verkauft
                              werden sollen; man besserte ihn jedoch aus, und verwendete darauf eine Summe von
                              20,000 Pfd. Sterl.
                           Noch weit mehr dergleichen Beispiele ließen sich von Privatschiffen anfuͤhren;
                              denn hier geschieht es gar haͤufig, daß ein Schiff, welches noch kaum in See
                              gegangen, als Brennholz oder zu einem anderen Zweke verwendet werden muß, und zwar
                              aus dem einzigen Grunde, weil sich der Trokenmoder desselben bemaͤchtigte. Ja
                              es ließen sich sehr viele Faͤlle anfuͤhren, in welchen das Holz
                              waͤhrend des sogenannten Auswetterns, welches 2–5 Jahre dauert, und
                              ehe es noch angewendet wurde, zerstoͤrt zu werden anfing.
                           Diese traurigen Umstaͤnde veranlaßten bereits viele Nachforschungen nach
                              Mitteln, welche dem Trokenmoder vorbeugen koͤnnten, und diese Nachforschungen
                              fuͤhrten zu so vielen Angaben, daß man wahrhaftig sagen kann, daß die
                              Regierung manchmal mit angeblichen Erfindungen uͤberhaͤuft und
                              gequaͤlt wurde. Jedes Verfahren, welches im Großen zu nuͤzlichen
                              Zweken angewendet werden soll, soll nach meiner Ansicht einer Probe unterworfen
                              werden, bevor man ein Unheil daruͤber faͤllt. Die Regierung hat dieß
                              gleichfalls in den meisten Faͤllen befolgt, wenn die vorgeschlagenen Mittel
                              nur einige
                              Wahrscheinlichkeit fuͤr sich hatten. Es ist hier nicht meine Absicht alle
                              diese Vorschlage, welche nicht zu dem gewuͤnschten Resultate gefuͤhrt
                              zu haben scheinen, einer Kritik und Untersuchung zu unterwerfen; sondern ich
                              beschraͤnke mich bloß auf ein neuerlich vorgeschlagenes chemisches Mittel,
                              welches seinen Eigenschaften gemaͤß schon im Voraus als tauglich und
                              entsprechend angenommen werden konnte, so daß dessen wirkliche Leistungen nur mehr
                              durch Versuche zu erproben waren. Ich meine die Anwendung des aͤzenden
                              Queksilber-Sublimates, der laͤngst als ein faͤulnißwidriges
                              Mittel bekannt ist, und der, wie jeder Anatom und Naturhistoriker weiß, bereits
                              oͤfter angewendet wurde, um der Zerstoͤrung und Faͤulniß der
                              feinsten organischen Gewebe, wie z. V. des Gehirnes, fuͤr jede Dauer der Zeit
                              vorzubeugen.
                           Hr. Kyan schlug nun den aͤzenden
                              Queksilber-Sublimat in Betrachtung dieser seiner Eigenschaften zur
                              Verhinderung des Trokenmoders des Holzes vor, d.h. fuͤr alle jene
                              Faͤlle, in welchen die Zerstoͤrung des Holzes durch die Vegetation
                              kryptogamischer Gewaͤchse in demselben, oder durch die Gegenwart von
                              eiweißartigen Stoffen in dem Holze entsteht. Er glaubt naͤmlich, daß die
                              Zerstoͤrung hierdurch in ihren Fortschritten gehemmt oder in ihrer
                              Entwikelung gehindert werden koͤnnte, indem sich der aͤzende
                              Queksilber-Sublimat mit den eiweißartigen Theilchen verbindet, welche nach
                              Berzelius und anderen ausgezeichneten Chemikern in
                              dem Holze enthalten sind, und gewisser Maßen die Essenz desselben bilden. Hr. Kyan war so sicher hiervon uͤberzeugt, daß er
                              seine Ansicht der Admiralitaͤt vorlegte. Die Admiralitaͤt wußte
                              dieselbe zu wuͤrdigen, ließ einige Jahre lang Versuche mit dieser Methode
                              anstellen, empfahl hierauf Hrn. Kyan ein Patent auf seine
                              Erfindung zu nehmen, und laͤßt seither die Versuche mit seinem Verfahren,
                              welches er spaͤter auch auf die Schuͤzung von Canevaß,
                              Baumwollenzeugen, Tauen, Hanf gegen die Zerstoͤrung durch den Moder mit
                              Erfolg ausdehnte, fortsezen.
                           Das Verfahren des Hrn. Kyan ist aus der Erklaͤrung
                              seines Patentes bekannt; ich beschranke mich daher mit der Aufzaͤhlung
                              einiger der damit angestellten Versuche, und bemerke vorlaͤufig nur noch, daß
                              der Preis des aͤzenden Queksilber-Sublimates, der vor einigen Jahren
                              noch ziemlich hoch war, gegenwaͤrtig so gering ist, daß er im
                              Verhaͤltnisse des Vortheiles, den dessen Anwendung gewaͤhrt, gar nicht
                              in Betracht kommt. Ich war kuͤrzlich an der Modergrube zu Woolwich, an
                              welcher die Versuche angestellt wurden, und die aus einem in die Erde gegrabenen,
                              ringsum mit Holz ausgekleideten Schachte mit einem doppelten hoͤlzernen Dekel besteht. In
                              diese Grube, welche sehr feucht und moderig ist, werden die verschiedenen zu
                              erprobenden Gegenstaͤnde gebracht; ich sah dieselbe oͤffnen, und
                              beobachtete dabei folgende Resultate.
                           Ein nach Kyan's Methode praͤparirtes Stuͤk
                              Bauholz kam nach einem dreijaͤhrigen Aufenthalte in der Modergrube so gesund
                              aus derselben, als es hineinkam; unpraͤparirte Stuͤke, welche zu
                              gleicher Zeit in die Grube geschafft worden, waren hingegen durch und durch
                              vermodert und ganz zerfallen. Ein großer hoͤlzerner Wuͤrfel, der bei
                              einem dreijaͤhrigen Aufenthalte in der Grube vollkommen gesund geblieben, und
                              neuerdings auf zwei Jahre hineingebracht worden, war nach fuͤnf Jahren noch
                              ganz hart und vollkommen frisch und gesund; kurz alles praͤparirte Holz war,
                              selbst nachdem es, wenn wir uns dieses Ausdrukes bedienen duͤrfen,
                              fuͤnf Jahre lang der verwesenden Kraft ausgesezt worden, noch vollkommen
                              frisch und gesund.
                           Hr. Robert Smicke brachte ein Paar Pfosten unter eine
                              Dachtraufe, unter welcher sie eine geraume Zeit hindurch ganz gleichen
                              Verhaͤltnissen ausgesezt waren; der eine dieser Pfosten war nach dieser Zeit
                              ganz vermodert, der andere hingegen, der nach Kyan's
                              Methode praͤparirt worden, blieb unveraͤndert! Ich lege mehrere
                              Stuͤke Canevaß und Calico vor, welche vom December 1832 bis zum Februar 1833
                              in Kellern und an anderen Orten der Einwirkung der Feuchtigkeit und des Moders
                              ausgesezt gewesen. Die einen derselben, d.h. jene, welche vorher nach Kyan's Methode behandelt worden, sind in ihrem Gewebe
                              unveraͤndert und vollkommen fest geblieben, waͤhrend die
                              uͤbrigen vermodert waren, und beim Abwikeln in Stuͤke zerfielen, so
                              daß Niemand uͤber den Unterschied auch nur im Geringsten in Zweifel seyn
                              kann. Ich war hiernach uͤberzeugt, oder wußte vielmehr schon im Voraus, daß
                              der aͤzende Queksilber-Sublimat selbst solche Dinge, die weit mehr zur
                              Verwesung geneigt sind, als das Holz, der Canevaß und die Baumwolle, vor derselben
                              zu schuͤzen vermoͤge; allein ich hatte uͤber die Anwendung
                              dieses Mittels noch einige Zweifel. Es fragte sich naͤmlich: ist dieses
                              Schuzmittel oder diese verwesungswidrige Substanz von solcher Art, daß sie bleibend
                              an dem zu schuͤzenden Koͤrper haftet, oder ist ihre Wirkung nur eine
                              temporaͤre, die sich mit der Laͤnge der Zeit wieder verlieren
                              wuͤrde; wird der aͤzende Queksilber-Sublimat nicht aus dem
                              Holze, welches dem Bodenwasser in den Schiffen oder irgend einem anderen Wasser
                              ausgesezt ist, wieder ausgezogen, so daß dessen Wirkung auf diese Weise aufgehoben
                              wird; und gesezt, dieß
                              waͤre nicht der Fall, erzeugt der aͤzende Queksilber-Sublimat
                              nicht eine der Gesundheit nachtheilige Atmosphaͤre? Die Antwort auf diese
                              Frage lautete der Theorie nach: Nein; denn es entstand eine chemische Verbindung
                              zwischen dem aͤzenden Queksilber-Sublimate und dem zu
                              schuͤzenden Koͤrper, und die Verwesung wird dadurch verhindert, daß
                              eine neue chemische Verbindung zwischen ersterem und dem eiweißartigen Bestandtheile
                              des Holzes Statt findet. Da mir dieß jedoch zu meiner vollen Ueberzeugung noch nicht
                              hinreichend war, so stellte einige Versuche hieruͤber an.
                           Der Saft der Pflanzen erzeugt bekanntlich einen Niederschlag in der Aufloͤsung
                              des aͤzenden Queksilber-Sublimates; es entsteht hierdurch
                              augenbliklich eine neue Verbindung, und die alten erleiden eine Veraͤnderung
                              in ihren Eigenschaften, und es ist daher nicht wahrscheinlich, daß, wenn beide
                              Substanzen durch eine Art von chemischer Verbindung zusammengerathen, dieselben ihre
                              fruͤheren Eigenschaften beibehalten. Die Eigenschaften des aͤzenden
                              Queksilber-Sublimates erleiden auch wirklich eine Veraͤnderung; denn
                              die Verbindung kann bei der gewoͤhnlichen Temperatur nicht mehr
                              verfluͤchtigt oder auf eine andere Weise ausgezogen werden, wie dieß aus
                              folgenden Versuchen erhellt. Ich nahm von dem praͤparirten Canevaß und wusch
                              ihn mehrere Male in Wasser aus; ich nahm ferner von dem praͤparirten Calico,
                              und wusch auch diesen sorgfaͤltig aus, da aus der Natur der Baumwolle
                              vermuthet werden konnte, daß diese vielleicht eher von dem in ihr enthaltenen
                              aͤzenden Queksilber-Sublimate etwas abgeben moͤchte. In beiden
                              Faͤllen war in dem Waschwasser kein Queksilber zu entdeken, und ich schloß
                              daher, daß, wenn die durch die Anwendung des aͤzenden Sublimates in dem
                              Calico entstandene Verbindung durch Auswaschen mit Wasser nicht entfernt werden
                              kann, diese Entfernung noch weniger an dem Holze Statt finden duͤrfte, indem
                              die Verbindung hier in die Saftzellen des Holzes eingeschlossen ist. Die
                              Queksilber-Verbindung kann also nicht durch Wasser ausgezogen werden; wohl
                              aber wird sie dieß, wenn man den Calico, den Canevaß oder das Holz in
                              Salpetersaͤure bringt, was einen Beweis mehr abgibt, daß das Queksilber in
                              diesen Substanzen eine chemische Verbindung eingegangen. Der mehrere Male
                              ausgewaschene Calico wird uͤbrigens, wie ich mich durch Versuche
                              uͤberzeugte, gleichfalls nicht von dem Moder angegriffen, sondern bleibt
                              durch die in ihm entstandene Queksilber-Verbindung vollkommen dagegen
                              geschuͤzt. Ich folgere aus diesen Versuchen, daß das Queksilber nicht durch
                              Wasser aus dem Holze oder aus den uͤbrigen Substanzen entfernt werden kann;
                              daß es nicht dampffoͤrmig aus denselben entweicht; daß diese Methode also der Gesundheit
                              keinen Schaden bringt, und daß endlich der Nuzen, den sie gewahrt, so groß ist, daß
                              deren Anwendung allgemein empfohlen werden kann.