| Titel: | Ueber die Ursachen des Einstürzens des berühmten Kettenbrükenpfeilers zu Brighton. | 
| Fundstelle: | Band 50, Jahrgang 1833, Nr. XCI., S. 402 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XCI.
                        Ueber die Ursachen des Einstuͤrzens des
                           beruͤhmten Kettenbruͤkenpfeilers zu Brighton.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, No. 533, S.
                              55.
                        Das Einstuͤrzen des beruͤhmten
                           Kettenbruͤkenpfeilers zu Brighton.
                        
                     
                        
                           In der Nacht vom 15. October fiel der praͤchtige Kettenbruͤkenpfeiler,
                              welcher 10 Jahre hindurch die Zierde Brighton's war, mit fuͤrchterlichem
                              Gekrache ein. Der Einsturz geschah bei einem sehr starken Winde, welcher zugleich
                              auch mit heftigem Regen und mit Blizen begleitet war; er wird daher von Einigen dem
                              Winde, von Anderen dem Blize zugeschrieben, waͤhrend wieder Andere behaupten,
                              es sey bei seinem schlechten Baue ein Wunder gewesen, daß er nicht schon
                              laͤgst in Ruinen zerfiel. Hr. Busby zu Brighton,
                              der die Ueberreste des Pfeilers den Morgen, nachdem der Unfall geschehen,
                              sorgfaͤltig untersuchte, ist der Meinung, daß der Einsturz darch den Bliz
                              veranlaßt wurde; seine Gruͤnde hie fuͤr gibt er im Brighton Herald auf folgende Weise an.
                           
                              „Ich bin fest uͤberzeugt, daß man sich irrt, wenn man den traurigen
                                 Unfall der Gewalt des Windes zuschreibt, und zwar aus folgenden Gruͤnden:
                                 1) war der Wind im Augenblike des Einsturzes nicht heftiger, als er den
                                 groͤßten Theil des Tages uͤber war. 2) hatte der Pfeiler in
                                 lezteren Zeiten weit heftigeren Windstoͤßen, des großen Sturmes vom Jahre
                                 1824 gar nicht zu gedenken, widerstanden. 3) stand das Wasser zur Zeit des
                                 Unfalles niedrig, so daß sich die Platform damals beilaͤufig 29 Fuß hoch
                                 uͤber der See befand, und daß der Wind also vollkommen frei unter ihr
                                 durchziehen konnte. 4) wenn der Einsturz durch die mechanische Kraft des Windes,
                                 durch ein Aufheben und ploͤzliches Fallenlassen der Platform bewirkt
                                 worden waͤre, so wuͤrden nicht die senkrechten Stangen, die einen
                                 senkrechten Stoß erlitten, sondern die Hauptketten gebrochen seyn, auf welche
                                 die Kraft schief eingewirkt haͤtte, und welche einer Gewalt ausgesezt
                                 sind, die fuͤnf Mal groͤßer ist, als die wirkliche Schwerkraft,
                                 oder als der vorausgesezte nach Abwaͤrts gehende Impuls der an ihnen
                                 haͤngenden Platform. Nimmt man hierzu noch, daß die wirkliche vereinte
                                 Staͤrke der aufrechten Stangen, welche saͤmmtlich 1 1/12 Zoll im
                                 Durchmesser haben, und deren Zahl an beiden Seiten des Bogens 49
                                 betraͤgt, weit groͤßer ist, als jene der vier Hauptketten, von denen
                                 jede kaum uͤber 2 Zoll im Durchmesser hat, und endlich, daß der Bruch der
                                 aufrechten Stangen beinahe vollkommen regelmaͤßig in der Hoͤhe des
                                 Mittelpunktes des gußeisernen Gelaͤnders Statt fand, so wird man gewiß zu
                                 der Ueberzeugung kommen, daß der Bruch durch eine ganz andere Ursache veranlaßt
                                 wurde. Wie unwahrscheinlich und beinahe unmoͤglich waͤre es
                                 anzunehmen, daß sich die schwaͤchsten Theile aller dieser Stangen
                                 saͤmmtlich in einer und derselben horizontalen Linie befanden!
                              
                           
                              Ich kann, nachdem ich die gebrochenen Stangen genau untersucht, versichern, daß
                                 dieselben aus vortrefflichem, und zaͤhem Eisen bestehen, und durchaus
                                 nicht durch die Oxydation gelitten haben. Es ist ferner bekannt, daß die
                                 Grundlager des Pfeilers kuͤrzlich unter der Leitung des wuͤrdigen
                                 Hazlett untersucht und ausgebessert wurden, so
                                 wie sich denn auch sowohl deren Festigkeit, als der vollkommen gute und
                                 unverdorbene Zustand der Hauptketten nach dem Unfalle selbst bewaͤhrte.
                                 Es scheint mir daher, daß der Einsturz lediglich der Einwirkung des Blizes
                                 zugeschrieben werden koͤnne, was schon aus dem Verhoͤre des
                                 Waͤchters James Vincent hervorgeht. Dieser
                                 Mann befand sich naͤmlich um 7 Uhr Abends auf der Esplanade,
                                 beilaͤufig 100 Yards von dem westlichen Ende entfernt, und ging gegen den
                                 Pfeiler hin. Die ganze Atmosphaͤre war vollkommen dunkel und finster, als
                                 ihm die dritte Bruͤke (wie er die Stelle gewoͤhnlich nannte) in
                                 Feuer zu stehen schien, so daß er die Ketten, die Stangen, die Platform und den
                                 Pfeiler so deutlich, wie am hellen Tage sah. Diese Beleuchtung verschwand eben
                                 so ploͤzlich, als sie erschien, und in demselben Augenblike
                                 stuͤrzte auch die Platform ein, wobei dieselbe in dem Salzwasser ein
                                 elektrisches Licht von sich gab, gleich jenem, welches ein großes Schiff,
                                 welches bei Nacht unter Wegs ist, erzeugt. Auf dem ersten Bogen befand sich zu
                                 gleicher Zeit auch ein Diener des Hrn. Attwood, der
                                 den Bliz laͤngs des Bodens hinlaufen sah; dieser Mann lief, als er
                                 bemerkte, daß der Boden unter ihm zu wanken anfing, so schnell als
                                 moͤglich zuruͤk.
                              
                           
                              Nimmt man nun an, daß der Bliz von den Hauptketten, von dem eisernen Bindebalken,
                                 der unter dem Boden lief, von den gußeisernen Pallisaden und von den
                                 Staͤben angezogen wurde, die sich in der Mitte des Bogens dicht neben
                                 einander befinden, so duͤrften die Bindebalken und die Pallisaden die
                                 Elektricitaͤt wohl in horizontaler Richtung geleitet haben, so daß also
                                 die senkrechten Tragestangen, obwohl sie in mechanischer Hinsicht am
                                 staͤrksten sind, wegen ihrer geringeren Dike dem Stoße nachgeben mußten,
                                 und daß die Platform also einfiel. Durch dieses Einstuͤrzen wurden die
                                 Ketten ploͤzlich ihrer Last entledigt; sie flogen also in Folge des
                                 uͤberwiegenden Einflusses der benachbarten Bogen in die Hoͤhe, und dadurch entstand
                                 nothwendig die ausgedehnte Zerstoͤrung. Ich glaube hiernach, daß kein
                                 Zweifel daruͤber obwalten duͤrfte, daß die primaͤre Ursache
                                 des Unfalles, der unsere herrliche Kettenbruͤke traf, lediglich in der
                                 Einwirkung des Blizes zu suchen sey.“