| Titel: | Untersuchungen über das Stärkmehl und die Diastase, von den HH. Payen und Persoz. | 
| Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XXIII., S. 122 | 
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                        XXIII.
                        Untersuchungen uͤber das Staͤrkmehl
                           und die Diastase, von den HH. Payen und Persoz.
                        Im Auszuge aus den Annales
                                 de Chimie et de Physique. August 1834, S. 337.
                        Untersuchungen uͤber das Staͤrkmehl und die
                           Diastase.
                        
                     
                        
                           Da das Staͤrkmehl ohne Zweifel eine der nuͤzlichsten Substanzen ist, so
                              zweifeln wir nicht, daß einige neue Thatsachen uͤber die Natur und besonders
                              uͤber gewisse Umwandlungen desselben, durch die es nicht nur bei
                              wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auch in den Manufacturen und der
                              Landwirthschaft mannigfaltige Anwendungen gestattet, unsere Leser interessiren
                              werden.
                           Die kraͤftige Wirkung der Diastase auf das Staͤrkmehl, welche wir in
                              einer fruͤheren AbhandlungWir theilten diese Abhandlung im polytechn. Journale Bd. L. S. 203 mit, und den Bericht
                                    von Dumas ebendaselbst S. 195. A. d. R. beschrieben, wurde von den HH. Dumas und Robiquet bestaͤtigt; es blieb uns nun noch
                              uͤbrig, die Resultate dieser Reaction zu bestimmen, den Siz des Amidons in
                              den Pflanzen auszumitteln und zu untersuchen, welche naͤhere Bestandtheile derselben durch
                              die Wirkung der Diastase veraͤndert werden, und welche hingegen die Wirkung
                              dieses Stoffes hemmen; diese wichtigen Fragen wollen wir nun zu loͤsen
                              versuchen.
                           Schon bei unseren ersten Versuchen uͤber die Diastase hatten wir gefunden, daß
                              wenn man ihre Wirkung auf das Staͤrkmehl zeitlich unterbricht, ein großer
                              Theil der inneren Substanz des Staͤrkmehles aus seinen Huͤlsen
                              unveraͤndert auszutreten scheint, indem er dem Einflusse der Diastase
                              entgeht; wirkte aber der gebildete Zuker seinerseits auf denselben? Wurden die
                              Huͤlsen veraͤndert? Erlitten die Koͤrper, welche
                              gewoͤhnlich das Staͤrkmehl in den Pflanzentheilen begleiten, durch die
                              Diastase Veraͤnderungen? Diese Fragen muͤssen geloͤst werden,
                              wenn man die Diastase benuzen will, um die Zusammensezung des Staͤrkmehles
                              auszumitteln. Die Erfahrung lehrt uns in dieser Hinsicht Folgendes:
                           Wenn die Huͤlsen ein Mal vollstaͤndig
                                 abgeschieden sind, z.B. dadurch, daß man die Diastase sechs Stunden lang
                              bei einer Temperatur von 65 bis 75° C. (52 bis 60° R.) auf das
                              Staͤrkmehl einwirken ließ, oder wenn sie von aller inneren Substanz durch
                              eine zehnfache Menge Diastase bei bloß 30 bis 40 Minuten dauernder Reaction
                              derselben befreit wurden, so erleiden sie von Seite der
                                 Diastase keine weitere Veraͤnderung mehr. Die Diastase
                              veraͤndert aber nicht nur die reinen Huͤlsen durchaus nicht, sondern auch eben so wenig
                           1) das Inulin, welches sich bekanntlich durch
                              Schwefelsaͤure, Phosphorsaͤure, Salzsaͤure, Essigsaure etc.
                              leicht in Zuker umwandelt;
                           2) das arabische Gummi, das die Schwefelsaͤure
                              ebenfalls in Zuker verwandeln wuͤrde;
                           3) die gummige Substanz, welche durch Einwirkung der
                              Diastase selbst entsteht und die sich, wie wir gezeigt haben, durch Wasser, das mir
                              Schwefelsaͤure geschaͤrft ist, rasch in Zuker verwandelt;
                           4) den Holzstoff, welcher durch schwache
                              Schwefelsaͤure ebenfalls in Zuker verwandelt wird.
                           Die Wirkung der Schwefelsaͤure ist, wie man sieht, von derjenigen der Diastase
                              sehr verschieden, denn leztere kann im Verlauf derselben Zeit sechszig Mal mehr
                              Starkmehl aufloͤsen als die Saͤure; leztere hingegen verwandelt die
                              vier vorher angefuͤhrten Substanzen, auf welche die Diastase ohne Einfluß
                              ist, vollstaͤndig in Zuker; endlich wird auch die Wirkung der Diastase nicht
                              aufgehoben, wenn die Fluͤssigkeit so viel kohlensaures Kali, Natron oder Kalk
                              enthaͤlt, daß sie stark alkalisch reagirt. (Die Diastase kann auch dann noch
                              auf das
                              Staͤrkmehl wirken, wenn die Fluͤssigkeit einen geringen
                              Saͤureuͤberschuß und verschiedene neutrale Salze enthaͤlt.)
                           5) und 6) Weder das Eiweiß noch der Kleber erleiden durch die Diastase eine Veraͤnderung.
                           Da keine der vorhergehenden Substanzen die Wirkung der Diastase aufhaͤlt, so
                              koͤnnen auch die Stoffe, in deren Begleitung sie bis jezt in der
                              Pflanzenorganisation aufgefunden wurde, ihre Reaction auf das Staͤrkmehl
                              weder verhindern, noch veraͤndern.
                           Eine hinreichende Menge von Gerbestoffaufloͤsung
                                 verhindert die Wirkung der Diastase vollkommen; auch findet man in
                              denjenigen Pflanzentheilen, wo die Umwandlung des Staͤrkmehles beendigt wird,
                              wenig oder keinen Gerbestoff. Wir werden uͤbrigens sehen, daß der Gerbestoff
                              mit der inneren Substanz des Staͤrkmehles eine bis jezt unbekannt gebliebene
                              Verbindung bildet, von welcher unten die Rede seyn wird.
                           Die Knochenkohle ist ohne Wirkung auf die Diastase; sie
                              laͤßt sich also benuzen, um die Saͤfte, welche diesen neuen Stoff
                              enthalten, zu entfaͤrben.
                           Wir haben zur Bereitung der Diastase ein neues Verfahren
                              ausgemittelt, welches wohlfeiler und leichter ausfuͤhrbar ist, als das in
                              unserer ersten Abhandlung beschriebene. Es besteht in Folgendem:
                           Man zerreibt frisch gekeimte Gerste in einem MoͤrserDie Gerste enthaͤlt eine um so groͤßere Menge von Diastase, je
                                    gleichzeitlicher die Koͤrner keimen und je mehr die Keimung bis zu
                                    dem Punkte vorschreitet, wo die Knoͤspchen eine gleiche Laͤnge
                                    mit dem Korne erlangen. Bei den Braͤuern enthaͤlt die gekeimte
                                    Gerste oft nicht ein Mal ein Tausendstel ihres Gewichtes Diastase, und
                                    selten mehr als zwei Tausendstel. A. d. O., befeuchtet sie mit ungefaͤhr der Haͤlfte ihres Gewichtes
                              Wasser, und preßt dieses Gemenge stark aus; die davon ablaufende Fluͤssigkeit
                              wird mit so viel Alkohol vermischt, als noͤthig ist, um ihre Klebrigkeit zu
                              zerstoͤren und den groͤßten Theil der stikstoffhaltigen Substanz
                              daraus niederzuschlagen, welche man dann abfiltrirt. Die mit Alkohol
                              gefaͤllte und filtrirte Fluͤssigkeit liefert die unreine Diastase; um
                              leztere zu reinigen, loͤst man sie noch drei Mal in Wasser auf und
                              schlaͤgt sie jedes Mal mit uͤberschuͤssigem Alkohol nieder. Das
                              lezte Mal wird sie auf einem Filter gesammelt, feucht von demselben abgenommen, in
                              duͤnner Schichte auf einer Glasplatte durch einen Strom heißer Luft von
                              45–50° C. (36–40° R.) getroknet, dann zu Pulver
                              zerrieben und in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt. Sie haͤlt sich
                              uͤbrigens in trokner Luft sehr lange.
                           Die Diastase kommt weder in den Wurzelfasern des geleimten Kornes, noch in den
                              Staͤngeln, noch in den Wurzeln der Erdaͤpfelknollen vor, sondern nur
                              um ihren gemeinschaftlichen Einsezpunkt, also gerade an den Stellen, wo sie das
                              Austreten und die Assimilation der staͤrkmehlhaltigen Substanz
                              beguͤnstigen muß.
                           Wir wollen nun die vorhergehenden Daten benuzen, um die Zusammensezung des
                              Staͤrkmehles zu bestimmen, so wie die Producte, welche durch Einwirkung der
                              Diastase auf seine innere Substanz entstehen, die allein und sehr stark durch jene
                              angegriffen wird; wir werden endlich zeigen, wie das Bersten zwischen den
                              Bestandtheilen des Staͤrkmehles und das Zerreißen der Huͤlsen bei
                              verschiedenen Verhaͤltnissen von Diastase und bei verschiedener Dauer der
                              Wirkung erfolgt.
                           Wir haben gesehen, daß die Diastase ihr zwei tausendfaches Gewicht Staͤrkmehl
                              in dessen vierfachem Gewicht Wasser aufloͤsen kann, wenn die Temperatur
                              zwischen 65 und 75° C. erhalten wird.
                           Wenn man die Reaction unterbricht, indem man die Temperatur, sobald das Starkmehl
                              fluͤssig geworden ist, auf 100° C. (80° R.) erhoͤht, und
                              dann die Fluͤssigkeit zur Syrupsconsistenz abdampft, so ist die Masse nach
                              dem Erkalten undurchsichtig; ruͤhrt man sie mit Wasser an, so bleibt ein
                              großer Theil davon unaufgeloͤst;Wenn man das kalte Wasser mit Weingeist vermischt, so erfolgt diese
                                    Faͤllung schleuniger und man hat dann auch keine freiwillige
                                    Veraͤnderung zu, befuͤrchten. Um zu erfahren, wie weit die
                                    Reaction der Diastase vorgeschritten ist, behandelt man die bis zu einem
                                    schwachen Haͤutchen eingekochte und erkaltete Masse (das rohe
                                    Dextrin) mit ihrem gleichen Gewichte Alkohol von 30° und suͤßt
                                    sie so lange mit heißem Alkohol aus, bis dieser nichts mehr aufloͤst;
                                    durch Abdampfen der geistigen Aufloͤsung erhaͤlt man den
                                    Zuker, welchen man durch dreimaliges Aufloͤsen in Alkohol von
                                    33° und Wiedereindampfen reinigt.Zieht man den vorher erhaltenen Ruͤkstand mit kaltem Alkohol von 0,20
                                    aus, so loͤst sich die gummige Substanz auf; um sie zu reinigen,
                                    troknet man sie, loͤst sie nochmals in schwachem Alkohol auf,
                                    filtrirt und dampft dann ab. Diese Operationen wiederholt man drei oder vier
                                    Mal, wodurch man das reine Dextringummi erhaͤlt. Der
                                    unaufloͤsliche Ruͤkstand enthaͤlt das Amidon, welches
                                    man durch abwechselnde Behandlung mit kaltem Wasser und solchem von
                                    70° C. (56° R.) ebenfalls reinigen muß. A. d. O. zieht man sie mit Wasser aus, bis sie ganz erschoͤpft ist, so bemerkt
                              man unter dem Mikroskop eine große Anzahl von Huͤlsenresten; erhizt man sie
                              auf 65° C. und erhaͤlt man sie einige Stunden lang mittelst einer
                              Temperatur von 70 bis 80° C. in Wasser aufgeloͤst, so schlagen sich
                              die Huͤlsen allmaͤhlich nieder; gießt man die Aufloͤsung von
                              diesen ab, dampft sie rasch ein und troknet den Ruͤkstand in duͤnnen
                              Schichten aus, so erhaͤlt man farbloses, durchscheinendes Amidon, welches nur noch Spuren von zwei
                              unaufloͤslichen Substanzen und einige Huͤlsenuͤberreste
                              enthaͤlt. Um das Amidon von diesen fremdartigen Substanzen zu reinigen,
                              suspendirt man es in kaltem Wasser, welches man bestaͤndig erneuert, bis es
                              erschoͤpft ist, loͤst es dann in heißem Wasser auf und troknet endlich
                              die abgegossene Fluͤssigkeit wie vorher ein.
                           Wir werden in Folgendem, um Umschreibungen zu vermeiden, die in den Huͤlsen
                              des Staͤrkmehles enthaltene Substanz, welche man nach dem so eben
                              beschriebenen Verfahren in fast ganz reinem Zustande erhaͤlt, Amidon nennen.
                           
                        
                           1. Eigenschaften des Amidons.
                              Verhalten desselben zum Wasser, Alkohol, Gerbestoff, Jod und Baryt.
                           Sezt man reines Amidon bei einer Temperatur von 15° C. (12° R.)
                              feuchter Luft aus, so absorbirt es wie das Staͤrkmehl 20 bis 25 Proc. Wasser,
                              indem es sich allmaͤhlich aufblaͤht. Derjenige Theil des Amidons,
                              welcher in Folge einer großen Zertheilung desselben durch Wasser und
                              Erwaͤrmen, leicht in kaltem Wasser aufloͤslich zu seyn scheint, ist
                              immer ein Product seiner Veraͤnderung, denn er ist niemals farblos, niemals
                              in fixem Verhaͤltnisse und enthaͤlt stets auch reines Amidon mit allen
                              seinen chemischen Eigenschaften. Nach zahlreichen Versuchen loͤst sich
                              unveraͤndertes Amidon nicht merklich in kaltem Wasser auf; nach
                              gehoͤriger Vertheilung scheint es sich aber bei 65° C. darin
                              aufzuloͤsen.
                           Im Alkohol ist das Amidon unaufloͤslich; derselbe loͤst aber das
                              wesentliche bittere Oehl der Huͤlsen auf. Aus seiner Aufloͤsung in
                              heißem Wasser wird das Amidon durch Alkohol in unveraͤndertem Zustande
                              niedergeschlagen.
                           Wenn man 1 Theil Staͤrkmehl in 100 Theilen Wasser aufloͤst, filtrirt
                              und die Fluͤssigkeit nach dem Erkalten mit einer Aufloͤsung von reinem
                              Gerbestoffe versezt, so entsteht ein milchiger Niederschlag; Gallaͤpfelabsud
                              erzeugt einen graulichen Niederschlag. Eine Staͤrkmehlaufloͤsung,
                              welche vorher durch Jod geblaͤut wurde, wird durch Gallapfelaufloͤsung
                              augenbliklich entfaͤrbt und es sezt sich dann ein graulicher Niederschlag ab.
                              Die Huͤlsen des Staͤrkmehles werden durch Jod nicht mehr
                              geblaͤut, wenn ihnen alles Amidon entzogen ist.
                           Eine erkaltete Amidonaufloͤsung gibt mit Barytaufloͤsung einen
                              voluminoͤsen, weißen, undurchsichtigen Niederschlag, der sich in einem
                              geringen Ueberschuß von Wasser wieder aufloͤst. Wenn man durch diese
                              Aufloͤsung kohlensaures Gas leitet, so faͤllt kohlensaurer Baryt
                              nieder und wird sie dann filtrirt und zur Trokniß abgedampft, so erhaͤlt man
                              das Amidon in unveraͤndertem, aber sehr fein zertheiltem Zustande.
                           Barytaufloͤsung zieht das Staͤrkmehl sehr stark zusammen, selbst wenn
                              es sich stark aufgeblaͤht hat und seine Huͤlsen durch kochendes Wasser geborsten sind.
                              Basisch essigsaures Blei gibt mit Amidon einen Niederschlag, welcher sich selbst in
                              uͤberschuͤssigem Wasser nicht aufloͤst.
                           
                        
                           2. Verhalten der Diastase.
                           Um sich von dem Verhalten der Diastase zum Staͤrkmehl zu uͤberzeugen,
                              ruͤhre man das Staͤrkmehl mit seinem fuͤnffachen Gewichte
                              kalten Wassers an und lasse 0,005 Diastase bei einer Temperatur von 70 bis
                              75° C. (56 bis 60° R.) darauf einwirken. Durch einen Tropfen
                              Jodaufloͤsung erfaͤhrt man, ob sich alles Amidon zersezt hat.Bisweilen bleibt eine geringe Quantitaͤt Amidon sehr fein zertheilt in
                                    dem Gemenge zuruͤk, ohne daß das Jod seine Gegenwart anzeigt; trennt
                                    man dieses Amidon aber von dem Zuker durch Alkohol, so bleibt es mit dem
                                    Gummi zuruͤk und scheidet sich von diesem, wenn man ihn in schwachem
                                    Alkohol von 0,30 oder 0,35 aufloͤst.Staͤrkmehl, welches durch mehrstuͤndiges Verweilen in Wasser
                                    sich stark aufgeblaͤht und daher eine schwaͤchere
                                    Cohaͤsion hat, wird durch die Diastase viel schneller
                                    veraͤndert als solches, das vorher stark ausgetroknet wurde. A. d.
                                    O.
                              
                           Man sieht dann die Huͤlsen als leichte Floken in der Fluͤssigkeit
                              umherschwimmen, woraus sie sich langsam absezen; leztere sind ganz von Amidon
                              befreit und werden durch Jod nicht mehr blau gefaͤrbt. Die Quantitaͤt
                              der Huͤlsen betraͤgt 0,0004 mit Inbegriff der unorganischen
                              Koͤrper (der Kieselerde, des kohlensauren und phosphorsauren Kalks) und der
                              Spuren von wesentlichem Oehl; das Quantum dieser Substanzen wechselt bei
                              verschiedenen Staͤrkmehlsorten zwischen 0,0004 und 0,001.
                           Wird die durch Diastase erhaltene Staͤrkmehlaufloͤsung eingedampft und
                              sorgfaͤltig (bei 100° C. oder im troknen, luftleeren Raume)
                              ausgetroknet, so erhaͤlt man ein Product, welches eben so viel wiegt als das
                              angewandte Staͤrkmehl und die Diastase zusammengenommen; die Atome des
                              Staͤrkmehles haben also durch den Einfluß der Diastase sich in einer anderen
                              Ordnung an einander gereiht, aber ohne merklichen Verlust;Hr. Dumas hat einen sehr merkwuͤrdigen
                                    mikroskopischen Versuch angestellt, um die Reaction der Diastase zu
                                    beobachten. Man bringt in ein kleines Gruͤbchen zwischen zwei
                                    Glasplatten einige Tropfen Diastaseaufloͤsung und mehrere
                                    Koͤrner groben Staͤrkmehles und erhizt dann allmaͤhlich
                                    unter dem Mikroskop. Bei aufmerksamer Beobachtung sieht man, daß die
                                    Koͤrner sich aufblaͤhen, bersten und dann ploͤzlich
                                    verschwinden. Bei der Temperatur von 70° C. erfolgt die Reaktion am
                                    schnellsten. die zwei neuen Substanzen, ein Gummi und ein Zuker, in welche das Starkmehl dadurch gaͤnzlich
                              umgeaͤndert wurde, zeichnen sich durch eigenthuͤmliche Eigenschaften
                              aus.
                           
                              
                              Ueber den Zuker und das Gummi, welche durch Einwirkung der
                                 Diastase auf das Amidon entstehen.
                              Diese beiden Substanzen haben folgende Eigenschaften, wodurch sie sich von dem
                                 Amidon unterscheiden, mit einander gemein.
                              Sie sind im Wasser und in schwachem AlkoholIn Alkohol von 95 Proc. loͤst sich keine von beiden auf. sehr leicht loͤslich; wenn ihre Aufloͤsung eingedampft
                                 wird, halten sie das Wasser stark zuruͤk.
                              Ihre Aufloͤsung in Wasser wird weder durch Gerbestoffaufloͤsung,
                                 noch durch Gallaͤpfelinfusion, basisch essigsaures Blei, Kalk oder Baryt
                                 gefaͤllt; Jod faͤrbt sie nicht blau.
                              Durch folgende Eigenschaften unterscheiden sie sich aber wesentlich von
                                 einander:
                              Der Zuker loͤst sich in Alkohol von 84 Procent ohne Ruͤkstand auf,
                                 waͤhrend das Gummi durch denselben in hydratischem Zustande
                                 niedergeschlagen wird. Er hat einen sehr suͤßen Geschmak, waͤhrend
                                 das Gummi fast geschmaklos ist. Lezteres ist in Alkohol von 0,30 leicht
                                 loͤslich, weniger in Alkohol von 0,45 und gar nicht in solchem von
                                 0,50.
                              Der Zuker zerfaͤllt, wenn er in Wasser aufgeloͤst ist, bei einer
                                 geeigneten Temperatur durch Hefe vollstaͤndig in Alkohol und
                                 Kohlensaͤure;Das Amidon verwandelt sich nicht direct in diese beiden Substanzen. das Amidongummi hingegen liefert unter
                                 denselben Umstaͤnden keinen Alkohol; lezteres ertheilt dem Viere seine
                                 schleimige Consistenz, wodurch die Kohlensaͤure zuruͤkgehalten
                                 wird, und durch die es sich von anderen geistigen Getraͤnken
                                 unterscheidet, welche aus zukerigen Substanzen bereitet wurden, die wenig oder
                                 kein Gummi enthielten. Vermischt man das Amidongummi mit seinem vierfachen
                                 Volumen Wasser, das ein Procent Schwefelsaͤure enthaͤlt und erhizt
                                 die Masse auf 100° C., so verwandelt es sich in Zuker.
                              Der Zuker, welchen die Diastase liefert, ist viel hygrometrischer und viel
                                 schwieriger auszutroknen als das Gummi; es gelang uns nicht, ihn in Krystallen
                                 zu erhalten; er erstarrt auch nicht zu einer Masse, wie der aus
                                 Staͤrkmehl mit Schwefelsaͤure bereitete Zuker.
                              Nach den Versuchen des Hrn. Biot dreht das aus
                                 Staͤrkmehl mittelst Diastase erhaltene Gummi die Polarisationsebene zur
                                 Rechten; man kann daher fuͤr dasselbe den Namen Dextrin oder Dextringummi
                                 Hr. Dumas hat auf seiner lezten Reise durch mehrere Fabrikanten zu Lyon,
                                       Nimes und Marseille das Dextrin zum Appretiren und Druken seidener
                                       Gewebe versuchen lassen, und zwar mit sehr guͤnstigem
                                       Erfolge. beibehalten.
                              
                           
                        
                           
                           Bildung des Kleisters.
                           Wir glauben durch unsere Versuche erwiesen zu haben, daß das Staͤrkmehl aus
                              Amidon und Huͤlsen besteht. Das Amidon macht 0,995 vom Gewicht des
                              Staͤrkmehles aus; die uͤbrigen 0,004 bis 0,005 bestehen aus mehreren
                              Substanzen, welche an seiner Oberflaͤche ein sehr duͤnnes
                              Haͤutchen bilden. Diese Haͤutchen sind mit einander durch
                              dazwischenliegendes Amidon verbunden, das ihnen stark anhaͤngt und sich in
                              warmem Wasser ausdehnt. Dieser Huͤlse klebt außerdem eine sehr geringe Menge
                              verschiedener anderer Substanzen an, besonders kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk,
                              Kieselerde und wesentliches Oehl, nebst anderen zufaͤllig hinzukommenden
                              Koͤrpern.
                           Wenn man Wasser, worin Staͤrkmehl vertheilt ist, nach und nach bis zum Sieden
                              erhizt, so blaͤht sich das Amidon, indem es die Fluͤssigkeit
                              verschlukt, allmaͤhlich auf, dehnt dadurch die Huͤlse aus, und bringt
                              sie zum Bersten. Der groͤßte Theil des in Freiheit gesezten Amidons wird
                              voluminoͤser werden und sich in der Aufloͤsung verbreiten,
                              waͤhrend die Huͤlsen zusammenfallen und nur einen Theil Amidon
                              zwischen sich zuruͤkhalten. Wenn man auf einen Theil Staͤrkmehl
                              hundert Theile Wasser anwendet, so kann das in Freiheit gesezte Amidon großen Theils
                              durch ein doppeltes Filter gehen, waͤhrend alle Huͤlsen mit dem
                              zwischen ihnen befindlichen-Staͤrkmehle auf dem Papiere
                              zuruͤkbleiben; unter dem Mikroskope zeigen sie sich nun als zugerundete,
                              unregelmaͤßige Saͤke.Die sorgfaͤltig filtrirte Fluͤssigkeit enthaͤlt keine
                                    Huͤlsen, weil sich nach ihrer Behandlung mit Diastase keine aus ihr
                                    absondern. Auch kann man mit dem Mikroskope keine Spuren von solchen in ihr
                                    entdeken. A. d. O. Betraͤgt das Wasser hingegen viel weniger, etwa nur das zehn-
                              bis zwanzigfache Gewicht des Staͤrkmehles, so bildet das schwammige,
                              aufgeblaͤhte, den Huͤlsen anhaͤngende Amidon das consistente
                              Gemenge, welches man Kleister nennt.Hr. Guérin hat kuͤrzlich in den Annales de Chimie ebenfalls eine Abhandlung
                                    uͤber das Staͤrkmehl bekannt gemacht. Er fand im
                                    Staͤrkmehl drei Substanzen, ein Amidin,
                                    ein Huͤlsenamidin und ein loͤsliches Amidin. Da sich Hr. Payen erbietet, durch directe Versuche zu
                                    beweisen, daß diese verschiedenen Stoffe bloß Gemenge des reinen oder
                                    veraͤnderten Amidons mit den Huͤlsen sind, so theilen wir Guérin's Abhandlung unseren Lesern nicht
                                    mit und behalten uns vor auf dieselbe zuruͤkzukommen, wenn dieser
                                    Gegenstand einmal in's Reine gebracht ist.