| Titel: | Bemerkungen über die Abhandlung des Hrn. Schlumberger, welche den Titel führt: Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps. Von Hrn. Robiquet. | 
| Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XXVI., S. 136 | 
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                        XXVI.
                        Bemerkungen uͤber die Abhandlung des Hrn.
                           Schlumberger, welche den Titel fuͤhrt:
                           Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps. Von Hrn. Robiquet.Diese Abhandlung wurde der Akademie der Wissenschaften zu Paris schon den 12. Mai
                                 1834 vorgelesen, und seitdem nichts daran geaͤndert.A. d. O.
                           
                        Aus den Annales de Chimie
                              et de Physique. September 1834, S. 70.Wir erhielten dieses Journal durch directe Post den 10. Januar 1835.
                           
                        Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser
                           Krapps.
                        
                     
                        
                           Hr. Heinrich Schlumberger hat in Nr. 32 des Bulletin de la Société industrielle de
                                 Muhlhausen (Polytechn. Journ. Bd. LII. S.
                                 193) eine sehr interessante vergleichende Untersuchung des Avignoner und
                              des Elsasser Krapps bekannt gemacht. Seine Abhandlung enthaͤlt eine lange
                              Reihe sorgfaͤltig angestellter Versuche, aus denen er folgende
                              Schluͤsse ziehen zu duͤrfen glaubt:
                           1) Der kohlensaure Kalk, oder eine der Substanzen, welche ihn ersezen koͤnnen,
                              ist beim Krappfarben unumgaͤnglich noͤthig, um mit Alaunerde und
                              Eisenoxyd gebeizte Baumwollenzeuge haltbar Roth und Violett zu faͤrben.
                           2) Bei dem Avignon-Krapp, welcher urspruͤnglich kohlensauren Kalk
                              enthaͤlt, ist der Zusaz von diesem Salze oder von Alkali zur Erzielung
                              solider Farben unnuͤz, wenn der Kalkgehalt des Krapps bedeutend ist, wie z.B.
                              bei der Sorte Palud oder einigen anderen; bisweilen kommen aber Sorten von
                              Avignon-Krapp aus wenig kalkreichem Boden vor, welche einen sehr schwachen
                              Zusaz von Kreide erheischen.
                           3) Mit dem Elsasser-Krapp, welcher urspruͤnglich nur eine sehr geringe
                              Menge von Kalksalzen enthaͤlt, faͤrbt man die Beizmittel eben so
                              schoͤn und eben so dunkel, wie mit Avignon-Krapp, aber die Farbe
                              widersteht den Aviviroperationen nicht, wenn beim Faͤrben reines Wasser
                              angewandt wurde; wurde hingegen beim Faͤrben Kreide zugesezt, so
                              erhaͤlt man nach dem Aviviren Nuͤancen, welche mit den
                              schoͤnsten, mit Avignon-Krapp erzielten, in jeder Hinsicht den
                              Vergleich aushalten.
                           4) Stuͤke, die mit concentrirtem essigsaurem Eisen bedrukt wurden, werden
                              durch Elsasser-Krapp schoͤner und haltbarer schwarz gefaͤrbt,
                              wenn das Faͤrbebad von solcher Art ist, daß es ein Roth und Violett liefert,
                              die den Aviviroperationen nicht widerstehen.
                           
                           5) Der gebrannte Kalk, der neutrale phosphorsaure Kalk, die kohlensaure Bittererde,
                              das Bleioxydhydrat, Zinkoxyd, kohlensaure Zink, Manganoxydul, wasserhaltige
                              Mangansuperoxyd, Kobaltoxydhydrat, der essigsaure Kalk und das phosphorsaure Kobalt
                              haben wie der kohlensaure Kalk die Eigenschaft, mit dem Krapp solide Farben zu
                              erzeugen. Das Vermoͤgen dieser Substanzen, den Farbstoff haltbar zu machen,
                              nimmt von der ersten angefangen, immer mehr ab.
                           6) Der Avignon-Krapp verliert seine Soliditaͤt durch Behandlung mit
                              einer Saͤure, welche auf die in ihm enthaltenen Kalksalze wirkt.
                           7) Der Unterschied zwischen dem Avignon- und Elsasser-Krapp
                              ruͤhrt bloß von dem mehr oder weniger kalkreichen Erdreich her, worin der
                              Krapp angebaut wurde.
                           Man darf sich nicht wundern, daß der Krapp die Aufmerksamkeit einer großen Anzahl von
                              Personen in Anspruch nimmt, da er gegenwaͤrtig eine der wichtigsten
                              Finanzquellen Frankreichs und die Basis eines unserer schoͤnsten
                              Industriezweige ist. Man muß daher allen denen Dank wissen, die ihn zum Gegenstand
                              ihrer Forschungen machen, und sorgfaͤltig alle Thatsachen sammeln, welche
                              sich auf diese schaͤzbare Wurzel beziehen. Dagegen muͤssen wir uns
                              aber auch vor Theorien huͤten, die zu irrigen Folgerungen fuͤhren
                              koͤnnten. Es handelt sich hier nicht um rein wissenschaftliche Ansichten, die
                              ohne allen Nachtheil heute eine gewisse Erklaͤrung erhalten koͤnnen,
                              und morgen eine andere, sondern um eine wichtige Frage, welche in hohem Grade die
                              Faͤrbekunst interessirt, und der Industrie der Departements, die
                              hauptsaͤchlich vom Anbau des Krapps leben, einen großen Schlag versezen
                              koͤnnte. Frankreich bezog bekanntlich fruͤher seinen Krapp aus dem
                              Auslande, waͤhrend es heut zu Tage davon fuͤr betraͤchtliche
                              Summen ausfuͤhrt, und zwar nur wegen der vorzuͤglichen Guͤte
                              des Avignon-Krapps; man begreift daher, wie die von Hrn. Schlumberger angegebenen Resultate einerseits Furcht und
                              andererseits Hoffnungen erregen muͤssen. Werden unsere suͤdlichen
                              Departements das Monopol, welches ihnen durch die besondere Natur des Bodens und
                              durch die Temperatur ihres Klima's garantirt zu seyn schien, behalten, und sollte es
                              wahr seyn, daß der Vorzug, den die meisten Consumenten dem Krapp aus der alten
                              Grafschaft Burgund geben, nur darin begruͤndet ist, daß er ein wenig Kreide
                              enthaͤlt? Dieses sind die wichtigen Fragen, zu welchen die Bemerkungen des
                              Hrn. Schlumberger Anlaß geben, und die gewiß die
                              sorgfaͤltigste Untersuchung verdienen.
                           
                           Da ich mich lange Zeit theils allein, theils mit den HH. Colin und Lagier mit dem Studium des Krapps
                              beschaͤftigt habe, und unsere Untersuchungen uns auf andere Schluͤsse,
                              als die von Hrn. Schlumberger angenommenen
                              fuͤhrten, so sey es mir erlaubt, einen Theil dessen, was ich schon bei
                              anderen Gelegenheiten sagte, zu wiederholen, und ihm einige neue Thatsachen
                              (fuͤr die ich persoͤnlich verantwortlich bin) beizufuͤgen,
                              welche dazu beitragen werden, die Frage aufzuklaͤren. Ich muß jedoch vorher
                              nochmals darauf aufmerksam machen, wie schwer es ist, andere in unsere eigene
                              Ueberzeugung eindringen zu machen.
                           Hr. Kuhlmann sagt in einer kuͤrzlich erschienenen
                              Abhandlung (Polytechn. Journ. Bd. LII. S.
                                 438): „Man sieht mit Bedauern, daß die uͤber die
                                 Faͤrbematerialien angestellten chemischen Untersuchungen zwar
                                 schaͤzbare analytische Daten uͤber einige dieser Substanzen
                                 lieferten, aber bis jezt nur wenige Abaͤnderungen in den
                                 Faͤrbeoperationen herbeigefuͤhrt haben, und daß die Resultate
                                 dieser Untersuchungen nur als merkwuͤrdige Thatsachen in den chemischen
                                 Lehrbuͤchern aufgefuͤhrt sind, waͤhrend ihr Einfluß auf die
                                 praktischen Verfahrungsarten bis jezt nur sehr gering war.“ Dieser
                              geschikte Chemiker weiß aber doch, daß das Loos dieser Verbesserungen ganz und gar
                              von dem guten Willen der Fabrikanten abhaͤngt, und daß man mit Grund oder
                              Ungrund gewoͤhnlich ein außerordentliches Mißtrauen gegen Alles hat, was aus
                              den Laboratorien hervorgeht. Ich bin weit entfernt, hiemit irgend Jemand beleidigen
                              zu wollen, aber ich muß doch bemerken, daß man sich sehr dagegen straͤubte,
                              in dem Krapp das Vorkommen der Farbstoffe anzunehmen, die ich mit Hrn. Colin im Jahre 1826 entdekte.Polytechn. Journal Bd. XXIV. S.
                                       530. Und doch waren diese Substanzen im Zustande der Reinheit ausgezogen worden;
                              die Commissaͤre der Akademie uͤberzeugten sich, daß sie die
                              faͤrbenden Eigenschaften des Krapps besizen, und zwar in so hohem Grade, daß
                              man nicht zweifeln kann, daß sie das faͤrbende Princip selbst ausmachen.
                              Dessen ungeachtet wollten die einen in diesem fluͤchtigen und
                              krystallisirbaren naͤheren Bestandtheil des Krapps nur ein Harz sehen,
                              welches an und fuͤr sich farblos ist, aber durch den wahren Farbstoff, den
                              sie immer suchen, mehr oder weniger gefaͤrbt ist; andere behaupteten, daß das
                              Alizarin, obgleich es nicht 250° C. zu seiner Verfluͤchtigung
                              erheischt, doch nur ein Product der Erhizung des Krapps sey, welches in der Wurzel
                              selbst nicht vorkomme. Dieß veranlaßte zu neuen Untersuchungen, wobei man eher
                              Ruͤkschritte machte, als von dem Bekannten ausging. Ich will nun zum
                              Hauptzwek dieser Abhandlung uͤbergehen, und meine Bemerkungen uͤber die Angaben des
                              Hrn. Schlumberger mittheilen.
                           Herr Schlumberger geht von der Ansicht aus, die Herr Hausmann schon vor langer Zeit aufstellte, daß
                              naͤmlich an gewissen Orten ein Zusaz von Kreide
                              noͤthig ist, um mit Krapp gute Farben zu erhalten, und stellt es als eine
                              strenge Folgerung aus seinen eigenen Erfahrungen auf, daß man ohne Kreide mit
                              Elsasser-Krapp keine solide Farbe erhalten kann, und daß der
                              Avignon-Krapp seinen Vorzug nur seinem Gehalt einer gewissen Menge dieses
                              Salzes verdankt, welches von dem kalkhaltigen Erdreich herruͤhrt, worin man
                              diese Wurzel anbaut, und daß man dem Elsasser-Krapp nur ein wenig
                              kohlensauren Kalk zuzusezen braucht, um ihn dem besten Avignon-Krapp
                              gleichwirkend zu machen.
                           Man kann ohne Zweifel gegen den Ausdruk einer Thatsache nichts einwenden, und es gebuͤhrt nur den Faͤrbern diese zu
                                 pruͤfen. Ich beschraͤnke mich also in dieser Hinsicht auf die
                              Bemerkung, daß die Menge der Kreide, die man nach Hrn. Schlumberger dem Elsasser-Krapp zusezen soll, viel mehr
                              betraͤgt, als der Kreidegehalt guten Avignon-Krapps nach weinen
                              eigenen Analysen ausmacht. Wenn aber auch die Hauptthatsache, womit wir uns hier
                              beschaͤftigen, erwiesen waͤre, wuͤrde daraus dann folgen, daß
                              die Kreide beim Krappfaͤrben wirklich die ihr von Hrn. Schlumberger zugeschriebene Rolle spielt? Ich gestehe, daß ich dieses
                              nicht glauben kann, indem die Eigenschaften des Krapps mir mit einer solchen
                              Erklaͤrung im Widerspruche zu stehen scheinen. Wer sich damit
                              beschaͤftigt hat, den Krapp zu reinigen, d.h. seinen Farbstoff durch bloßes
                              Auswaschen mit Wasser zu concentriren, wird gefunden haben, daß es um so schwieriger
                              ist, mit gewoͤhnlichem Wasser zu faͤrben, je mehr sich der Krapp der
                              Reinheit naͤhert, und daß man, weit entfernt, Kreide zum Faͤrben
                              anwenden zu muͤssen, im Gegentheil kalkhaltiges Wasser immer wehr vermeiden
                              muß, so zwar, daß das Alizarin selbst vollkommen reines Wasser zum Faͤrben
                              erheischt; gerade dieß macht auch, im Vorbeigehen gesagt, jedes Reinigungsmittel so
                              schwierig.
                           Wie lassen sich nun scheinbar so widersprechende Resultate mit einander in
                              Uebereinstimmung bringen? Folgende Erklaͤrung ist meiner Meinung nach die
                              wahrscheinlichste. Ich nehme im Krapp zwei Farbstoffe an: das Alizarin und das Purpurin. Ihr
                              Verhaͤltniß ist nach der Natur des Bodens, der Art des Anbaues, dem Klima,
                              dem Alter der Wurzel etc. verschieden. Nur das Alizarin liefert mit Alaunerde eine
                              solide Farbe; ich habe jedoch sogleich im Anfange meiner Untersuchungen gezeigt, daß
                              die meisten Saͤuren sich der Aufloͤslichkeit des Alizarins widersezen. Es
                              ist folglich unmoͤglich mit Krapp in einem entschieden sauren Bade zu
                              faͤrben; das Bad muß daher nahe neutral seyn, damit sich das Altzarin darin
                              aufloͤsen kann, oder damit wenigstens seine Verwandtschaft zu den Mordans
                              nicht durch die vorhandene Saͤure aufgewogen wird, welche den Mordant selbst
                              angreift und sich desselben bemaͤchtigt, so daß dieser Mordant von dem Zeug
                              abgezogen wird, und in die Flotte uͤbergeht, worin er mit dem Farbstoff eine
                              Art Lak bildet, welcher darin suspendirt bleibt. Nun ist guter Avignon-Krapp
                              nicht merklich sauer, wohl aber Elsasser-Krapp, den man an seiner gelben
                              Farbe leicht von jenem unterscheidet. Lezterer enthaͤlt außerdem
                              verhaͤltnißmaͤßig mehr Purpurin, und eignet sich deßhalb besser als
                              der Avignon-Krapp zur Fabrikation schoͤner rosenrother Lake, deren
                              Farbstoff das Purpurin ist. Hr. Colin und ich haben
                              naͤmlich gezeigt, daß eine heiße Alaunloͤsung das Purpurin gut
                              aufloͤst, das Alizarin hingegen nicht merklich angreift; dieses Resultat ist
                              um so merkwuͤrdiger, weil lezteres, wenn es ein Mal mit Alaunerde verbunden
                              ist, dieselbe mit der staͤrksten Verwandtschaft zuruͤkhaͤlt.
                              Hieraus geht hervor, daß sich beim Faͤrben mit Elsasser-Krapp das
                              Alizarin in geringerer Menge als das Purpurin aufloͤst, und zwar deßhalb,
                              weil er freie Saͤure enthaͤlt. Das Purpurin wird ganz oder theilweise
                              aus dem Krapp ausgezogen werden; die bedrukten Stellen werden sich zwar
                              faͤrben, aber die scheinbar schoͤne Farbe wird auf dem Bleichplan
                              abnehmen, kochender Seife schlecht widerstehen, und durch das Chlor und die anderen
                              kraͤftigen Agentien zerstoͤrt werden, kurz die Farbe wird nicht solid
                              seyn, weil dieser Farbstoff seiner Natur nach fluͤchtig ist; und wenn man mit
                              ihm solide Lake fuͤr die Malerei erhaͤlt, so ruͤhrt dieses
                              meiner Meinung nach nur von dem zugesezten Oehle her. Meiner Ansicht nach
                              enthaͤlt also der Krapp nicht immer einen und denselben Farbstoff, welcher
                              wechselweise haltbar oder fluͤchtig wird, je nachdem Kreide vorhanden oder
                              abwesend ist, sondern vielmehr zwei ganz verschiedene Farbstoffe, wovon der eine,
                              das Purpurin, sich in einer sauren Fluͤssigkeit
                              aufloͤsen und auf den Mordant werfen kann; der andere aber, das Alizarin.
                              eine beinahe vollkommene Neutralitaͤt erfordert, damit er sich in der Flotte
                              aufloͤst, und in derselben nicht durch den von der Saͤure abgezogenen
                              Mordant zuruͤkgehalten wird. Deßhalb ist meiner Meinung nach ein Zusaz von
                              Kreide unter gewissen Umstaͤnden noͤthig, naͤmlich jedes Mal,
                              wenn eine Saͤure zu saͤttigen ist, wie bei dem Elsasser-Krapp.
                              Die beiden Farbstoffe faͤrben alsdann gemeinschaftlich; das Alizarin
                              verbindet sich aber in groͤßerer Menge mit dem Beizmittel, und das Purpurin,
                              welches sich mit demselben vereinigte, wird beim Aviviren zum Theil wieder beseitigt. Lezteres
                              bleibt also im Ruͤkstand der Flotte. Man kann es auch aus demselben
                              ausziehen; es liefert aber nie eine solide Farbe.
                           Ich muß hier ausdruͤklich bemerken, daß ich hier nicht bloß eine Theorie an
                              die Stelle einer anderen seze; meine Angaben sind das Resultat genauer Versuche,
                              welche in Gegenwart mehrerer Mitglieder der Akademie angestellt wurden. Im Jahre
                              1832 stellte ich in Gegenwart der HH. Chevreul und Dumas Versuche an, wobei sich dieselben
                              uͤberzeugten, daß reines, in destillirtem Wasser
                                 aufgeloͤstes Alizarin, mit essigsaurem Eisen und essigsaurer
                              Alaunerde sehr schoͤne und sehr solide Farben gibt.Man vergleiche uͤber das mit reinem Alizarin gefaͤrbte Roth,
                                    Rosenroth und Violett auch die Angaben von Chevreul im Polytechn. Journ. Bd. LIV. S. 359. A. d. R.
                              
                           Die Kreide ist nach mir nicht noͤthig, um mit Krapp solide Farben zu erhalten;
                              ja ihre Gegenwart macht sogar das Faͤrben bei Anwendung reiner Materialien
                              unmoͤglich, und sie wird nur dann nuͤzlich, wenn Substanzen vorhanden
                              sind, welche beim Faͤrben nachtheilig wirken, indem sie dann deren
                              schaͤdlichen Einfluß ausgleicht. So kann man mit Avignon-Krapp,
                              welcher mit kaltem Wasser gut ausgewaschen wurde, in hartem (kalkhaltigem) Wasser
                              nicht mehr faͤrben, und man braucht von demselben mehr als das Doppelte der
                              gewoͤhnlichen Quantitaͤt, um in reinem Wasser gut zu faͤrben.
                              Der so ausgewaschene Krapp besizt jedoch seinen Kreidegehalt und seine
                              faͤrbenden Bestandtheile noch vollstaͤndig; denn er verliert davon nur
                              außerordentlich wenig, wenn man ihn nicht zu schnell filtrirt. Das Wasser entzieht
                              folglich gewisse Substanzen, die eine Verwandtschaft auf den Farbstoff
                              ausuͤben, seine Aufloͤsung befoͤrdern, und die ihn ohne Zweifel
                              an sich ziehen wuͤrden, wenn die Kreide nicht dazwischen traͤte.
                              Wirken diese Substanzen wie eine Saͤure? Ich weiß es nicht; so viel ist aber
                              gewiß, daß man mit diesem ausgewaschenen Krapp bei Anwendung der
                              gewoͤhnlichen Quantitaͤt und sogar in kalkhaltigem Wasser
                              faͤrben kann, wenn man einige Tropfen Saͤure zusezt. Die Saͤure
                              wirkt hier ohne Zweifel auf die Art, daß sie sich mit der Kreide verbindet, und den
                              Einfluß verhindert, welchen leztere ausuͤbt, wenn sie in Ueberschuß ist. Hr.
                              Schlumberger hat immer gefunden, daß ein Ueberschuß
                              von Kreide einen betraͤchtlichen Verlust an Farbstoff verursacht.
                           Ich sollte mich jezt mit der Frage beschaͤftigen, ob der Avignon-Krapp
                              wirklich, wie Hr. Schlumberger behauptet, seine
                              Soliditaͤt durch Behandlung mit einer Saͤure verliert, weil diese auf
                              die in ihm
                              enthaltenen Kalksalze wirkt. Besondere Beweggruͤnde veranlassen mich jedoch,
                              erst spaͤter auf dieselbe zuruͤkzukommen.
                           Meiner Meinung nach hat also die Kreide beim Krappfaͤrben nicht bloß zum Zwek,
                              dem Farbstoff Haltbarkeit zu ertheilen, sondern besonders die freie Saͤure zu
                              saͤttigen, sowohl die urspruͤnglich im Krapp enthaltene, als auch
                              diejenige, welche im Verlaufe des Faͤrbens durch Veraͤnderung einiger
                              Bestandtheile desselben entsteht. Ich habe mich naͤmlich uͤberzeugt,
                              daß wenn man Krapp mit reinem Wasser kocht, sich Kohlensaͤure entbindet,
                              welche nicht durch Einwirkung einer freien Saͤure auf die Kreide entstehen
                              kann, weil dieses sowohl bei dem Avignon- als bei dem Elsasser-Krapp
                              der Fall ist.
                           Wenn man an Statt den Krapp mit kochendem Wasser zu behandeln, ihn troken in
                              verschlossenen Gefaͤßen erhizt, ohne eine Temperatur von
                              140–150° C. zu uͤberschreiten, so entbindet sich ebenfalls
                              Kohlensaͤure, und es entsteht außerdem Essigsaure ohne brennzeliges Oehl.
                              Wahrscheinlich ruͤhrt diese Reaction also von der Veraͤnderung irgend
                              eines Bestandtheiles her, den wir nicht kennen. Vielleicht ist es eine Art Gallerte,
                              welche im Elsasser-Krapp in viel groͤßerer Menge vorkommt, weßwegen
                              das erste Aussuͤßwasser desselben zu eine sehr consistenten Gallerte
                              erstarrt, wenn man es einige Stunden an einem kuͤhlen Orte stehen
                              laͤßt. Auch hierin zeigt sich eine auffallende Verschiedenheit zwischen dem
                              Elsasser- und dem Avignon-Krapp.
                           Man wird mir ohne Zweifel einwenden, daß wenn die Kreide hauptsaͤchlich nur
                              als saͤttigender Koͤrper wirkt, man an Statt derselben jede andere
                              Basis anwenden koͤnnte, waͤhrend es doch nach den Versuchen des Hrn.
                              Schlumberger sehr schwer ist, sie durch Kalk oder
                              halbkohlensaures Kali oder Natron zu ersezen. wobei man sich vielmehr in sehr engen
                              Graͤnzen halten muß, die man ohne Nachtheil fuͤr die Farbeoperation
                              nicht uͤberschreiten darf. Bei einigem Nachdenken sieht man aber leicht ein,
                              daß dieses nur eine natuͤrliche Folge unserer Behauptungen ist; die Kreide
                              kann naͤmlich durch ihren Ueberschuß nicht schaden, weil sie
                              unaufloͤslich ist. Es ist sogar ein kleiner Ueberschuß davon noͤthig,
                              weil, sobald ein wenig Saͤure frei wird, dieselbe augenbliklich neutralisirt
                              werden muß. Wenn man aber an Statt der Kreide eine aufloͤsliche Basis
                              anwendet, so haͤngt der Erfolg einzig und allein von der zur
                              Saͤttigung erforderlichen Menge ab; ist von derselben nicht genug vorhanden,
                              so verfaͤllt man wieder in alle Nachtheile eines sauren Bades; ist sie
                              hingegen in Ueberschuß, so wird sie entweder die Beizmittel oder den Farbstoff
                              selbst angreifen, und so auf andere Art beim Faͤrben nachtheilig werden. Um
                              unsere Leser hievon zu uͤberzeugen, wollen wir woͤrtlich
                              anfuͤhren, was Hr. Schlumberger uͤber die
                              Anwendung dieser Basis sagt.
                           
                              „Der reine Kalk, sagt dieser Chemiker, ist sehr schwer zum Faͤrben
                                 mit Elsasser-Krapp anzuwenden, weil er nur in einer kleinen
                                 Quantitaͤt, die nach der Menge des Krapps abgeaͤndert werden muß,
                                 zugesezt werden darf. 1/70 reicht hin, um das Faͤrben des Beizmittels zu
                                 verhindern, indem er die mit dem Zeuge verbundene Alaunerde ganz
                                 aufloͤst. 1/140 verursacht einen Verlust an Farbstoff, macht aber die
                                 Farben solid. 1/280 gibt nach dem Aviviren nur mehr ein Ziegelroth; und nur mit
                                 1/175 Kalk liefert der Krapp schoͤne solide Farben.“
                              
                           Man kann meiner Ansicht nach auf keine buͤndigere Weise zeigen, daß der Kalk
                              beim Faͤrben einzig und allein als saͤttigender Koͤrper
                              wirkt.
                           Nun bleibt aber noch eine große Frage zu untersuchen. Ist es wirklich wahr, wie Hr.
                              Schlumberger behauptet, daß ein guter
                              Elsasser-Krapp bei einem geeigneten Zusaz von Kreide sich ganz so wie der
                              beste Avignon-Krapp verhaͤlt? Daruͤber muͤssen die
                              Praktiker entscheiden; wenn sich aber dieses Resultat bestaͤtigen sollte, so
                              mußten die Kattunfabrikanten bis jezt in einem großen Irrthum befangen gewesen seyn;
                              jeder von ihnen kennt die Nuͤzlichkeit der Kreide beim Krappfaͤrben,
                              und doch geben fast alle dem Avignon-Krapp den Vorzug; ein einziges Haus im
                              Elsaß zahlt, wenn ich recht berichtet bin, jaͤhrlich uͤber 50,000 Fr.
                              Transportkosten fuͤr Avignon-Krapp.Nach neueren Berichten der HH. Koechlin, Schwartz
                                    und Schlumberger muß man diese Angabe um zwei
                                    Drittel reduciren. A. d. O. Nun muß man doch annehmen, daß eine solche Erhoͤhung der Unkosten in
                              einem Industriezweige, wobei die Concurrenz des Auslandes die strengste Oekonomie
                              erheischt, auf die positiven Resultate der Erfahrung gegruͤndet ist. Ich
                              gestehe, daß ich in dieser Sache kein entscheidendes Urtheil faͤllen kann,
                              aber ich bin vollkommen uͤberzeugt, daß sich diese beiden Krappsorten nicht
                              bloß durch einen Gehalt an freier Saͤure von einander unterscheiden. Ich
                              hatte bereits Gelegenheit, viele Abweichungen derselben, die theils dem Boden,
                              theils dem Klima zugeschrieben werden koͤnnen, anzufuͤhren, und ohne
                              Zweifel wird man bei einer genaueren Analyse derselben sowohl im
                              Verhaͤltnisse ihrer Bestandtheile, als in der Natur derselben
                              Verschiedenheiten entdeken; dieß war wenigstens noch bei allen Pflanzen der Fall,
                              welche unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten sorgfaͤltig untersucht
                              wurden.
                           
                           Man kennt gewiß bei weitem noch nicht alle zwischen diesen beiden Krappsorten
                              vorhandenen Verschiedenheiten; um dieses zu beweisen, brauche ich nur eine einzige
                              anzufuͤhren, die ich schon vor langer Zeit entdekt, aber noch nicht bekannt
                              gemacht habe; vielleicht wird diese Thatsache in der Folge eine Anwendung finden
                              koͤnnen. Bartholdi hatte behauptet, daß die Kreide
                              besonders deßwegen. beim Krappfaͤrben nuͤzlich ist, weil sie die in
                              dieser Wurzel enthaltene schwefelsaure Bittererde zersezt, welches Salz beim
                              Faͤrben besonders nachtheilig sey. Auch Hausmann
                              hatte diese Ansicht am genommen; spaͤter wurde sie aber von mehreren
                              Schriftstellern, besonders von den HH. Dingler und Kurrer
                              Bancroft's neues englisches Faͤrbebuch,
                                    herausgegeben von Dingler und Kurrer. (Nuͤrnberg, 1817. Bei J. L. Schrag.) Bd. II. S. 328.A. d. R. bestritten; Herr Schlumberger erklaͤrt
                              sich ebenfalls dagegen, und stuͤzt sich hauptsaͤchlich auf die
                              außerordentlich geringe Menge von Bittererde, welche der Krapp zu enthalten scheint,
                              weil weder Kuhlmann, noch John, noch er selbst solche bei der Analyse der Krappasche fanden. Man braucht
                              jedoch das destillirte Wasser, womit man den Elsasser-Krapp in der
                              Kaͤlte ausgewaschen hat, nur mit einigen Tropfen Ammoniak zu versezen, damit
                              sogleich ein koͤrniger, blaß rosenrother Niederschlag erfolgt, welcher nichts
                              als phosphorsaure Ammoniak-Bittererde ist. Dieses Verhalten zeigten alle
                              meine Krappmuster. Das Wasser, womit der Avignon-Krapp ausgewaschen wurde,
                              sezt diesen Niederschlag erst nach laͤngerer Zeit und in viel geringerer
                              Menge ab. Ich bin weit entfernt, dieser Thatsache eine groͤßere Wichtigkeit
                              beizulegen, als sie verdient, und darin die Ursache der geringen Haltbarkeit des
                              bloß mit Elsasser-Krapp gefaͤrbten Roth zu sehen, will aber doch
                              bemerken, daß durch den Zusaz von Kreide dieses phosphorsaure Salz, welches sich in
                              freier Saͤure aufloͤst, niedergeschlagen werden muß, so daß sein
                              Einfluß, wenn es anders einen haben kann, beseitigt wird.
                           Ich habe gesagt, daß das mit Purpurin gefaͤrbte Roth, obgleich es sehr
                              schoͤn aus der Flotte kommt, gar nicht solid ist; daraus darf man aber nicht
                              schließen, daß ein gutes Roth gar kein Purpurin enthaͤlt; jedenfalls muß
                              jedoch das Alizarin darin vorherrschen, damit es dem Aviviren widersteht. Man
                              erhaͤlt so mehr rosenrothe Nuͤancen; und dieses rechtfertigt ohne
                              Zweifel die Methode mehrerer Faͤrber, welche unter vielen Umstaͤnden
                              ein Gemenge von Elsasser- oder seelaͤndischem mit Avignon-Krapp
                              anwenden.
                           Bei dieser Gelegenheit will ich auch noch bemerken, daß meiner Meinung nach beide
                              Farbstoffe zu einem schoͤnen Tuͤrkischroth beitragen, und daß das Oehl
                              hauptsaͤchlich dabei das Purpurin befestigt. Gewiß ist auch, daß bei dem
                              Tuͤrkischrothfaͤrben, besonders bei Anwendung von Baumwollengarn, der
                              Krapp weit mehr an Farbstoff erschoͤpft wird, als beim Faͤrben der auf
                              der Walzendrukmaschine gedrukten Stuͤke. Ich beschaͤftige mich seit
                              einiger Zeit mit neuen Untersuchungen uͤber die
                              Tuͤrkischrothfaͤrberei, und zwar in Gesellschaft des Hrn. Richard Duncklenberg, eines Faͤrbers von Elberfeld. Dieser
                              junge Fabrikant widmet sich eifrig dem Studium der Chemie, und wenn wir so
                              gluͤklich sind, dieses Chaos ein wenig zu entwirren, werden wir uns beeilen,
                              unsere Resultate der Akademie mitzutheilen, weil wir wissen, welches Interesse sie
                              an den Fortschritten der Industrie nimmt.