| Titel: | Neu erfundene große Feilenhauermaschine. | 
| Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. LXII., S. 340 | 
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                        LXII.
                        Neu erfundene große
                           Feilenhauermaschine.
                        Neu erfundene große Feilenhauermaschine.
                        
                     
                        
                           An allen bekannten Feilenhauermaschinen schlaͤgt ein Hammer auf den in der
                              Maschine befestigten Meißel, oder es wird aus freier Hand mit einem Hammer auf den
                              Meißel, in der Maschine angebracht, geschlagen.
                           Bei diesen Maschinen muß der Kopf des Meißels durch den Schlag des Hammers
                              oͤfters Schaden leiden, und da der Meißel durch die Maschine regiert wird, so
                              bleibt jedes Mal unbekannt, ob der Schlag mitten durch den Meißel geht oder nicht;
                              wenn nun der Hieb nicht mitten durch den Meißel geht, so sezt derselbe die Hiebe auf
                              der Breite der Feile nicht gleich tief. Eine solche fehlerhafte Stelle aber kann der
                              Kopf des Meißels bei einem maͤßigen Schlage bald erhalten. Diese Fehler
                              koͤnnen nicht vorkommen, wenn ein geschikter Feilenhauer aus freier Hand
                              haut, indem derselbe durch sein Gefuͤhl jeden nicht sichtbaren Fehler auf dem
                              Kopfe des Meißels gewahr wird, und er weiß dann fuͤr den
                              naͤchstfolgenden Hieb eine kaum merkbare veraͤnderte Richtung zum
                              Vortheile des Hauens dem Hammer zu geben. Dieses ist auch nicht nur dann und wann,
                              sondern fortwaͤhrend beim Hauen nothwendig, damit jedes Mal der Schlag mitten
                              durch den Meißel der Laͤnge nach wirkt. Dieses erwaͤhnte feine
                              Gefuͤhl in der Hand und die Fertigkeit, dem Hammer die gehoͤrige
                              Richtung in der anderen Hand augenbliklich zu geben, macht die vorzuͤglichste
                              Geschiklichkeit des Feilenhauers aus.
                           An allen Maschinen, die man bis jezt hat, wird der Meißel durch eine Feder nach jedem
                              Schlage gehoben, um das Doppelschlagen bei jedem Hiebe zu vermeiden, welches aber
                              eine sehr mangelhafte Einrichtung besonders deßhalb ist, weil dadurch die Kraft des
                              Hammers nie gleichfoͤrmig auf jeden Hieb wirken kann. Meine Maschine sezt
                              jeden Hieb ohne Hammer und ohne Feder auf die untergelegten Stahlplatten, und das
                              Doppelschlagen ist an meiner Maschine voͤllig aufgehoben, denn jeder Schlag geschieht
                              durch zwei verschiedene in gleicher Zeit wirkende Bewegungen, wovon die eine eine
                              geradlinige und die andere eine Kreisbewegung ist. Diese zwei verschiedenen
                              Bewegungen verhindern das Zuruͤkprallen des Meißels.
                           Auch haben alle schon bekannten Maschinen die Unvollkommenheit, daß wenn der Schlag
                              geschwind geschieht, der Meißel und endlich die ganze Maschine in Vibration
                              geraͤth und ein unrichtiges Hauen erfolgt. Auch diese Unvollkommenheit ist
                              bei meiner Maschine beseitigt, und wenn auch die groͤßten Ansazfeilen gehauen
                              werden, so ist an dem Hauapparat keine Vibration zu bemerken, weil alle Achsen,
                              welche die entgegengesezt wirkenden Kraͤfte ausuͤben, in einem
                              besonderen Apparate angebracht sind, welcher jedoch mit dem Hauptapparate so
                              verbunden ist, daß, wenn der zweite Apparat vibrirt, der Hauapparat nicht mit
                              vibriren kann.
                           Ferner haben auch alle bekannten Maschinen die Unvollkommenheit, daß, wenn Feilen
                              gehauen werden sollen, welche in der Laͤnge gewoͤlbt sind, der Meißel
                              bei jedem naͤchstfolgenden Hiebe auf eine andere Ebene kommt, weßhalb der
                              Meißel waͤhrend des Hauens sich veraͤndern muß, damit der Hieb in der
                              ganzen Breite gleich tief wird. In meiner Maschine sind die Meißel mit einer solchen
                              Einrichtung eingesezt, daß sich jeder Meißel waͤhrend des Hauens auf der
                              vorkommenden veraͤnderten Ebene die gehoͤrige Lage selbst geben
                              kann.
                           Das Festlegen der Feilen auf dem Amboße ist eine schwierige Aufgabe, denn die Kraft,
                              womit jeder scharfe Hieb auf die Feilen gesezt wird, zerlegt sich in zwei
                              Kraͤfte, wovon eine in der lothrechten und die andere in der horizontalen
                              Richtung nach der Angel der Feile hin wirkt. Die erste Kraft ist zum Festhalten der
                              Feilen auf der Unterlage vortheilhaft, die zweite ist zum Nachtheil, und diese Kraft
                              ist so groß, daß keine Schraube von Oben herab die Feilen auf dem Amboße
                              festzuhalten im Stande ist, sondern die Feilen schieben sich unmerkbar bei jedem
                              Hiebe der Laͤnge nach auf den Amboß mit der Unterlage fort. Ich mußte eine
                              solche Einrichtung erfinden, wodurch jede Feile leicht und geschwind auf dem Amboße
                              befestigt und wieder davon genommen werden konnte. Diese Erfindung hat mir viele
                              Muͤhe gekostet, jedoch habe ich die Vorrichtung nach vielen Versuchen und
                              Verbesserungen endlich so angebracht, daß an keine Verschiebung der Feile zu denken
                              ist.
                           Die gewoͤhnlichen Unterlagen von Blei sind bei Feilen, auf Maschinen gehauen,
                              nicht anwendbar, weil dieselben zu oft verbessert werden muͤssen, indem das
                              Zusammendruͤken des Bleies nicht zu vermeiden ist. Ich bin so
                              gluͤklich gewesen, auch neue Unterlagen zu entdeken, die sich nicht durch
                              die Laͤnge der Zeit zusammenpressen und auch nicht wie Bleiplatten ihre Ebene
                              verlieren koͤnnen. Auch sind diese neuen Unterlagen von der Art, daß, wenn
                              auf einer Flaͤche der Hieb fertig ist, die Unterlage den fertigen Hieb nicht
                              verlezt. Diese Unterlagen sind auch sehr leicht mit neuen ohne Kostenaufwand zu
                              verwechseln.
                           Es war bei diesen Unvollkommenheiten aller schon bekannten Maschinen nicht
                              moͤglich, solche Feilen hauen zu koͤnnen, wie sie aus freier Hand
                              gehauen werden.
                           Meine Maschine verfertigt alle moͤglichen vorkommenden kleinen und großen
                              Ansazfeilen, welche in der Laͤnge eben oder gewoͤlbt sind, und haut so
                              fein, daß 400 Hiebe auf einen Pariser Zoll gehen. Auch kann meine Maschine auf eine
                              sechs Mal breitere Feile denselben feinen Hieb sezen, als bis jezt hat geschehen
                              koͤnnen.
                           Bei allen guten Ansazfeilen muͤssen alle einzelnen Oberhiebe, welche durch den
                              Unterhieb getheilt werden, gleich hoch uͤber der ganzen Flaͤche der
                              gehauenen Feile stehen, damit beim Feilen alle einzelnen Schaͤrfen des
                              Oberhiebes zugleich angreifen und zugleich stumpf werden. Dieß leistet meine
                              Maschine, kann aber von Feilen aus freier Hand gehauen nicht erwartet werden.
                           Auf dieser Maschine koͤnnen aber keine groben Feilen, sondern nur
                              Schlichtfeilen bis zur groͤbsten und groͤßten Sorte gehauen
                              werden.
                           Meine Maschine haut zugleich auf vier untergelegte Feilen, und wenn dieselben in der
                              Laͤnge eben und nicht in der Laͤnge gewoͤlbt sind, so werden
                              zugleich vier Staͤbe von 1 1/2 Fuß Laͤnge gehauen, welche mehrere
                              kleine Feilen geben.
                           Sie haut in drei Secunden vier bis fuͤnf Hiebe mit Inbegriff des Festlegens
                              der Feilen auf den Amboß.
                           Die Maschine wird mit der Kraft eines Kindes von 12 Jahren in Bewegung unterhalten,
                              und ist auch so eingerichtet, daß dieselbe mit einer Dampfmaschine oder mit einem
                              Wasserrade bewegt werden kann.
                           Das Schaͤrfen der Meißel faͤllt bei meiner Maschine viel weniger wie
                              beim Hauen aus freier Hand vor, und man kann mit den Meißeln, welche den Unterhieb
                              verfertigen, eine Woche und mit den Meißeln zum Scharfenhieb einen Tag, auch wohl
                              zwei Tage ohne zu schaͤrfen hauen. Zum Schaͤrfen der Meißel habe ich
                              einen besonderen Apparat verfertigt, womit das Ebenschaͤrfen derselben unter
                              gleicher Neigung sehr leicht und geschwind bewerkstelligt werden kann.
                           
                           Der Kantenhieb kann auch mit meiner Maschine gehauen werden, wozu aber noch ein
                              besonderer Apparat gehoͤrt.
                           Zu dieser Maschine kann auch sehr leicht ein Apparat hinzugefuͤgt werden,
                              wodurch auch alle spiz zulaufenden flachen und dreiekigen Feilen gehauen werden
                              koͤnnen.
                           Meine Maschine ist ganz anders construirt, als alle bisher bekannten Maschinen.
                           Ich habe dieselbe aus Liebhaberei verfertigt, und ich bin nicht willens selbst einen
                              Gebrauch davon zu machen, oder mehrere Maschinen zu bauen, sondern ich
                              wuͤnschte, daß die Maschine in einer großen Fabrik in Anwendung gebracht
                              werde.
                           An dieser Maschine habe ich beinahe an 1000 Thlr. Auslage gehabt und zu derselben
                              sind uͤberhaupt 11 Cntr. Metall verarbeitet worden. Sie ist 4 1/2 Fuß Pariser
                              Maaß lang, 2 1/4 Fuß breit und 5 Fuß hoch.
                           Alle, welche gesonnen sind, meine Maschine zu kaufen, koͤnnen sich bald in
                              frankirten Briefen an mich wenden, ich werde eine Feile, auf meiner Maschine
                              gehauen, so auch die Verkaufsbedingungen, ferner was der Kaͤufer uͤber
                              die Maschine wissen muß, und was fuͤr Maschinen und Werkzeuge zu einer
                              vollstaͤndigen Fabrik gehoͤren, uͤbersenden. Ich bitte aber
                              fuͤr Abschreibegebuͤhren und sonstige Auslagen 1 Thlr. dabei zu
                              legen.
                           Buͤckeburg in Schaumburg-Lippe, den 6. Febr. 1835.
                           H. C. W. Breithaupt, Professor.
                           ––––––––––
                           Hr. Prof. Breithaupt, Lehrer der Mathematik und Physik am
                              hiesigen Gymnasium, aͤltester Sohn des verstorbenen Hofmechanikus und Bruder
                              des Muͤnzmeisters und Mechanikus Breithaupt in
                              Cassel, der vormals eine eigene mechanische Werkstaͤtte besaß, und selbst mit
                              seinem Schuͤler Althans (jezt koͤnigl.
                              preuß. Bauinspektor auf der Sayner-Huͤtte) arbeitete, auch mehrere
                              geschaͤzte Schriften uͤber Mathematik, Feldmeßkunst und Mechanik
                              schrieb, hat seit vielen Jahren an der Erfindung einer Feilhauermaschine, die er
                              durch viele Versuche und Erfahrungen erprobte, mit dem groͤßten,
                              schaͤrfsten Nachdenken, unermuͤdlichem Fleiße und großen Kosten
                              garbeitet. Die von ihm erfundene Maschine, wie der Augenschein mich lehrte, ist sehr
                              stark und dauerhaft, ist im Ganzen einfach, im Einzelnen sehr kunstreich, und sie
                              haut, wie ich sah, mit großer Geschwindigkeit vortreffliche Schlichtfeilen, 4 auf
                              ein Mal. Diese Maschine, einzig in ihrer Art, und ihr kunstreicher Mechanismus
                              koͤnnten, wie es mir scheint, großen Fabriken in Feilen und Eisenwaren von
                              großem Nuzen seyn. Dieses Zeugniß lege ich aus eigenem Antriebe und mit Vergnuͤgen meinem
                              verehrten Freunde und seinem verdienstvollen Werke, meiner Ueberzeugung
                              gemaͤß, hiemit bei.
                           Buͤckeburg, den 10. Febr. 1835.
                           B. C. Faust, Dr., Hofrath und Ritter.