| Titel: | Bericht des Hrn. Theodor Olivier über ein Winkelmaaß, welches Hr. Havard, Mechaniker in Paris, der Société d'encouragement zur Begutachtung vorlegte. | 
| Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. LXXVI., S. 429 | 
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                        LXXVI.
                        Bericht des Hrn. Theodor Olivier uͤber ein Winkelmaaß, welches Hr. Havard, Mechaniker in Paris, der Société
                              d'encouragement zur Begutachtung vorlegte.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'encouragement. Oktober 1834, S. 373.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Bericht uͤber Havard's Winkelmaaß.
                        
                     
                        
                           Hr. Havard, Mechaniker in Paris, rue du Faubourg du Temple No. 37, hat der Gesellschaft ein neues, von ihm
                              erfundenes Winkelmaaß, dem er den Namen fausse équerre
                                 à rapporteur gibt, vorgelegt. Ueber dieses Instrument nun habe ich
                              die Ehre folgende Ansicht der Commission der mechanischen Kuͤnste
                              vorzutragen.
                           Unsere Arbeiter sind zwar mit den Laͤngenmaaßen vertraut, und wissen die zu
                              deren Bestimmung dienlichen Instrumente mit ziemlicher Gewandtheit anzuwenden;
                              verlangt man aber von ihnen, daß sie einen Winkel von bestimmten Graden bilden
                              sollen, oder verlangt man von ihnen die Angabe des Winkels, den zwei Linien oder
                              zwei Flaͤchen mit einander bilden, so kommen sie gewoͤhnlich in keine
                              kleine Verlegenheit. Die meisten dieser Leute wissen naͤmlich nicht, wie man
                              Winkel mißt, und dieß duͤrfte wahrscheinlich hauptsaͤchlich davon
                              herruͤhren, daß es bisher keine einfachen und wohlfeilen Instrumente gab, mit
                              denen dieß haͤtte geschehen koͤnnen, und die sich fuͤr die
                              gewoͤhnlichen Arbeiten der Zimmerleute, Maurer etc. geeignet haͤtten.
                              Haben wir ein Mal ein derlei Instrument, so wird man dasselbe gewiß bald eben so in
                              den Haͤnden aller Arbeiter finden, wie man gegenwaͤrtig das
                              Klaftermaaß, das Fußmaaß, den Meter, die Elle etc. uͤberall trifft. Ein
                              Instrument dieser Art wuͤrde gewisse Arbeiten wesentlich erleichtern, und man
                              muß sich wahrlich wundern, daß nicht schon laͤngst ein solches erfunden
                              wurde, indem der Zimmermann beim Behauen von Balken, der Steinmez beim Behauen von
                              Steinen, und der Maurer beim Legen der Steine desselben beinahe immerwaͤhrend
                              bedarf. Man braucht, wenn man ein Mal ein solches Instrument hat, nicht mehr so
                              viele Patronen, und der Verstand der Arbeiter selbst wird mehr gewekt werden, wenn
                              man ihnen statt der bisher gebraͤuchlichen Patronen bei gewissen Arbeiten nur
                              mehr die Winkel angibt. Ein solches Instrument, welches bisher fehlte, und welches
                              unter den gewoͤhnlichen Werkzeugen eine große, bisher unangenehm
                              fuͤhlbare Luͤke ausfuͤllt, hat nun Hr. Havard erfunden, und der Industrie dadurch einen wahren Dienst
                              geleistet.
                           
                           Hr. Havard hat Winkelmaaße von jeder Groͤße
                              verfertigt, und denselben die Formen der gewoͤhnlichen Laͤngenmaaße
                              gegeben, so daß der Arbeiter wie bisher sein Fuß- oder Metermaaß in
                              Haͤnden hat, zugleich aber auch ein Winkelmaaß damit besizt. Das
                              Laͤngenmaaß behaͤlt dieselbe Form wie bisher, denn das Winkelmaaß
                              bildet die Charniere der beiden Arme; der Arbeiter findet sich daher, was bei diesen
                              Leuten von hoͤchster Wichtigkeit ist, nicht aus seinen alten Gewohnheiten
                              herausgerissen; er bedient sich des neuen Instrumentes ganz so wie er sich seines
                              alten Laͤngenmaaßstabes bediente, bis er endlich auch die Vortheile und die
                              Anwendung des zugleich daran befindlichen Winkelmaaßes erlernt und aufgefaßt hat. Es
                              gibt zwar schon viele sehr verschieden geformte Instrumente zum Messen der Winkel,
                              allein sie sind fuͤr den taͤglichen Gebrauch zu theuer;
                              uͤbrigens dachte aber fruͤher noch Niemand daran, mit dem
                              Laͤngenmaaße zugleich auch ein Winkelmaaß zu verbinden. Diese
                              gluͤkliche Idee und die Ausfuͤhrung derselben in einem einfachen und
                              wohlfeilen Instrumente verdanken wir Hrn. Havard.
                           Hr. Havard hat der Gesellschaft folgende Instrumente
                              vorgelegt: 1) ein einfaches Winkelmaaß, welches ausgebreitet einen Fuß Laͤnge
                              hat, und welches 2 Fr. kostet; 2) ein Winkelmaaß, welches ausgebreitet einen Meter
                              Laͤnge hat, und welches mittelst eines Senkbleies zugleich als Richtmaaß
                              dient, im Preise von 11 bis 12 Fr.; 3) ein messingenes Winkelmaaß, womit man Winkel
                              auf Papier verzeichnen kann, im Preise von 5 Fr.; 4) ein Winkelmaaß, welches zum
                              Theil aus Holz, zum Theil aus Messing besteht, und an welchem die in der Marine
                              gebraͤuchlichen Formen angebracht sind, im Preise von 3 bis 4 Fr. Alle diese
                              Instrumente sind gut gearbeitet, und die Winkelmaaße sind sorgfaͤltig
                              eingetheilt. Hr. Havard will eine Werkstaͤtte
                              errichten, in der er diese Instrumente im Großen verfertigen will, um dieselben um
                              den moͤglich niedrigsten Preis liefern zu koͤnnen, was
                              unumgaͤnglich nothwendig ist, wenn sie allgemein in Anwendung kommen
                              sollen.
                           Mit jenen Havard'schen Instrumenten, die einen Meter lang
                              sind, kann man einen aus- oder einspringenden Winkel mittelst des Nonius bis
                              auf einen halben Grad messen; mit jenen hingegen, die nur einen Fuß lang sind, kann
                              die Schaͤzung nicht so genau geschehen, weil das Winkelmaaß einen zu kleinen
                              Umfang hat, als daß es in viele Theile abgetheilt werden koͤnnte. Ich muß
                              hier bemerken, daß sich das Instrument des Hrn. Havard
                              zum Messen sehr kleiner Winkel nicht eignet; allein die Zimmerleute, Maurer,
                              Steinmeze etc. haben es in der Praxis auch nur sehr selten mit sehr kleinen Winkeln
                              zu thun.
                           
                           Die Commission schlaͤgt demnach vor, das Instrument des Hrn. Havard, welches sie fuͤr sehr nuͤzlich, gut
                              ausgedacht, gut gearbeitet und sehr wohlfeil haͤlt, durch den Bulletin bekannt zu machen, und dem Erfinder den Dank
                              der Gesellschaft fuͤr die Mittheilung desselben auszudruͤken.
                           
                        
                           Beschreibung.
                           Fig. 6 zeigt
                              das Instrument unter einem Winkel von 33° geoͤffnet; Fig. 7 zeigt das
                              eigentliche Winkelmaaß in natuͤrlicher Groͤße.
                           A ist das untere Richtscheit, welches in 50 Centimeter
                              eingetheilt, und in Millimeter unterabgetheilt ist; es ist an seinem Ende mit
                              Messing beschlagen.
                           B ist ein zweites Richtscheit, welches in ersteres
                              eingepaßt, und gleich diesem in 50 Centimeter abgetheilt ist, so daß beide zusammen,
                              wenn sie ausgelegt werden, genau einen Meter messen.
                           C ist eine Schraube, welche durch die beiden
                              Richtscheite geht, und welche denselben als Mittelpunkt der Bewegung dient.
                           D ist eine an dem vierekigen Theile der Schraube C aufgezogene Scheibe, welche sich im Inneren des
                              Winkelmaaßes oder Uebertragers f dreht.
                           e ist ein an der Scheibe D
                              verzeichneter Vernier mit 5 Abtheilungen und einer Fiduciallinie, welche immer der
                              Linie des Richtscheites B entspricht, unter welchem
                              Grade das Instrument auch geoͤffnet seyn mag.
                           H ein Seidenfaden, an welchem ein kleines, an seiner
                              Basis mit Schraubengaͤngen versehenes Blei I
                              angebracht ist, damit dasselbe in die Mutterschraube eingeschraubt werden kann, die
                              in dem durch das Richtscheit B gehenden Ausschnitte
                              angebracht ist.
                           Um das Absehen des Grades des Winkels zu erleichtern, ist das Winkelmaaß f in 40 Theile getheilt; und da jeder dieser Theile
                              durch die 5 Unterabtheilungen des Vernier e wieder
                              abgetheilt ist, so gibt dieß 200 Grad, welche angedeutet werden koͤnnen. Die
                              5 Abtheilungen des Vernier entsprechen genau der Breite von 20 Grad; d.h. 5 Theile
                              bilden hier dieselbe Distanz, wie dort 4, so daß diese 5 Theile um 1/5 weniger
                              kleiner sind, als jene Distanz, die am Winkelmaaße 5 Grad andeutet. Dieses
                              Fuͤnftel deutet aber die einzelnen Winkel an. Wenn z.B. das Instrument
                              geschlossen ist, so bezeichnet die Fiduciallinie o und
                              die fuͤnfte Linie des Vernier 20°. Daß in dieser Stellung keine der
                              vier Zwischenlinien des Vernier auf eine der Linien des Winkelmaaßes oder des
                              Uebertragers paßt, ersieht man leicht. So wie man aber das Instrument bis auf
                              1° oͤffnet, so entspricht die erste auf die Fiduciallinie folgende
                              Linie jener Linie des
                              Winkelmaaßes, welche die 5 ersten Grade andeutet; fuͤr zwei Grade entspricht
                              die zweite Linie des Vernier jener Linie, welche 10° andeutet, u.s.f.
                           Will man sich des Senkbleies bedienen, welches nebenbei an dem Instrumente angebracht
                              ist, so oͤffne man das Richtscheit B bis auf
                              100°, schraube das kleine, an einem Seidenfaden aufgehaͤngte Blei los,
                              und stelle das Instrument so, daß das Blei aufgehaͤngt ist. Wenn der
                              Gegenstand, dessen Neigung man hiedurch messen will, waagerecht ist, so deutet die
                              Fiduciallinie des Vernier auf 100°; findet hingegen eine Neigung nach der
                              Rechten oder nach der Linken Statt, so muß man das Richtscheit B so lange bewegen, bis der Seidenfaden auf seine Linie
                              faͤllt; d.h. bis das Blei genau mit der auf dem Richtscheite verzeichneten
                              Linie zusammenfaͤllt. Besieht man hierauf die Fiduciallinie, so wird man
                              daraus, wie weit dieselbe von 100° abweicht, erfahren, wie viel Neigung der
                              Gegenstand, den man untersucht, nach der Rechten oder Linken hat.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
